527 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP
Ausgedruckt am 22. 3. 2001
Bericht
des Ausschusses für innere Angelegenheiten
über die Regierungsvorlage (479 der Beilagen): Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden
Die internationale Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten deutlich intensiviert. Beispiele sind der Abschluss des Schengener Durchführungsübereinkommens (BGBl. III Nr. 90/1997, im Folgenden SDÜ) oder Initiativen der Europäischen Union zur Intensivierung der Polizeikooperation, wie etwa die Schaffung eines Europäischen Polizeiamtes, und in neuester Zeit auch Bestrebungen im Bereich der Vereinten Nationen, in deren Gremien Verhandlungen zur Schaffung einer internationalen Konvention gegen transnationale organisierte Kriminalität geführt werden.
Dass eine staatenübergreifende polizeiliche Zusammenarbeit auch zwischen Nachbarstaaten, noch dazu, wenn sie auf Grund ihrer geographischen Lage sehr enge kulturelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Verbindungen aufweisen, intensiviert werden sollte, muss nicht weiter betont werden. Der vorliegende Vertrag will daher die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden bei der Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und bei der Verhütung und Verfolgung von Straftaten verstärken.
Der Vertrag enthält Bestimmungen, die gesetzändernd und gesetzesergänzend sind. Er bedarf daher der Genehmigung des Nationalrates gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Er enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen und hat nicht politischen Charakter. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da Angelegenheiten des selbständigen Wirkungsbereiches der Länder nicht berührt werden.
Der Vertrag sieht sowohl Ermächtigungen zur informationellen als auch zur operationellen Zusammenarbeit durch Einschreiten von Organen der Sicherheitsbehörden auf dem Gebiet der Nachbarstaaten für die oben genannten sicherheits- und kriminalpolizeilichen Zwecke vor. Zollbehörden sind vom Vertrag nur erfasst, soweit sie diese polizeilichen Aufgaben wahrnehmen, für die Republik Österreich ist dies nur der Fall, soweit sie gemäß § 29 Zollrechtsdurchführungs-Gesetz an sicherheits- und kriminalpolizeilichen Aufgaben mitzuwirken haben oder ihnen die Durchführung der durch Sicherheitsorgane zu versehenden Grenzkontrolle übertragen wurde.
Im Bereich der informationellen Kooperation können sowohl strategische als auch einzelfallbezogene Informationen, insbesondere personenbezogene Daten für Zwecke der Gefahrenabwehr und Verhinderung und Bekämpfung von Straftaten ausgetauscht werden. Einzelne Regelungen ermächtigen auch zur informationellen Kooperation für die erste allgemeine Hilfeleistung und zu fremdenpolizeilichen Zwecken. In Ausnahmefällen sieht der Vertrag sogar einen polizeilichen Informationsaustausch anstelle der Leistung von Rechtshilfe durch Justizbehörden vor.
Die Regelungen ergänzen die Bestimmungen über die internationale polizeiliche Amtshilfe gemäß § 2 Abs. 1 und dem 2. Hauptstück des Polizeikooperationsgesetzes – PolKG, BGBl. I Nr. 104/1997, und präzisieren sie zum Teil. Neben einem Informationsaustausch über Ersuchen der Vertragsstaaten und ohne ein solches sieht der Vertrag auch eine Ermächtigung zum Austausch von Fahndungsdaten im Rahmen eines automatisierten Verfahrens vor, wodurch eine Ausweitung der jeweiligen nationalen Fahndungen nach Straftätern oder Abgängigen auf die Hoheitsgebiete der Vertragspartner möglich wird.
Die Bestimmungen über die informationelle Kooperation werden – soweit geboten – durch Datenrechtsregelungen ergänzt, wobei im Vertrag für das Fürstentum Liechtenstein vorgesehen wurde, dass dort bis zum Inkrafttreten eigener Datenschutzbestimmungen das Bundesrecht der Schweizerischen Eidgenossenschaft anzuwenden ist.
Die Befugnisse zur operationellen Kooperation ermöglichen den Organen der Sicherheitsbehörden, in bestimmten Einzelfällen auch auf dem Hoheitsgebiet der Nachbarstaaten einzuschreiten. Hierdurch wird jene völkerrechtliche Grundlage geschaffen, die § 16 Abs. 1 PolKG als Voraussetzung für diesen Kooperationsbereich festlegt. Die österreichischen Sicherheitsbehörden und ihre Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei Ausübung dieser Befugnisse auch die Regelungen des 3. Hauptstückes des PolKG zu beachten.
Neben den bereits aus Regelungen des Schengener Durchführungsübereinkommens bekannten Befugnissen der grenzüberschreitenden Nacheile und Observation sowie der Möglichkeit des Austausches von Verbindungsbeamten sieht der Vertrag noch weitere neue Instrumente der Zusammenarbeit vor, und zwar die Befugnis zur Durchführung kontrollierter Lieferungen über das Gebiet der Nachbarstaaten, die Ermächtigung zur Bildung gemeinsamer Kontroll-, Observations- und Ermittlungsgruppen, zum Einsatz gemischter Streifdienste im grenznahen Raum und in besonderen Fällen auch die Möglichkeit der Entsendung von Beamten zur Wahrnehmung hoheitlicher Befugnisse im Interesse des Nachbarstaates. Zudem sieht der Vertrag auch Maßnahmen zur wechselseitigen Unterstützung der Nachbarstaaten bei Großereignissen, Katastrophen und schweren Unglücksfällen vor.
Zur Restitution von Schäden, die bei der Ausübung grenzüberschreitender Befugnisse verursacht werden, gibt es im Vertrag besondere Haftungsbestimmungen. Bei grenzüberschreitenden Amtshandlungen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Republik Österreich sowie – subsidiär – bei Einschreiten von Organen der Vertragspartner auf österreichischem Hoheitsgebiet besteht auf Grund der Regelung des § 17 PolKG die Möglichkeit, bei den Unabhängigen Verwaltungssenaten in den Ländern Rechsschutz zu begehren.
Aus Gründen der Praktikabilität wurde in den Vertrag auch eine Bestimmung aufgenommen, die nicht die polizeiliche Zusammenarbeit betrifft, sondern die Zustellung von Schriftstücken im Rechtshilfeverkehr erleichtern soll.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 14. März 2001 in Verhandlung genommen.
Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Hohen Haus die Genehmigung des gegenständlichen Vertrages zu empfehlen.
Der Ausschuss für innere Angelegenheiten vertritt die Auffassung, dass der Vertrag einer unmittelbaren Anwendung im innerstaatlichen Bereich zugänglich ist, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Ausschuss für innere Angelegenheiten somit den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:
Der Abschluss des Staatsvertrages: Vertrag zwischen der Republik Österreich, der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Fürstentum Liechtenstein über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Sicherheits- und Zollbehörden (479 der Beilagen) wird genehmigt.
Wien, 2001 03 14
Werner Miedl Anton Leikam
Berichterstatter Obmann