942 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

Nachdruck vom 18. 12. 2001

Bericht

des Außenpolitischen Ausschusses


über die Regierungsvorlage (766 der Beilagen): Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten samt Erklärung der Republik Österreich


Da das Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989, BGBl. Nr. 7/1993 (in der Folge Übereinkommen genannt), ein gesetzändernder und gesetzesergänzender Vertrag ist und daher vom Nationalrat genehmigt wurde, bedarf auch das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen betreffend Kinder in bewaffneten Konflikten der parlamentarischen Genehmigung gemäß Art. 50 Abs. 1 B-VG. Das Fakultativprotokoll hat nicht politischen Charakter und ist der unmittelbaren Anwendung im inner­staatlichen Rechtsbereich zugänglich, sodass eine Erlassung von Gesetzen gemäß Art. 50 Abs. 2 B-VG nicht erforderlich ist. Eine Zustimmung des Bundesrates gemäß Art. 50 Abs. 1 zweiter Satz B-VG ist nicht erforderlich, da keine Angelegenheiten, die den selbständigen Wirkungsbereich der Länder betref­fen, geregelt werden. Das Fakultativprotokoll enthält keine verfassungsändernden Bestimmungen.

Das Übereinkommen trat am 5. September 1992 in Österreich in Kraft und stellt die internationale Grundlage für den völkerrechtlichen Schutz der Rechte des Kindes dar. Es ist das erste internationale Vertragswerk, das sich ausschließlich mit dieser Materie befasst, und auf Grund einer umfassenden Rati­fikation aller Staaten der Welt mit Ausnahme der USA und Somalias zu einem universellen menschen­rechtlichen Vertrag geworden. Das Übereinkommen umfasst im Wesentlichen das Recht auf Gleichheit, auf Entfaltung der Persönlichkeit, das Recht auf Gesundheitsfürsorge, ärztliche Behandlung und soziale Absicherung, aber auch den im Zusammenhang mit dem Fakultativprotokoll betreffend Kinder in bewaffneten Konflikten relevanten Schutz des Lebens, der persönlichen Freiheit und Sicherheit des Kindes.

Im Sinne des Übereinkommens ist ein Kind jeder Mensch, der das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, soweit nicht nach dem auf das Kind anwendbare Recht die Volljährigkeit früher eintritt. Eine Ausnahme bildete bisher Art. 38 Abs. 2 des Übereinkommens im Hinblick auf die Teilnahme von Kindern an bewaffneten Konflikten. Gemäß dieser Bestimmung müssen Vertragsstaaten sicherstellen, dass Personen, die das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, nicht unmittelbar an Feindseligkeiten teil­nehmen. Art. 38 Abs. 3 enthält ein Verbot der Eingliederung von Kindern unter 15 Jahren in Streitkräfte, wobei die Vertragsstaaten aufgerufen werden, aus der Gruppe von Personen, die das 15. Lebensjahr, nicht aber das 18. Lebensjahr vollendet haben, vorrangig die jeweils Ältesten einzuziehen.

Schon während der Verhandlungen zum Übereinkommen wurde dessen Art. 38 von einer Reihe von Staaten, darunter Österreich, kritisiert. Es wurde insbesondere betont, dass diese Bestimmung hinter dem II. Zusatzprotokoll zu den Genfer Konventionen 1949 betreffend nichtinternationale bewaffnete Kon­flikte zurückbleibe, dessen Art. 4 Abs. 3 lit. c sowohl die unmittelbare als auch die indirekte Teilnahme von Kindern an Feindseligkeiten verbietet. Ferner wurde hervorgehoben, dass die Aufforderung „alle durchführbaren Maßnahmen“ in dieser Hinsicht zu ergreifen, als Rückschritt gegenüber dem II. Zusatz­protokoll angesehen wird, das besagt, dass Kindern unter 15 Jahren die Teilnahme an Feindseligkeiten „nicht erlaubt werden“ darf. Ein höherer Standard im Übereinkommen scheiterte schließlich am Widerstand derjenigen Staaten, die eine Ausweitung der Regelungen des II. Zusatzprotokolls auf alle bewaffneten Konflikte als nicht erwünschte Modifizierung des bestehenden humanitären Völkerrechts ansahen und eine Ausdehnung dieser Norm im Zusammenhang mit internationalen bewaffneten Konflikten und der Rolle von Kindern in derartigen Konflikten ablehnten.

Österreich gab anlässlich der Annahme des Übereinkommens eine Erklärung zu Art. 38 ab. Darin erklärte Österreich, von der durch Art. 38 Abs. 2 und Abs. 3 eröffneten Möglichkeit, die Altersgrenze für die Teilnahme an Feindseligkeiten bzw. zur Einziehung in die Streitkräfte auf Jahre festzusetzen, inner­staatlich keinen Gebrauch zu machen, da diese Bestimmungen mit dem in Art. 3 Abs. 1 des Überein­kommens vereinbarten Grundsatz des vorrangigen Wohles des Kindes unvereinbar sei. Weiters erklärte Österreich, dass Art. 38 Abs. 3 auf Grund der damals geltenden Verfassungsrechtslage mit der Maßgabe anzuwenden sei, dass nur männliche österreichische Staatsbürger der Wehrpflicht unterliegen würden.


Die in den letzten Jahren erneut weltweit aufgetretenen schweren und oft systematischen Menschenrechts­verletzungen in internationalen und internen gewaltsamen Auseinandersetzungen bis hin zum Genozid, in denen Kinder sowohl direkt als auch indirekt an Kampfhandlungen teilnehmen, haben das öffentliche Bewusstsein betreffend die Situation von Kindern in bewaffneten Konflikten verschärft. Das Problem der „Kindersoldaten“ mit meist langwierigen oder unumkehrbaren psychischen Schäden für den Einzelnen sowie schwierigen gesellschaftlichen Wiedereingliederungsprozessen hat sich durch den Anstieg bewaffneter Konflikte in der letzten Dekade noch vervielfacht. Über fünf Jahre hinweg wurde daher mit Blick auf eine völkerrechtliche Besserstellung von Kindern in gewaltsamen und kriegsähnlichen Gefah­rensituationen auf internationaler Ebene verhandelt.

Der im Übereinkommen in Art. 38 geregelte Schutz von Kindern in bewaffneten Konflikten soll unter anderem durch Anhebung des Mindestalters für die Teilnahme an bewaffneten Konflikten gestärkt werden. Wie bereits bei den Verhandlungen zum Stammübereinkommen vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes als auch von Österreich mit Nachdruck releviert, sieht das Fakultativprotokoll im Kern die Anhebung des Mindestalters für den Eintritt in staatliche und nichtstaatliche Militärdienste auf 18 Jahre vor. Gleichzeitig wird das zulässige Mindestalter für freiwillige Militärdienstleistung mit 16 Jah­ren normiert, wobei diese Personen unter 18 Jahren nach dem Übereinkommen Anspruch auf besonderen Schutz haben.

Dies ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber Art. 77 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen 1949 zum Schutz von Kindern in internationalen bewaffneten Konflikten, der das diesbezügliche Mindestalter mit 15 Jahren festsetzt. In der Einschränkung auf direkte Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten und der Aufforderung, „alle durchführbaren Maßnahmen“ zum Schutz der betroffenen Kinder zu ergreifen, bleibt die Bestimmung allerdings weiterhin hinter dem zitierten II. Zusatzprotokoll betreffend nichtinternationale bewaffnete Konflikte zurück. In diesem Punkt ist Art. 1 des Fakultativprotokolls etwa auch enger gefasst als die noch nicht in Kraft stehende African Charter on the Rights and Welfare of the Child vom Juli 1990, die Tätigkeiten, die in einem mittelbaren Zusammen­hang mit der Teilnahme an Feindseligkeiten stehen, in den Schutzbereich mit einbezieht.

In Anbetracht der in diesen Positionen reflektierten politischen Sensibilität der Materie für viele Regie­rungen kann daher in der generellen Anhebung der Altersgrenze für die Involvierung von Kindern in bewaffneten Konflikten von einem wichtigen Durchbruch zum effektiven völkerrechtlichen Schutz von Kindern und weiter greifenden Maßnahmen umfassender Konfliktprävention gesprochen werden.

Der Außenpolitische Ausschuss hat den gegenständlichen Staatsvertrag in seiner Sitzung am 6. Dezember 2001, die nach Unterbrechung durch den Ausschussobmann am 11. Dezember 2001 fortgesetzt wurde, in Verhandlung genommen.

Bei der Abstimmung wurde einstimmig beschlossen, dem Nationalrat die Genehmigung des Abschlusses dieses Staatsvertrages zu empfehlen.

Der Außenpolitische Ausschuss vertritt die Auffassung, dass im vorliegenden Fall die Erlassung eines besonderen Bundesgesetzes gemäß Artikel 50 Abs. 2 B-VG zur Erfüllung des Staatsvertrages entbehrlich erscheint.

Als Ergebnis seiner Beratungen stellt der Außenpolitische Ausschuss den Antrag, der Nationalrat wolle beschließen:

           1. Der Abschluss des Staatsvertrages: Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten samt Erklärung der Republik Österreich (766 der Beilagen) wird genehmigt.

           2. Gemäß Artikel 49 Abs. 2 B-VG ist das Fakultativprotokoll dadurch kundzumachen, dass es in arabischer, chinesischer, französischer, russischer und spanischer Sprache zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten aufliegt.

Wien, 2001 12 11

                             Wolfgang Großruck                                                              Peter Schieder

                                   Berichterstatter                                                                           Obmann