556 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 27. 4. 2001

Bericht

des Gesundheitsausschusses


über die Regierungsvorlage (421 der Beilagen): Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta)


Das Arbeitsübereinkommen der Regierungsparteien der Bundesregierung für die XVIII. GP vom Dezember 1990 enthielt im Bereich des Gesundheitswesens ua. das Ziel, die Patientenrechte systematisch weiterzuentwickeln, wobei in diesem Zusammenhang auch die Kodifizierung der Patientenrechte Erwähnung fand.

Schon die ersten Diskussionen dieses Zieles hatten allerdings gezeigt, dass die Ursachen der eigentlichen Probleme in der Praxis kaum in nicht bestehenden Patientenrechten liegen, sondern dass die in der Rechtsordnung längst vorhandenen und durch die Judikatur abgesicherten Patientenrechte im Alltag bisweilen nur sehr schwer durchgesetzt werden können. Ein Grund für diese Schwierigkeiten liegt schon darin, dass die Patientenrechte über eine Vielzahl von Gesetzen verstreut sind. Der Kompetenzlage entsprechend finden sich Patientenrechte dabei sowohl in Bundes- als auch in Landesrechtsvorschriften. Als Beispiele für die erstgenannte Gruppe seien das Ärztegesetz 1998, die Sozialversicherungsgesetze und das Strafgesetzbuch genannt, auf Landesebene sind Bestimmungen über Patientenrechte ua. im Rahmen des Kompetenztatbestandes der Heil- und Pflegeanstalten in den Landeskrankenanstaltengesetzen sowie im Rahmen der in den ausschließlichen Wirkungsbereich der Länder fallenden Materien des Gemeinde­sanitätsdienstes und des Rettungswesens enthalten. Das Phänomen kompetenzrechtlich mit verschiedenen Aufgaben und unterschiedlichen Zuständigkeiten verquickter Materien („Querschnittsmaterien“) bringt es mit sich, dass zur Regelung einer einzelnen Frage stets der Gesetzgeber zuständig ist, der zur Regelung des jeweils angesprochenen Problembereichs insgesamt kompetent ist. Dies führt zu der oben erwähnten Zersplitterung der Regelungen über Patientenrechte, finden sich diese doch im Zusammenhang mit Zivil-, Straf- und Sozialversicherungsrecht ebenso wie in Ländermaterien.

Ein Bundespatientenrechtegesetz könnte daher – würde nicht zuvor eine Verfassungsänderung eine umfassende Bundeskompetenz für Patientenrechte schaffen – immer nur Teilbereiche lösen, es müsste damit immer unvollständig sein.

Hinzu kommt, dass der weitaus größte Teil der Patientenrechte keinesfalls legislatives Neuland darstellt. Patientenrechte wie Recht auf Verschwiegenheit, Recht auf Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und Recht auf Spitalsbehandlung bei Anstaltsbedürftigkeit finden sich längst in der positiven Rechtsordnung, andere essenzielle Patientenrechte sind auch ohne ausdrückliche Regelung seit langem in Literatur und Judikatur unbestritten (zB Recht auf Einsicht in die Kranken­geschichte, vgl. OGH 23. 5. 1984, 10 Ob 550/84). Der Mangel liegt somit nicht darin, dass diese Rechte nicht vorhanden wären, er liegt vielmehr in mangelnder Information und in Schwierigkeiten der Durchsetzung.

Der Charakter der Patientenrechte als Querschnittsmaterie, ihre Zersplitterung über zahlreiche Vor­schriften im Rahmen der Rechtsordnung des Bundes und der Länder, das dadurch bedingte Informa­tionsdefizit und nicht zuletzt aus diesem Grund verursachte Schwierigkeiten in der Durchsetzung führten zu der Überlegung, kein eigenes Patientenrechtegesetz auszuführen, sondern den Versuch zu unter­nehmen, auf der Grundlage einer Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG, in der sich Bund und Länder wechselseitig zur Sicherstellung der darin genannten Patientenrechte im Rahmen ihrer Zuständigkeiten verpflichten, eine losgelöst von der Kompetenzlage vollständige und übersichtliche Zusammenfassung aller Patientenrechte zu geben („Patientencharta“). Dabei soll freilich auch die Möglichkeit genützt werden, im Rahmen einer solchen Vereinbarung auch eine Weiterentwicklung der Patientenrechte vorzunehmen und einzelne Lücken zu schließen.


Diese Lösung bietet den großen Vorteil, dass sowohl längst bestehende wie auch neu zu schaffende Patientenrechte in einem Stück Bundesgesetzblatt zusammmengefasst sind, womit trotz kompetenz­rechtlicher Zersplitterung eine übersichtliche und vollständige Information möglich wäre.

Als Vorarbeiten für eine solche Vereinbarung über die Patientenrechte in Österreich wurde unter Beiziehung zahlreicher Experten im Rahmen einer Arbeitsgruppe im damaligen Bundesministerium für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz der Text einer Patientencharta erarbeitet und dem allgemeinen Begutachtungsverfahren zugeführt.

Die anschließenden Beratungen mit Vertretern der Länder und die formelle Befassung der Länder zeigten allerdings, dass die Bereitschaft aller Länder zum Abschluss einer derartigen Vereinbarung nicht vor­gelegen ist, sodass das Projekt damals nicht weiter verfolgt und zu einem Abschluss gebracht werden konnte.

Zwischenzeitig hat das Land Kärnten die genannte Vereinbarung bilateral mit dem Bund abgeschlossen (BGBl. I Nr. 195/1999).

Das Regierungsübereinkommen der Bundesregierung für die XXI. GP sieht unter dem Thema Patienten­rechte vor, dass die Bemühungen des Bundes auf Abschluss der Art.-15a-B-VG-Verträge mit den Bundes­ländern über die Verwirklichung von Patientenchartas fortzusetzen sind.

Nunmehr hat auch das Land Burgenland den Wunsch nach einem bilateralen Abschluss geäußert; diesem Wunsch wäre im Sinne der Weiterentwicklung der Patientenrechte und in Umsetzung des Regierungs­übereinkommens nachzukommen.

Für den Bund werden sich durch den Abschluss der Vereinbarung keine Mehrkosten ergeben, da es sich im Wesentlichen um eine Kompilation der sich aus der geltenden Rechtslage ergebenden Patientenrechte handelt.

Der Gesundheitsausschuss hat die Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 19. April 2001 in Verhandlung genommen.

An der Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Theresia Haidlmayr, Dr. Günther Leiner, Heidrun Silhavy, Dr. Kurt Grünewald, Mag. Brunhilde Plank und der Ausschussvorsitzende Dr. Alois Pumberger sowie der Staatssekretär im Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen Dr. Reinhart Waneck.

Bei der Abstimmung hat der Gesundheitsausschuss einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses der vorliegenden Vereinbarung zu empfehlen.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Gesundheitsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem Abschluss der Vereinbarung zur Sicherstellung der Patientenrechte (Patientencharta) (421 der Beilagen) die Genehmigung erteilen.

Wien, 2001 04 19

                              Dr. Brigitte Povysil                                                         Dr. Alois Pumberger

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann