713 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP
Ausgedruckt am 3. 7. 2001
Bericht
des Finanzausschusses
über die Regierungsvorlage (633 der Beilagen): Bundesgesetz über einen österreichischen Beitrag zum Treuhandfonds für hochverschuldete arme Länder (HIPC-Trust Fund)
Die HIPC-Initiative (HIPC = Heavily Indebted Poor Countries, hoch verschuldete arme Länder) wurde von Weltbank und Währungsfonds 1996 gemeinsam vor dem Hintergrund der Erkenntnis eingeleitet, dass eine nachhaltige Entwicklung ohne dauerhafte Lösung des Überschuldungsproblems bei den am meisten verschuldeten Ländern nicht möglich ist. Die Lösung des Schuldenproblems muss daher als integrativer Teil der Entwicklungszusammenarbeit betrachtet werden bzw. in die Strategien zur Entwicklungszusammenarbeit eingebaut werden. Eine vernünftige Entwicklungspolitik muss die Schuldensituation des Entwicklungslandes berücksichtigen.
Für den Zugang bestimmter Länder zur HIPC-Initiative wurden Tragfähigkeitskriterien (im Wesentlichen Kennzahlen bezüglich der Relation von Schuldenstand und Schuldendienst zu den Exporterlösen) festgelegt. Diese Kriterien wurden 1999 im Rahmen einer Erweiterung dieser Initiative gelockert (erweiterte HIPC-Initiative), um eine Beschleunigung, Ausweitung und Vertiefung der Initiative zu erreichen; die Zahl der potentiellen HIPC-Länder hat sich dadurch auf 36 (theoretisch sogar 41 Länder) erhöht, davon die meisten in Afrika. Die Vertiefung und Ausweitung der Initiative wird insbesondere durch eine Reduzierung der Zielwerte erreicht, bis zu denen angenommen wird, dass die dann verbleibende Schuldenlast „tragbar“ sein wird. Insbesondere das Verhältnis von Schuldenstand zu Exporterlösen wird von derzeit 200 bis 250% auf 150% (bzw. Schuldenstand zu Einnahmen von 280% auf 250%) gesenkt.
Österreich ist durch die folgenden Komponenten von der HIPC-Initiative betroffen:
– Bilaterale Entwicklungshilfekredite im Ausmaß von rund 1,3 Milliarden Schilling wurden – zum Teil unabhängig von der HIPC-Initiative – bereits im Jahr 1998 abgeschrieben; weitere 310 Millionen Schilling sind aus technischen Gründen noch offen (Zuständigkeit des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten).
– Durch die Republik Österreich garantierte Exportkredite sind im Ausmaß von bis zu 13 Milliarden Schilling von der HIPC-Initiative betroffen; diese werden im Pariser Club abgehandelt. Schon bisher gab es Schuldenerleichterungen bis zu 80% für die betreffenden Länder. Im Jahr 1999 wurde beschlossen, die Schuldenerleichterung auf 90%, und in Einzelfällen auch darüber hinaus, anzuheben, sodass zusätzliche Erleichterungen gewährt werden. Die diesbezüglichen Modalitäten werden für jedes einzelne begünstigte Land im Pariser Club verhandelt.
– Österreich hat sich auch im Wege einer Verwendung von Mitteln der Oesterreichischen Nationalbank im so genannten SCA-2-Konto des Internationalen Währungsfonds an Finanzierungen im Zusammenhang mit der HIPC-Initiative im Ausmaß von 9,56 Millionen Sonderziehungsrechten (zirka 168 Millionen Schilling) beteiligt: „Bundesgesetz über die Beteiligung Österreichs an der HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries – Initiative zur Schuldenreduktion für die ärmsten Entwicklungsländer) im Rahmen des Internationalen Währungsfonds (IWF)“, BGBl. I Nr. 118/2000 vom 24. November 2000.
– Zur Finanzierung der Schuldenreduktion im Bereich der multilateralen Finanzinstitutionen wurde ein so genannter HIPC-Trust Fund bei der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) eingerichtet, an dessen Finanzierung sich Österreich bisher – im Gegensatz zu den meisten anderen Industriestaaten – noch nicht unmittelbar beteiligt hat. Unter Zugrundelegung der derzeit bekannten Daten und bisheriger Lastenverteilungs-Anteile bei IDA (rund 0,9% der Beiträge der Gebergemeinschaft) wäre mit einem österreichischen Beitrag von rund 40 bis 45 Millionen US-Dollar zu rechnen. Auf diesen Gesamtbeitrag ist der von der EU geleistete Beitrag zur HIPC-Initiative mit 19 Millionen US-Dollar anzurechnen. Mit Ratsbeschluss vom Dezember 1999 hat die EU einen HIPC-Beitrag von einer Milliarde Euro aus nicht zugewiesenen Geldern des Europäischen Entwicklungsfonds (EEF) bewilligt; davon sollen 680 Millionen Euro als Beitrag zur Finanzierung des HIPC-Treuhandfonds verwendet werden. Dieser EU-Beitrag wird den einzelnen EU-Mitgliedsländern im Verhältnis ihres Anteils am EEF als deren Beitrag zum HIPC-Treuhandfonds zugerechnet (damit entfallen auf Österreich 2,65% oder 19 Millionen US-Dollar).
Die HIPC-Initiative umfasst grundsätzlich die folgenden 41 Länder:
Angola, Äthiopien, Benin, Bolivien, Burkina Faso, Burundi, Chad, Côte d’Ivoire, Gambia, Ghana, Guinea, Guinea-Bissau, Guyana, Honduras, Kamerun, Kenia, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo, Laos, Liberien, Madagaskar, Malawi, Mali, Mauretanien, Mozambique, Myanmar, Nicaragua, Niger, Rwanda, São Tomé und Príncipe, Senegal, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Tanzania, Togo, Uganda, Vietnam, Yemen, Zambia und Zentralafrikanische Republik.
Diese Länder lassen sich nach derzeitiger Sicht in folgende Gruppen zusammenfassen:
– Ghana und Laos haben erklärt, dass sie keine Schuldenreduktion im Rahmen der HIPC-Initiative beantragen werden;
– Angola, Kenia, Vietnam und die Republik Jemen werden als Fälle angesehen, bei denen anzunehmen ist, dass sie ihre Schulden bewältigen können;
– Länder, bei denen der Entscheidungspunkt in der Zukunft liegt:
davon neun Länder, die sich in Konfliktsituationen befinden: Burundi, Demokratische Republik Kongo, Republik Kongo, Liberia, Myanmar, Sierra Leone, Somalia, Sudan, Zentralafrikanische Republik;
vier weitere Länder, die den Entscheidungspunkt ohne spezifische Begründung noch nicht erreicht haben: Äthiopien, Elfenbeinküste, Togo, Tschad;
– 22 Länder, die bis Ende des Jahres 2000 den Entscheidungspunkt erreicht haben (in der obigen Liste der 41 Länder unterstrichen).
Der Schuldenstock aller HIPC-Länder wird auf insgesamt etwa 71 Milliarden US-Dollar geschätzt. Die Kosten der erweiterten Initiative belaufen sich nach den letzten Berechnungen auf etwa 29 Milliarden US-Dollar (Barwert Ende 1999), wobei etwa je die Hälfte auf bilaterale und multilaterale Gläubiger entfällt. Den 22 Ländern, die bis Ende 2000 den Entscheidungspunkt erreicht haben, wurde ein Schuldennachlass zugesagt, der einem Barwert von etwa 20 Milliarden US-Dollar entspricht (sowohl bilaterale als auch multilaterale Schulden).
Der zur Finanzierung der HIPC-Initiative im Bereich der multilateralen Gläubiger bei der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) eingerichtete HIPC-Treuhandfonds soll aus der Verwendung von Teilen des Weltbank-Jahresgewinnes und aus bilateralen Beiträgen gespeist werden.
Österreich ist als Mitglied von Weltbank und IDA an der Entscheidung über die konkrete Vorgangsweise bei der Schuldenreduktion gemeinsam mit den anderen Mitgliedsländern beteiligt. Die Überprüfung der Finanzgebarung dieses HIPC-Treuhandfonds erfolgt nach den gleichen Kriterien und Richtlinien durch internationale Wirtschaftsprüfer wie bei der Weltbank und IDA.
Bisher wurden von einer Reihe von Ländern auf freiwilliger Basis bilaterale Beiträge geleistet bzw. angekündigt, die jedoch nur zögerlich kommen (Österreich hat bisher noch keinen direkten Beitrag geleistet, sondern erhält den oben erwähnten EU-Beitrag im Ausmaß von 19 Millionen US-Dollar angerechnet). Die bisher zugesagten Beiträge reichen jedoch nicht aus, den Finanzierungsbedarf nur annähernd zu decken. Es ist daher beabsichtigt, insbesondere für die bei der Weltbank und IDA kurzfristig entstehenden Kosten, vorerst IDA-Ressourcen zu verwenden, die vom HIPC-Treuhandfonds nach dem „pay as you go“-Prinzip refundiert werden bzw. durch eine entsprechende Erhöhung der Volumina späterer Wiederauffüllungen von IDA aufgebracht werden sollen.
Im Rahmen der Jahrestagung der Bretton Woods Institutionen in Prag Ende September 2000, bei der Österreich einen Beitrag zum HIPC-Treuhandfonds angekündigt hat, wurde der Fortschritt der HIPC Initiative überprüft und die Notwendigkeit der raschen Vorgangsweise bei der Abhandlung der Schuldenerleichterung bestätigt. Wie erwähnt, konnten bis Ende 2000 insgesamt 22 HIPC-Länder in die Initiative einbezogen werden.
Dieser im Rahmen der Jahrestagung 2000 von Weltbank und IWF in Prag angekündigte Beitrag Österreichs zum HIPC-Treuhandfonds würde, insbesondere wenn er wie vorgesehen noch im Jahr 2001 einbezahlt wird, einen international anerkannten unmittelbaren Beitrag zur Absicherung der HIPC-Initiative darstellen, der mit dem Barwert der Gesamtkosten der Initiative in Beziehung gesetzt werden kann. Im internationalen Zusammenhang ist darauf zu verweisen, dass zuletzt die skandinavischen Länder gemeinsam im Juni 2000 einen weiteren Beitrag zum HIPC-Trustfund von insgesamt 100 Millionen US-Dollar angekündigt haben.
Kompetenzgrundlage:
Bei diesem Gesetzesvorhaben handelt es sich um eine Materie gemäß Art. 42 Abs. 5 B-VG. Die Zuständigkeit des Bundesministers für Finanzen zur Vollziehung ist auf Grund Abschnitt D Z 11 der Anlage 2 zum Bundesministeriengesetz 1986 gegeben.
Der Finanzausschuss hat die gegenständliche Regierungsvorlage in seiner Sitzung am 27. Juni 2001 in Verhandlung genommen.
Bei der Abstimmung wurde der in der Regierungsvorlage enthaltene Gesetzentwurf einstimmig angenommen.
Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Finanzausschuss somit den Antrag, der Nationalrat wolle dem von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf (633 der Beilagen) die verfassungsmäßige Zustimmung erteilen.
Wien, 2001 06 27
Andreas Sodian Dr. Kurt Heindl
Berichterstatter Obmann