610 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Ausgedruckt am 31. 5. 2001

Bericht

des Unterrichtsausschusses


über die Regierungsvorlage (580 der Beilagen): Bundesgesetz, mit dem das Schulorganisa­tionsgesetz und die 12. Schulorganisationsgesetz-Novelle geändert werden

1. Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der Polytechnischen Schule:

Der vorliegende Entwurf sieht in erster Linie die Überführung der Schulversuche zur Integration von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf in der 9. Schulstufe gemäß § 131a des Schul­organisationsgesetzes in das Regelschulwesen vor. Ziel ist es, die Integration im Regelschulwesen in allen Schularten der allgemein bildenden Pflichtschule, somit auch in der Polytechnischen Schule, zu führen. An der derzeitigen Regelung, wonach allgemein bildende Pflichtschulen (mit Ausnahme der Sonderschule – vgl. § 32 Abs. 2 des Schulunterrichtsgesetzes) höchstens zehn Schuljahre lang besucht werden können, soll festgehalten werden (siehe dazu die im Entwurf vorliegende Novelle zum Schulpflichtgesetz 1985).

Derzeit sind die schulorganisatorischen Voraussetzungen für einen gemeinsamen (integrativen) Schul­besuch von Kindern mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf eingeschränkt, dh. als Regel­schulform nur bis zur 8. Schulstufe möglich. Für den Schulbesuch nach der 8. Schulstufe stehen daher den Erziehungsberechtigten von Schülern mit Behinderungen bisher nur die Formen der Sonderschule bzw. Schulversuche an der Polytechnischen Schule und vereinzelt in einstufigen berufsbildenden mittleren Schulen zur Verfügung.

Die vorgesehenen Regelungen sowie die beabsichtigte Neugestaltung der §§ 18 und 19 des Schulpflicht­gesetzes 1985 sollen größtmögliche Flexibilität bei der Organisation des Schulbesuches für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Sonderschule, der Hauptschule oder der Poly­technischen Schule schaffen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass jedes Kind am Ende der allgemeinen Schulpflicht berufsvorbereitende und berufsorientierende Inhalte erhalten hat und auf den Eintritt in das Arbeitsleben vorbereitet wurde.

2. Politische Bildung als verpflichtender Lehrplanbestandteil an der Oberstufe der allgemein bildenden höheren Schule:

„Politische Bildung“ soll in der Oberstufe der allgemein bildenden höheren Schule als Pflichtgegenstand vorgesehen werden, wie dies im Bereich des berufsbildenden mittleren und höheren Schulwesens bereits der Fall ist (vgl. die §§ 55a und 68a des Schulorganisationsgesetzes). Dieses Vorhaben beruht auf zahlreichen Schulversuchserfahrungen und trägt weiters jahrelangen Forderungen der Bundesschüler­vertretung Rechnung.

3. und 4. Aufnahmsvoraussetzungen in die Oberstufe der allgemein bildenden höheren Schule sowie in berufsbildende höhere Schulen:

Die Adaptierung der Aufnahmsvoraussetzungen in die Oberstufe der allgemein bildenden höheren Schule soll der bewährten Neukonstruktion der Polytechnischen Schule (BGBl. Nr. 766/1996, Wirksamkeit mit 1. September 1997) Rechnung tragen und Absolventen der Polytechnischen Schule mit besonderen Leistungen zusätzliche Möglichkeiten eröffnen.

Der Entfall der Aufnahmsprüfung in die berufsbildende höhere Schule für Absolventen der 1. Klasse einer berufsbildenden mittleren Schule steht im Einklang mit der bereits im Land- und forstwirtschaftlichen Bundesschulgesetz verankerten Rechtslage.

Kosten:

Gemäß dem Finanzausgleichsgesetz 2001 dürfen zur Erreichung des Zieles der Stabilisierung der Personalausgaben für die Landeslehrer beginnend ab dem Schuljahr 2001/2002 im Bereich der Sonderpädagogik 3,2 Schüler je Lehrerplanstelle und im Bereich der Polytechnischen Schule neun Schüler je Lehrerplanstelle schrittweise bis zum Schuljahr 2004/05 nicht unterschritten werden.

Derzeit befinden sich etwa 1 700 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in Integrationsklassen auf der 8. Schulstufe (4. Klasse Hauptschule). Nach einer Schätzung (Stichprobe) werden 40% von diesen 1 700 Integrationsschülern ab Herbst 2001 auf der 9. Schulstufe der Polytechnischen Schule zu integrieren sein; (40% der Schüler werden im Hinblick auf die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht die Pflichtschule verlassen und 20% werden die Hauptschule abschließen).

40% von 1 700 Schülern sind 680 Schüler, die nunmehr im Regelschulwesen auf der 9. Schulstufe zu integrieren sein werden. Diese 680 Schüler werden bereits derzeit stellenplanmäßig mit dem Verteilungsschlüssel von 3,2 (Schüler) je Lehrerplanstelle berechnet und nehmen somit diese Ressourcen aus dem Stellenplan für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf mit.

Unter der Annahme, dass jeweils etwa durchschnittlich fünf Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf in eine Integrationsklasse aufgenommen werden, ergibt sich bei 680 zu integrierenden Schülern somit ein Bedarf an etwa 136 Integrationsklassen.

Die gegenüber „Nichtintegrationsklassen“ relativ niedrigere Klassenschülerzahl führt zu einem Mehr­bedarf an Klassen der Polytechnischen Schule, welcher maximal mit 30 Klassen anzunehmen sein wird (fünf Schüler pro Integrationsklasse dividiert durch Klassenschülerzahl 23 = 30 zusätzliche Klassen der Polytechnischen Schule österreichweit).

Diese Berechnungen haben zur Grundlage, dass in allen Landesgesetzen die Bandbreite der Klassen­schülerzahl in der Polytechnische Schule zwischen 20 und 30 Schülern beträgt und im Durchschnitt laut Schulstatistik 1998/99 rund 20 bis 25 Schüler eine Klasse der Polytechnischen Schule besuchen. Es wird davon ausgegangen, dass an den Standorten bei Führung von Integrationsklassen durch eine Erhöhung der Klassenschülerzahl in den übrigen Klassen (im Rahmen der landesgesetzlich festgelegten Bandbreite) weitgehend das Auslangen zu finden sein wird.

Im Übrigen ist festzustellen, dass bereits derzeit auf der Grundlage der Schulversuche gemäß § 131a etwa 300 Schüler integrativ betreut werden, die zum überwiegenden Teil im Schuljahr 2001/02 die allgemeine Pflichtschule verlassen werden und Stellenplanressourcen hinterlassen (somit für annähernd die Hälfte der im Schuljahr 2001/02 zu betreuenden 680 Schüler).

Insofern wird die Überführung der Schulversuche betreffend die Integration auf der 9. Schulstufe in das Regelschulwesen nur geringfügige (stellenplanbedingte) Mehrkosten verursachen, die jedoch auf Grund der regionalen Unterschiede und der Heterogenität der Schüler (9. bis 10. Jahr der Schulpflicht; unter­schiedliche Schulstufen) nicht eindeutig bezifferbar sind.

Im Hinblick auf die derzeit in den 2. und 3. Klassen der Hauptschule integrierten Kinder mit sonder­pädagogischem Förderbedarf (zirka 1 700 in der 2. Klasse und zirka 1 800 in der 3. Klasse) gelten obige Ausführungen analog für die Folgejahre.

Kompetenzrechtliche Grundlage:

Ein dem Entwurf entsprechendes Bundesgesetz gründet sich kompetenzrechtlich auf Art. 14 Abs. 1 B-VG und, soweit es Grundsatzbestimmungen aufweist, auf Art. 14 Abs. 3 lit. b B-VG.

Besondere Beschlusserfordernisse:

Gemäß Art. 14 Abs. 10 B-VG kann ein dem Entwurf entsprechendes Bundesgesetz als Angelegenheit der Schulorganisation vom Nationalrat nur in Anwesenheit von mindestens der Hälfte der Mitglieder und mit einer Mehrheit von mindestens zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen beschlossen werden.

Die auf Grund der grundsatzgesetzlichen Bestimmungen zu erlassenden Ausführungsgesetze der Länder sind mit 1. September 2001 in Kraft zu setzen. Die Frist für die Erlassung der Ausführungsgesetze beträgt weniger als sechs Monate, sodass eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 15 Abs. 6 B-VG erforderlich ist.

Der Unterrichtsausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 16. Mai in Verhandlung genommen.

An der sich an die Ausführungen der Berichterstatterin anschließenden Debatte beteiligten sich die Abgeordneten Dieter Brosz, Gabriele Heinisch-Hosek, Franz Riepl, Werner Amon, MBA, Dr. Robert Rada, Dr. Dieter Antoni, Mag. Brunhilde Plank, Dr. Gertrude Brinek, Beate Schasching, Mag. Karl Schweitzer, DDr. Erwin Niederwieser, Wolfgang Großruck, Mag. Chrisine Muttonen, Dr. Gerhart Bruckmann sowie die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer.

Im Zuge der Debatte brachten die Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Dr. Dieter Antoni und Genossen einen Entschließungsantrag ein.

Weiters brachten die Abgeordneten Dr. Dieter Antoni, Dieter Brosz und Genossen einen Ent­schließungsantrag ein.

Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf in getrennter Abstimmung teils einstimmig, teils mit Stimmenmehrheit angenommen.

Die von den Abgeordneten Gabriele Heinisch-Hosek, Dr. Dieter Antoni und Genossen bzw. von den Abgeordneten Dr. Dieter Antoni, Dieter Brosz und Genossen eingebrachte Entschließungsanträge fanden nicht die erforderliche Mehrheit.

Ferner beschloss der Unterrichtsausschuss mit Stimmenmehrheit nachstehende Ausschussfeststellung:

„Es wird vereinbart zu überprüfen, ob eine Aufnahme von Kindern ohne sonderpädagogischem Förderbedarf an Sonderschulen erfolgen kann und welche Auswirkungen sich hinsichtlich des gemeinsamen Unterrichts behinderter und nicht behinderter Kinder ergeben.“

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Unterrichtsausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (580 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.

Wien, 2001 05 16

                            Dr. Andrea Wolfmayr                                                       Werner Amon, MBA

                                 Berichterstatterin                                                                          Obmann