Zu 470 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP
Nachdruck vom 12. 2. 2001
Abweichende persönliche Stellungnahme
gemäß § 42 Abs. 5 GOG
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits
zum Bericht des Verfassungsausschusses über die Regierungsvorlage (401 der Beilagen) betreffend ein Bundesgesetz, mit dem Bestimmungen für privaten Hörfunk erlassen werden (Privatradiogesetz – PrR-G)
Grundsätzliches
Laut erläuternden Bemerkungen ist auf Grund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes eine Neuorganisation der Behördenstruktur des Regionalradiogesetzes dringend geboten. Außerdem sollen die Zuständigkeiten im fernmelderechtlichen und rundfunkrechtlichen Bereich zusammengeführt werden. Um diese Probleme zu lösen, gibt es einen Entwurf zur Einrichtung einer unabhängigen Regulierungsbehörde, wie beim Kabel- und Satellitenrundfunkgesetz sollte daher das verfassungsrechtliche Problem der Behörde dort gelöst werden. Dazu bedarf es keiner übereilten Novellierung des Regionalradiogesetzes, man sollte vielmehr, wie beim Privatfernsehen das Ergebnis des in Auftrag gegebenen Gutachtens abwarten.
Bundesweites Privatradio
Im Oktober 2000 hat der Infrastrukturminister ein Gutachten in Auftrag gegeben, da erhoben werden soll, ob und welche Frequenzen für weitere, insbesondere eine bundesweite Radiolizenz zur Verfügung stehen. Wenn es nicht nur für die Schublade gemacht werden soll, wäre es sinnvoll gewesen, wie im Fernsehbereich, das Ergebnis dieses Gutachtens abzuwarten. Nach dem derzeitigen Wissensstand (siehe auch Frequenznutzungsplan) gibt es nicht ausreichend Übertragungskapazitäten für ein bundesweites Privatradio. Solange daher nicht klar ist, ob überhaupt ausreichend Übertragungskapazitäten für einen bundesweiten Hörfunk vorhanden sind, ist es unsinnig einzelne Frequenzen nicht zur Verbesserung von Versorgungsmängeln bestehender Versorgungsgebiete bzw. Vergrößerung bestehender Versorgungsgebiete bzw. Schaffung neuer Versorgungsgebiete zu nutzen, sondern sie einer bundesweiten Radiolizenz – für die es voraussichtlich nicht genügend Übertragungskapazitäten gibt – vorzubehalten.
Außerdem ist zu bedenken, dass der Begriff bundesweiter Hörfunk nicht definiert ist. Gerade die Bestimmungen betreffend die Frequenzzuordnung hat aber der VfGH bereits einmal als verfassungswidrig aufgehoben, da diese Regelungen nicht dem Legalitätsprinzip entsprechend determiniert waren. Ich hatte gehofft, dass die Regierungsparteien daraus gelernt haben und die Warnungen der Grünen nicht neuerlich in den Wind schlagen. Wann kann man von einem bundesweiten Hörfunk sprechen? Ist dazu eine 50-, 60-, 70-prozentige oder noch höhere Versorgung der Bevölkerung Österreichs notwendig? Muss jedes Bundesland in einem bestimmten Ausmaß versorgt werden?
Änderung (Aufhebung) der Beteiligungsbeschränkungen
Die geltenden Bestimmungen des § 10 wurden zur Sicherstellung der Meinungsvielfalt und zur Aufrechterhaltung eines publizistischen Wettbewerbes geschaffen. Es sollte auf diese Weise eine weitere Konzentration der Meinungsmacht auf den regionalen Märkten in Österreich verhindert werden. Zugegeben, diese Bestimmungen haben den Zweck nicht wirklich erfüllt. Die Grünen haben daher auch von Anfang an Kritik daran geübt. Die Alternative kann jedoch nicht sein, Beteiligungsbeschränkungen praktisch überhaupt abzuschaffen. Nach den neuen gesetzlichen Bestimmungen kann jeder Medieninhaber auch eine Privatradiolizenz erhalten. Das heißt, eine weitere Konzentration im Medienbereich wird dadurch nicht nur nicht verhindert, sondern auch noch gefördert. Wie auch der Chefredakteur der Presse in seinem Kommentar vom 28. Oktober 2000 feststellte, haben wir in Österreich bereits eine Marktkonzentration im Medienbereich, die es weltweit nirgends gibt. „Das ist die größte Gefährdung der Demokratie, die je durch Medien entstanden ist. Gewiss werden Krone, News oder Profil auch künftig keine gleich lautenden Kommentare abdrucken. Aber ebenso gewiss wird der Konzern seine Medienmacht brutal benutzen, um die Politik dort zu diktieren, wo es Konzerninteressen gibt.“ (Siehe Kommentar von Andreas Unterberger in der Presse vom 28. Oktober 2000: „Die erste Macht im Staat“). Diese Macht wurde mit dem praktischen Außerkraftsetzen der Bestimmung betreffend die Privatstiftungen (ursprünglich sollten die Anteile einer Stiftung dem Stifter zugerechnet werden) wieder einmal deutlich unter Beweis gestellt.
Es ist daher politisch unverantwortlich, die Beteiligungsbeschränkungen fallen zu lassen und damit die in Österreich vorherrschende Medienkonzentration noch zu verschärfen. Dabei geht es nicht um die Absicherung österreichischer Medienunternehmen, da die größten österreichischen Medien längst mehrheitlich im Eigentum internationaler (deutscher) Medienkonzerne stehen. Die österreichischen Medienunternehmer bestimmen längst nicht mehr das Geschehen auf unserem Markt, sondern eben diese Konzerne, wie zuletzt der medienpolitisch bedenkliche Zusammenschluss von Profil und Format gezeigt hat.
Zur Sicherung der Meinungs- und Medienvielfalt sollte daher ein Marktanteilsmodell, wie es auch innerhalb der EU diskutiert wird, gesetzlich verankert werden. Medieninhaber, die bundesweit über einen Anteil von mehr als 30% verfügen, sollten generell als LizenzinhaberInnen im audiovisuellen Bereich und zwar auch von jeder Beteiligung ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sollten Medieninhaber, die in einem Bundesland über einen Marktanteil von mehr als 40% verfügen, ebenfalls als LizenzinhaberInnen oder an Beteiligungen ausgeschlossen sein, wenn es sich um ein Lokal- oder Regionalradio in diesem Bundesland handelt. Auch internationale Medienkonzerne sollten ausgeschlossen sein, wenn sie bereits an mehr als drei audiovisuellen Medien beteiligt sind.
Schleichende Enteignung per Gesetz
Die bestehende Privatrundfunkbehörde hat nach Erteilung der einstweiligen Bewilligung die 23 Lizenzen (deren Bescheide aufgehoben wurden) neuerlich ausgeschrieben. Die Zuteilung dieser Lizenzen kann wieder jeder Interessierte beantragen. Die Bewilligungen sind nach den geänderten gesetzlichen Bestimmungen zu beantragen und zu erteilen. In Hinkunft kann daher ein Medieninhaber nicht nur eine, sondern mehrere Radiolizenzen besitzen, solange sich die von den Zulassungen umfassten Versorgungsgebiete nicht überschneiden. Dies bedeutet, dass im Zuge einer neuerlichen Antragstellung Medieninhaber wie zB die Krone Media GmbH, die mitbeteiligten Gesellschafter, wie der Standard, die Presse, die Dornier Medien GmbH, der Wirtschaftsverlag, der Signum Verlag usw., nicht mehr benötigt. Diese Verlage und Medieninhaber können zwar selbständig einen Antrag stellen, Wien hat aber nicht so viele Lizenzen zu vergeben, um alle Medieninhaber zu berücksichtigen. Viele werden auch kein Interesse daran haben, einen selbständigen Antrag zu stellen. Es ist daher zu befürchten, dass viele Kleingesellschafter im Zuge der Neuvergabe der Lizenzen in Verbindung mit der Aufhebung der Beteiligungsbeschränkungen auf der Strecke bleiben werden. Die Neuvergabe der Lizenzen auf Grund der geänderten Beteiligungsverhältnisse wird also praktisch zu einer schleichenden Enteignung der Kleingesellschafter führen. Gesellschafter, wie der Standard, die Presse, der Dornier Verlag, der Wirtschaftsverlag ua. haben nicht unerhebliche Geldbeträge in die Beteiligung investiert, deren Funktion – ein Privatradio zu betreiben – mit der Novellierung des Regionalradiogesetzes praktisch verloren gegangen ist. Da der eigentliche Wert dieser Gesellschaft, nämlich die Lizenz für ein Regional- oder Lokalradio, nicht mehr vorhanden ist, werden diese Gesellschaften wohl ihre Beteiligungen als verlorene Investition abschreiben müssen. Juristen werden sich dann in der Folge mit allfälligen Haftungsfragen auseinander setzen.
Es sollte daher auch aus diesem Grunde mit der Novellierung des Regionalradiogesetzes zugewartet werden, zumindest aber die Vergabe dieser Lizenzen nach den derzeit geltenden Bestimmungen des Regionalradiogesetzes (von der neuen oder alten Regulierungsbehörde) vergeben werden. Auch wenn sich die politischen Verhältnisse geändert haben, so sollte doch für größtmögliche Rechtssicherheit auf allen Ebenen gesorgt werden, wenn man wirtschaftliche Investitionen fördern will.
Freie nichtkommerzielle Radios
Es ist heute einhellige wissenschaftliche Meinung und wurde auch in einem Bericht des Europäischen Parlaments festgestellt, dass wettbewerbsrechtliche Regelungen allein keine Garantie für Meinungsvielfalt und Pluralismus in den Medien bieten können. Die Praxis nach der Vergabe der Radiolizenzen zeigt dies deutlicher denn je. Die zunehmende Konzentration im Bereich der Werbung sowie deren erheblicher Einfluss auf Programme und Inhalte in den Medien bedingen insbesondere im kommerziellen Bereich eine Nivellierung der Programme auf relativ geringer qualitativer Ebene. Die Bespiele der kommerziellen Sender in Deutschland, aber auch die bereits in Österreich laufenden privaten Radioprogramme belegen, dass sich die Programme der kommerziellen Veranstalter/innen nicht wesentlich voneinander unterscheiden. Die Qualität der Hörfunk- und Fernsehprogramme droht somit durch die Kommerzialisierung mehr und mehr zu verflachen. Unter dem Druck des Werbemarktes wird versucht, einem „künstlich netten und freundlichen, homogenen Wertesystem“ entgegenzukommen, das niemanden repräsentiert und niemanden zu nahe tritt, indem es die Vielfalt zugunsten des kleinsten gemeinsamen Nenners zerstört.
Will man/frau Meinungsvielfalt gewährleisten, müssen bei der Vergabe der Lizenzen freie nichtkommerzielle Radiobetreiber/innen wie kommerzielle berücksichtigt werden. Nur dadurch kann ein wirklicher Pluralismus im Radiobereich sichergestellt werden. Die freien nichtkommerziellen Radios sind aber auch deshalb von Bedeutung, da damit ethnischen, kulturellen, sozialen und anderen Minderheiten der Zugang zum Recht auf freie Meinungsäußerung gesichert wird und sie damit zur Belebung demokratischer Diskussionen beitragen. Um diese begrüßenswerten Aktivitäten der schlagwortartig umrissenen „Zivilgesellschaft“ im Bereich des Privatradiogesetzes zu berücksichtigen, sollen die freien nichtkommerziellen Radios im Privatradiogesetz verankert werden.
Finanzierung freier nichtkommerzieller Radios
Im Maßnahmenkatalog des Ausschusses für Kultur und Erziehung des Europarates (Doc. 6344 vom 23. November 1990) wird eine ausreichende finanzielle Unterstützung der freien nichtkommerziellen Radios gefordert, um eine umfassende und qualitativ hochwertige Berichterstattung sicherzustellen. Auch die parlamentarische Versammlung hat in ihrer Resolution 957/1991 festgehalten, dass zur Wahrung der Unabhängigkeit die lokalen Privatradios finanziell unterstützt werden sollten.
Zur Wahrung der Unabhängigkeit ist es den freien Radios untersagt, Werbeeinschaltungen zu senden. Die Veranstaltung von freien Radios sollte daher finanziell abgesichert werden. Dies kann durch Einrichtung eines Fonds (wie in Frankreich praktiziert) oder durch Zweckwidmung eines Teiles der für die Radio- und Fernsehempfangsgeräte monatlich eingehobenen Gebühren, von denen der ORF nichts erhält und die jährlich immerhin zirka 750 Millionen Schilling ausmachen. Es ist sachlich durch nichts zu rechtfertigen, dass wir zwar im Printmedienbereich Förderungen zur Sicherung der Vielfalt verteilen (sogar an die Kronen Zeitung mehr als vier Millionen Schilling), den freien und Minderheitenradios die Förderung aber wieder streichen und diese damit in ihrer Existenz gefährden.
Übertragung der Lizenz
Die Übertragung der Zulassung ist derzeit nur im Zuge einer gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge möglich. Dh. eine Einzelperson darf keine GmbH gründen und die Lizenz in diese Gesellschaft einbringen oder die Umwandlung eines Vereines in eine GmbH ist ebenfalls ausgeschlossen. Diese Beschränkungen sind weder sinnvoll noch gerechtfertigt. Die Übertragung der Lizenz sollte daher generell möglich sein.