IV-17 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Dienstag, 10. Dezember 2002

 

 

 

 

 

 

 

 


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Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode        Dienstag, 10. Dezember 2002

Tagesordnung

1. Europäischer Rat Kopenhagen

RAT 14798/02

Europäischer Rat am 12. und 13. Dezember 2002

Erläuterte Tagesordnung

(71299/EU XXI. GP)

2. Antrag des Bundeskanzlers auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung über die Fest­setzung der Pauschalvergütung für die Leistungen von Rechtsanwälten im Rahmen der Ver­fah­rens­hilfe vor den unabhängigen Verwaltungssenaten (UVS-Verfahrenshilfe-Pauschalver­gü­tungs­­verordnung 2003) (Vorlage 190/HA)

3. Bericht der Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten auf Zustimmung zum Be­schluss der Bundesregierung betreffend Fortsetzung der Entsendung von Stabsmitgliedern im Rahmen des multinationalen Friedenseinsatzes in Bosnien und Herzegowina (SFOR) (Vorlage 194/HA)

4. Unterrichtung über die Nominierung eines Mitgliedes im Ausschuss der Regionen (Vorla­ge 191/HA)

5. Bericht des Bundesministers für Finanzen über das Ausmaß der auf Grund des Ausfuhrför­de­rungs­gesetzes 1981 übernommenen Haftungen, Haftungsinanspruchnahmen und Rückflüsse aus Haftungsinanspruchnahmen in der Zeit vom 1. Juli bis 30. September 2002 (3. Quartal 2002) (Vorlage 192/HA)

6. Antrag des Bundesministers für Inneres auf Zustimmung zur Erlassung der Verordnung, mit der die Sondereinheiten-Verordnung geändert wird (Vorlage 193/HA)

Beginn der Sitzung: 16.03 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer eröffnet die Sitzung des Hauptausschusses, begrüßt Bundes­kanzler Dr. Schüssel und Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Reich­hold und teilt mit, dass sich Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten Dr. Ferrero-Waldner wegen ihrer Teilnahme an der Ratssitzung in Brüssel entschuldigt hat.

Obmann Dr. Fischer stellt erstens fest, dass diese Sitzung, in der EU-Materien behandelt wer­den, öffentlich ist, und schlägt zweitens vor, die Tagesordnung derart umzustellen, dass die Tagesordnungspunkte 3 und 4 umgereiht werden.

Er lässt über den Vorschlag abstimmen, die Tagesordnung umzustellen. – Das wird einstimmig angenommen.

Weiters bittet er gemäß § 40 GOG um Zustimmung zu einem Beschluss betreffend Ladung je­ner Personen, die Mitglieder des EU-Konvents sind. – Das wird einstimmig angenommen.

Abschließend verkündet er, dass für die Mitglieder des Hauptausschusses eine Redezeit von 120 Minuten im Verhältnis SPÖ 39, Freiheitliche und ÖVP je 29 sowie Grüne 23 Minuten fest­gesetzt wurde. Redezeiten für Regierungsmitglieder seien darin noch nicht berücksichtigt.

Gegen diese Vorgangsweise werden keine Einwendungen erhoben.

1. Punkt

Europäischer Rat Kopenhagen

RAT 14798/02

Europäischer Rat am 12. und 13. Dezember 2002

Erläuterte Tagesordnung

(71299/EU XXI. GP)

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel berichtet über die abschließenden Vorbereitungs­sitzungen vor dem wichtigen Europäischen Rat in Kopenhagen, der ein Erweiterungsgipfel sei. Aus diesem Grund sei auch die Außenministerin in Brüssel, um dort die österreichische Position zu vertreten; dies habe auch der Infrastrukturminister in der vergangenen Woche im Verkehrs­ministerrat getan. Diese Verhandlungen seien nicht erfolgreich abgeschlossen worden und da­her sei man noch in einer sehr schwierigen Verhandlungssituation den Transit betreffend. (Im Aus­schusslokal werden Ton- und Bildaufnahmen durch den ORF gemacht.)

Obmann Dr. Heinz Fischer stellt klar, dass der Ausschuss zwar medienöffentlich ist, aber kein Beschluss auf Ton- und Bildaufnahmen gefasst worden sei.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel setzt fort, dass Dänemark von Beginn an klargestellt hat, dass der Abschluss der Beitrittsverhandlungen die Hauptpriorität der dänischen EU-Prä­si­dentschaft sein werde. Auf das Ziel eines rechtzeitigen Verhandlungsabschlusses mit den zehn Beitrittskandidaten habe die dänische Präsidentschaft bisher auch sehr konsequent und er­folg­reich hingearbeitet. Wie schon der Europäische Rat in Brüssel am 24. und 25. Oktober wer­de auch der Europäische Rat in Kopenhagen praktisch ausschließlich der Erweiterung ge­widmet sein.

Zunächst gehe es vor allem darum, die historische Beitrittsperspektive für die zehn Kandidaten­länder zu gewährleisten, aber auch Bulgarien und Rumänien einen Zeithorizont bis 2007 anzu­bie­ten und diesen beiden Ländern eine verstärkte Heranführungshilfe zu geben.

Allgemein werde der erste und wichtigste – und der noch am meisten strittige – Punkt das Fi­nanz­paket sein, das drei Kernelemente habe: Der erste Bereich seien dabei die Direkt­zahlun­gen. Die Kommission habe für die neuen Mitgliedstaaten ein so genanntes Phasing-in-Modell vorgesehen, nach dem diese in den Jahren 2004 bis 2007 25, 30, 35 beziehungsweise 40 Pro­zent der Direktzahlungen der heutigen Mitgliedstaaten bekommen. Danach werden die Zahlun­gen pro Jahr um 10 Prozent steigen, bis im Jahr 2013 100 Prozent erreicht sein werden.

In der Finanzperiode von 2007 bis 2013 werde man die jährlichen Gesamtausgaben für die Teil­­rubrik 1a – also die marktbezogenen Ausgaben und die Direktzahlungen, nicht aber die ländliche Entwicklung – auf dem in Berlin für das Jahr 2006 vorgesehenen Niveau, allerdings in realen Werten, deckeln, die nominellen Ausgaben für diese Teilrubrik werden pro Jahr um 1 Pro­zent erhöht.

Der zweite Bereich in diesem Finanzpaket seien die Strukturmaßnahmen, wobei die neuen Mit­glied­staaten im Zeitraum 2004 bis 2006 Verpflichtungsermächtigungen für Struktur- und Ko­häsions­fonds in der Höhe von insgesamt 23 Milliarden € bekommen. Österreich habe gefordert, dass es nach der Erweiterung zu keiner Reduktion der Mittel für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen den alten und neuen Mitgliedstaaten komme; das sei gerade für die Grenzregionen von besonderer Bedeutung. Das sei auch ausdrücklich von der Kommission zu­ge­sagt worden, obwohl die Mittel für die Strukturfonds um insgesamt 2 Milliarden € gekürzt wor­den seien.

Der dritte Bereich seien die Eigenmittel und die Haushaltsungleichgewichte. Ab ihrem Bei­tritt müssen die Mitgliedstaaten den vollen Acquis übernehmen, das heiße, sie müssen die nor­ma­len Mitgliedsbeiträge bezahlen. Wenn allerdings – und das wäre bei einigen gut situierten Län­d­ern wie Slowenien oder Estland der Fall gewesen – der voraussichtliche Saldo der Zah­lungs­ströme zwischen Gemeinschaftshaushalt und den einzelnen Kandidaten im Vergleich zu 2003 negativ ausfallen sollte, werde man vorübergehende Kompensationen vorsehen. Auf die­se Art und Weise solle verhindert werden, dass die neuen Mitgliedsländer nach dem Beitritt schlech­ter gestellt werden als vor dem Beitritt.

Der dänische Vorsitz habe sehr viele bilaterale Verhandlungen mit dem Ziel geführt, die Schluss­­runde optimal vorzubereiten. Ihm, Schüssel, habe der dänische Ministerpräsident Ras­mus­sen auf Grund von dessen Tour des Capitales folgende Zahlen genannt: In Berlin seien seiner­zeit 42,6 Milliarden € an Verpflichtungsermächtigungen und 34,5 Milliarden € an echten Zah­­lungsermächtigungen vereinbart worden. Das habe für eine EU-Erweiterung ab dem Jahr 2002 und für sechs Länder gegolten. In Brüssel habe man fixiert, dass das für zehn Länder und ab dem Jahr 2004 gelten solle.

Nach dem Europäischen Rat in Brüssel seien einige zusätzliche Adaptionen vorgenommen wor­den. Die errechneten Einnahmen der EU aus den Beitragszahlungen der zehn neuen Mit­glied­staaten werden voraussichtlich 14,5 Milliarden € für den Zeitraum 2004 bis 2006 betragen. Die dänische Präsidentschaft habe darüber hinaus folgendes Paket vorgeschlagen:

Erstens könnten die neuen Mitgliedsländer die Einstiegshilfe von 25 Prozent aus eigenen Haushaltsmitteln bis auf 40 Prozent erhöhen, aber auch Mittel für die ländliche Ent­wicklung in der Höhe von bis zu 20 Prozent umschichten. Dieser Vorschlag helfe den Beitritts­kan­didaten, sei für den Gemeinschaftshaushalt kostenneutral und ausschließlich auf die Dauer der geltenden finanziellen Vorausschau beschränkt.

Zweitens habe die Präsidentschaft für die einzelnen Mitgliedsländer in der Landwirtschaft für Milch, Getreide und Rindfleisch das Produktionsquotenangebot verbessert. Das bedeute Mehr­kosten für den Gemeinschaftshaushalt für die gesamte Periode von drei Jahren in der Höhe von etwa 280 Millionen €.

Drittens solle für die Errichtung der Schengen-Außengrenze eine eigene Schengen-Fazilität eingerichtet werden; das sei im Wesentlichen eine Investitionshilfe – damit die neuen Mit­glieds­län­der die Sicherung der Außengrenze optimal vornehmen können –, die entsprechend der Län­ge der Außengrenze umgewidmet werde. In Summe seien dafür 900 Millionen €, drei Mal 300 Millionen €, vorgesehen.

Viertens gebe es eine einmalige Ausgleichshilfe, einen Cashflow in der Höhe von bis zu einer Milliarde € nur für das Jahr 2004.

Fünftens sei die Erhöhung der Mittel für die nukleare Sicherheit – vor allem für die Schlie­ßungs­kosten für die Kernkraftwerke in Ignalina und in Bohunice – vorgesehen. Diese Stillle­gungs­kosten beliefen sich auf 105 Millionen € und kämen noch zusätzlich dazu.

Einige Länder wie die Slowakei, Slowenien, Estland, Malta und Zypern hätten diese Vorschläge im Wesentlichen akzeptiert, Polen hingegen noch nicht; einige andere Fragen seien auch noch offen. Würde dieses Kompromisspaket akzeptiert werden, dann bedeute das einen Kos­ten­rahmen von 40,2 Milliarden € an Verpflichtungsermächtigungen beziehungsweise 23,8 Mil­liarden € an Zahlungsermächtigungen. Dieses Ergebnis liege bei den Verpflichtungs­ermäch­ti­gungen um 2,4 Milliarden €, bei den Zahlungsermächtigungen sogar um 10,75 Milliarden € un­ter der Berliner Obergrenze, es liege allerdings bei den Verpflichtungsermächtigungen um 900 Mil­li­onen € und bei den Zahlungsermächtigungen um 560 Millionen € über dem, was in Brüs­­sel vereinbart worden sei. Man müsse allerdings auch dieses Ergebnis vor dem Hinter­grund sehen, dass ja in Brüssel die Strukturfondsmittel um 2,5 Milliarden € gekürzt worden seien, was heiße, dass das, was eigentlich insgesamt als Reserve zur Verfügung gestanden sei, nicht zur Gänze umgewidmet werde.

Durch die Verschiebung des Beitrittsdatums von 1. Jänner 2004 auf 1. Mai 2004 ergebe sich auch eine finanzielle Verschiebung. Zunächst verringerten sich einerseits die Ausgaben für die marktbezogenen Landwirtschaftshilfen um etwa 200 Millionen €, andererseits werde man aber nicht 5 Milliarden € an Eigenmitteln einnehmen, sondern ab 1. Mai 2004 nur aliquot 3,5 Milli­arden €. Umgekehrt würden natürlich die vorgesehenen Mittel für die Vorbeitrittshilfen im Jahr 2004 nicht mehr abgerufen, der anteilige Betrag mache also ungefähr 650 Millionen € aus. Wenn man das zusammenrechne, dann koste die Erweiterung die heutigen EU-15 in den Jah­ren 2004 bis 2006 netto 9,24 Milliarden €. Das seien pro Person, auf 370 Millionen EU-Bür­ger umgelegt, etwa 25 € für drei Jahre.

Bundeskanzler Dr. Schüssel erklärt weiters, dass es einige ganz entscheidende Weichen­stel­lun­­gen, die auch schon im Beitrittsprozess angesprochen worden seien, gebe, nämlich be­treffend die Ar­beit­nehmerfreizügigkeit und die grenzüberschreitenden Dienstleistungen. In den Dokumenten seien die entsprechenden Übergangsfristen bis maximal sieben Jahre be­stätigt, die jedoch in eigener Kompetenz durchgesetzt werden können. Damit seien die Sorgen rund um den Ar­beits­markt beseitigt.

Betreffend bilaterale grenzüberschreitende Zusammenarbeit und INTERREG-Programme in Grenz­regionen könne man mit Freude sagen, dass das zur Verfügung stehende Mittelvolumen etwa 220 Millionen € betrage, die Hälfte davon komme aus EU-Mitteln, der Rest werde von Ös­ter­reich kofinanziert. Auf innerösterreichischer Seite habe man für den gesamten Zeitraum von den Gemeinschaftshaushalten 350 Millionen € zur Verfügung gestellt bekommen, das werde natürlich von Bund und Gemeinden kofinanziert.

Weiters hätten die österreichischen INTERREG-Programme noch zusätzlich um 3,5 Millionen € auf­gestockt werden können. Die transnationalen INTERREG-Programme mit österreichischer Beteiligung und Verwaltung seien um 17 Millionen € erhöht worden. Das seien vor allem Pro­jekte zur Vernetzung, zum Erfahrungsaustausch und Informationsveranstaltungen. Es gebe auch einen eigenen Schwerpunkt für die Vorbereitung der KMUs auf die Erweiterung. Dabei wer­den vor allem die regionalen Wirtschaftskammern gemeinsam mit Deutschland, Italien, Finn­land und Griechenland in der so genannten ARGE 28 gefördert. Außerdem gebe es eigene Jugend­programme et cetera.

Die Frage der Arbeitsweise des Rates sei ein Thema, wozu die Präsidentschaft einen eigenen Re­port vorlege und mehrere Optionen vorschlage. Er, Schüssel, persönlich habe sich immer für die Beibehaltung der sechsmonatigen Rotation beim Ratsvorsitz ausgesprochen. Natürlich wis­se er, dass man Reformen werde durchführen müssen, wenn 25 Mitgliedsländer in der EU seien und somit jedes Land nur noch alle 12,5 Jahre an die Reihe komme. Trotzdem werde ent­schei­dend sein, dass erstens das Prinzip der Gleichheit der Mitgliedstaaten gewahrt bleibe, zweitens die Kohärenz und die klare Verantwortlichkeit nicht gegen die Kontinuität ausge­spielt werden und drittens das institutionelle Gleichgewicht erhalten bleibe.

In diesem Sinne könne er durchaus mit der Idee einer Teampräsidentschaft etwas anfangen. Man könne klarere mehrjährige Arbeitsprogramme oder institutionalisierte Aufgabenteilungen durch­führen. Wogegen er sich jedoch immer massiv ausgesprochen habe, sei ein gewählter Präsident des Europäischen Rates, was eine Zentralisierung der Macht nach sich ziehen würde. Das werde mit den Ansprüchen demokratischer Legitimität, Bürgernähe und Transparenz nicht ver­einbar sein. Außerdem würde eine solche Lösung das institutionelle Gleichgewicht deutlich beeinträchtigen und die Kommission schwächen.

Bei den Außenbeziehungen sehe er das größte Potential für Verbesserungen. Da sollte man für ein verstärktes konsistentes Auftreten der EU mit einer Stimme sorgen. So könnte der Hohe Ver­treter für die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik dort und auch im Allgemeinen Rat den Vorsitz übernehmen und das Wort führen.

Es gebe eine Reihe von Berichten an den Europäischen Rat, zum Beispiel in der Sprachen­fra­ge, den Präsidentschaftsbericht zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik, den Drogen­aktions­plan, das Steuerpaket, den Bericht zur Ukraine, den Bericht betreffend Nördliche Dimen­sion, digitales Fernsehen, Plattform Mobilfunk der dritten Generation, elektronischen Geschäfts­ver­kehr sowie bessere Gesetzgebung.

Natürlich werde eine Diskussion mit Präsident Giscard d’Estaing mit dem Ziel stattfinden, vor allem den Zeitplan mit ihm abzustimmen, damit man gemäß den Konventvorlagen rasch die Ein­setzung einer Regierungskonferenz, die hoffentlich noch vor den Wahlen zum Euro­päischen Parlament ihre Arbeit abschließen könnte, vornehmen könne.

Als letzten Punkt gebe es mit der Verankerung des Melker Protokolls betreffend Temelín ein wei­teres Problem auf technischer Ebene. Es sei mit Tschechien abgesprochen gewesen, diese bilaterale Vereinbarung als Protokoll zu den Beitrittsakten hinzuzufügen. Damit sei die Anrufung des Europäischen Gerichtshofes voll gewährleistet gewesen, damit nach dem Beitritt Tsche­chiens der volle Rechtszug zum Europäischen Gerichtshof möglich wäre.

Das sei akzeptiert, im COREPER und im Allgemeinen Rat ohne Widerspruch zur Kenntnis ge­nom­men worden; das sei auch in der Erweiterungskonferenz in einer zweiseitigen Erklärung jeweils von Österreich und von der Tschechischen Republik bestätigt und von der Kommission so vorgeschlagen worden. Am heutigen Tag habe dieses Vorhaben aber vor allem von Seiten Großbritanniens zu massi­vem Widerstand geführt. Daher sei dieser Punkt nicht abgeschlossen worden. Er, Schüssel, be­harre natürlich darauf, dass in diesem Bereich das eingehalten werde, was auch vereinbart wor­den sei – sowohl mit Tschechien als auch mit der Europäischen Kom­mis­sion –, eben dass in einem Streitfall die Anrufung des Europäischen Gerichtshofes möglich sei.

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Mathias Reichhold berich­tet, dass sich im Rahmen der Verhandlungen gezeigt habe, dass viele Länder dem Kompro­miss­vor­schlag von Laeken, der auf der Ebene der Staatschefs getroffen worden sei, nicht fol­gen konnten oder wollten. Es habe immer wieder Kritik daran gegeben, dass es Österreich in den letzten zehn Jahren verabsäumt habe, entsprechende Ausbauvorhaben im Schienenbe­reich zu verwirklichen. Diesem Manko sei die jetzige Regierung mit dem Generalverkehrsplan be­gegnet und deshalb hätten die EU-Mitgliedstaaten zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Investitionsprogramme in Österreich nun sehr stark im Bahninfrastrukturbereich zu greifen be­gännen.

Österreich habe in einer eigenen Arbeitsgruppe, die den Berliner Prozess eingeleitet habe, nach­ge­wiesen, dass es möglich sei, den Brenner-Basistunnel im Wege einer Querfinan­zierung zu projektieren und zu bauen, und dass mit einer Harmonisierung der einzelnen Bestim­mungen im Eisenbahnrecht in den angrenzenden Ländern wie Italien und Deutschland und mit kleineren Inves­ti­tions­schritten entlang der bestehenden Bahninfrastrukturen die Kapa­zität be­reits zwi­schen 25 und 30 Prozent gesteigert werden konnte. Das seien Argumente, mit denen Öster­­reich gehofft habe, dass der Vorschlag, der in Laeken beschlossen worden sei, letzt­endlich auch umgesetzt werden könne. In den Verhandlungen selber hätten insbesondere Deutschland, Italien, Belgien, die Niederlande und Griechenland gegen diesen Vorschlag gestimmt.

Als Alternative sei ein Vorschlag angeboten worden, der eine Liberalisierung der schad­stoff­armen LKW-Klasse EURO 4 zum Inhalt gehabt, jedoch keine Kürzung der noch bestehenden Ökopunkte für die LKW-Klassen EURO 0 bis EURO 3 in einem derart hohen Ausmaß vorge­sehen habe, mit dem die Zahl der Fahrten und auch der Schadstoffausstoß auf die im Beitritts­protokoll festgelegten Zahlen minimiert worden wären. 60 Prozent Schadstoffreduktion seien in den Akten festgelegt. Mit dem Vorschlag, den die dänische Präsidentschaft vorgelegt habe, wä­re dieses Ausmaß an Reduktion nicht erreichbar gewesen. Deshalb sei Österreich bei den Ver­handlungen auf Ebene der Verkehrsminister auch hart geblieben, denn Gegenvorschläge seien dort nicht angenommen worden.

Der Bundeskanzler habe eine Runde von Experten eingeladen, bei der auch die Landeshaupt­leute der vom Transit am meisten betroffenen Länder wie Tirol, Vorarlberg oder Salzburg anwe­send gewesen seien. (Zwischenruf des Abg. Dr. Einem.) – Was den Transit betreffe, sei das der­zeit noch nicht der Fall, aber wenn sich die Prognosen erfüllen, dann sei natürlich auch Wien in dieser Diskussion enthalten. Umso wichtiger sei es, dass das Ökopunktesystem bis zur Ein­führung der Wegekostenrichtlinie verlängert werde.

In diesem Gespräch habe sich einhellig die Meinung durchgesetzt, einen Vorschlag zu erar­bei­ten, der die 60-prozentige Schadstoffreduktion sicherstellt. Dieser Vorschlag sei auch von den Ex­perten berechnet und von der Außenministerin in den Verhandlungen vertreten worden. Die­se Verhandlungen seien vor kurzem gescheitert, sodass beim EU-Gipfel in Kopenhagen die Transitfrage noch zu diskutieren sein werde.

Abgeordneter Dr. Caspar Einem (SPÖ) äußert sich dahin gehend, dass Europa und Öster­reich als Teil Europas vor einem ganz wesentlichen Schritt stehen, nämlich vor der Entschei­dung zugunsten der Aufnahme von zehn neuen Mitgliedern in die Europäische Union. Das sei nicht nur die größte Erweiterung, die die Union bisher vornehme, sondern in vielerlei Hinsicht ein besonderer Erweiterungsschritt, da erstmals Staaten des ehemals staatskommunis­tischen Bereichs in die Europäische Union aufgenommen werden und dadurch quasi eine Wiedervereinigung Europas herbeigeführt werde.

Die SPÖ halte das für einen wichtigen und sehr positiven Schritt, weil das die Möglichkeit Europas sei, Frieden und Stabilität auf diesem Kontinent nicht nur zu erhalten, sondern auch, geographisch gesehen, beträchtlich auszuweiten. Daher stehe man dieser Entscheidung unein­geschränkt wohlwollend gegenüber.

Es gebe allerdings einige Dinge, bei denen durchaus Anlass zu Kritik bestehe beziehungs­weise mit Bedauern festzustellen sei, dass sie nicht gelungen seien und wohl auch nicht gelin­gen werden. Dazu zähle etwa der Versuch, der zumindest im Rahmen des Vorschlags der Kommis­sion – auch schon anlässlich der mid-term-review und vor dem Beitritt neuer Mitglieds­län­der – durchaus unternommen worden sei, nämlich eine grundsätzlich neue Weichen­stel­lung in der Agrarpolitik vorzunehmen. Der schließlich erzielte Kompromiss habe zwar Hinder­nisse für die Erweiterung beseitigt, was positiv zu werten sei, das Ergebnis sei aber teuer und wer­de nicht zur Verbesserung der Finanzströme innerhalb der EU beitragen. Die EU werde wei­ter­hin den bei weitem größten Teil ihrer Mittel für die Landwirtschaft ausgeben, was nicht zweck­mäßig sei. Diese Chance sei versäumt worden, wozu auch Österreich beigetragen habe. Die SPÖ habe das im Vorfeld kritisiert und vorgeschlagen, einen anderen Weg zu gehen.

Weiters sei es wichtig – und er begrüße diesbezüglich den Bericht des Bundeskanzlers –, dass anlässlich der Er­weiterung ausreichend Mittel zur Verfügung gestellt werden, um auch nach ihrem Beitritt in die Infrastruktur der Erweiterungskandidatenländer zu investieren, da man nach dem Prinzip der Solidarität, das der Union innewohne, dafür sorgen müsse, dass mög­lichst rasch ein einigermaßen einheitliches Niveau nicht nur der infrastrukturellen Ausstattung, sondern auch des Wohlstands, der Einkommen und der wirtschaftlichen Aktivitäten erzielt werde. Die dafür zu treffende Vorsorge sei daher in den geschilderten Dimensionen ge­rechtfertigt.

Betreffend Konvent sei die SPÖ der Überzeugung, dass es in hohem Maße notwendig gewesen sei, diesen Konvent einzusetzen, und es richtig gewesen sei, den Erweiterungskandidaten­län­dern die Möglichkeit zu geben, in vollem Umfang im Konvent mitzuwirken. Das Mandat, das Laeken gegeben habe, sei vielleicht etwas zu kleinlich gewesen; die Kandidatenländer müssten gleichberechtigt beteiligt werden, denn nur so werde gewährleistet, dass sie bei der Umsetzung des­sen, was der Konvent als Vorlage für die Regierungskonferenz ausarbeite, entsprechend mit­wirken.

Es sei entscheidend, dass es tatsächlich zu maßgeblichen Vereinfachungen und zu einer Stär­kung der parlamentarischen Dimension der Europäischen Union komme, vor allem deshalb, weil es im Interesse der Effizienz der Entscheidungsfindung in einer EU der 25 – und später noch mehr – nötig sei, Verfahren zu finden, die rasch und demokratisch eindeutig legitimiert zu Er­geb­nissen führen. Das könne nur geschehen, indem die Rolle des Europäischen Parla­ments – und im Vorfeld die Rolle der Europäischen Kommission – gestärkt werde.

Er sei der Auffassung, dass man dafür Sorge tragen müsse, dass Europa mit einer Stimme spre­che. Es sei wünschenswert, die beiden heute getrennten Funktionen zusammenzuführen und zu weiteren Verbesserungen zu kommen. Da sei noch viel Arbeit zu leisten und der Kon­vent werde große Mühe haben, in der gesetzten Frist bis Juni substantiell zu einer Lösung zu kommen.

Aus österreichischer Sicht sei zu sagen, dass man am Vorabend der Erweiterungsentscheidung in Kopenhagen in zwei speziellen Interessenfeldern vor einem Scherbenhaufen stehe. Im Falle Temelín und Melker Prozess sei ein in der Sache relativ schwaches inhaltliches Ergebnis er­zielt worden. Die Einklagbarkeit beim Europäischen Gerichtshof sei nicht zustande gebracht worden, was kein Ruhmesblatt für Österreich sei.

Bezüglich Transit seien die letzten drei Jahre als Chance weitgehend versäumt worden, die Ver­­handlungen seien nicht erfolgreich gewesen, was Anlass zu einer kritischen Analyse sei. Wenn Bundesminister Ing. Reichhold als Argument anführe, die EU habe gesagt, in den letz­ten zehn Jahren seien von österreichischer Seite kaum Aktivitäten gesetzt worden, so sei das falsch. Die höchste Investitionsrate in den Schienenbereich sei in den Jahren 1998/99 erzielt worden, sie sei dann unter freiheitlichen Verkehrsministern gesunken und erst jetzt wieder angestiegen. Der Generalverkehrsplan habe in dieser Hinsicht gar nichts bewirkt, da er keine Finanz­mittel beinhalte. Die Realität sei, dass die Bemühungen Österreichs für eine Übergangs­lösung für den Transitvertrag nicht konsistent betrieben worden seien:

Erstens werde man mit einer „Ho-ruck-Politik“ – entweder man bekomme eine Verlängerung oder man werde nötigenfalls ein Veto gegen die Erweiterung einlegen – keine Partner auf euro­päischer Ebene bekommen. Ursprünglich sei die Kommission dem österreichischen Anlie­gen gegenüber relativ offen gewesen, sein, Einems, Eindruck sei, dass Bemühungen, andere Part­­ner zu finden, mit deren Hilfe eine Lösung erzielbar gewesen wäre, nicht nachhaltig betrie­ben worden seien. Das, worum es in einer Übergangsregelung gegangen wäre, wäre eine Re­ge­lung zwischen dem Auslaufen des österreichischen Transitvertrags und dem Inkrafttreten einer neuen Wegekostenrichtlinie auf Basis der Vorschläge der Kommission zu finden. Ihm seien keine Aktivitäten österreichischer Regierungsmitglieder bekannt, mit denen man zumin­dest darauf Einfluss nehme, die Vorschläge der Kommission endlich umzusetzen. Wenn es ge­län­ge, relativ bald zu einer tragfähigen Lösung im Rahmen der Wegekostenrichtlinie zu kom­­men, könnte Österreich auch substantiell einiges gewinnen. Es werde im Wesentlichen am Bun­deskanzler liegen, der der Erfahrenste in der Regierung sei und gelegentlich Erfolge erzielt habe, nun bei den Verhandlungen dafür zu sorgen, dass den österreichischen Interessen Rech­nung getragen werde.

Abgeordneter Dr. Einem weist darauf hin, dass die vom Transit betroffenen Länder keineswegs nur die westlichen Bundesländer seien und es ihm unverständlich sei, warum nur die drei Lan­­deshauptleute aus Tirol, Vorarlberg und Salzburg zu einem Gespräch eingeladen worden seien. Die Zahlen sprächen eine eindeutige Sprache: Was die Menge des Transitverkehrs an­gehe, sei der Osten des Bundesgebiets mindestens so stark, wenn nicht sogar stärker, von Tran­­sit­fahrten betroffen wie Tirol. Das Problem in den Tiroler Tälern liege in der Abgasbe­las­tung, aber das restliche Österreich sei durch die dramatische Zunahme der Zahl der Fahrten mas­siv beeinträchtigt. Bundeskanzler Dr. Schüssel solle diesen Gesichtspunkt entsprechend in die Gespräche mit einbeziehen.

Abgeordneter Dr. Werner Fasslabend (ÖVP) stellt fest, dass die Erweiterung ein historisches Ereignis für Europa sei. Europa werde sein Wesen und seine Bedeutung verändern und mit neuen Problemen konfrontiert sein. Das Gleiche gelte für Österreich, vier Nachbarstaaten kä­men als neue Mitglieder dazu, wodurch sich die Position Österreichs entscheidend verän­dern werde. Insbesondere die innere Struktur der EU stehe auf dem Prüfstand, ebenso die Fra­ge der Führung und der inneren Kohärenz. Es werde ungleich schwieriger sein, 25 Mit­glieds­länder in die gleiche Richtung zu bringen – noch dazu bei einer derart unterschiedlichen Aus­gangs­­position. Auf Grund der unterschiedlichen wirtschaftlichen und demokratischen Ent­wicklung der Beitrittskandidaten werde es eine große Aufgabe sein, die Union in ihrer inneren Substanz weiter zu festigen.

Im Zuge der notwendigen Straffung der Führungsorganisation sollen gewisse Prinzipien nicht leichtfertig aufgegeben werden. Es stelle sich die Frage der Gleichheit aller Mitglieder bei 25 Mitgliedern und jene der Dominanz einiger weniger großer im Vergleich zu den anderen. Die Po­sition der österreichischen Bundesregierung, dass sich die Frage der halbjährlich wechseln­den Präsidentschaft in Zukunft anders stellen werde, sei absolut richtig. Man solle auch Modelle andenken, in denen es eine Teampräsidentschaft gibt. Doch das grundsätzliche Recht, als gleich­berechtigter Partner entsprechend mitreden zu können und in den Gremien ver­treten zu sein, dürfe nicht in Frage gestellt werden. Er, Fasslabend, hält es auch für außer­ordent­lich wich­tig, dass es in den bisherigen Gesprächen gelungen sei, in der Außenpolitik einen Schritt wei­ter­zukommen.

Für Österreich sei die siebenjährige Übergangsregelung auf dem Arbeitsmarkt ein großer Er­folg. Dadurch werde es ermöglicht, abgestuft nach den realen Erfordernissen, den Notwen­dig­­keiten entsprechend Rechnung zu tragen, nämlich auf die unterschiedlichen Lohnniveaus Rücksicht zu nehmen und die soziale Sicherheit nicht in Frage zu stellen.

Bezüglich der Bewertung der Frage des Transits und der Sicherheit der Atomkraftwerke sei er anderer Ansicht als Abgeordneter Dr. Einem. Er finde es bedauerlich, dass einer seiner, Einems, unmittelbaren Vorgänger als Verkehrsminister eine zeitlich begrenzte Regelung für den Tran­­sitvertrag getroffen habe und nun Kritik daran komme, dass von der jetzigen österreichi­schen Regierung alles unternommen werde, um ein Maximum für Österreich herauszuholen. Ös­­terreich versuche bis zur letzten Minute, in der Verhandlungsführung das Inkrafttreten einer Einigung bezüglich Verkehr und Energie nicht nur in Frage zu stellen, sondern diese Ka­pitel sogar wieder aufzumachen. Die Außenministerin habe diese für Österreich vitale Frage zum Gegenstand der letzten Ratssitzung gemacht und habe die Verhandlungen dann abge­bro­chen. Es sei unfair und unklug, gerade in dieser Situation keine Einigkeit Österreichs an den Tag zu legen, sondern ein kleinliches politisches Schauspiel aufzuführen. Das stärke die Posi­tion Österreichs nicht, sondern schwäche sie.

Weiters findet Abgeordneter Dr. Fasslabend es bedauerlich, dass gerade der deutsche Außen­minister, der ja den Grünen angehöre, Österreich in die Situation gebracht habe, dass jede Einigung im Sinne Österreichs abgelehnt werde. Es sei unverständlich, dass die österreichi­sche Bundesregierung kritisiert werde, die Grünen aber selbst nicht in der Lage seien, bei ihren Par­teifreunden in Deutschland und in anderen Ländern entsprechendes Verständnis für Öster­reich zu erreichen. So hätte eine gemeinsame mitteleuropäische Haltung erreicht werden kön­nen.

Von der Opposition werde kritisiert, dass die Regierung einen zu harten Kurs gefahren sei, aber zwi­schenzeitlich sei das auch bei der Opposition der Fall gewesen. Vor einem Jahr sei im „Ku­rier“ gestanden, dass im Tiroler Landtag ein Vier-Parteien-Antrag beschlossen worden sei, der eine künftige Transitregelung mit einer Vetodrohung für die Beitrittsverhandlungen ver­knüpfe. Jene, die auf der einen Seite selbst mit Veto gedroht hätten, machten auf der anderen Seite der Regierung diese Vetodrohung zum Vorwurf. Er, Fasslabend, glaube daher, dass man gemeinsam versuchen solle, das Maximum für Österreich herauszuholen. Der Verkehrsminister und die Außenministerin hätten das in eindrucksvoller Art und Weise getan, indem sie die Be­din­gungen, die von Brüssel gekommen seien, nicht akzeptiert haben.

Die Bedeutung des Einigungsprozesses solle aber nicht unterschätzt werden, im Vordergrund sol­le Europa stehen. Österreich erhalte im wirtschaftlichen, im politischen und im sozialen Be­reich ein neues Umfeld, das nicht nur dessen angestammte Rolle in Mitteleuropa mit be­einflussen werde.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) moniert, dass das Procedere im Haupt­aus­schuss nicht ganz nachvollziehbar sei. Die Vorredner hätten zwar zu Recht darauf hingewie­sen, dass es sich bei der Erweiterung um einen der historischsten Momente in Europa in die­sem Jahrtausend handle, als Unterlage für diese Diskussion sei aber nur ein erläuterter Tages­ordnungsentwurf zugesandt worden und leider wieder keine schriftliche Positionierung der Regierungsparteien, wie sie als Diskussionsgrundlage sehr wertvoll wäre.

Sie verstehe, dass diese Tagesordnung Leerstellen bei der Türkei aufweise, aber sie fragt be­züglich der Feststellung auf Seite 3 über den Beitrittsvertrag und die Rolle der neuen Mit­glied­staaten in der Kommission, innerhalb welchen zeitlichen Ablaufs diese schon ab Mai 2004 in der Kommission vertreten sein werden, da ja die neue Kommission erst am 1. November 2004 ihr Amt antreten und vom Europäischen Parlament bestätigt werde und zum gleichen Zeitpunkt die Bestimmungen des Vertrags von Nizza eintreten. Darauf sei schon etliche Male hinge­wiesen worden. Sie ersucht Bundeskanzler Dr. Schüssel, die österreichische Position zu dieser Frage klarzulegen.

Sie vermisse weiters eine Stellungnahme dazu, wie es mit den Balkanländern, die im Beitritts­prozess noch nicht angesprochen seien, weitergehe.

Außerdem merkt sie zur innerösterreichischen Diskussion in Sachen Finanzierung der Agrar­reform an, ob es da nicht einen Vorstoß in die Richtung geben könnte, dass das Fischler-Mo­dell auf Basis der mid-term-review eine stärkere Ökologisierung der Landwirtschaft mit allen Aus­wirkungen auf die Preisstruktur bewirke.

Betreffend Konvent sagt sie, dass im Konvent selber ein enormer Zeitdruck entstehe, der sich da­durch verschärfe, dass sehr viele Kommentare von Regierungsebene abgegeben werden, die teilweise diametral zur Ebene der jeweils delegierten Konventmitglieder liegen. Dazu hätte sie gerne eine Präzisierung der Haltung von Bundeskanzler Dr. Schüssel, ebenso zur Frage der rotierenden Präsidentschaft und dazu, wie ein Alternativmodell aussehe.

Die Themen Verkehr und Transit seien zentral. Die ÖVP könne seit Jahren nicht einmal ihre bayeri­schen Kollegen im Europaparlament dazu bringen, die österreichischen Transitregelun­gen nicht zu bekämpfen; daher sei der Vorwurf in Richtung des deutschen Außenministers gänzlich unangemessen. Die österreichischen Grünen hätten sehr wohl etliche Male mit den deutschen Grünen Kontakte gehabt, aber das Verkehrsministerium in Deutschland sei nicht grün besetzt. Beim Hörbranz-Transit zeichne sich schon eine halbwegs positive Änderung ab.

Zur so genannten Vetodrohung des Tiroler Landtags empfiehlt sie Abgeordnetem Dr. Fassl­abend die Lektüre des Protokolls der Landtagssitzung, in der die Mitglieder der Österreichi­schen Volkspartei, der Grünen und der Sozialdemokraten sehr klar präzisiert haben, dass es sich dabei nicht um eine Vetodrohung gehandelt habe.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger meint, dass die derzeit in Diskussion stehende Lösung für die sachli­che Argumentation nicht brauchbar sei. Es gebe lediglich auf Basis der Ökopunkte keine Lö­sung bezüglich des Schadstoffausstoßes. Erklärbar sei das durch die Ergebnisse von Un­ter­suchungen der Universität Graz, die besagen, dass die so genannten sauberen LKWs, die wenige Ökopunkte bezahlen müssen, im Realbetrieb gar nicht sauberer seien, als das im COP-Do­kument aufscheine. Sie halte es daher für unverzichtbar, auf Grund dieser Situation die Ober­grenze derzeit aufrechtzuerhalten und auf deren Basis eine neue Lösung zu suchen.

Sie bittet auch darum, keinerlei Kompromisse im Bereich der LKW-Klasse EURO 4 einzugehen, denn über deren reale Emissionen wisse man noch nichts. Diese seien in den Versuchen noch nicht beinhaltet. Wenn diese LKWs in Zukunft 25 Prozent des Gesamttransits einnehmen sollten, so hätte man ein großes Problem.

Sie bringt den Antrag auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger betreffend die nötige dauerhafte und sachgerechte Lösung der Transit­fra­ge im Hinblick auf die Erweiterung der Europäischen Union als Thema der bevorstehenden Tagung des Europäischen Rates am 12. und 13. Dezember 2002 (Erläuterte Tagesordnung, 71299/EU XXI. GP) ein, der besagt, dass bei den Verhandlungen über eine Transitregelung nach 2003 keinem Beschluss zuzustimmen und keine politische Einigung mitzutragen sei, welche eine solche Regelung ohne Beibehaltung der Fahrtenzahl-Obergrenze zur Folge hätten.

Ihr sei klar, wie schwierig das sei, aber die Wissenschaft gebe den Politikern etwas in die Hand, auf dessen Basis man argumentieren könne. Alles andere sei keine Lösung für die Luftsituation in den verkehrsbelasteten Gebieten, womit sie nicht nur Tirol meine. So könne man auch Bünd­ni­spartner im Europäischen Parlament finden, wo es schon einige interessante Initiativen gebe. Sie lobe selten jemanden von den Freiheitlichen, aber Europaabgeordneter Dr. Kronber­ger habe diesbezüglich gute Arbeit geleistet. Die Anträge der Grünen seien da auch sehr ziel­füh­rend.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) zeigt sich überrascht darüber, dass die Erweiterung, die zwar ein historisches Ereignis sei, so unkritisch gesehen wird. Ursprünglich ha­be man sich auf eine differenzierte Vorgangsweise geeinigt: Die zehn Kandidatenländer hätten dann Mitglied werden sollen, wenn sie die von der EU selbst definierten Voraussetzungen tat­säch­lich in allen Verhandlungskapiteln erfüllen. Das sei jedoch nicht geschehen. Die Fort­schritts­berichte hätten gezeigt, dass einige Länder noch nicht in der Lage seien, die Kriterien zu erfüllen; die Schutzklausel unterstreiche das auch. Aus österreichischer Sicht sei es daher po­sitiv zu werten, dass unter dieser Bundesregierung Übergangsfristen für die Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt und betreffend Dienstleistungen erreicht werden konnten. Innerhalb dieser Über­gangsfristen müssten auch die Probleme in den Grenzregionen gelöst werden, damit Ös­terreich nicht in die Situation komme, dass dortige Bewohner die Nachteile der Erweiterung voll zu spüren bekämen.

In diesem Zusammenhang verweist er auf einen gemeinsam im Haus beschlossenen Antrag von SPÖ, ÖVP und den Freiheitlichen, in dem ein klarer Auftrag für die Bundesregierung ent­halten sei und der insbesondere die Probleme der Grenzregionen berücksichtige. Er ersucht Bundeskanzler Dr. Schüssel, diesem Antrag in Zukunft besondere Beachtung zu schenken.

Bezüglich Transit sei zu sagen, dass gerade unter dieser Bundesregierung weitaus mehr an Investitionen in die Eisenbahninfrastruktur getätigt worden sei als im Vergleichszeitraum davor. Die Experten aus dem Infrastrukturministerium würden wohl über genauere Zahlen als Ab­­ge­ordnete Dr. Lichtenberger verfügen. Der Transitvertrag ohne Übergangsfrist bis zum In­kraft­­treten einer Wegekostenrichtlinie sei ja von Ex-Bundesminister Einems Vorgängern ver­han­delt worden. Damals sei man offenbar kurzsichtig genug gewesen, um diese Lücke nicht zu sehen. Bundesminister Ing. Reichhold sei jedenfalls nicht verantwortlich dafür, dass auf euro­päischer Ebene die Umsetzung einer Wegekostenrichtlinie immer wieder verschoben worden sei, nämlich von Herbst 2001 auf das Frühjahr 2002 und den Sommer 2002. Jetzt rede man von einem Methodenpapier, das ursprünglich bis Oktober 2002 hätte vorgelegt werden sollen, der neue Termin sei nun das erste oder zweite Quartal 2003.

Zum Antrag der Grünen auf Stellungnahme fragt er, wie folgende Passage zu interpretieren sei: „... bei den Verhandlungen über eine Transitregelung nach 2003 keinem Beschluss zuzustim­men und keine politische Einigung mitzutragen, welche eine solche Regelung ohne Beibehal­tung der Fahrtenzahl-Obergrenze zur Folge hätten.“

Es stimme nicht, dass es den Regierungsparteien nicht gelungen sei, auf europäischer Ebene Bünd­nispartner zu finden, denn Dr. Kronberger habe, wie Abgeordnete Dr. Lichtenberger auch zugegeben habe, durch sein Lobbying für österreichische Interessen einen Beschluss im EU-Umweltausschuss zustande gebracht. Er, Schweitzer, sei neugierig darauf, wie die Beschlüs­se im EU-Verkehrsausschuss oder im EU-Industrieausschuss, wo andere österreichische Ver­tre­ter verhandeln, ausschauen werden. Wenn auch dort ein Beschluss zustande komme, sei er guter Hoffnung, was die Beschlussfassung im Europäischen Parlament betreffe.

Zum Antrag auf Stellungnahme der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger, Mag. Ulrike Lunacek betreffend die EU-Rechtsverbindlichkeit des so genannten Melker Prozesses sei zu sagen, dass das ja auch die Vorgangsweise der Bundesregierung für den Gipfel in Kopenhagen sei und dass das in dieser Form durchgesetzt werde.

Obmann Dr. Heinz Fischer verkündet, dass der von Abgeordneter Dr. Lichtenberger referierte Antrag eingebracht worden sei und die Beilagennummer 1/1 habe, der Antrag betreffend Te­melín werde noch eingebracht werden.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) spricht die Frage Türkei an. Seiner Ansicht nach werden die Fragen vermischt, ob ein bestimmtes Land schon die Voraussetzungen erfülle, in die Euro­päische Union aufgenommen zu werden, was im Falle der Türkei sicherlich noch nicht gegeben sei, und ob die Union prinzipiell für dieses Land offen stehen sollte, was er persönlich sehr befürworte. Man begrüße immer den jeweiligen Zustand und die Größe der Union als Europa insgesamt, auch wenn sie nach dieser Erweiterung erst circa bei der Hälfte der Länder Europas angelangt sei. Wenn man nun diese „Teil-Europäische Union“ als Europa verstehe, müsse man da­von ausgehen, dass sie für alle europäischen Länder offen stehe, auch wenn das im Moment noch ein langer Weg sei.

Selbst in seiner eigenen Fraktion seien die Meinungen gespalten: Manche seien dafür, nur bei einem Teil zu bleiben, andere seien der Auffassung, Europa müsse für alle offen stehen und darauf schauen, ob die Aufnahmebedingungen erfüllt werden. Wie man sich zur Türkei po­si­tionie­re, sei eine prinzipielle Frage. Lehne man die Türkei ab oder sage man: selbst­ver­ständlich, aber nicht im Moment? Manches, was in den vergangenen Wochen auch von österrei­chischen Vertretern dazu gesagt worden sei, sei nicht gut gewesen. Die Äußerung, die Türkei solle nicht aufgenommen werden, weil es dort 60 Prozent Bauern gebe, und zu viele Bauern in der Union wären schlecht, scheine keine Äußerung zu sein, die den Geist der EU widerspiegle. Mit solch einer Argumentation hätte man schon bei anderen Ländern beginnen müssen und das könne nicht wirklich das Kriterium sein.

Persönlich glaubt er, dass die Frage, inwieweit das Christentum Europa beeinflusse und ge­schaf­fen habe, geschichtlich geklärt sei, aber in Zukunft zu betonen, dass die Union eine christ­liche Europäische Union sei, sei in den Beziehungen zu manchen Ländern eher kein ver­nünftiges Verhalten. Er möchte wissen, wie Österreichs Haltung zur Türkei sein wird. Die Euro­päer sollten diese Frage auch nicht auf Grund amerikanischen Drucks angehen, denn dieser sei eher kontraproduktiv und von anderen Erwägungen getragen.

Abgeordneter Dr. Andres Khol (ÖVP) sagt, dass der Transit ein Lebensinteresse der Alpen­bun­des­länder und des gesamten Bundesgebiets sei, weil sich dieser auch in Richtung Donautal ent­wickle. In Laeken sei es Bundeskanzler Dr. Schüssel gelungen, eine dreijährige Verlän­gerung des Transitabkommens nicht nur für den bisherigen Geltungsbereich, sondern für ganz Österreich durchzusetzen und das Regime der Ökopunkte als Begrenzung der Schadstoffemis­sionen zu verankern – auch die Wegekostenrichtlinie spiele eine gewisse Rolle –, es gebe aber kei­nen Ratsbeschluss auf der Grundlage dieses Grundsatzbeschlusses von Laeken, und zwar trotz ständiger Bemühungen. Dieser harte Kampf werde seit Jahren geführt – sei auch von vor­an­gegangenen Regierungen geführt worden –, man habe versucht, das Prinzip des Transitver­trags auf Dauer bis zu dem Zeitpunkt, zu dem die Wegekostenrichtlinie gelte, in den Rechtsbe­stand zu integrieren. Man habe vor dem Europäischen Gerichtshof eine Reihe von Verfahren angestrengt, habe allerdings nicht immer gewonnen. Sehr umstritten sei dabei gewesen, was Ziel- und Quellverkehr sei. Man habe leider keine Mehrheit für die Absicherung der fundamen­talen österreichischen Interessen gefunden.

Bundesminister Ing. Reichhold sei es gelungen, mit dem italienischen Verkehrsminister Lunardi bilateral einen Durchbruch zu erzielen. Der Baubeschluss für den Brenner-Basistunnel spie­le dabei eine Rolle, Deutschland habe sich aber als sehr schwierig erwiesen. Beim grünen deut­schen Außenminister sei man auf wenig Verständnis gestoßen. Die Verkehrssituation in und um Hörbranz, wo sich der Verkehr aus Deutschland durchwälze, sei unerträglich. Daher wundere es ihn, warum es da nicht mehr Verständnis zwischen EU-Bürgern gebe. Es werde versucht, den Verkehr durch Ortsstraßen, die nicht für überregionalen Verkehr geeignet seien, durchzu­pressen. Er sei froh darüber, dass der Bundeskanzler, die Außenministerin und der Verkehrs­minister sehr energisch die Interessen der Vorarlberger Bevölkerung, jener im Tiroler Inntal und in Österreich überhaupt vertreten.

Abgeordneter Dr. Khol fragt, wann die Kommission ihren Vorschlag für die Wegekosten­richtlinie vorbringen werde und für wann mit einer Beschlussfassung zu rechnen sei. Könne man damit die Querfinanzierung von der Straße auf die Schiene durchsetzen? Inwieweit sei die Luftreinhalterichtlinie der EU, die vom früheren Landeshauptmann Dr. Weingartner zur Be­­grenzung des Verkehrs herangezogen worden sei und mit der partielle Nachtfahrverbote ver­hängt werden, tauglich?

Weiters möchte er wissen, wie die Schlussfolgerungen aus dem „ARTEMIS-Projekt“ der Univer­si­tät Graz, die gewisse Erkenntnisse zur Schadstoffbegrenzung beinhalten, evaluiert werden. Wenn das tatsächlich stimme, so hätte man Klagschancen. Das Problem sei, dass es für jedes Gutachten ein Gegengutachten gebe.

Er möchte von Bundeskanzler Dr. Schüssel Auskunft darüber, ob es einen anderen EU-Mit­glied­staat gegeben habe, der Österreich im jahrelangen Kampf um die 108-Prozent-Ober­grenze je unterstützt habe, und wie die Probeabstimmungen diesbezüglich ausgegangen seien. Es sei zwar gut, Prinzipien zu vertreten, doch man müsse Mehrheiten in einem Gremium be­kom­men.

Dem Antrag auf Stellungnahme der Grünen, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesregie­rung ersucht werden, bei den Verhandlungen über eine Transitregelung nach 2003 keinem Be­schluss zuzustimmen und keine politische Einigung mitzutragen, welche eine solche Regelung ohne Beibehaltung der Fahrtenzahl-Obergrenze zur Folge hätten, könne er nicht zustimmen. Da­mit wäre alles, was in Laeken erreicht worden sei und was in künftigen Verhandlungen er­reicht werden könnte, null und nichtig, weil nicht zugestimmt werden dürfe und man dann ohne Regelung dastünde. Das könne er gegenüber der Tiroler Bevölkerung nicht verantworten.

Abgeordnete Mag. Ulrike Lunacek (Grüne) weist Abgeordneten Dr. Khol im Zusammenhang mit dem von ihm erwähnten Fall Hörbranz darauf hin, dass die deutsche Bundesregierung ihre diesbezügliche Haltung mittlerweile geändert habe.

Der von Abgeordnetem Mag. Schweitzer angesprochenen Notwendigkeit, die Probleme in den Grenzregionen zu lösen, stimmt Abgeordnete Mag. Lunacek durchaus zu. Es stelle sich jedoch die Frage, warum gerade die Freiheitlichen es verhindert haben, dass im Außenpolitischen Aus­schuss zwei von Bundesminister Dr. Bartenstein bereits unterzeichnete Abkommen, nämlich das Grenzgängerabkommen und das Praktikantenabkommen mit Tschechien, auf die Tages­ord­nung gesetzt werden. Mit diesen Abkommen wäre es möglich gewesen, einen Beitrag zur Lö­sung der Probleme in diesen Regionen zu leisten.

Zum Thema Temelín sei von Bundeskanzler Dr. Schüssel gesagt worden, dass man von Seiten Ös­ter­reichs versucht habe, das Ergebnis des Melker Prozesses als Protokoll zum Beitritts­ver­trag mit Tschechien einzubringen, und dass das nicht geglückt sei. Die Grünen seien mit dem Mel­ker Protokoll schon von Beginn an nicht zufrieden gewesen, da das damalige Ergebnis viel zu schwach gewesen sei. Da es auch jetzt nicht zu gelingen scheine, eine Aufnahme dieses Er­geb­nisses in den Beitrittsvertrag zu erreichen, bringt Abgeordnete Mag. Lunacek einen Antrag auf Stellungnahme gemäß Art. 23e Abs. 2 B-VG der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger, Mag. Ulrike Lunacek betreffend die EU-Rechtsverbindlichkeit des so genannten Melker Pro­zesses ein.

Darin werden die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung dringend aufgefordert, bei den Verhandlungen darauf zu drängen, dass das Brüsseler Abkommen als Protokoll im Rahmen des Beitrittsvertrags mit der Republik Tschechien EU-Rechtsverbindlichkeit erlange und damit dessen Einklagbarkeit vor dem EuGH sichergestellt werde.

Abgeordneter Dr. Fasslabend habe den Wunsch geäußert, dass gemeinsame österreichische Positionen aller vier Parteien dargelegt würden. – Die Abgeordneten von der ÖVP und Bun­des­kanzler Dr. Schüssel mögen daher den von den Grünen vorgelegten Antrag auf Stellung­nah­me als Unterstützung für die Verhandlungsposition der Bundesregierung in Kopenhagen auffassen. Abgeordnete Mag. Lunacek appelliert daher an die anwesenden Abgeordneten zum Na­tionalrat, dem vorliegenden Antrag auf Stellungnahme in diesem Sinne zuzustimmen – dies umso mehr, als in der heutigen Ausgabe des „Standard“ der tschechische Außenminister Svo­bo­da dahin gehend zitiert werde, dass er kein Problem damit hätte, wenn das Melker Über­ein­kommen über die Sicherheit des Kernkraftwerks Temelín Eingang in den Beitrittsvertrag fände.

Was den Beitritt der Türkei betrifft, so hätten die Grünen erwartet, dass von Bundeskanzler Dr. Schüssel ein Positionspapier vorgelegt wird, in dem den Mitgliedern des Hauptausschusses die Position der österreichischen Bundesregierung zur Frage eines Beitritts der Türkei – zur Frage, ob Beitrittsverhandlungen begonnen werden sollen, wann es ein Datum hiefür geben be­zie­hungsweise ob es überhaupt ein solches geben soll – dargelegt wird. Den Zeitungen seien dies­bezüglich äußerst widersprüchliche Meldungen zu entnehmen. So sei im „Standard“ nach­zulesen, die Bundesregierung wolle zunächst den Kopenhagener Gipfel abwarten – eine Hal­tung, mit der Österreich nach Einschätzung von Abgeordneter Mag. Lunacek jegliche Po­si­tio­nierung aufgebe. – In der „Presse“ hingegen werde der Bundeskanzler dahin gehend zitiert, dass ein Zwischenschritt nötig sei, aber kein Datum für einen Beginn der Verhandlungen, dass Österreich grundsätzlich offen sei und dass die Kopenhagener Kriterien eingehalten werden müssten. Sie persönlich stimme diesbezüglich mit Bundeskanzler Dr. Schüssel überein, doch ersuche sie ihn, seine Position dem Hauptausschuss heute auch selbst darzulegen.

Abgeordnete Mag. Lunacek hält es für sinnvoll, der Türkei, die ja Beitrittskandidatenstatus habe, in Aussicht zu stellen, dass Verhandlungen aufgenommen werden, wenn all das, was im Som­mer beschlossen worden sei, von der Türkei tatsächlich überprüfbar umgesetzt werde. Dabei gehe es um eine Reduzierung des Militärs auf ein demokratisches Ausmaß, um die Situation der KurdInnen, um die Situation in den Gefängnissen, darum, dass Folter tatsächlich ausge­schlos­sen werde und dass Isolationshaft, die es immer noch gebe, nicht mehr stattfinde, aber auch um Medienfreiheit. Es gehe hier um zahlreiche Punkte, bezüglich deren es Fortschritte ge­ge­ben habe und gebe; die entscheidende Frage sei jedoch, wie diese Punkte umgesetzt wer­den und ob dies innerhalb eines gewissen Zeitraumes erfolge.

Ähnlich wie Abgeordneter Schieder vertritt auch sie den Standpunkt, dass die Europäische Union grundsätzlich für einen Beitritt der Türkei offen stehen sollte. Sie findet dies auch insofern notwendig, als dadurch am Beispiel jener Teile der Bevölkerung und der Regierung in der Tür­kei, die in der Türkei einen modernen Staat wollen, in dem auch die Trennung von Religion und Staat weiterhin festgeschrieben und auch tatsächlich umgesetzt wird, für ein Land mit einer mus­li­mischen Mehrheit ein gutes Signal an jene gesetzt werde, die das in ihren Ländern auch umsetzen wollen.

Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche) möchte gerne etwas über die Position des Bundeskanzlers zur Frage der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei erfahren. Sie hält es wie Abgeordneter Schieder für notwendig, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob man die Tür­kei überhaupt ablehne oder nur auf Verzögerung setzen wolle. Damit sei auch die Frage ver­bunden, wo eigentlich die Grenzen der EU seien. Mit einem Beitritt der Türkei wären unter den Ländern an der Außengrenze der EU Syrien und der Iran, also ein zutiefst asiatisches Gebiet.

Es stelle sich daher die Frage, ob es eine Rechtfertigung dafür gebe, dass die Türkei unbedingt der EU beitreten sollte. Aus wirtschaftlichen Gründen sei dies durchaus einsehbar – in diesem Be­reich gebe es auch bereits diverse Kooperationsverträge –, aber vom kulturellen und reli­giösen Standpunkt betrachtet gebe es keine Grundlagen dafür, dass die EU mit einem Beitritt der Türkei einverstanden sein sollte. Es gehe nicht nur um die Fragen, wie die Türkei mit den demokratischen Rechten und mit den Menschenrechten verfahre oder ob es dort eine Mehrheit von Bauern gebe, sondern um die grundsätzliche Frage, ob Europa nur aus europäischen Län­dern bestehen solle oder auch aus Ländern, die, zumindest zu 95 Prozent, bereits in Asien lie­gen. Man dürfe in diesem Zusammenhang auch nicht vergessen, dass die Türkei mit 70 Milli­onen Einwohnern das zweitgrößte Land in der EU nach der Bundesrepublik Deutschland wäre, womit sich innerhalb der EU auch ein entsprechendes Schwergewicht herausbilden würde.

Abgeordnete Dr. Partik-Pablé gibt Abgeordnetem Schieder auch darin Recht, dass man diese Frage als Europäer beantworten und sich nicht von Wünschen, Forderungen oder strategischen Überlegungen der USA leiten lassen solle. Die Dringlichkeit dieses Problems werde daran deutlich, dass es bereits Verhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich gebe, wonach mit Dezember 2004 der Türkei Beitrittsgespräche ab Juli 2005 signalisiert werden sollen. Es sei daher höchst an der Zeit, über diese Frage grundsätzlich zu debattieren.

Was die diesbezügliche Position ihrer Fraktion betreffe, so sehen die Freiheitlichen keinen Grund, warum die Türkei der Europäischen Union beitreten solle. Wirtschaftsunionen bezie­hungs­weise Wirtschaftsverträge ja – aber die Türkei solle nicht als Mitglied der Europäischen Ge­mein­schaft gelten. In diese Richtung seien nach Meinung der Freiheitlichen auch die Ver­hand­lungen zu führen.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel sieht keinen Grund dafür, dass Österreich betreffend Türkei ein Positionspapier vorlegen solle. Er habe seine diesbezügliche Position öffentlich sehr klar dargelegt. Er möchte in dieser Frage strikt die bisherige Vorgangsweise gewahrt wissen: Man habe immer die Europäische Kommission aufgefordert, die Fortschrittsberichte mit jenen Län­­dern, mit denen man bestimmte bevorzugte strategische europäische Vertragsbe­stimmun­gen habe, zu bewerten. Die Kommission erstelle jedes Jahr einen so genannten Fort­schritts­bericht, und sie habe bisher in jedem einzelnen Fall vor der Aufnahme von Beitrittsverhandlun­gen dazu eine konkrete Empfehlung vorgelegt. Er, Schüssel, sehe überhaupt nicht ein, warum man plötzlich von dieser Vorgangsweise abgehen sollte oder warum der Rat die Kommission, die in dieser Frage übrigens sehr skeptisch sei, einfach aus politischen Gründen „overrulen“ sollte.

Dass man heute, 13 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, vier Jahre nach dem Beginn der Verhandlungen unter österreichischem Vorsitz, mit zehn Kandidatenländern Verhandlungen ab­schließen werde können, zeige, wie richtig es gewesen sei, dass die Kommission die unbe­stechliche, objektive Hüterin des Acquis communautaire, der Fortschritte sei, dass diesbe­züg­lich keine Vorlieben oder Prioritäten einfließen, sondern dass dieser Prozess wirklich strikt nach den festgelegten Kriterien erfolge. Er sehe keinen Grund dafür, warum diese Diskussion jetzt von österreichischer Seite aus aufgenommen werden und warum er zu dieser Frage ein Po­sitionspapier vorlegen sollte.

Die prinzipielle Frage, ob die Türkei überhaupt Mitglied werden könne oder nicht, sei eine zuläs­si­ge Frage, aber: Diese sei ab dem Zeitpunkt entschieden, zu welchem die Türkei einen Antrag ge­stellt habe, und seitdem bei einer Reihe von Europäischen Räten dieser Kandidatenstatus in mehr­facher Hinsicht, zuletzt 1999 in Helsinki mit der offiziellen Verleihung des Titels „Kan­di­dat“, zum Ausdruck gebracht worden sei. Man könne natürlich alles immer wieder in Frage stel­len, aber er würde darum ersuchen, einmal auf der Linie dessen, was man festgelegt habe, zu bleiben.

Die damit verbundenen Fragen seien auch bereits mehrmals diskutiert worden, unter anderem ausführlich im Kontext des Gipfels von Helsinki. Man wisse daher auch im Kreis der Mitglieder des Hauptausschusses sehr wohl darüber Bescheid, wie es in Bezug auf Medienfreiheit, Militär­status und so weiter aussehe. Genau diese Fragen gehörten zu jenen politischen Kopen­ha­gener Kriterien, die erfüllt werden müssen, bevor man mit den Verhandlungen wirklich begin­nen könne und solle. Es könne zwar durchaus noch Hinweise darauf geben, dass es in einzel­nen Bereichen weitere Fortschritte geben müsse, im Prinzip aber müsse die Kommission bestä­tigen, dass die Türkei in der Lage sei, die politischen Kriterien für Kopenhagen zu erfüllen. Dies kön­ne nicht durch Zurufe, durch Zeitungsinserate oder durch Lobbying betrieben werden, son­dern nach seiner Ansicht sei diesbezüglich ein objektiver Statusbericht erforderlich.

Auch die Frage – die übrigens im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit den zehn derzei­ti­gen Beitrittskandidaten ebenso gestellt worden sei –, wie viel zum Beispiel ein allfälliger Beitritt der Türkei koste, sei interessant. Es gehe nicht so sehr um die prinzipielle Frage, ob die Türkei zu Europa gehöre oder nicht. Dies sei zwar eine absolut legitime Frage, diese sei aber mit dem Zu­erkennen des Kandidatenstatus – dies sei common sense bei allen Fraktionen gewesen – ak­zep­tiert worden. Die anderen Fragen – erfüllt das betreffende Land die Kriterien?, ist der Beitritt finanzierbar?, unter welchen Voraussetzungen?, mit welchen Auflagen?, in welchem Zeithori­zont? – werde man diskutieren.

Bundeskanzler Dr. Schüssel hält es jedoch für ein Armutszeugnis der Europäischen Union, dass man nun im Begriff sei, den historischen Gipfel von Kopenhagen mit dieser seiner Mei­nung nach unnötigen Datumsdiskussion betreffend die Türkei zu überladen. Man werde nie lernen, die Herzen der europäischen Bevölkerung zu gewinnen, wenn man sich nicht auf das Nächstliegende konzentriere – und dies sei, den historischen Beitrag der Wiedervereinigung Europas zu einem wirklichen Erfolg zu machen.

Diesbezüglich seien noch einige Fragen nicht geklärt, was man auch offen sagen müsse. Auch heute seien die Verhandlungen blockiert worden, weil man sich im Finanzkapitel mit Polen noch immer nicht geeinigt habe und weil die Kommission in dieser Frage mit der Rats­prä­sident­schaft in Streit geraten sei. Es gebe eine Reihe von national wichtigen Themen und Proble­men – auf Seiten Österreichs, aber auch auf Seiten Maltas, Großbritanniens oder Deutsch­lands –, über die man reden müsse, und auf diese werde er sich konzentrieren. Wenn man immer schon den überübernächsten Schritt – für den man noch nicht einmal annähernd die Un­ter­stützung der Bevölkerung in Europa gewonnen habe – im Auge habe, werde dies irgend­wann zu einem massiven Problem, was die Akzeptanz Europas betreffe, führen. Dies sei seine tiefe Überzeugung und er sage dies als glühender österreichischer Patriot und zugleich als be­kennender Europäer.

Was die Frage der Agrarpolitik angeht, so hält Bundeskanzler Dr. Schüssel den Brüsseler Kom­promiss für absolut sinnvoll. Diesbezüglich sei eine Abgrenzung, eine Abwägung vor­zu­neh­men gewesen, auch bezüglich der österreichischen Familienbetriebe in der Landwirt­schaft. Man könne natürlich der Meinung sein, das koste zu viel. Er persönlich sei der Auffas­sung, dass eine öko­logisch ausgerichtete bäuerliche Landwirtschaft, die Österreich flä­chen­deckend bewirt­schafte und dabei erstklassige Umwelt-, Landschafts- und auch touristische Er­gebnisse produ­ziere und überdies eine beneidenswerte Qualität bei Nahrungsmitteln und Ge­tränken liefere, auch etwas wert sein solle. Die Perspektive der Nachhaltigkeit und der ökologi­schen Ausrich­tung sei ihm wichtig. Dass man dabei Elemente des Fischler-Vorschlags wie etwa die Größen­de­gression oder Ähnliches verstärkt einbeziehen könne, sei selbstverständlich. Dies sei ja nie­mals an Österreich gescheitert, sondern dies sei ein Thema, bezüglich dessen wieder­um an­dere gefordert seien.

Was die Vorgangsweise in der Frage der Vertretung der Beitrittskandidaten in der Kommis­sion zwischen dem Zeitpunkt des Beitritts und dem Amtsantritt der neuen Kommission angeht, so sei diese ein Kompromiss, von dem auch bisher jedes Beitrittsland betroffen gewe­sen sei, indem es einige Monate lang entweder keinen Kommissar oder einen Kommissar ohne Portefeuille gehabt habe. Dies spiele langfristig aber keine Rolle. Wenn der Beitritt am 1. Mai 2004 erfolge und die neue Kommission frühestens im Sommer 2004 gebildet sein werde, dann wür­den eben zeitgleich für drei, vier oder fünf Monate einige Kommissare ohne Portefeuille er­nannt werden. Er hielte es nicht für sehr klug, wenn statt dessen bewährte Kommissare – die ja dann auf je einen pro Land reduziert werden – ausscheiden müssten, wie beispielsweise einer der beiden Kommissare aus Italien, Romano Prodi oder Mario Monti, die beide Schlüssel­per­so­nen seien. Dasselbe gelte auch in Bezug auf Michel Barnier und Pascal Lamy aus Frank­reich ebenso wie für die beiden spanischen Kommissionsmitglieder. Man müsse deshalb in die­ser Frage „improvisieren“.

Was die Frage der Balkanländer betrifft, so ist Bundeskanzler Dr. Schüssel der Meinung, dass alle Balkanländer – aber wiederum „on their own merits“, also individualisiert – eine Beitritts­perspek­tive haben sollen. Wenn man der Türkei ein Datum gebe, dann sei aber sowohl politisch als auch wirtschaftlich Kroatien mit Sicherheit in einer Gruppe vorher zu reihen. (Abg. Schieder: Vielleicht sogar Serbien!) – Ja, vielleicht sogar Jugoslawien.

Wenn in diesem Zusammenhang von „die Balkanländer“ gesprochen werde, so würde er dies aus sehr prinzipiellen Gründen mit einem großen Fragezeichen versehen, denn er halte es nicht für gut, „den nächsten Korb zu eröffnen“ und alle zu zwingen, dann nur zu fünft oder zu sechst aufgenommen zu werden.

Betreffend den Zeitplan des Konvents führt er aus, der Konvent wolle einerseits mehr Zeit zur Verfügung haben – was auch klug sei, damit die Qualität und auch die Kohärenz der Arbeit bes­ser werde –, umgekehrt komme der Zeitdruck nicht von Seiten des Rates, sondern eher von Seiten des Europäischen Parlaments, da dieses daran interessiert sei, dass die Regierungskon­fe­renz noch vor der Wahl zum Europäischen Parlament stattfinde, weil das Europäische Parla­ment da ein wirkliches Mitentscheidungsrecht habe. Insofern werde die Zeit sehr knapp. Bun­des­kanzler Dr. Schüssel glaubt auch nicht, dass es sehr einfach sein werde, in fünf oder sechs Wo­chen eine Regierungskonferenz über die Bühne zu bringen, die wahrscheinlich mit den größ­ten Vertragsänderungen, die es in der Geschichte der Europäischen Union überhaupt ge­ge­ben habe, fertig werden müsse. Selbst Maastricht, Amsterdam oder Nizza seien quasi Kleinig­keiten im Vergleich zu dem, was im Rahmen des Konvents angedacht werde.

Falls der Konvent zu einem gängigen Ergebnis führe, werde dieses Ergebnis nicht sofort in allen Mitgliedsländern eins zu eins umsetzbar sein, sondern es werde darüber zunächst einmal zumindest eine intensive Diskussion geben. Auch im österreichischen Parlament würden wohl noch einige andere Stimmen zu hören sein, aber auch das sei eben Demokratie.

Beim Zeitplan solle man sich flexibel zeigen. Wenn es die Qualität der Arbeit des Konvents er­for­derlich mache, auch noch in den Sommer hinein zu arbeiten, werde man sich nicht dagegen aussprechen. Er, Schüssel, würde jedoch darauf drängen, für die Regierungskonferenz zumin­dest einen Zeitraum von einem halben Jahr vorzusehen. Großbritannien habe für eine Art „firewall“ zwischen den Ergebnissen des Konvents und dem Beginn der Regierungskonferenz plädiert, damit sich sozusagen die öffentliche Resonanz des Konvents ein wenig abschwäche und man dann quasi neu beginnen könne, was er persönlich nicht für sehr klug hält. Er glaubt, man sollte unmittelbar darauf, möglicherweise nach dem Sommer, mit der Regierungskonferenz beginnen, aber man werde hiefür wohl ein halbes Jahr brauchen.

In Bezug auf die Anmerkungen des Abgeordneten Mag. Schweitzer betreffend die Schutz­klau­seln führt Bundeskanzler Dr. Schüssel aus, dass bisher bei jedem Beitritt – auch jenem Öster­reichs – eine Schutzklausel im Vertrag enthalten gewesen sei, die es der Kommission ermögli­che, im Interesse der Altmitglieder quasi eine Art Notverordnung zu haben. Der Unterschied be­stehe nur darin, dass der Zeitraum jetzt wesentlich länger sei, nämlich zwei oder drei Jahre, was damit zu tun habe, dass in Bezug auf manche Kandidatenländer Befürchtungen bestünden, dass diese unter Umständen nicht in der Lage sein könnten, alles eins zu eins institutionell umzu­setzen.

Zur Frage der Grenzregionen habe er bereits in seinem Bericht darauf hingewiesen, dass Ös­ter­reich diesbezüglich gut ausgestattet sei: Man habe 350 Millionen € von der Europäischen Union, weitere 350 Millionen € von Österreich, also 700 Millionen € in der gesamten Finanz­periode – dies sei ein Investitionsvolumen von 10 Milliarden Schilling –, und man habe grenz­überschreitend weitere 220 Millionen € sicherstellen können. Man müsse nur darauf achten – für die Abwicklung seien primär die Länder zuständig – und man dränge auch von Bundesseite immer wieder darauf, dass die Qualität der Projekte einen nachhaltigen Nutzen sicherstelle.

Zu den beiden Punkten, die österreichische Interessen betreffen, merkt Bundeskanzler Dr. Schüs­­sel Folgendes sehr klar an:

Man wolle die Erweiterung – sie sei im Interesse Österreichs –, man wolle aber auch eine ver­nünftige Nachfolge-Transitregelung und man wolle die Verankerung der Temelín-Protokolle beziehungsweise der diesbezüglichen völkerrechtlichen Verpflichtungen so, dass Österreich im Zweifelsfall zum Europäischen Gerichtshof gehen könne.

Dies seien die Punkte, bezüglich derer unter den Abgeordneten kaum Meinungsver­schieden­heiten bestehen. Er würde sich auch wünschen, dass von gegenseitigen Vorwürfen in Bezug auf die Frage, was in der Vergangenheit getan oder nicht getan worden sei, Abstand genom­men werde. Er selbst habe die Verhandlungen Österreichs zur Europäischen Union von Anfang an mitgemacht und sein ganzes Sinnen und Trachten sei genau auf diese Dinge hin gerichtet ge­wesen. Auch er diskutiere nicht darüber, was frühere Regierungen gemacht oder nicht ge­macht haben, sondern er gehe davon aus, dass jeder, der ein politisches Amt in Österreich innehabe, nach bestem Wissen und Gewissen alle Möglichkeiten ausschöpfe, die im Rahmen des Zulässigen, des politisch Vertretbaren liegen, um vitale österreichische Interessen durchzu­setzen.

Von einem „Scherbenhaufen“ könne wirklich nicht die Rede sein. Er, Schüssel, sei mit Franz Vra­nitzky und auch mit Viktor Klima noch in der vormaligen Tschechoslowakei unterwegs ge­wesen, sie alle hätten sich um eine Stilllegung der Kernkraftwerke – von Bohunice bis Te­melín, Kozloduj und Ignalina – bemüht. Sie seien bei einigen Punkten durchaus erfolgreich ge­we­sen: Drei Kernkraftwerke würden nun geschlossen, zum Teil mit massivem finanziellem Auf­wand, fünf würden, ebenfalls mit massivem finanziellem Aufwand, in Richtung mehr Sicherheit hoch­gerüstet. Dass man Prag überhaupt dazu gebracht habe, mit Österreich einen völker­rechtlichen Vertrag abzuschließen und auch zu erklären, dass man kein Problem mit einer Ein­klag­barkeit vor dem Europäischen Gerichtshof habe, sei bemerkenswert. Letzteres stelle jetzt kein Problem zwischen Prag und Wien dar, sondern ein Problem von einigen Atomstaaten in­ner­halb der Europäischen Union.

Es mache daher keinen Sinn, wenn die Opposition jetzt ihn, Schüssel, oder die Außenministerin be­schuldige, da dieser Punkt – im Zuge eines langen Prozesses, an dem er selbst beteiligt ge­we­sen sei – akzeptiert gewesen sei. Er habe die Kommission dazu gebracht, in einer Presse­kon­ferenz öffentlich zu erklären, dass dieser Weg zum Europäischen Gerichtshof führe, unter der Voraussetzung, dass die Mitgliedstaaten zustimmen, was die Kommission zwar nicht ga­ran­tie­ren könne, wofür sie sich aber einsetzen werde und der Meinung sei, dass es diesbe­züglich kein Problem geben werde.

Daraufhin sei dies sofort im Allgemeinen Rat berichtet worden, niemand habe etwas dagegen ge­habt. Im COREPER sei dies noch einmal vorgebracht worden, wo ebenfalls niemand etwas da­­ge­gen gehabt habe. Dann haben Österreich und Tschechien dies in Form zweier Erklärun­gen in der Erweiterungskonferenz vorgebracht. Die Kommission habe dies bestätigt, alle seien da­­mit einverstanden gewesen. Nun aber wenden die Briten und andere ein, dies könnte ein Prä­judiz für einen allfälligen Einstieg in einen Atom- beziehungsweise Anti-Atom-Acquis sein, und akzeptieren diese Vorgangsweise nicht.

Er nehme Kritik gerne auf sich, wenn sie berechtigt sei, aber in dieser Frage würde er von Sei­ten der Oppositionsabgeordneten wirklich gerne hören, was man ihrer Meinung nach hätte an­ders machen sollen, wo da ihrer Ansicht nach ein taktischer Fehler passiert sei. Es seien da­mals alle einverstanden gewesen, alles sei erledigt gewesen – bis vorige Woche! Er werde in Ko­penhagen darauf hinweisen, dass allmählich auch eine Frage von Treu und Glauben auf dem Spiel stehe.

Ähnlich sei es in Bezug auf den Transitvertrag. Erstens sei es nicht wahr, dass diese Bundes­re­gierung weniger in die Infrastruktur investiere, als in der vorigen Legislaturperiode investiert wor­den sei; dem Vorwurf, dass die Bundesregierung im Transitbereich drei Jahre lang quasi alles verabsäumt habe, hält Bundeskanzler Dr. Schüssel entgegen, dass man bei jedem Euro­päischen Rat auf die Wegekostenrichtlinie gedrängt habe und dass man fixe Daten zugesagt bekommen habe. Im Rahmen der letzten Runde habe man wiederum von der Kommission die Zusage für das erste Quartal 2003 – mit Querfinanzierungsmöglichkeit – erhalten.

Bundeskanzler Dr. Schüssel stellt an die Abgeordneten der Oppositionsparteien abermals die Frage, was man in dieser Angelegenheit ihrer Meinung nach anders hätte machen sollen. Er be­tont nochmals, man wolle die Erweiterung und man wolle eine Nachfolge-Transitlösung. – Der von den Grünen vorgelegte Antrag bedeute im Klartext, dass Österreich am Ende nichts in der Hand hätte.

Er erklärt im Folgenden, was er zu tun bereit sei: Wenn Österreich das bekäme, was in Laeken zu­gesichert worden sei – drei Jahre und 40 Prozent Ökopunkte –, werde man abschließen. Dies sei das, was machbar und möglich sei. Man hätte sich zwar die Fahrtenzahl-Obergrenze ge­wünscht, aber die Bedingung dafür, dass Österreich überhaupt in eine Situation komme, in der es eine Verlängerung erhalte, habe darin bestanden, dass die 108-Prozent-Regelung nicht gelte; das sei auch vor dem Ausschuss berichtet worden.

Betreffend Hörbranz betont er, dass Deutschland allenfalls die Möglichkeit einer Regelung im Rahmen eines Gesamtpakets angedeutet habe, dass das Problem bislang aber noch nicht gelöst worden sei. Dies könne er nicht akzeptieren, denn es handle sich hier, entgegen einer Be­hauptung Joschka Fischers im Allgemeinen Rat, nicht um einen Tunnel, sondern um einige mitten durch die Dörfer führende Ortsdurchfahrten, die nicht einmal Bundesstraßen, son­dern Landesstraßen seien.

Er, Schüssel, wolle daher auf einer Verlängerung um drei Jahre für ganz Österreich bestehen. Falls EURO 4-LKW in der Regelung enthalten seien, werde man auf der Basis von 40 Prozent Ökopunkten abschließen. Wenn diese Regelung liberalisiert werden sollte, werde man darauf be­stehen, dass es im Gegenzug zu einer substantiellen Kürzung der Ökopunkte-Kontingente kom­men werde, die natürlich auch eine quantitative Obergrenze, sowohl bei den Schadstoffen als auch bei den Fahrten, bedeute. Man werde sich in dieser Frage auch mit den Experten ab­stimmen, und er sei, falls dies gewünscht werde, gerne dazu bereit, die vier Fraktionen im Laufe des Europäischen Rates von Kopenhagen hierüber noch zu informieren.

Es sei auch wichtig, dass man nicht nur auf die sensiblen Alpenzonen abstelle, sondern ganz Ös­ter­reich müsse in diese Nachfolgeregelung eingeschlossen sein. – Bei den Wegekosten wer­de es anders sein, wobei man hoffe, dass da bei den sensiblen Zonen auch die Großstädte be­ziehungsweise die Ballungszentren mit eingeschlossen werden können.

Für die Übergangsregelung brauche Österreich jedenfalls eine Garantie, dass es in der Öko­bi­lanz verträglich aussteige. Diesbezüglich werde es eine gewisse Flexibilität geben müssen, aber eine gemeinsame Linie sei wichtig. Er habe nie erlebt, dass ein anderer Verhandlungs­part­ner auf europäischer Ebene unterschiedliche Positionen entgegengehalten hätte, die poli­tischen Fraktionen hätten immer mit einer Stimme gesprochen. Es wäre daher sehr schlecht, wenn Österreich den Eindruck vermitteln würde, dass zwischen Regierung und Opposition dies­bezüglich Uneinigkeit herrsche; damit könne man nichts erreichen. Man solle vielmehr eine ge­meinsame Position einnehmen und in den beiden bis zum Rat von Kopenhagen noch verblei­benden Tagen auch das persönliche Lobbying und Networking einsetzen, um als gemeinsames Ziel zu erreichen, dass in der Frage Temelín die Einklagbarkeit beim Europäischen Gerichtshof sichergestellt und in der Transitfrage entweder die Regelung für drei Jahre auf der Basis des Er­geb­nisses von Laeken oder eine vernünftige Ökopunkte-Reduktion, die Österreich seine Öko­bilanz erhalte, erreicht werde.

Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie Ing. Mathias Reichhold weist eben­so darauf hin, dass die Durchsetzung österreichischer Forderungen in europäischen Fra­gen, insbesondere in Fragen des Verkehrs, sehr wesentlich davon abhänge, inwieweit über die Parteigrenzen hinweg eine einheitliche Sprache gesprochen werde.

In Bezug auf die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Einem möchte er Folgendes klarstellen:

Die Vertreter der österreichischen Bundesregierung seien in den Verhandlungen ständig damit kon­frontiert gewesen, dass Österreich in Bezug auf die im Anhang 2 und in der Gemeinsamen Er­klä­rung 20 des Protokolls 9 genannten Maßnahmen immer säumig sei, also seinen Investi­tionsverpflichtungen entlang der Korridore nicht in vollem Umfang so nachgekommen sei, wie dies beim seinerzeitigen Abschluss der Verträge versprochen worden sei. Was Österreich bei den Verhandlungen besonders zum Nachteil gereicht habe, sei gewesen, dass die Vorgänger des Bundesministers a. D. Dr. Einem in dieser Erklärung versprochen haben, dass der Be­schluss, den Brenner-Basistunnel zu bauen, bereits am 31. Oktober 1994 von der Bundes­regie­rung übermittelt werde. Bis vor kurzem sei dies von der österreichischen Bundesregierung der Euro­päischen Union nicht in Beschlussform übermittelt worden, und alle Absichtserklärungen, die innerhalb dieses Zeitraums erfolgt seien, seien einfach nicht glaubwürdig gewesen, da we­der Projektierungen noch Finanzierungsmodelle vorgelegt werden konnten. Anstatt hier politi­sches Kleingeld wechseln zu wollen, sollten Abgeordneter Dr. Einem und seine Vorgänger im Mi­nis­ter­amt sich daher „selbst an der Nase nehmen“, denn genau diese Versäumnisse seien jene Schwachpunkte gewesen, die die Vertreter der derzeitigen Bundesregierung ständig zu verteidigen hatten, was ihre Position im Rahmen der Verhandlungen sehr geschwächt habe.

Das spiegle sich auch in den Investitionsvolumina wider, die ja nachvollziehbar seien. Dass 1998/1999 einiges investiert worden sei, konzediere er, Tatsache sei aber, dass über die Jahre hinweg, vom Beitritt Österreichs bis zum Jahr 2000, im Durchschnitt insgesamt 0,6 Milliarden € in die Schieneninfrastruktur investiert worden seien. Das sei im Vergleich zu dem, was die der­zei­tige Bundesregierung beschlossen habe, relativ wenig, denn vom Jahr 2000 bis zum Jahr 2003 seien insgesamt 4,13 Milliarden € vorgesehen, wobei allein heuer die Summe von ins­gesamt 2,1 Milliarden Schilling durch ihn übertragen und für die Investition freigegeben wor­den sei. Dies seien glaubwürdige Argumente, die auch auf europäischer Ebene Beachtung ge­fun­den hätten, zumal bisher außer Absichtserklärungen von Seiten der Partner in der Euro­päischen Union nicht wirklich etwas nachgewiesen werden konnte.

Die Frage der Abgeordneten Dr. Lichtenberger betreffend die 108-Prozent-Klausel habe der Bun­­deskanzler bereits beantwortet. Was den diesbezüglichen Antrag der Grünen auf Stellung­nahme betreffe, so sei dieser, wie Abgeordneter Dr. Khol bereits ausgeführt habe, zahnlos, da die Beschlüsse von Laeken viel weiter gingen, weil diese eine Lösung des österreichischen Ver­kehrsproblems auch mit der Erweiterung verknüpfen. Dies sei die letzte Chance Österreichs, zu einer Lösung zu gelangen. Wenn dies nicht geschehe, würden die Verträge im Jahr 2003 aus­laufen und Österreich hätte keine vertraglichen Absicherungen mehr.

Zur Frage des Abgeordneten Dr. Khol betreffend „ARTEMIS“-Projekt führt der Bundesminister aus, es handle sich dabei um eine Studie, die derzeit nicht öffentlich sei und auf europäischer Ebene evaluiert werde. Die offizielle Stellungnahme der Europäischen Kommission hiezu werde im Frühjahr 2003 vorliegen, dann könne man auch genauere Auskünfte betreffend rechtliche Mögl­ichkeiten Österreichs erteilen.

Was die Beschlüsse von Laeken betreffe, habe eine Probeabstimmung auf der Ebene der Ver­kehrsminister stattgefunden, die gegen Österreich ausgegangen sei. Diese Beschlüsse seien jedoch ursprünglich auf der Ebene der Staatschefs getroffen worden und würden sicher­lich in Kopenhagen verhandelt werden. Die künftige Verhandlungsstrategie Österreichs sei be­reits vom Bundeskanzler ausgeführt worden. Entscheidend sei, dass bei den Verhandlungen die im Protokoll 9 zugesicherte Reduktion der Abgase um 60 Prozent auch gewährleistet sei. Die österreichischen Experten haben zahlreiche Modellvarianten errechnet, von denen mehrere auch mit den europäischen Partnern und Verkehrsministern intensiv diskutiert worden seien. Die österreichische Verhandlungslinie, von der man hoffe, dass sie in Kopenhagen auch durch­setzbar sein werde, ziele allerdings auf die Umsetzung eines der von den österreichischen Ex­perten berechneten Modelle ab, nämlich eines Modells, durch das eine Begrenzung auf ma­ximal 40 Prozent des Schadstoffausstoßes ab dem Zeitpunkt des Beitritts dauerhaft sicher­ge­stellt werden könne.

In Beantwortung einer Zwischenfrage von Obmann Dr. Fischer bestätigt Bundesminister Ing. Reich­hold, dass mit „40 Prozent Schadstoffen“ in diesem Zusammenhang nur die Emissio­nen, nicht aber die anderen Facetten einer durch LKW verursachten Belastung angesprochen seien.

Abgeordneter DDr. Erwin Niederwieser (SPÖ) möchte zwei Bemerkungen richtig stellen:

Abgeordneter Dr. Khol habe von erfolgreichen Verhandlungen von Bundesminister Ing. Reich­hold mit dessen Kollegen Lunardi gesprochen. Dies sei eine „sehr singuläre Beurteilung“. Heraus­gekommen sei bei diesen Verhandlungen „weniger als vorher“.

Abgeordneter Mag. Schweitzer habe es als eine Großtat dieser Bundesregierung dargestellt, eine Übergangsfrist für den Arbeitsmarkt erreicht zu haben. – Abgeordneter Dr. Niederwie­ser erinnert daran, dass bereits der seinerzeitige Vizekanzler und Außenminister Dr. Schüssel und der seinerzeitige Bundeskanzler Mag. Klima dem Hauptausschuss über diese Übergangs­fristen auf dem Arbeitsmarkt, die bei einem Gipfel erreicht worden seien, berichtet haben.

In Bezug auf die Transitfrage führt Abgeordneter Dr. Niederwieser aus, dass man nun vor einem sehr großen Schritt für Europa stehe und dass alle in Österreich diesen Schritt mit einem guten Gefühl mitgehen können sollten. Dabei gehe es auch um ein lebenswertes Europa und dar­um, dass die Erweiterung natürlich verkehrspolitische Folgewirkungen haben werde. Es gehe außerdem darum, dass Innsbruck erst kürzlich Sitz des Sekretariats der Alpenkon­ven­tion geworden sei und dass die Europäische Union und deren Mitgliedstaaten auch sehr bald jene Dinge zur Kenntnis nehmen müssten, die in dieser Konvention vereinbart worden seien, wie beispielsweise dass es „sensible Zonen“ geben soll.

Das Ziel der Transitregelung sei unbestritten und bestehe einerseits in einer Schadstoffbegren­zung, andererseits gehe es aber auch um Kapazitätsgrenzen. Der Grund dafür, warum die SPÖ auf der Festschreibung einer Fahrtenzahl-Obergrenze so sehr bestehe, sei, dass das Ver­kehrsaufkommen bereits ein Maß erreicht habe, an dem sich die Gefahrenmomente und das Fort­kommen auf diesen Strecken dramatisch gestalten. Auch die schweren LKW-Unfälle, die sich in den letzten Tagen ereignet haben, stünden mit diesen Umständen sehr wohl in einem Zu­­sam­menhang, und darüber sollte man auch auf Seiten der Verhandlungspartner in der Europäischen Union nicht einfach hinweggehen.

In Bezug auf die von Bundesminister Ing. Reichhold angesprochene Frage seitens der Euro­päischen Union, welche Investitionsmaßnahmen Österreich gesetzt hätte, weist Abgeordneter Dr. Niederwieser etwa auf die Umfahrung Innsbruck hin – die, wie er betont, nicht erst in der Amts­zeit von Reichhold fertiggestellt worden sei –, mit der ein 4-Milliarden-Schilling-Projekt reali­siert worden sei, sowie auf die Unterinntalstrecke, für die allein die Europäische Union 1 Mil­li­arde Schilling an Projektierungskosten investiert habe.

Er erinnert ferner daran, dass im Rahmen des Transitvertrages auch die Europäische Union eine Verpflichtung übernommen habe, nämlich mit Österreich gemeinsam zu garantieren, dass das, was im Vertrag und dann im Rahmen des Beitritts an Schutz für die Bevölkerung ver­ein­bart worden sei, dauerhaft und nachhaltig gesichert sei. Diese Verpflichtung sei ausdrücklich im Beitrittsprotokoll festgehalten und darauf könne man auch durchaus hinweisen. Er habe aller­dings bereits vor einigen Tagen gehört, wie sich die Strategie der österreichischen Bundes­regierung in dieser Sache gestalten werde: dass nämlich der Verkehrsminister scheitern werde, dass die Außenministerin scheitern werde und dass es dann der Bundeskanzler sein werde, der unter Bezugnahme auf frühere Vereinbarungen, Zusagen und dergleichen im letzten Moment „die Transit-Kohlen aus dem Feuer holen“ werde, dass es also Schüssels Erfolg sein werde. Er per­sönlich könne nur hoffen, dass Schüssel diesen Erfolg, was seinen Inhalt betreffe, auch tatsächlich nach Hause bringen werde.

Der Verzicht des Bundeskanzlers auf die Mengenbegrenzung sei nicht das, womit die SPÖ zu­frieden sein könne und wolle. Dies sei zweifellos ein Kompromiss, es sei vielleicht mehr, als die bis­herigen Verhandlungen angedeutet haben, aber beim Gipfel von Laeken – also noch vor Reich­holds Amtsantritt als Verkehrsminister – habe Schüssel ja bereits die Mengenbegrenzung als einen substantiellen Bestandteil dieses Vertrages aufgegeben.

Bundeskanzler Dr. Schüssel habe Recht mit seiner Aussage, dass man sich immer den als Nächstes anstehenden Aufgaben widmen müsse, und dies seien jetzt die Verfassung und die Erweiterung der Europäischen Union. Was aber die Menschen in Europa und in der ganzen Welt ebenso berühre, sei eine andere Frage: Während man in Europa von einer Gemeinsamen Außen­politik spreche und davon, dass Europa stärker werden und sich einbringen sollte, stehe man unmittelbar an der Schwelle eines neuen Krieges zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien einerseits und dem Irak andererseits. Es sei bezeichnend, dass man sich in Europa in jenem Augenblick, in welchem man in dieser Angelegenheit noch etwas unternehmen könnte, mit anderen – wenngleich auch wichtigen – Problemen beschäftige. Man könne nur hof­fen, dass es dann, wenn sich die Regierungschefs in Europa mit diesem Problem beschäftigen werden, nicht zu spät sein werde.

Abgeordneter zum Europäischen Parlament Dr. Johann Kronberger (Freiheitliche) hält es für eine Bringschuld, die Kommunikation in diesem Bereich zu verstärken. Das, was in der Euro­päischen Union geschehe, müsse wesentlich stärker darauf orientiert sein, den wirklichen Inter­essen Österreichs zu dienen.

Es sei nicht richtig, dass, wie Abgeordneter Dr. Einem dies dargestellt habe, die Kommission in der Transit- und Verkehrsfrage sehr zugänglich für Österreich gewesen wäre, denn dem jetzi­gen Vorschlag, der auf der Vereinbarung von Laeken beruhe, sei vor einem Jahr ein Vorschlag vor­ausgegangen, in welchem die Kommission versucht habe, den gesamten Transitvertrag trotz seiner aktiven Rechtsgültigkeit zu „kippen“. Dies sei aus seiner Sicht ein massiver Anschlag auf eine Vereinbarung gewesen, die man einfach „per Gewaltakt“ per Verordnung – es habe hiezu eine sehr komplizierte juristische Argumentation gegeben – beseitigen wollte. In diesem Vor­schlag habe es geheißen, der Transitvertrag sei erledigt, und Österreich habe praktisch keine Mögl­ichkeit mehr, den bestehenden Transitvertrag zu konsumieren. Die weitere Entwicklung ma­che aus seiner Sicht deutlich, dass die Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des Hauptaus­schusses von großer Wichtigkeit wäre, weil man dadurch mehr bewegen könnte:

Dieser Vorschlag sei dann in das Europäische Parlament gelangt und dort dem Verkehrs­aus­schuss und dem Umweltausschuss zugewiesen worden. Im Umweltausschuss habe er, Kron­ber­ger, die Stellungnahme zu verfassen gehabt und erstmals in der Geschichte des Umwelt­aus­schusses habe dieser einen Vorschlag der Kommission einstimmig abgelehnt.

Abgeordneter Dr. Kronberger möchte damit vor Augen führen, was im Europäischen Parlament möglich sei: nämlich dass alle Fraktionen gemeinsam ein Detail für die gesamte Legislative in der EU einstimmig aus ökologischen Gesichtspunkten – in diesem Fall zugunsten Österreichs – beschließen.

Hannes Swoboda habe die Stellungnahme des Verkehrsausschusses in dieser Angelegenheit zu verfassen gehabt, und auch ihm sei es gelungen, den diesbezüglichen Beschluss – mit einer Mehrheit von einer Stimme – durchzubringen. Leider sei es nicht gelungen, diesen Antrag auch im Plenum mit einer Mehrheit durchzubringen, dort haben etwa 30 Stimmen gefehlt.

Man müsse jetzt, so Abgeordneter Dr. Kronberger, den gleichen Prozess noch einmal durchlau­fen: Der neue Kommissionsvorschlag sei im Umweltausschuss wiederum ihm zugeteilt worden, in der Abstimmung sei der Antrag mit drei Gegenstimmen und einer Stimmenthaltung – bei ins­gesamt 30 teilnehmenden Abgeordneten – angenommen worden. In diesem Antrag sei die 108-Prozent-Klausel nach wie vor enthalten; dies sei also der derzeit aktuelle Stand im EU-Par­la­ment.

Abgeordneter Dr. Kronberger hält es für äußerst wichtig, innerhalb des Europäischen Parla­ments diese Position weiterhin konsequent zu vertreten – unabhängig von den Möglichkeiten im Rat, wo es möglicherweise 14 zu 1 stehe –, weil das Parlament nach dem Amsterdamer Vertrag in diesem Punkt ein Mitentscheidungsrecht habe. Österreich müsse diese Position daher massiv verstärken, und dazu wären zwei Dinge von großer Wichtigkeit:

Erstens müsse von Abgeordneten aller Couleurs aus Österreich bei Kollegen im EU-Parlament Lobbying betrieben und vor allem um Verständnis geworben werden. Angesichts der Flut an Direkti­ven, Verordnungen und so weiter bedürfe es für ein derartiges spezifisches Anliegen des kleinen Österreich massiver Aufklärung.

Sollte man im Frühjahr im Plenum vor einer ähnlichen Situation stehen, würde man, angesichts der damaligen Differenz von rund 30 Stimmen, bei einem Kippen von 15 Stimmen eine Mehr­heit zustande bringen. Mit dieser Mehrheit hätte man ein intensives Instrument, die im­mer wieder verschobene – oder möglicherweise dann auch verwässerte – Wegekostenrichtlinie ein­zu­fordern und ein Signal zu setzen, dass sich das Europäische Parlament durchsetzen und dadurch eine bessere Position erreicht werden könnte – gekoppelt mit einer Ratifizierung der Alpenkonvention, die auch in genau diese Richtung wirke.

Zweitens sei es aber auch wichtig, dass die Argumentation auch von der Opposition korrekt ge­führt werde, denn es sei davon auszugehen, dass alles, was diesbezüglich kommuniziert wer­de, im Europäischen Parlament, wo es unter anderem eine nicht unbedeutende Lobby-Gruppe der Frächter gebe, wiederum gegen Österreich verwendet oder als Schwäche der Position Ös­terreichs präsentiert werde und damit den österreichischen Interessen indirekt massiv scha­de.

Was Anträge betreffe, mit denen man Verhandlungsteilnehmer so weit binde, dass sie, wenn man sie genau lese, seiner Meinung nach ein eindeutiges Veto beinhalten, weist Abgeordneter Dr. Kronberger darauf hin, dass auch bezüglich des Nichtabschlusses des Energiekapitels mit Tschechien die gleiche Situation bestanden habe und dass Tschechien in diesem Fall gar nicht in die Verhandlungen eintreten hätte können. Er ist der Meinung, die Abgeordneten sollten soli­da­risch und über alle Parteigrenzen hinweg in Bezug auf diese Problemstellungen und all ihre Folgewirkungen eine engere Zusammenarbeit aufbauen.

Zum Thema Veto merkt er an, dass dieses nur in Österreich so stark „stigmatisiert“ sei. Als sich Deutschland dafür ausgesprochen habe, die Agrarsubventionen an Frankreich zugunsten der Erweiterung zu kürzen, habe Frankreich ein Veto in Aussicht gestellt, außer man würde auch die Privilegien Großbritanniens am Agrarsektor kürzen, worauf dieses seinerseits mit einem Veto gedroht habe.

Das Instrument des Vetos sei, so Kronberger, in diesem Arbeitsumfeld ein ganz normales de­mo­kratisches Instrument, das in den Verträgen einfach vorhanden sei. Wenngleich man nicht bei jeder Gelegenheit damit drohen solle, solle man einen solchen Schritt grundsätzlich überle­gen und diesbezüglich nach Möglichkeit auch eine Einigkeit herbeiführen. Wenn man der Mei­nung sei, die Priorität bestehe darin, den Transitvertrag mit der 108-Prozent-Klausel durchzu­setzen, dann solle man auch klipp und klar sagen, dass man ein Veto androhen könne.

Abgeordneter Georg Schwarzenberger (ÖVP) hält fest, dass die Vorschläge im Agrarbe­reich für die Beitrittsländer sehr wohl begründet seien, und führt in diesem Zusammenhang aus, wie die Marktordnungsprämien zustande kamen: Im Jahre 1992 sei bei den Verhand­lun­gen zur GATT-Uruguay-Runde vereinbart worden, dass die Exportstützungen und Importab­schöpfun­gen jeweils um 36 Prozent reduziert würden; damit nicht in Folge des Preisverfalls auch die Einkommen im gleichen prozentuellen Ausmaß sinken würden, habe man damals die Markt­ordnungsprämien eingeführt.

Ein weiterer Schritt sei im Rahmen der Agenda 2000 erfolgt, als wiederum die Exportstützungen reduziert und aus diesem Grunde die Marktordnungsprämien nochmals gestärkt worden seien, um den Einkommensverfall in Grenzen zu halten.

Als Österreich der Europäischen Union beigetreten sei, seien die Preise in Österreich wesent­lich höher gewesen als in der Europäischen Union, deshalb sei es auch begründet gewesen, dass Österreich die vollen Marktordnungsprämien erhalten habe. Bei den nun vor ihrem Beitritt stehenden Ländern handle es sich hauptsächlich um Länder, in denen die Preise niedriger seien als in der Europäischen Union, sodass es dort zu keinem Preisverfall komme, sondern, im Ge­genteil, zu einer garantierten Absicherung zu den Richtpreisen, die in den Beitrittsländern eben­so gelten würden wie in den derzeitigen Mitgliedsländern, womit auch die Einkommen abgesichert würden.

Es sei diesen Ländern auch ein großzügiges Angebot im Bereich der zweiten Säule, der ländli­chen Entwicklung, gemacht worden, wo sie in sehr bedeutendem Ausmaß Umweltleistungen honoriert erhalten können und die Ausgleichsbeiträge für ihre Länder, allerdings mit Kofinanzie­rung dieser Länder selbst, gestalten können.

Am Beispiel Österreichs werde deutlich, dass die erste Säule, jene der Marktordnungsprämien, den großen Betrieben nütze, die zweite Säule, jene der Umwelt- beziehungsweise Ausgleichs­leistungen, hingegen eher den kleinen Betrieben. Es sei Österreich damit auch gelungen, seine kleinbäuerliche und bergbäuerliche Struktur zu erhalten.

Da sich die Kosten im Laufe der Zeit angleichen würden, seien nach einem Zeitraum von zehn Jah­ren die gleichen Prämien vorgesehen, wie sie auch die Betriebe in den derzeitigen Mit­glieds­ländern erhalten.

Zur Frage der Transitlösung führt Abgeordneter Schwarzenberger aus, dass, wenn der Antrag der Grünen nicht als Veto verstanden werde, er daraus herauslese, dass dieser, wenn es keine Einigung gebe, für die Verhandlungspartner geradezu eine Einladung darstellen würde, nicht das für Österreich Optimale zuzusagen, denn dann gäbe es nach dem Jahr 2003 überhaupt kei­ne Lösung mehr für Österreich, da der Transitvertrag, auch wenn man keine Nachfol­ge­re­gelung finde, zu diesem Zeitpunkt auslaufe.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger habe betont, die Grünen hätten diese Anträge, auch im Tiroler Landtag, nie als Vetodrohung verstanden. Abgeordneter Schwarzenberger merkt in diesem Zusammenhang an, dass auch er in einer vom Transitverkehr betroffenen Region lebe, in der die Tauern Autobahn immer stärker frequentiert werde, dass jedoch seit einigen Jahren mit gro­ßem Nachdruck am zweigleisigen Ausbau der Tauernbahn, welche von Schwarzach bis Mall­nitz großteils eingleisig gewesen sei, gearbeitet werde. Das Nadelöhr, das die Eisenbahn hier im Alpentransit dargestellt habe, könne damit beseitigt werden, und es werde damit sehr wohl ein Beitrag dazu geleistet, das steigende Verkehrsaufkommen von der Autobahn auf die Schie­ne zu verlagern.

Seine Fraktion könne daher auch dem von den Grünen eingebrachten Antrag auf Stellung­nah­me nicht die Zustimmung geben, denn im Extremfall würde dies bedeuten, dass der Transit­ver­trag auslaufe und Österreich überhaupt keine Nachfolgeregelung habe. Er vertraue deshalb viel mehr dem Verhandlungsgeschick des Bundeskanzlers, mit dem dieser diesbezüglich eine optimale Lösung für Österreich erzielen werde.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) stellt an Abgeordneten Dr. Kronberger die Fra­­ge, wo dieser aus dem Antrag der Grünen ein Veto herauszulesen können glaubt, und betont, dass die Formulierung „über eine Transitregelung“ im Antragstext sehr bewusst gewählt sei. Sie glaubt, dass die Politik mit Vetos, wie sie in letzter Zeit betrieben worden sei, Öster­reich gerade in diesem Bereich sehr geschwächt habe, weil nicht mehr nachvollziehbar gewe­sen sei, um welche Inhalte es gehe, sondern letztlich nur mehr das Faktum „Veto“ vermittelt wor­den sei.

In Bezug auf die Kürzung der Ökopunkte für den Fall, dass der EURO 4-LKW als Ausnahme libe­ralisiert werden sollte, sei in der APA als österreichische Maximalforderung eine Kürzung um 2,9 Prozent für 2004, 5,7 Prozent für 2005 und 8,2 Prozent für 2006 veröffentlicht worden. Auf die realen Zahlen umgerechnet bedeute dies für 2004: 39,6 Prozent, für 2005: 39,2 Prozent und für 2006: 38,8 Prozent. Dies sei, wenn man es auf die Schadstoffeinträge umrechne, praktisch jenseits der Messbarkeitsgrenze.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger bittet daher Bundeskanzler Dr. Schüssel dringend, „nicht in die EURO 4-Falle zu gehen“, solange man nicht wisse, ob ein EURO 4-LKW im Realbetrieb tat­säch­lich wesentlich schadstoffärmer sei als beispielsweise ein EURO 1-LKW. Wenn man diesbe­züglich jetzt eine Scheinlösung erziele, dann würde es jedes Jahr – zumal die Verlängerung je­des Jahr vorzunehmen sei – zum gleichen Streit um Fragen kommen wie: Was sind Schad­stoffeinträge? Was ist durch den Transit verursacht?

Was das Lobbying innerhalb des Europäischen Parlaments betreffe, so sei dieses, gerade in die­sem Bereich, ein bisher noch etwas „unentdecktes Feld“ – dies gelte allerdings nicht für die Frächterlobby. Man habe im Europäischen Parlament noch die – wenngleich sehr geringe – Chance, eine gewisse Obergrenzenregelung zu erzielen. Dies sei für sie ein weiterer Beweis dafür, dass das Europäische Parlament in vielen Umwelt- und Sozialfragen vernünftiger und näher an der Bevölkerung sei als der Rat.

Die Annahme, dass der Antrag der Grünen einen Entfall der gesamten Regelung nach sich zie­hen könne, sei aus ihrer Sicht falsch. Aber auch wenn die darin enthaltene Forderung keine Unter­stützung von Seiten der Regierungsparteien finde, warne sie dennoch abermals davor, in die „EURO 4-Falle“ zu gehen, denn dies sei gefährlich für die Zukunft an den Transitrouten.

Abgeordneter Ing. Wilhelm Weinmeier (Freiheitliche) dankt Bundesminister Ing. Reichhold für seine Linie und für seinen Einsatz für die Transitfrage beim Rat in Brüssel, der damit die Inter­es­sen der Mehrheit der Bevölkerung vertrete. Er hofft, dass von dieser Linie auch beim Rat in Ko­penhagen nicht abgegangen werde, da sie ohnedies bereits einen Minimalkompromiss dar­stelle.

Der Transitvertrag habe ursprünglich drei Ziele verfolgt: die Schadstoffreduktion, die Lärmre­duktion und die Verlagerung des Verkehrs auf die Schiene. In der Diskussion insbesondere über die EURO 4-LKW werde bestenfalls eines dieser Ziele verfolgt. Es sei daher unbedingt not­wendig, dass im Gegenzug auch Maßnahmen zur Schadstoffreduktion erfolgen und auch das Ziel der Verlagerung auf die Schiene nicht aus den Augen verloren werde.

Abgeordneter Ing. Weinmeier erinnert auch daran, dass Österreich eine Alpenkonvention un­ter­zeichnet habe und dass ein Abgehen von der Reduktionsstrategie in starkem Widerspruch dazu stehen würde. Selbst wenn nicht alle Mitgliedsländer der Europäischen Union die Alpen­kon­vention unterzeichnet hätten, könne man dennoch nicht im Gegenzug von der darin festge­leg­ten Linie, eine Reduktion der verkehrsbedingten Belastungen anzustreben, abgehen, auch nicht auf europäischer Ebene.

Deshalb sei es wichtig, dass die von Bundesminister Ing. Reichhold beim Rat in Brüssel einge­schla­gene Linie in Kopenhagen auch durchgesetzt werde und dass vor allem das Thema nicht wieder auf einen anderen Ministerrat verschoben werde, sondern dass es dort tatsächlich zu einem Abschluss der Verhandlungen in diesem Sinne komme.

Was das Thema Beitrittsverhandlungen mit der Türkei betrifft, hält Abgeordneter Ing. Wein­meier es für wesentlich, sich mit dieser Frage zu beschäftigen. Natürlich könne die EU nicht Länder von vornherein von Beitrittsverhandlungen ausschließen; im Gegensatz zum Bundes­kanz­ler sei er jedoch sehr wohl der Meinung, dass es bezüglich dieses Themas einen Dis­kussions­bedarf gebe. Dieser beziehe sich nicht auf die Frage der Kosten oder auf die Frage der Religion, sondern die EU müsse sich einmal klar darüber werden, ob sie über ihre geogra­phi­schen Grenzen hinausgehen wolle oder nicht, denn mit gleichem Recht wie die Türkei könnten in der Folge auch andere asiatische oder möglicherweise auch afrikanische Länder ein Beitritts­ansuchen einreichen. Wie solle man diese dann ablehnen, wenn man jetzt in dieser Frage keine klare Linie finde?

In dieser Frage sei vor einigen Wochen ein eklatanter Widerspruch zwischen der Linie der Grü­nen in Österreich und jener des grünen Abgeordneten zum Europäischen Parlament Voggen­huber festzustellen gewesen, der die gleiche Linie vertrete, die auch die Freiheitlichen vertreten.

Abgeordneter Ing. Weinmeier hält es für unehrlich, dauernd Bedingungen an die Türkei zu stel­len, die diese dann natürlich auch zu erfüllen gewillt sei, ohne der Türkei klar zu sagen, was man auf Seiten der EU in dieser Frage wirklich wolle. Die Gefahr sei, damit falsche Hoffnun­gen zu wecken, die dann eine umso größere Enttäuschung nach sich ziehen würden.

Für eine gute Diskussionsgrundlage hält er den Vorschlag der deutschen CDU/CSU, der Tür­kei eine privilegierte Partnerschaft mit der Europäischen Union anzubieten. Dieses Modell solle man seiner Ansicht nach verfolgen.

Bundeskanzler Dr. Wolfgang Schüssel weist darauf hin, dass die Darstellung, Österreich habe angeboten, auf die Mengenobergrenze zu verzichten, nicht der Wahrheit entspreche. Es sei vielmehr, als es darum ging, überhaupt in die Verhandlungssituation zu kommen, dass Öster­reich über eine Verlängerung reden könne, klar gewesen, dass die anderen 14 Mitglied­staaten dies niemals mit einer Weiterführung der Mengenobergrenze akzeptieren würden. Dies sei nicht seine Position gewesen. Er wünsche sich auch, dass Österreich die gesamte Rege­lung in ihrer derzeitigen Form behalten könne, aber das werde eben von den anderen Verhand­lungspartnern nicht akzeptiert und das müsse man offen auf den Tisch legen.

Angesichts der Reaktion des dänischen Ratsvorsitzenden, der Österreich, so Schüssel, in Wirk­lichkeit auch noch höhne, möge man doch einsehen, dass es hier nicht um ein Problem zwi­schen der österreichischen Bundesregierung und den Parlamentsfraktionen gehe, sondern um das Problem, dass viele innerhalb der Europäischen Union nicht verstünden, dass man in sen­siblen Fragen, die etwa die Umwelt, die Verkehrsbelastung oder auch die regionale Identität be­treffen, nicht „übereinander drüberfahren“ könne, sondern dass man mehr aufeinander ein­gehen müsse.

Man habe ja nicht nur ein einziges Modell, sondern jeder der Anwesenden wisse, dass das Öko­punkte-Modell als ein „Insel-Modell“ mitten in ganz Europa bestenfalls eine Übergangs­lö­sung sein könne. Man habe von Seiten Österreichs vorgeschlagen, die Europäische Union mö­ge Österreich die Mauthoheit und die Tarifierung überlassen, damit Österreich bestimmte sensible Zonen so bemauten könne, wie dies in der Schweiz möglich sei, sodass Österreich dies selbst steuern könne, und die EU möge Österreich die Chance einer Querfinanzierung geben, sodass auch die Infrastruktur auf der Schiene – durch Tunnels, modernste Systeme und so weiter – entsprechend entwickelt werden könne. Hiezu habe es jedoch geheißen: Nein, das gehe alles nicht, denn dem stehe die Idee des Binnenmarktes entgegen – die, so Schüssel, an sich gut sei, sich hier aber geradezu pervertiere.

Daraufhin sei es das Anliegen Österreichs gewesen, den Transitvertrag zumindest in seiner Sub­stanz zu retten. Hiezu habe es wiederum geheißen: Nein, eine Mengenobergrenze gehe nicht. Nun sei es natürlich möglich, auch über die Ökopunkte und über die Schadstoffemissio­nen eine gewisse Mengenbegrenzung vorzunehmen, und jetzt feilsche man um die Frage: EURO 4-LKWs – ja oder nein?

Wenn der EURO 4-LKW den EURO 1-, den EURO 2- und den EURO 3-LKW ersetzen solle, sei dies natürlich an und für sich gut. Es gehe auf der Straße nicht um die Frage der Ästhetik, son­dern um die Flüssigkeit des Verkehrs, vor allem aber um die Umweltqualität in der Region, und diesbezüglich sei der EURO 4-LKW kein schlechtes Modell. Wenn die Standardisierung das halte, was die Kommission vorgebe und was vorgeschrieben werden würde, dann sei es im Interesse der Umwelt, dass die alten LKWs fortschreitend durch den EURO 4-LKW ersetzt werden. Dann aber brauche man eine Flexibilität bei den Ökopunkten. Im Moment zeichne sich all das nicht ab; er, Schüssel, wolle diesbezüglich keine Illusionen wecken.

Eine „absurde Legende“ sei die Darstellung des Abgeordneten Dr. Niederwieser, wonach er, Schüs­sel, froh darüber wäre, dass Bundesminister Ing. Reichhold gescheitert sei und Bundes­ministerin Dr. Ferrero-Waldner kein Ergebnis erzielt habe.

Die eigentliche Frage sei, was dann sein werde, wenn man in Kopenhagen nichts zusammen­brin­ge. Dann müsse man in direkten Kontakt treten und sich genau überlegen, wie man hier vorgehe. Er sei nicht sicher, dass die anderen Vierzehn die von Österreich angestrebte Rege­lung jetzt einfach akzeptieren werden, insbesondere angesichts der ersten Reaktionen, die dies­bezüglich zu vernehmen gewesen seien. Man hätte diese Frage ja auch etwas entspannter und konstruktiver sehen können. Wenn man das nicht wolle, dann werde es Probleme geben.

Für diesen Fall bittet Bundeskanzler Dr. Schüssel die Abgeordneten darum, dass man in dieser Fra­ge gemeinsam vorgehen und sich gemeinsam absprechen möge und dass jeder auf seiner Ebene – etwa auf den diversen vor dem Rat von Kopenhagen stattfindenden Parteikon­venten – den Appell ergehen lassen möge, mitzuhelfen, damit man einen positiven Erfolg zu­stan­de bringe. Er, Schüssel, sei dazu bereit. Er ersucht in diesem Zusammenhang aber auch dar­um, keine Positionen zu vertreten, von denen man wisse, dass sie in Brüssel, auf der Rats­ebene, nicht mehr verhandelbar seien. Wenn das Parlament in dieser Frage helfen könnte, dann sei das natürlich in Ordnung, aber auf der Ratsebene brauche er jetzt auch die Unter­stützung der persönlichen Netzwerke.

Er sei gar nicht sicher, wie das ausgehen werde, das sei „wirklich kein Spiel“. Dass er, wie ihm unter­stellt worden sei, „Taktik“ betreibe, um dort zu „brillieren“, weist Bundeskanzler Dr. Schüs­sel entschieden zurück. Er wäre glücklich gewesen, hätte der Verkehrsminister im Verkehrsmi­nister­rat eine Lösung zustande gebracht, da es ohnedies noch eine Reihe anderer Probleme gebe. Er, Schüssel, glaubt weiters, dass man diese gemeinsam besser lösen könne als in einer Dis­kussion untereinander, zumal nach seiner Einschätzung die Positionen nicht weit aus­einan­der lägen. Alle hätten ein klares Ziel, nämlich eine gute Lösung für Österreich zustande zu bringen.

Obmann Dr. Heinz Fischer dankt für die ausführliche Aussprache, schließt die Debatte und bringt die beiden eingebrachten Anträge zur Abstimmung.

Der Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger auf Stellungnahme betreffend die nötige dauerhafte und sachgerechte Lösung der Transitfrage im Hinblick auf die bevorstehende Ta­gung des Rates in Kopenhagen (Beilage 1/1) bleibt in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Der Antrag auf Stellungnahme der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger, Mag. Ulrike Lunacek betreffend die EU-Rechtsverbindlichkeit des so genannten Melker Prozesses (Beilage 1/2) bleibt ebenfalls in der Minderheit und ist damit abgelehnt.

Obmann Dr. Fischer schließt die Beratungen zum Tagesordnungspunkt 1 und gibt bekannt, dass der öffentliche Teil der Sitzung damit beendet sei.

(Es folgen die Beratungen zu den Tagesordnungspunkten 2 bis 6.)

Schluss der Beratung zum Tagesordnungspunkt 1: 18.40 Uhr

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