607 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 23. 5. 2001

Bericht

des Finanzausschusses


über die Regierungsvorlage (554 der Beilagen): Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 29. September 2000 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften


Der Eigenmittelbeschluss bedarf der Annahme durch die Mitgliedstaaten und somit der Genehmigung durch den Nationalrat gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Dieser Beschluss ist nicht politisch, keine seiner Bestimmungen ist verfassungsändernd. Er ist in der innerstaatlichen Rechtslage unmittelbar anwendbar, sodass kein Erfüllungsvorbehalt erforderlich ist. Auch wird durch ihn der selbständige Wirkungsbereich der Länder nicht berührt. Mit dem zur Genehmigung gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG vorliegenden Eigenmittelbeschluss anerkennt Österreich die darin vorgesehenen Zahlungsverpflichtungen gegenüber der EG und der EAG. Diese Zahlungsverpflichtungen bewirken eine Minderung der verfügbaren Mittel der Haushalte der Gebietskörperschaften und somit einen Eingriff in Verfügungsrechte, die den für die Führung dieser Haushalte in Österreich zuständigen Staatsorganen vorbehalten sind. In dieser Hinsicht wird jedoch keine Änderung der bereits bestehenden Rechtslage bewirkt, da dieser Eingriff grundsätzlich bereits gemäß dem derzeit geltenden Eigenmittelbeschlusses des Rates vom 31. Oktober 1994, 94/728/EG, EURATOM, ABl. L 293/9 vom 12. November 1994 besteht.

Da der Eigenmittelbeschluss gesetzändernden bzw. gesetzesergänzenden Charakter hat, ist für seine erforderliche Annahme gemäß den verfassungsrechtlichen Vorschriften in Österreich die Genehmigung durch den Nationalrat nach Art. 50 Abs. 1 B-VG notwendig.

Mit den Finanzausgleichspartnern wurde vereinbart, dass die Eigenmittel aus dem Bundeshaushalt an den Gesamthaushalt der EU abgeführt werden und dass die dem Bund daraus erwachsenden Lasten im Sinne des § 4 F-VG 1948 im Wege finanzausgleichsgesetzlicher Regelungen durch die Länder und Gemeinden mitgetragen werden. Ab 2001 gilt hiefür § 10 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 Z 1 lit. a FAG 2001 (BGBl. Nr. 3/2001).

1. Die Grundsätze der Finanzierung des EG-Gesamthaushaltes

Art. 269 Abs. 1 EG-Vertrag legt fest, dass der Haushalt („Gesamthaushaltsplan der Europäischen Union“) unbeschadet der sonstigen Einnahmen vollständig aus Eigenmitteln finanziert wird. Hiedurch wird die finanzielle Unabhängigkeit der EG gegenüber den Mitgliedstaaten begründet. Die Einnahmen der EG werden nicht durch Finanzbeiträge (etwa wie Beiträge zu internationalen Organisationen) aufgebracht; vielmehr soll die EG bei der Finanzierung ihres Haushaltes unmittelbar auf eigene Einnahmen greifen können. Dieser Zugriff auf nationale Mittel erfolgte bisher stets unter wesentlicher Einbindung der Mitgliedstaaten, insbesondere dadurch, dass die Einhebung bzw. Abfuhr der Mittel nur durch Organe der Mitgliedstaaten erfolgt.

Allerdings kommen den Gemeinschaftsorganen wichtige Rechte zu:

–   Das materielle Recht für die Erhebung der traditionellen Eigenmittel – Abschöpfungen, Zölle und Zuckerabgaben – ist ausschließlich EU-Recht. [Die Ertragshoheit an diesen Abgaben ist abgestuft: Die Leistung der Abgaben erfolgt ausschließlich an den Mitgliedstaat; die Abfuhr der traditionellen Eigenmittel an die EG obliegt dem Mitgliedstaat und erfolgt – nach Abzug einer Einhebungsvergütung – teils auf Basis der festgestellten (dh. vorgeschriebenen), teils auf Basis der tatsächlich eingehobenen Abgaben. Die diesbezüglichen Durchführungsvorschriften ergehen gemäß Art. 8 des Eigenmittel­beschlusses; vgl. die Erläuterungen zu Art. 8].

–   Das Mehrwertsteuerrecht und die Erfassung des Bruttosozialprodukts sind Gegenstand von harmo­nisierenden EU-Vorschriften.

–   In Bezug auf die Vollziehung des Eigenmittelrechtes kommen der Kommission und dem Rat weit­gehende Informations- und Kontrollrechte zu.

–   An diesen Grundsätzen wird auch durch den neuen Eigenmittelbeschluss nichts geändert.

Weiters ergibt sich aus Art. 269 Abs. 1 EG-Vertrag. bzw. aus dem gleichlautenden Art. 173  Abs. 1 EAG-Vertrag, dass der EU-Gesamthaushalt nicht durch Anleihen und sonstige Finanzschulden finanziert werden darf; der Haushalt muss ausgeglichen sein (vgl. auch Art. 268 Abs. 3 EG-Vertrag).

Die Erzeugung der Rechtsgrundlagen für die Eigenmittel wird in Art. 269 Abs. 2 EG-Vertrag sowie in Art. 173 Abs. 2 EAG-Vertrag geregelt: Hiernach legt der Rat „auf Vorschlag der Kommission und nach Anhörung des Europäischen Parlaments einstimmig die Bestimmungen über das System der Eigenmittel der Gemeinschaft fest und empfiehlt sie den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungs­rechtlichen Vorschriften“.

Auf dieser Grundlage wurden die Eigenmittelvorschriften der EG erlassen. Die erste Regelung stammt aus dem Jahr 1970 und sah Agrarabschöpfungen, Zölle und eine an der Mehrwertsteuer orientierte Finanzie­rungsquelle vor. Dieses System gelangte erst ab 1980 zur vollständigen Anwendung, sodass das Finanzie­rungsgebot gemäß Art. 269 Abs. 2 EG-Vertrag erst relativ spät erfüllt wurde. Eine Weiterentwicklung dieses Systems erfolgte mit 1985, 1988 und 1994 gefassten Beschlüssen des Rates. Der Eigenmittel­beschluss 1994 ist Grundlage des derzeit noch geltenden Eigenmittelsystems, das durch den Eigenmittel­beschluss vom September 2000 abgelöst werden soll.

2. Derzeit geltende Rechtslage:

Der derzeit geltende Eigenmittelbeschluss des Rates 94/728/EG, EURATOM vom 31. Oktober 1994, ABl. L 293/9 vom 12. November 1994 basiert auf den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Edinburgh (11./12. Dezember 1992) und sieht gegenüber dem Beschluss aus 1988 insbesondere folgende Neuerungen vor:

–   schrittweise Anhebung der Eigenmittelobergrenze von 1,21% des BSP der 15 Mitgliedstaaten im Jahr 1995 bis 1,27% im Jahr 1999,

–   Senkung des Mehrwertsteuer-Eigenmittelhöchstsatzes von 1,32% im Jahr 1995 auf 1% im Jahr 1999,

–   Senkung der Kappungsgrenze bei der Mehrwertsteuer-Bemessungsgrundlage von 54% im Jahr 1995 auf 50% im Jahr 1999,

–   Einrichtung einer Reserve für Soforthilfe zugunsten von Drittländern sowie einer Reserve zur Finanzierung des Kreditgarantiefonds.

3. Der neue Eigenmittelbeschluss:

3.1. Die Beschlüsse des Europäischen Rates von Berlin (24./25. 3. 1999, vgl. EG-Bulletin EU-3-1999)

Aufbauend auf dem von der Europäischen Kommission im September 1998 vorgelegten Bericht über das Funktionieren des Eigenmittelsystems beschloss der Europäische Rat folgende Änderungen, die ab 2002, zum Teil bereits ab 2001, wirksam werden sollten:

–   Reduktion des maximalen Abrufsatzes für die Mehrwertsteuer-Eigenmittel von 1% auf 0,75% für die Jahre 2002 und 2003 sowie 0,50% ab 2004,

–   Änderung des Systems zur Berechnung der Korrektur für das Vereinigte Königreich (VK-Korrektur): Die VK-Korrektur wird um den Betrag verringert, der dem Vorteil infolge der Anhebung der Kosten für die Erhebung der traditionellen Eigenmittel entspricht, sowie um den Betrag, der sich zum Zeitpunkt der Erweiterung aus der Anpassung der Vorbeitrittsausgaben ergibt,

–   neuer Finanzierungsmodus der VK-Korrektur: Die Finanzierung ist so zu ändern, dass der Anteil Deutschlands, der Niederlande, Österreichs und Schwedens an der Finanzierung auf 25% ihres normalen Anteils reduziert wird,

–   Erhöhung der Einhebungsvergütung für die traditionellen Eigenmittel von derzeit 10% auf 25% mit Wirkung ab 1. Jänner 2001,

–   Revision des Eigenmittelsystems: Die Kommission wird aufgefordert, das Funktionieren des Eigen­mittelsystems einschließlich der erweiterungsbedingten Auswirkungen bis spätestens 1. Jänner 2006 zu überprüfen.

3.2. Die förmlichen Vorschläge der EG-Kommission für einen neuen EG-Eigenmittelbeschluss

Zur Umsetzung der politischen Beschlüsse des Europäischen Rates von Berlin hat die EU-Kommission am 8. Juli 1999 einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über das System der Eigenmittel der Europäischen Union [KOM(1999)333] unterbreitet (vgl. ABl. C 274/39 vom 28. 9. 1999), der am 1. Jänner 2002 in Kraft treten soll.

Darin schlug die Kommission neben der rechtlichen Umsetzung der oben angeführten Beschlüsse des Europäischen Rates weitere Änderungen vor:

–   Eigenmittelobergrenze: Die derzeitige Obergrenze von 1,27% des BSP der EU ist beizubehalten. Sollte die Anwendung des neuen Europäischen Systems Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen (ESVG 95) zu unterschiedlichen Schätzungen des BSP der Mitgliedstaaten sowie des BSP der Union insgesamt führen, wäre die Obergrenze entsprechend einer spezifischen Formel so anzupassen, dass die Höhe der verfügbaren Eigenmittel davon im Ergebnis unberührt bleibt;

–   vereinfachte Darstellung der VK-Korrektur: Die bisher praktizierte Darstellungsweise der VK-Korrek­tur erfordert eine doppelte Berechnung und soll künftig – weil überflüssig – aufgegeben werden;

–   kohärente Verwendung der Zahlen betreffend Einnahmen und festgestellte Ansprüche: Die Kommis­sion schlägt vor, dass für alle Berechnungen des VK-Korrekturbetrags die festgestellten Ansprüche der EU herangezogen werden, um die kohärente Berechnung der vorläufigen Schätzungen und des end­gültigen Korrekturbetrags zu gewährleisten;

–   allgemeine Bestimmungen betreffend Wirksamkeit einzelner Bestimmungen (neuer Art. 10);

–   kleine Änderungen und Aufhebung überholter Bestimmungen (Art. 6, Art. 9 und Art. 11  Abs. 2 lit. b erster Satz).

Darüber hinaus erhielt der Rat von den Dienststellen der Kommission im September 1999 das Arbeits­dokument „Berechnung, Finanzierung, Zahlung und Einstellung der Korrektur der Haushaltsungleich­gewichte in den Haushaltsplan gemäß den Art. 4 und 5 des Beschlusses des Rates über das System der Eigenen Mittel der EU“ über die Korrektur der Haushaltsungleichgewichte, mit dem das entsprechende Arbeitspapier aus dem Jahr 1994 ersetzt werden sollte.

3.3. Ratsberatungen; Europäisches Parlament

Die Vorschläge der EU-Kommission wurden auf Ratsebene intensiv beraten. Nach Vorlage der revidierten Fassung des Arbeitsdokuments zur Berechnung der VK-Korrektur, das in einer Erklärung zum Ratsprotokoll vom Rat einstimmig gebilligt wurde und im Einklang mit den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Berlin steht, konnte im April 2000 auf Ratsebene ein Gesamtkompromiss erzielt werden.

Am 8. Mai 2000 übermittelte der Rat dem Europäischen Parlament seinen gemeinsamen Standpunkt zum neuen Beschluss über das System der Eigenmittel der Europäischen Union, die Erklärungen zur Auf­nahme in das Ratsprotokoll bei Annahme des neuen Beschlusses und das Arbeitsdokument zur Berech­nung der VK-Korrektur.

Die in der Stellungnahme des Europäischen Parlamentes vom 17. November 1999 geforderten Ände­rungsvorschläge wurden vonseiten des Rates als zwar stichhaltig, jedoch über die Beschlüsse von Berlin weit hinausgehend gewertet und nicht in den Gemeinsamen Standpunkt übernommen.

Dem Änderungswunsch des Europäischen Parlaments nach einer Vorverlegung der Überprüfung des neuen Eigenmittelbeschlusses noch vor Ende des Jahres 2004 wurde im Rahmen der Konzertierungs­sitzung anlässlich des Haushaltsrates vom 20. Juli 2000 in Form einer Erklärung der Kommission für das Ratsprotokoll entsprochen.

Das Europäische Parlament hat sich bei seiner Tagung vom 20./21. September 2000 mit dem gemein­samen Standpunkt des Rates einverstanden erklärt.

Der Rat hat den Eigenmittelbeschluss bei seiner Tagung am 29. September 2000 (ABl. L 253/42 vom 7. 10. 2000) förmlich angenommen.

III. Finanzielle Auswirkungen:

Die voraussichtlichen Eigenmittelabfuhren 2000 bis 2006 (Gutschriften) sind der folgenden Tabelle zu entnehmen:

 

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

Mrd. Euro

vorl. Erfolg

BVA

Schätzung der Kommission

Trad. EM

0,270

0,270

0,225

0,225

0,225

0,225

0,225

MwSt-EM

0,818

0,818

0,594

0,613

0,363

0,376

0,390

BSP-EM

0,896

1,052

1,419

1,417

1,585

1,529

1,502

UK-Korr.

0,111

0,180

0,026

0,026

0,026

0,026

0,026

Summe

2,095

2,320

2,264

2,282

2,199

2,157

2,144

Der Finanzausschuss hat die Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 16. Mai 2001 in Verhandlung genommen und einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses des gegen­ständlichen Staatsvertrages zu empfehlen.


Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem Abschluss des Staatsvertrages: Beschluss des Rates der Europäischen Union vom 29. September 2000 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften (554 der Beilagen) die Genehmigung erteilen.

Wien, 2001 05 16

                                 Detlev Neudeck                                                                  Dr. Kurt Heindl

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann