IV-2 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates XXI. GP

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

 

 

 

(Auszugsweise Darstellung)

 

 

Dienstag, 7. Dezember 1999

 

 

 

 

 

 

 

 


Gedruckt auf 70g chlorfrei gebleichtem Papier



Beratungen des Hauptausschusses
in Angelegenheiten
der Europäischen Union

(Auszugsweise Darstellung)

XXI. Gesetzgebungsperiode           Dienstag, 7. Dezember 1999

Tagesordnung

Betreffend Helsinki

2232. Ratstagung (Allgemeine Angelegenheiten) am 6. / 7. Dezember 1999

(1728/EU XXI. GP)

Beginn der Sitzung: 15.10 Uhr

Obmann Dr. Heinz Fischer eröffnet die Sitzung, begrüßt die Anwesenden und leitet über zur Konstituierung des Ständigen Unterausschusses des Hauptausschusses in Angelegenheiten der Europäischen Union.

Zum Vorsitzenden wird einstimmig Dritter Nationalratspräsident Dr. Andreas Khol, zu seinen bei­den Stellvertretern werden die Abgeordneten Peter Schieder und Mag. Karl Schweitzer gewählt.

In die einzelnen Funktionen werden die folgenden Abgeordneten gewählt:

Obmann:                      Dr. Andreas Khol

Obmannstellvertreter:     Peter Schieder

Mag. Karl Schweitzer

Schriftführer:                 Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann

Christian Faul

Dr. Gottfried Feurstein

Mitglieder:                                            Ersatzmitglieder:

SPÖ (5):                       Dr. Josef Cap                                       Anna Huber
Christian Faul                                       Erwin Kaipel
Marianne Hagenhofer                            DDr. Erwin Niederwieser
Dr. Peter Kostelka                                Georg Oberhaidinger
Peter Schieder                                     Annemarie Reitsamer

Freiheitliche (4):            Ing. Gerhard Fallent                              Ing. Herbert L. Graf
Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann                Ing. Wilhelm Weinmeier
Dr. Susanne Riess-Passer                    Franz Hornegger
Mag. Karl Schweitzer                            Anna Elisabeth Aumayr

ÖVP (4):                       Dr. Gottfried Feurstein                           Dr. Michael Spindelegger
Dr. Andreas Khol                                  Dr. Gerhart Bruckmann
Rudolf Schwarzböck                             Georg Schwarzenberger
Dkfm. Dr. Günter Stummvoll                  Karlheinz Kopf

Grüne (1):                     Dr. Evelin Lichtenberger             Dipl.-Ing. Wolfgang Pirklhuber

Einhellig beschließt der Hauptausschuss, dass der Ständige Unterausschuss des Hauptaus­schus­­­­ses in Angelegenheiten der Europäischen Union künftig alle Aufgaben in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Artikel 23e und 23f B‑VG wahrnehmen wird, ausgenommen je­ne Vorhaben, die dem Europäischen Rat vorbehalten sind und auf der Tagesordnung der je­weils nächsten Sitzung des Europäischen Rates stehen, sowie die Beratung von Vorhaben der Euro­päischen Union im Vorfeld von EU-Regierungskonferenzen, die eine Änderung von Primär­recht zum Inhalt haben. (Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Prinzhorn übernimmt den Vorsitz.)

1. Punkt

Betreffend Helsinki
2232. Ratstagung (Allgemeine Angelegenheiten) am 6. / 7. Dezember 1999
(1728/EU XXI. GP)

Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn erteilt Bundeskanzler Mag. Klima das Wort zu einer einleitenden Stellungnahme.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima ruft in seiner Vorschau auf den bevorstehenden Euro­päischen Rat von Helsinki am 10. und 11. Dezember 1999 in Erinnerung, dass im Rahmen der – auf eine Initiative der österreichischen Präsidentschaft zurückgehenden – Sondertagung des Euro­päischen Rates in Tampere am 15. und 16. Oktober 1999 wesentliche Fortschritte zur Schaffung eines europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts erzielt worden seien.

Finnland habe seine erste EU-Präsidentschaft sehr ambitioniert und engagiert gestaltet. Das finnische Arbeitsprogramm spiegle die große Themenbreite wider – von der Erweiterung über die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik bis hin zur nächsten Regierungs­kon­fe­renz –, die auch Gegenstand der Beratungen sein werde.

Zehn Jahre nach Beseitigung des Eisernen Vorhangs bestehe nun die Chance, Europa auf der Grund­lage gemeinsamer Ideale und gemeinsam festgelegter Regeln zusammenzuführen. Österreich begrüße die Einigkeit unter den 15 Mitgliedstaaten darüber, dass in Helsinki grund­sätzlich festgelegt werden soll, auch mit den Ländern der bisherigen zweiten Gruppe – Slo­wa­kei, Ru­mänien, Bulgarien, Lettland und Litauen – sowie mit Malta die Beitritts­verhandlungen zu er­öffnen.

Bundeskanzler Mag. Klima gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass von dem Gipfeltreffen in Helsin­ki auch ein klares Signal im Hinblick darauf ausgehen wird, der Türkei den Kandidatenstatus zu­zu­erkennen. Es gehe um ein Zeichen für die Zugehörigkeit der Türkei zum europäischen Raum, auch wenn sie die wirtschaftlichen und politischen Kriterien für den Beitritt zur Europäischen Union nicht erfülle.

Es sei das ursprüngliche Ziel Österreichs gewesen sei, Verhandlungen mit allen Ländern, die einen EU-Beitritt wünschen, aufzunehmen. Die österreichische Bundesregierung habe sich stets für eine realitätsbezogene Gestaltung des Erweiterungsprozesses gemäß dem Prinzip der Diffe­renzierung ausgesprochen, wonach die jeweilige Entwicklung in den Kandidatenländern für den Beitritt entscheidend sein werde. Die Dynamik der Verhandlungen werde ausschließlich von den konkreten Fortschritten dieser Länder in der Übernahme und Umsetzung des Acquis commu­nau­taire abhängen. Keineswegs sinnvoll wäre es, ein konkretes Beitrittsdatum für die Kandi­datenländer festzulegen.

Bundeskanzler Mag. Klima spricht sich für eine finanzielle Unterstützung der Beitrittskandidaten-Län­der aus und ferner dafür, sich seitens der Europäischen Union das Ziel zu setzen, bis zum Ende des Jahres 2002 oder bis zum Beginn des Jahres 2003 die internen Vorbereitungen zur Aufnahme neuer Mitglieder grundsätzlich abgeschlossen zu haben.

Österreich habe das Thema nukleare Sicherheit auch seit seinem Beitritt zur Europäischen Union konsequent in den Vordergrund gerückt. Was die derzeit vorliegenden Schließungspläne für Kernkraftwerke betrifft, werde es um ein Signal in die Richtung gehen, dass mit diesen Plä­nen für die Schließung von Reaktoren der ersten Generation – wie etwa in Bohunice mit der vor­ge­sehenen Stilllegung zwischen 2006 und 2008 – nicht das letzte Wort gesprochen ist.

Bundeskanzler Mag. Klima spricht all denjenigen seinen Dank aus, die an den entsprechenden Be­mühungen mitgewirkt haben. Vizekanzler Dr. Schüssel habe erst vor wenigen Stunden einen Brief des slowakischen Außenministers erhalten, in dem von der slowakischen Regierung die Be­­reit­schaft erklärt werde, mit der Europäischen Kommission und mit Österreich in Gespräche ein­zutreten, die in die Richtung einer Vorverlegung des Schließungsdatums für das Kern­kraft­werk Bohunice in Verbindung mit einer finanziellen Unterstützung dieses Vorhabens durch die Europäische Union gingen. Bundeskanzler Mag. Klima verweist in diesem Zusammenhang auf die Idee der Einrichtung spezifischer Fonds zur finanziellen Unterstützung von Beitrittskandi­da­ten-Ländern, wenn sie die Nutzung alter, unsicherer Kernkraftwerke beenden.

Mit dieser Vorgangsweise könne der Entschließung des Nationalrates vom 18. November 1999 entsprochen werden. Österreich erwarte sich entsprechende Verhandlungsbereitschaft, und mit Hilfe zusätzlicher Bemerkungen in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Helsin­ki zur Verankerung dieses Anliegens könne Österreich diesen wesentlichen Schritt des Erweite­rungs­prozesses unterstützen.

Was in Helsinki noch nicht im Vordergrund stehen, aber nichtsdestoweniger maßgeblich sein wer­de, sei zum Gegenstand einer Diskussion beim informellen Abendessen der Staats- und Re­gie­rungschefs in Tampere geworden. Dort sei es um folgende Frage gegangen: Wie kann eine Euro­päische Union mit einer visionär ins Auge gefassten Zahl von 28 Mitgliedstaaten funktionie­ren?

Es sei im Hinblick auf die Entscheidungsgeschwindigkeit sowie die Integration und Vertiefung der politischen Beziehungen zueinander schon sehr schwierig gewesen, die Schritte von 9 auf 12 und später von 12 auf 15 Mitgliedstaaten zu gehen. Nun komme es darauf an, die Regie­rungs­konferenz sehr schnell voranzutreiben. Zugleich bestehe aber Klarheit darüber, dass über eine Regierungskonferenz mit den Themen der sogenannten “Leftovers” von Amsterdam – einer Aus­weitung der Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit, der Stimmgewichtungen oder der Anzahl der Kommissare sowie der im Annex dazu befindlichen Punkte – hinaus eine grundsätzliche Dis­kus­sion darüber in Angriff genommen werden müsse, wie eine Europäische Union funktionie­ren und ihre Entscheidungsgeschwindigkeit beibehalten könne, wenn es 28 Mitglied­staaten gibt.

Bundeskanzler Mag. Klima erinnert daran, dass die Weiterentwicklung der Sicherheits- und Ver­tei­digungspolitik der Europäischen Union bereits unter österreichischer Präsidentschaft als zentra­­le Notwendigkeit hervorgehoben wurde. Es komme vor allem darauf an, die Europäische Union zur Erfüllung der so genannten “Petersberg-Aufgaben” im Bereich der zivilen und militä­ri­schen Konfliktverhütung und Krisenbewältigung handlungsfähig zu machen. Dieses Ziel werde in Österreich gemeinsam verfolgt, weil damit ein wichtiges, glaubwürdiges Paket von Maßnah­men zur politischen Festigung Europas unterstützt werde.

Das starke österreichische Engagement für dieses Ziel zeige sich auch daran, dass Vizekanzler Dr. Schüssel im Rahmen der letzten Ratstagung mit Unterstützung von Seiten Schwedens und Deutschlands eine Stärkung der zivilen Krisenmanagement-Komponente ins Gespräch gebracht habe. Darüber werde weiterhin zu diskutieren sein.

Was die Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik der Europäischen Union betrifft, habe Finnland während seiner Präsidentschaft klugerweise darauf verzichtet, neue Ideen vorzulegen, sondern sich auf eine Konsolidierung der bereits laufenden Prozesse konzentriert. Erstmals habe Europa im Rahmen der WTO-Verhandlungen in Seattle – wenngleich erfolglos – eine gemeinsame Spra­che gesprochen. Dazu seien ein mühsamer Wille und ein entsprechender Koordinierungs­pro­zess nötig gewesen. Für den mangelnden Erfolg könne mit Sicherheit nicht die Europäische Union verantwortlich gemacht werden.

Bundeskanzler Mag. Klima hebt hervor, dass sich mit der finnischen Präsidentschaft zum ersten Mal eine Präsidentschaft daran gewagt habe, in den jeweiligen Beschäftigungs- und Fortschritts­berichten den einzelnen Mitgliedstaaten auch Empfehlungen zu geben.

Sein Bedauern äußert Bundeskanzler Mag. Klima darüber, dass die Koordination der Steuer­poli­tik im Rahmen der Europäischen Union bisher nicht erfolgreich zu sein scheine. Es gehe dabei zum einen um die europaweit abgestimmte Einführung von Energiesteuern in Richtung einer Öko­lo­gisierung des Steuersystems. Widerstand dagegen leiste vor allem Spanien, dahinter wür­den sich jedoch auch andere Mitgliedstaaten wie Portugal oder Griechenland “verstecken”.

Zum anderen seien davon die Bemühungen betroffen, in der Europäischen Union sozusagen ein Dumping, ein gegenseitiges Unterbieten in puncto Kapitalertragsbesteuerung zu vermeiden, da im Fall einer Null-Steuer auf Kapital andere Bereiche wie etwa die Gewinnbesteuerung die Kon­se­quenzen zu tragen hätten. Ein Vorschlag laute darauf, einen Verhaltenskodex ein­schließlich der Frage der Kapitalertragsbesteuerung zu schaffen. Diese Vorschlag finde derzeit die Zustim­mung von 14 Mitgliedstaaten und werde nur von Großbritannien blockiert.

Die Präsidentschaft habe diese Blockade bisher nicht überwinden können. Am kommenden 9. De­zember würden sich die Wirtschafts- und Finanzminister im Rahmen eines Sonder-ECOFIN spezifisch mit diesem Thema befassen. Bundeskanzler Mag. Klima äußert sich jedoch skeptisch über die Erfolgsaussichten, denn Großbritannien habe offenbar nicht die Absicht, die­se aus scheinbaren Interessen der City of London entstandene Blockade aufzugeben.

Unter Hinweis auf die folgenden Ausführungen von Vizekanzler Dr. Schüssel über die außen­politi­schen Themen des bevorstehenden Europäischen Rates erinnert Bundeskanzler Mag. Kli­ma daran, dass Österreich mit 1. Jänner 2000 den Vorsitz in der OSZE übernehmen wird. Fer­ner gibt er seiner Überzeugung Ausdruck, der Europäische Rat werde in Helsinki ein klares Sig­nal dafür geben, gleichzeitig Integration und Vertiefung auf der einen Seite weiterzuentwickeln sowie auf der anderen Seite die Erweiterung der Europäischen Union im Sinne des Friedens­projektes Europa gut vorzubereiten.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel stellt ein­leitend fest, dass er sich in seinen Ausführungen auf die zwei Hauptthemen Erweiterung so­wie europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik konzentrieren werde.

Es stehe im Wesentlichen fest, dass der Europäische Rat den Empfehlungen der Europäischen Kommission zur Aufnahme von Verhandlungen mit den genannten sechs Staaten folgen werde. Im Fall von Rumänien und Bulgarien werde es eine Verzögerung geben, da zuvor ein Bericht der Kommission darüber erstellt werde, inwieweit zusätzliche Maßnahmen, zu denen sich diese zwei Länder verpflichten mussten, umgesetzt worden seien. Da gehe es etwa um Waisen­häu­ser, aber auch um das Kernkraftwerk Kosloduj. In dieser Frage sei eine gute Lösung gefun­den worden.

Was das Kernkraftwerk Bohunice betrifft, habe jetzt die slowakische Regierung heftigem Drän­gen nachgegeben und einen entsprechenden Brief an die österreichische Regierung ge­schrie­ben. Darüber sei hinter den Kulissen vertraulichst verhandelt worden, und zunächst sei eine ge­meinsame Erklärung geplant gewesen. Die Slowakei habe dann um die Möglichkeit gebeten, von sich aus ein Angebot zu unterbreiten. Dies habe auch mit koalitionsinternen Problemen der dortigen Regierung zu tun gehabt.

Der Inhalt des jetzt vorliegenden Briefes sei in der Substanz absolut in Ordnung. Zum ersten Mal sei die Möglichkeit einer früheren Schließung in Aussicht gestellt worden, abhängig vom Fort­schritt der Verhandlungen, von einer Unterstützung durch Österreich im Europäischen Rat – damit habe Österreich sicherlich kein Problem, weil ein Fortschritt auch im österreichischen stra­tegischen Interesse liege – sowie von finanziellen Anreizen.

Zum finanziellen Aspekt weist Vizekanzler Dr. Schüssel darauf hin, dass die Europäische Kom­mi­ssion üblicherweise eigene Budgetlinien für die Schließung von Kernkraftwerken vorsehe. Allerdings habe die Slowakei kein Interesse daran, die mit der Kommission schon vereinbarten Budgetlinien in Frage zu stellen, sondern wolle für eine frühere Schließung zusätzliches Geld zur Verfügung gestellt bekommen. Österreich werde sich dafür sowohl auf EU-Seite einsetzen müs­sen als auch notfalls von sich aus entsprechende Überlegungen anzustellen haben.

Nichtsdestoweniger stellt Vizekanzler Dr. Schüssel in dieser Hinsicht einen Durchbruch fest, da die slowakische Seite damit die Bereitschaft zeige, von ihrem erst vor wenigen Wochen ge­fassten Regierungsbeschluss abzugehen. Dies sei auch ein ermutigendes Signal für den Euro­päischen Rat von Helsinki.

Im Zuge der Erweiterungsverhandlungen werde eine Schwierigkeit darin bestehen, dass sich die derzeit für Verhandlungen mit sechs Kandidatenländern im Einsatz befindlichen 180 Beamten künftig sechs zusätzlichen Kandidaten gegenübersehen werden. Wenn keine Umschichtungen vorgenommen oder zusätzliche Budgetmittel für eine Aufstockung des Personalstandes erübrigt werden, bestehe die Gefahr – darauf habe der neue Kommissionspräsident Prodi aufmerksam gemacht –, dass der bereits im Gang befindliche Verhandlungsprozess eine Einschränkung und Verlangsamung erfährt.

Vizekanzler Dr. Schüssel fügt hinzu, er mache auf diesen Sachverhalt aufmerksam, um einer Illu­sion vorzubeugen, die von manchen Mitgliedstaaten gehegt werde: dass, obwohl keine zu­sätzli­chen Mittel vorhanden sind, nicht nur die bisherigen Verhandlungen trotz Eröffnung sämtli­cher Verhandlungskapitel unter portugiesischem Vorsitz zügigst weitergeführt werden, sondern zu­sätzlich die ersten Verhandlungskapitel für die sechs neuen Kandidaten aufgeschlagen wer­den.

Das zweite Problem, über das in Helsinki die Diskussion zu eröffnen sein werde, betreffe die Be­kanntgabe eines Zieldatums für die nächste Beitrittsrunde. Kommissionspräsident Prodi habe in diesem Zusammenhang zunächst vom Jahr 2001, später von 2002 gesprochen. Bis dahin müs­se die Europäische Union bereit sein zur Aufnahme neuer Mitglieder. Zuletzt sei ein weiterer Schwenk zu der Position erfolgt, Ende 2002 – unter der Annahme, dass dann die Regierungs­konfe­renz bereits ratifiziert sein werde – zur Angabe eines Zieldatums in der Lage zu sein. Vize­kanzler Dr. Schüssel erachtet es für eine positive Entwicklung, dass auf diese Weise spätestens von 2002 an über ein allfälliges Zieldatum diskutiert werde.

Als drittes Problem nennt Vizekanzler Dr. Schüssel die Türkei. Es habe zwar zuletzt positive Signa­le zwischen Griechenland und der Türkei gegeben – etwa im Zusammenhang mit den Erdbebenkatastrophen –, aber diese sollten nicht überschätzt werden. In der Substanz sei noch keine große Veränderung festzustellen. Günstig werde sich die Aufnahme von Gesprächen in der UNO über die Behandlung der Zypern-Frage unter Beteiligung der beiden betroffenen Volks­gruppen auswirken, aber es bestehe kein Grund zu Illusionen.

Griechenland sei unter drei Bedingungen bereit, sein bisheriges Nein zu einem Kandidaten­sta­tus der Türkei aufzugeben. Darüber sei jüngst im Allgemeinen Rat diskutiert, allerdings keine Über­ein­stimmung erzielt worden. Griechenland fordere als Erstes eine allgemeine Formel, wo­nach Beitrittskandidaten die Jurisdiktion des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag ak­zeptie­­ren müssen. Dies würde zwar von der Türkei akzeptiert werden, jedoch für den Beitrittsfall gelten, und ein Beitritt der Türkei innerhalb kurzer Zeit sei nicht realistisch sei. Daher fordere Grie­chenland die Angabe eines Beitrittsdatums. Es stelle sich nun die Frage, ob die Türkei bereit sein werde, ein fixes Datum anzunehmen. Ein Kompromissvorschlag laute darauf, eine For­mel wie “innerhalb einer vernünftigen Zeitspanne” zu wählen.

Die zweite Bedingung Griechenlands beziehe sich auf einen EU-Beitritt Zyperns und laute dar­auf, dass die 15 EU-Mitgliedstaaten eine gemeinsame Erklärung abgeben, die darauf lautet, dass zwar der Beitritt eines vereinten Zyperns gewünscht werde, dies jedoch keine Vorbe­din­gung für den Beitritt darstelle. Am Ende werde ohnehin ein Europäischer Rat eine politische Ent­schei­dung unabhängig von einer jetzt abgegebenen Erklärung zu fällen haben. Zum heutigen Zeitpunkt gehe es um ein Signal in die Richtung, dass die Türkei einen EU-Beitritt Zyperns nicht blockieren kann.

Länder wie Großbritannien – unter Verwendung der Formulierung “no precondition” –, Frank­reich oder Italien hätten eine solche Lösung akzeptiert, Schweden habe dazu Skepsis geäußert. Ein neuer Vorschlag Griechenlands sehe vor, im Rahmen der Vorbeitritts-Partnerschaft mit Zypern eine Festlegung der Art zu treffen, dass Fragen wie jene der Situation der Grenze, der guten Nachbarschaft, des Wirtschaftsaustausches oder des Acquis communautaire als zu­sätzliche Kriterien in die Beurteilung des Gesamtprozesses aufgenommen werden. Dies wäre ein Hinweis für die Ratsmitglieder, dass ohne politische Einigung ohnehin eine politische Ent­schei­dung offen bliebe.

Die dritte Bedingung Griechenlands ziele auf eine so genannte “Road map” in Bezug auf Demo­kratie und Menschenrechte ab. Es gehe da etwa um die Kurdenfrage, den Rechtsstaat oder die Todesstrafe. Dabei bestehe zwar eine Entsprechung zu den “Kopenhagen-Kriterien”, aber die Europäische Union wolle nicht bis zum Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei warten, sondern schon vorher eine solche “Road map” mit einem präzisen Zeitplan entwickeln.

Dies werde wahrscheinlich die am schwierigsten zu erfüllende Bedingung sein, da die Türkei es un­bedingt vermeiden wolle, als einziger Beitrittskandidat mit Sonderbestimmungen heraus­ge­stellt zu werden. Es werde jetzt überlegt, eine Abschwächung durch Verweise auf schon be­stehende Ratskonklusionen vorzunehmen. In Griechenland stehe eine Wahl bevor, dort sei dies das nationale Thema schlechthin, und so könnte es möglich sein, dass die gut vorbereitete Tür­kei-Strategie der EU-Kommission und der finnischen Präsidentschaft in Helsinki “nicht durch­gehen wird”. Dies wäre “ziemlich dramatisch”, weil es wahrscheinlich zu einer deutlichen Ab­küh­lung, wenn nicht Krise in den Beziehungen zwischen der Türkei und der Europäischen Union füh­­ren würde.

In Helsinki werde ferner die Zukunft der Europakonferenz ein Thema sein. Österreich habe vor­ge­­schlagen, die Europakonferenz vorwiegend für die Zeit nach der EU-Erweiterung zu nützen, und zwar zur Einbeziehung der künftigen Nachbarn einer erweiterten Europäischen Union in ein europäisches Netzwerk. Darüber bestehe zwar noch kein Konsens, aber eine Mehrheit der Mitgliedstaaten neige bereits der österreichischen Idee zu, später auch Länder auf dem Balkan oder etwa die Ukraine und Moldawien sowie vielleicht auch kaukasische Länder einzubinden, um einen politischen Dialog der Europäischen Union mit diesen Nachbarstaaten zu führen, ohne gleich in eine weitere Beitrittsperspektive einzutreten.

Zum zweiten großen Themenbereich seiner Ausführungen kommend, der europäischen Sicher­heits- und Verteidigungsdimension, stellt Vizekanzler Dr. Schüssel fest, dass sich die Euro­päische Union in dem knappen Jahr seit dem Ende der österreichischen Präsidentschaft mit einem ungeheuren Tempo in eine völlig neue Dimension hineinbewege. Es bestehe nunmehr die Absicht, in Helsinki konkrete Beschlüsse zur Schaffung von Institutionen und Prinzipien für eine militärische Kapazität, die der Europäischen Union bei der Bewältigung der “Petersberg-Auf­­gaben” hilft, zu fassen.

Vizekanzler Dr. Schüssel hebt hervor, was es bedeute, jetzt über die Einrichtung eines EU-Mili­tärausschusses zu sprechen. Dies wäre noch unter österreichischem Vorsitz undenkbar gewe­sen, da sei in wenigen Monaten eine “enorme Entwicklung und Dynamik hineingekommen”. In Helsinki werde über die entsprechenden Institutionen beraten werden.

Die Führung werde gemäß dem Primat der Politik beim Allgemeinen Rat liegen. Dieser habe die Entscheidungskompetenz, er solle allerdings in militärischen Fragen die Verteidigungsminister bei­ziehen. Vizekanzler Dr. Schüssel spricht sich für diese Variante und gegen die Idee eines eige­nen Verteidigungsministerrates aus – es gebe bereits zu viele Ratsformationen –, und er ver­­weist auf das Beispiel, dass auch über die Teilnahme an den WTO-Verhandlungen im Allge­mei­nen Rat entschieden werde, in jenem Fall eben unter Hinzuziehung der Außen­handels­minister.

Als neue Institution werde auch ein Politisches und Sicherheitskomitee PSC geschaffen werden. Es sei als ein stehendes Komitee konzipiert, von dem noch nicht feststehe, auf welcher – da es Ent­scheidungen zu treffen haben wird, jedenfalls hohen – Ebene es eingerichtet werden wird. Für die Besetzung des Vorsitzes seien zwei Varianten im Gespräch, eine auf den General­se­kretär und Hohen Vertreter der Außenpolitik, Solana, die andere auf die jeweilige Präsident­schaft lautend. Österreich neige jetzt der ersteren Variante zu, und in diese Richtung bewege sich auch die Mehrheitsmeinung.

Darüber hinaus seien ein Militärausschuss, ein Militärstab, Beratungszellen und so weiter als weitere Institutionen vorgesehen.

Noch offen sei die Einrichtung eines Zivilausschusses zur Beschäftigung mit den Themen eines rein zivilen Krisenmanagements. Österreich befürworte ebenso wie Schweden, Großbritannien, Deutschland und die Niederlande einen solchen Ausschuss, habe damit aber “auf Granit gebis­sen”. Denn die Europäische Kommission hege Besorgnis um ihre Kompetenzen, da Fragen des Krisenmanagements und der humanitären Hilfe zur Ersten Säule, somit zum Gemeinschafts­recht und daher in den Bereich der Kommission gehören. Die EU-Kommission habe eine “pani­sche Angst” davor, diese Kompetenz zu verlieren.

Österreich habe vorgeschlagen, schriftlich festzulegen, dass die Einrichtung eines Zivilaus­schus­­ses keine Änderung der Kompetenzverteilung zu Lasten der Europäischen Kommission zur Folge hätte. Aber da es sich in dieser Angelegenheit um einen sehr fragilen Kompromiss hand­le, könnte bereits eine kleine Veränderung des jetzt vorliegenden Wortlauts den Zusam­menbruch des ganzen Entwurfs zur Folge haben.

In Bezug auf die militärischen Kapazitäten verweist Vizekanzler Dr. Schüssel auf ein “Non-Paper” einiger NATO-Staaten über “Military Bodies in the European Union in the Planning and Conduct of EU-Led Operations”. Demzufolge sei unstrittig, dass es darum gehen werde, vom Jahr 2003 an bis zu 15 Brigaden beziehungsweise 50 000 bis 60 000 Soldaten innerhalb von 60 Tagen für eine Operationsdauer von bis zu zwei Jahren bereitstellen zu können. Bisher seien noch keine auf die einzelnen Mitgliedstaaten entfallenden Kontingente festgelegt worden, dar­über werde jedes Land selbst zu entscheiden haben. Wohl aber sei damit das Gesamtziel und auch der Bedarf in logistischer Hinsicht relativ präzis definiert.

Unklar sei weiterhin – auch, weil die Formulierungen noch nicht optimal seien –, dass es sich nicht um eine stehende Europa-Armee handle. Eine solche wolle eigentlich niemand. Österreich werde deshalb darauf dringen, in Helsinki noch einmal klarzustellen, dass diese Pläne nicht auf ein stehendes Europa-Heer abzielen würden. Die Unklarheit habe sich auch daran gezeigt, dass im Allgemeinen Rat in Brüssel zwei Drittel aller Debattenbeiträge darauf bezogen waren. Vize­kanzler Dr. Schüssel gibt sich zuversichtlich, eine Klärung dieser Frage durchsetzen zu können.

Nicht durchgekommen sei Österreich mit dem Anliegen, die Gleichbehandlung aller 15 Mitglied­staaten in allen Typen von Operationen zu erreichen. In militärischen Agenden werde es im We­sentlichen zwei Arten von Operationen geben: EU-geführte Operationen, die ausschließlich von der Europäischen Union durchgeführt werden, und EU-Operationen unter Inanspruchnahme von NATO-Einrichtungen. Österreich habe darauf gedrungen, dass die EU-geführten Ope­ra­tionen, auch wenn sie sich der NATO-Instrumente bedienen, von der Planungsphase an unter voller Ein­bindung aller Mitgliedstaaten geschehen, sei aber mit diesem Anliegen nicht durch­ge­kom­men. Daher sei einzuräumen, dass in diesem Bereich tatsächlich zwei Klassen von Mit­glied­staaten bestehen.

Österreich könne in weiterer Folge an solchen Operationen teilnehmen, da es sich um “Peters­berg-Aufgaben” handle. Wenn es jedoch um jenen Typ friedenschaffender oder friedens­durch­setzender Maßnahmen gehe, die sich der NATO-Instrumente bedienen, sei Österreich – dem gegen­wärtigen Verhandlungsstand entsprechend – in der Planungsphase nicht einbezogen. Vize­kanzler Dr. Schüssel bezeichnet dies als “absoluten Schönheitsfehler”.

Bei dem vorliegenden Dokument handle es sich um eines der Präsidentschaft, das zwar im Kon­sens der 15 politischen Direktoren erstellt wurde, worin jedoch nur das enthalten sei, was die Zu­stimmung aller Mitgliedstaaten gefunden habe. 11 der 15 Mitgliedstaaten hätten Wünsche nach deutlichen Veränderungen in verschiedenen Richtungen gehabt. Manche hätten den Kontakt zwischen Europäischer Union und NATO stärker hervorheben wollen. Österreich habe die Betonung darauf legen wollen, dass die Präsidentschaft stärker in diese Kontakte ein­be­zogen wird. Weitere Anliegen seien die Gleichstellung aller Mitgliedstaaten in allen Typen von Operationen oder der ausdrückliche Bezug auf Beschlüsse des UNO-Sicherheitsrates – derzeit werde auf die Prinzipien der UNO-Charta Bezug genommen – gewesen.

Insgesamt stelle diese Dokument einen großen Schritt nach vorn dar, wenngleich es aus öster­reichischer Sicht mit einigen Schönheitsfehlern behaftet sei. Gemessen an dem üblichen Tempo in der Europäischen Union sei es als gewaltiger Fortschritt zu bezeichnen.

Zu weiteren politischen Themen überleitend, berichtet Vizekanzler Dr. Schüssel, dass er vor ein paar Tagen einen Besuch im Kosovo durchgeführt habe. Die Situation dort sei gut und schlecht zugleich. In dem Sektor, in dem sich die österreichischen Soldaten befinden, werde hervor­ragende Arbeit geleistet. Das österreichische Bundesheer arbeite “sensationell”, dort seien etwa wesentlich mehr Reparaturarbeiten als in allen anderen Bereichen durchgeführt worden, sodass zwei Drittel der zerstörten Häuser bereits neue Dächer erhalten hätten. Die Caritas Österreich sei gemeinsam mit dem Roten Kreuz der größte Bauherr im ganzen Kosovo. 2 500 Häuser für 15 000 Menschen seien bereits vollständig saniert worden, damit seien die geplanten Arbeiten bereits zu 98 Prozent erledigt worden.

Sehr schlecht stehe es jedoch um die Sicherheit im Kosovo. Der am Vortag erschienene Bericht von Direktor Stoudmann vom ODIHR, dem Warschauer Büro für Demokratie und Menschen­rechte der OSZE, enthalte eine Auflistung der Menschenrechtsverbrechen, welche paramili­täri­sche serbische Truppen im Kosovo – zum Teil lange, bevor die NATO-Bomben fielen – durch­ge­führt hätten. Dies werde durch Zeugenaussagen minutiös dokumentiert.

Bezug genommen werde in diesem Bericht auch auf die Verbrechen albanischer paramili­täri­scher Verbände oder von UCK-Einheiten. Nach der Befriedung des Kosovo seien dort ungefähr 300 Menschen umgebracht oder vertrieben worden. Die Hauptstadt Pristina, früher von unge­fähr 180 000 Menschen bewohnt, habe heute 400 000 Einwohner, aber von ihnen seien nur noch 500 Serben, die auf den Schutz internationaler Polizisten angewiesen seien. Ohne solchen Schutz würden die Serben bedroht, angeschossen oder umgebracht werden.

Als ein weiteres schwieriges Problem nennt Vizekanzler Dr. Schüssel die Verzögerungen im Zeit­plan zu den bevorstehenden Wahlen. Bernard Kouchner, im Rahmen von UNMIK dafür zu­ständig, müsse für die Registrierung der Wähler sorgen und könne einen entsprechenden Auf­trag erst nach EU-gemäßer internationaler Ausschreibung vergeben, was ein “absoluter Horror” sei, weil dafür nur zwei europäische Firmen aus Frankreich und Deutschland in Frage kämen, die sich für diesen Auftrag ohnehin zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammengetan hätten. Auf die­ses Weise komme es zu einer drei Monate langen Verzögerung, und die Registrierung könne nicht beginnen. Daher stehe zu befürchten, dass die Wahlen nicht vor Spätherbst 2000 oder über­haupt erst nach dem Jahr 2000 stattfinden werden. Dies wäre als Katastrophe zu be­zeich­nen.

Was den Krieg in Tschetschenien betrifft, sei die im Rahmen des OSZE-Gipfeltreffens in Istan­bul mühsam errungene Erlaubnis zu einer Reise des OSZE-Vorsitzenden Vollebaek Anfang De­zem­ber in den Nord-Kaukasus wieder zurückgezogen worden. Jetzt solle diese Reise aber am 15. Dezember stattfinden. Inzwischen sei Grosny eingekesselt und seien Flüchtlingstrecks von der russischen Armee bombardiert und beschossen worden. Die humanitäre Situation sei kata­strophal. Dieses Problem werde unter österreichischem OSZE-Vorsitz zu einem Hauptthema werden.

Obmannstellvertreter Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn ersucht unter Hinweis auf die vorgenom­mene Redezeitbeschränkung um zeitliche Abstimmung auf Regierungsseite in der Beantwor­tung der Fragen.

In einem Redebeitrag zur Geschäftsbehandlung ersucht Abgeordneter Herbert Scheibner (Frei­heitliche) angesichts der bereits verstrichenen Zeit und mit Bezug darauf, dass in dieser Sitzung insgesamt eine Stunde für die Diskussionsbeiträge der Abgeordneten und eine halbe Stunde für die Antworten der Regierungsseite vorgesehen sind, die Regierungsvertreter, bis zum Ende der Verhandlungen anwesend zu bleiben.

Abgeordneter Peter Schieder (SPÖ) äußert sich namens seiner Fraktion sehr zufrieden über die Berichte von Bundeskanzler Mag. Klima und Vizekanzler Dr. Schüssel. Nicht mit allem, was in­ner­halb der Europäischen Union geschieht, sei er zufrieden, wohl aber mit dem österreichi­schen Einsatz, und zwar in höchstem Maße.

Am Beispiel der inzwischen erfolgten Reaktion der Slowakei in Bezug auf das Kernkraftwerk Bohunice zeige sich ein positives Ergebnis des österreichischen Einsatzes. Vom Bundeskanzler in dessen Gesprächen mit Ratspräsident Lipponen sowie auch vom Vizekanzler – wie durch den vorliegenden Brief dokumentiert werde – sei in hohem Maße das durchgeführt worden, was der Nationalrat in seiner diesbezüglichen Entschließung verlangt habe. Es sei daher jetzt nicht notwendig, eine weitere Stellungnahme dazu abzugeben. Denn von österreichischer Seite sei bereits geschehen, was dem Geist dieser Entschließung entsprochen habe und im Vorfeld habe erreicht werden sollen.

Der Einsatz Österreichs sei auch in der Frage der Sicherheit und der militärischen Entwicklung zu würdigen. Abgeordneter Schieder hebt hervor, dass im Interesse Österreichs auf der Basis der österreichischen Verfassung vorgegangen wurde.

Die Verengung der Europäischen Union auf einige große Staaten könne mit einem lachenden und einem weinenden Auge gesehen werden. Ungünstig sei, dass es teils zu einer Fraktionie­rung der großen Staaten komme. Hingegen sei es von Vorteil und wichtig für den Bestand und die Zukunft der Europäischen Union, dass gerade jene Staaten, die weltweite, über die EU hinaus­gehende Interessen haben, in ihr eng zusammenarbeiten.

Die Verengung auf die Frage der NATO-Mitgliedschaft – wie sie sogar zu Kommentaren über eine Zwei-Klassen-Mitgliedschaft in der Europäischen Union geführt habe – erachtet Abgeord­neter Schieder in erster Linie für ein Druckmittel. Eine Mehrheit wolle “die Störenden und Ver­bleibenden” in etwas hineinzwingen und setze zu diesem Zweck ein Druckmittel ein. Wenn es zur Durchführung der jetzt vorliegenden Pläne käme – dies sei noch keineswegs sicher, weil diese Haltung auch zu rechtlichen Problemen innerhalb der Europäischen Union führe, denn da müsse beachtet werden, dass im Wege dieser Involvierung manche EU-Angelegenheiten auch Nicht-EU-Mitgliedern auf Grund von deren NATO-Mitgliedschaft bekannt werden könnten –, sollte dies nicht als Argument dafür verwendet werden, der NATO beizutreten, nur damit nicht der österreichische Vertreter in einem der einbezogenen militärischen Gremien fallweise “vor die Tür muss”.

Eine solche Argumentation lehne die SPÖ ab. Sie sei auch in der laufenden Sitzung in keiner Weise angeklungen. Das Außenamt habe sich in höchstem Maße bemüht, auf der Basis der österreichischen Verfassungslage einen Status für Österreich zu erreichen.

Was die UNO betrifft, wäre von einem puristischen Standpunkt aus die Einbeziehung des Si­cher­­­heitsrates wünschenswert. Trotzdem erachtet Abgeordneter Schieder die jetzt gefundene For­mulierung für ausreichend, weil sie auch im Einklang mit der bisherigen Linie stehe. Sie stelle klar, dass die Europäische Union entsprechend den UNO-Beschlüssen und nicht entge­gen den UNO-Standpunkten vorgehen werde.

Ferner äußert sich Abgeordneter Schieder zustimmend zu den Ausführungen von Vizekanzler Dr. Schüssel über eine Ausweitung der Europakonferenz sozusagen zum “größeren Vorzimmer der Europäischen Union”. Dies sei richtig und sinnvoll für die Zukunft der Europäischen Union, es verschärfe jedoch das Problem doppelgleisigen Vorgehens in Europarat, OSZE sowie einer insti­tu­tionali­sierten Europakonferenz. Es werde dann auch die Frage nach den parlamenta­ri­schen Dimensionen gestellt werden, es würden dann drei Einrichtungen bestehen. Abgeord­ne­ter Schieder spricht sich dafür aus, dass Österreich in der bevorstehenden Funktion des OSZE-Vor­sitzes auf eine entsprechende klare Aufgabengliederung oder ein künftiges Zusammen­wachsen mancher dieser Einrichtungen hin tätig wird. Es werde in finanzieller Hinsicht nicht vertretbar sein, alle drei Institutionen in vollem Umfang zu erhalten.

Abgeordneter Mag. Karl Schweitzer (Freiheitliche) fordert in Richtung Vizekanzler Dr. Schüs­sel die anwesenden Mitglieder der Bundesregierung auf, sie mögen eine Gepflogenheit aus der voran­gegangenen Gesetzgebungsperiode – nämlich um das länger zu reden, was sie früher zu gehen vorhätten – nicht in die neue übernehmen. Einen Zwischenruf des Abgeordneten Schie­der, dies sei keine inhaltliche Aussage, beantwortet Abgeordneter Mag. Schweitzer damit, dass ihm in seiner Redezeit die Wahl des Inhalts selbst zustehe, woraufhin sich Abgeordneter Schie­der zustimmend entschuldigt.

Abgeordneter Mag. Schweitzer stellt zu dem Bericht von Bundeskanzler Mag. Klima fest, dass daraus der von Österreich in Helsinki vertretene Standpunkt nicht klar hervorgegangen sei. Mit Be­zug auf die Feststellungen, dass der Fortschritt in der Umsetzung des Acquis communautaire die Voraussetzung für den EU-Beitritt sein werde und die Festlegung eines konkreten Beitritts­datums nicht sinnvoll wäre, fragt Abgeordneter Mag. Schweitzer nach den Bedingungen, unter denen die Erfüllung des Acquis konzediert werden könnte, sowie danach, welche Voraussetzun­gen aus österreichischer Sicht unbedingt einzuhalten sein werden.

Was die erwähnte Unterstützung der beitrittswilligen Länder betrifft, sei von der Europäischen Union bereits festgestellt worden, dass die vorhandenen Mittel für eine finanzielle Unterstützung nicht ausreichend seien. Daher möge Bundeskanzler Mag. Klima Auskunft über die österrei­chische Position hinsichtlich der Finanzierung einer solchen Unterstützung geben, insbesondere im Hinblick darauf, dass EU-Kommissarin Schreyer bereits von einer diesem Zweck dienenden zusätzlichen Europa-Steuer gesprochen habe.

Abgeordneter Mag. Schweitzer widerspricht der positiven Interpretation des auf das Kernkraft­werk Bohunice bezogenen Briefes der slowakischen Regierung, die Vizekanzler Dr. Schüssel gegeben hat. Die österreichische Position werde dadurch nicht gestärkt, weil aus dem Brief hervorgehe, dass über die von Österreich vorgeschlagenen Schließungsdaten nur dann verhan­delt werden könnte, wenn die Länder der Europäischen Union zu Zahlungen bereit wären. Der­zeit seien noch immer die von der Slowakei genannten Schließungsdaten 2006 und 2008 gültig.

Die Meinung, die Vizekanzler Dr. Schüssel in einer Äußerung über entsprechende Fortschritte in der ORF-“Pressestunde” zum Ausdruck gebracht habe, werde laut einer APA-Meldung vom slo­wa­kischen Präsidenten nicht geteilt. Dieser habe davon gesprochen, dass die Slowakei nur dann zu Gesprächen über eine frühere Stilllegung entsprechend den österreichischen Forde­run­gen bereit wäre, wenn die finanziellen Beiträge an Preßburg erhöht werden. Abgeordneter Mag. Schweitzer fragt, woher die finanziellen Mittel dafür kommen sollen, wo der von Bundes­kanzler Mag. Klima als “Idee” angesprochene spezifische Fonds dafür sich finde und womit die­ser Fonds dotiert werden solle.

Abgeordneter Mag. Schweitzer verweist in diesem Zusammenhang auf die von den Freiheitli­chen eingebrachten Anträge auf Stellungnahme, insbesondere jenen betreffend Anti-Atom­poli­tik am Europäischen Rat von Helsinki, welcher genau der Entschließung des Nationalrates vom 18. No­vember 1999 entspreche, unter Hinzufügung eines zusätzlichen Punktes über Zuschüsse für nichtnukleare Ersatzoptionen, wie sie im Rahmen der Agenda 2000 auf EU-Ebene bereits ausverhandelt worden seien.

Ferner fragt Abgeordneter Mag. Schweitzer nach dem konkreten österreichischen Standpunkt im Hinblick auf die angesprochenen drei “Leftovers” von Amsterdam, betreffend die Fragen der Stimmgewichtungen, der Neuverteilung der Kommissare und des Bereiches einstimmiger Ent­schei­dungen. Auch in dieser Hinsicht habe die neue Kommissarin Schreyer in einem Interview mit der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” einiges gesagt, das Anlass zum Nachdenken gebe.

Überdies möge Bundeskanzler Mag. Klima darlegen, wie er das von der neuen Präsidentin des Euro­päischen Parlaments genannte konkrete Beitrittsdatum 2003 einschätze. (Obmann­stell­vertreter Dr. Khol übernimmt den Vorsitz.)

Abgeordneter Dr. Michael Spindelegger (ÖVP) stellt fest, es habe seit der Entschließung des Nationalrates vom 18. November 1999 zur Atompolitik einen bemerkenswerten Fortschritt in Bezug auf die Slowakei gegeben. Obwohl in der Debatte zu dieser Entschließung die zur Verfü­gung stehenden Mittel als nicht besonders wirkungsvoll beurteilt worden seien, liege nun dieser Brief des Außenministers der Slowakei vor, mit dem die slowakische Regierung ihre Bereitschaft zu Verhandlungen mit Österreich zum Ausdruck bringe. Abgeordneter Dr. Spindelegger gratu­liert der österreichischen Bundesregierung zu diesem Fortschritt.

Die EU-Sicherheitspolitik habe eine außergewöhnliche, überraschende Entwicklung genommen, weil nicht absehbar gewesen sei, dass innerhalb derart kurzer Zeit konkrete Schritte geplant und um­gesetzt werden sollen, insbesondere die Aufstellung eines Eurokorps in der Größenordnung von 50 000 bis 60 000 Mann bis zum Jahr 2003, das in der Lage sein solle, zur Erfüllung der “Petersberg-Aufgaben” mindestens zwei Jahre lang vor Ort tätig zu sein. Dieses Vorhaben wer­de seitens aller Beteiligten im Hintergrund einer enormen Planungskapazität innerhalb eines rela­tiv kurzen Zeitrahmens bedürfen.

Abgeordneter Dr. Spindelegger fragt Bundeskanzler Mag. Klima “rein rhetorisch”, ob er der Auf­stellung dieser Truppe zustimme und vollinhaltlich hinter dieser militärischen Zusammenarbeit stehe, obwohl dies ein bemerkenswerter Schritt in Richtung einer gemeinsamen europäischen Sicher­heitsarchitektur sei. Auf eine zustimmende Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Mag. Kli­ma hin – “Ja, das wollten wir schon immer!” – stellt Abgeordneter Dr. Spindelegger fest, er freue sich, dies zu hören.

Die Bundesregierung möge daher die Frage nach der Größenordnung der österreichischen Beteiligung beantworten und darlegen, welche Planungsschritte in Auftrag gegeben werden und in welchen Bereichen man sich eine Beteiligung vorstellen könne.

Wenn man, wie soeben auch Bundeskanzler Mag. Klima, A sage, müsse man auch B sagen. Wenn ein Eurokorps zur Erfüllung der “Petersberg-Aufgaben” geschaffen werde, werde die Euro­päische Union auch entsprechende Beschlüsse zu fassen haben. Es stehe zu erwarten, dass Österreich als Mitglied sich solidarisch daran beteiligen und einen Beitrag leisten werde. Daher sei die ursprüngliche Linie, sich diesen Schritt immer erst nach einer Resolution des UNO-Sicherheitsrates vorstellen zu können, nunmehr eine andere geworden. Bundeskanzler Mag. Klima möge darüber Auskunft geben, ob er die Sache auch so sehe.

Aus den vorliegenden Dokumenten gehe hervor, dass jetzt eine interessante Konstellation zwi­schen den NATO-Partnern, die zugleich EU-Mitglieder sind, und der Europäischen Union selbst ent­stehe. Abgeordneter Dr. Spindelegger verweist auf eine für die Schlussfolgerungen des Ra­tes vorgeschlagene Textstelle in dem vorliegenden Dokument. Darin stehe unter Punkt 3 im letzten Satz: “In this connection the objective is for the Union to have an autonomous capacity to take decisions and, where NATO as a whole is not engaged, to launch and then to contact ...” und so weiter. Daraus gehe hervor, dass erst dann, wenn die NATO zu einem Engagement in einem internationalen Krisenfall nein sage, subsidiär die Europäische Union mit den “Peters­berg-Aufgaben” zur Geltung kommen werde. Abgeordneter Dr. Spindelegger fragt, ob diese Inter­pretation zutreffe.

Es bestehe die Möglichkeit, dass Österreich zu einem EU-Mitglied zweiter Klasse wird, wenn es um die Verwirklichung von “Petersberg-Aufgaben” geht und die operationelle Gestaltung durch die NATO erfolgt. Es sei wahrscheinlich, dass man sich im Zuge der Aufstellung einer Truppe von 50 000 bis 60 000 Mann bis 2003 der NATO-Einrichtungen bedienen werde. Daran zeige sich in praktischer Anwendung, dass – übertrieben gesagt – Österreich dann zwar ausführend tätig sein dürfe, ihm aber ein Mitreden bei der Operation selbst nicht gestattet sein werde. Dies stelle einen gewichtigen Nachteil dar, denn Österreich würde gern wissen, was alles von einem NATO-Kommando umfasst werde und mit welchen Risiken zu rechnen sei, wenn österreichi­sche Soldaten – wie etwa jetzt im Kosovo – unter diesem Kommando zum Einsatz kommen. Es sei nicht wünschenswert, dass Österreich zu einem Mitglied zweiter Klasse wird.

Abgeordneter Dr. Spindelegger fragt Vizekanzler Dr. Schüssel, ob im Rahmen des Gipfeltreffens noch eine Möglichkeit bestehen werde, diese Gefahr abzuwenden.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) hebt hervor, dass die Frage der Atompolitik nicht nur für die Grünen, sondern für fast alle Abgeordneten des Nationalrates von zentraler Be­deutung sei.

Da die in dem vorliegenden Brief der slowakischen Regierung geäußerte Bereitschaft, die Stillle­gung des Kernkraftwerks Bohunice unter bestimmten Bedingungen vorzuziehen, für einen we­sentli­chen Schritt vorwärts in der Auseinandersetzung um die Schließung solcher Atomkraft­werke erachtet werde, fragt Abgeordnete Dr. Lichtenberger mit Bezug auf den letzten Absatz in diesem Brief – darin werde die Bereitschaft zu Verhandlungen über eine frühere Schließung mit Österreich ausgedrückt und die Frage zusätzlicher finanzieller Kompensationen angesprochen –, wie es zu interpretieren sei, dass als einziges Land Österreich angesprochen werde, obwohl dies doch ein Thema für die Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union sei.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger fragt, ob damit gemeint sei, dass Österreich sozusagen als “nützli­cher Idiot” vorausgehen und unter Umständen als Einziges dazu herangezogen werden solle, kompensierende zusätzliche Zahlungen zu leisten. Aus ihrer Sicht stelle dieser Brief kei­nen großen Fortschritt dar, sondern gebe nur eine Beschreibung des Ist-Zustandes wieder, wo­nach schon seit einiger Zeit sozusagen der Atomball hin- und hergespielt werde. Ein Zuge­ständnis sei in dem Brief nicht zu erblicken, weil darin nicht die Bereitschaft, auf jeden Fall ge­sprächsbereit zu sein, geäußert werde. Vielmehr werde darin dezidiert gefordert, dass Öster­reich zuerst für zusätzliche Abgeltungen “das Börserl öffnen” möge, und danach werde vielleicht über frühere Schließungen gesprochen werden.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger weist auf den von den Grünen eingebrachten Antrag auf Stel­lung­nahme hin, der darauf abziele, die österreichische Position in dieser Frage wesentlich konkre­ter und deutlicher festzuschreiben. Denn in dem unbefriedigenden Angebot von slowaki­scher Seite könne kein Fortschritt erblickt werden. Die österreichische Verhandlungsposition müs­­se mehrere konkrete Phasen durchlaufen, und sie müsse zur Unterbreitung mehrerer kon­kre­ter Vorschläge führen. Das derzeit vorgeschlagene Schließungsdatum könne nicht akzeptiert werden, sondern für Österreich sei weiterhin die Vorgabe bindend, eine Schließung im Jahr 2000 zu erreichen.

Die von den zuständigen europäischen Stellen zur Diskussion gestellten finanziellen Hilfen müssten deutlicher ins Gespräch gebracht werden. Wollte man den Brief böse interpretieren, so könnte herausgelesen werden, dass sich derzeit ausschließlich Österreich in einer entspre­chen­den Verhandlungsposition befinde. Es gehe dabei aber um eine Frage des Beitritts.

Ferner müsse eine Festlegung erfolgen, dass die technischen Vorschriften für Kernkraftwerke in der Europäischen Union auch für die anderen Beitrittskandidaten gültig werden. Eine Formulie­rung darüber, was als gemeinsamer Standard zu gelten habe, sei weiterhin ausständig. Abge­ord­nete Dr. Lichtenberger fragt, welche der derzeit im Gespräch befindlichen Sicherheits­standards bindend vorgegeben werden sollten.

Was die Frage einer Junktimierung mit der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen betrifft, fordere ein entsprechender Antrag der Freiheitlichen zu viel. Nötig sei eine über den vorliegenden Brief hinausgehende Diskussionsbereitschaft der Slowakei hinsichtlich einer Vorziehung des Schlie­ßungsdatum, aber nicht die Herstellung eines generellen Junktims. Denn ein Gesprächs­ab­bruch durch ein absolutes Junktim – darauf laute die Formulierung der Freiheitlichen – wäre kontra­produktiv. Es sei nicht wünschenswert, dass die Atomfrage zum Vorwand für einen Abbruch der Verhandlungen mit den Beitrittskandidaten dienen kann. Stattdessen müsse der Prozess der Beitrittsverhandlungen dazu genützt werden, die Sicherheit in diesem Bereich für Österreich und Europa herzustellen.

Abgeordnete Dr. Lichtenberger stellt zusammenfassend fest, dass der Brief der slowakischen Regierung für eine Verhandlungsposition noch bei weitem nicht ausreichend sei.

Abgeordnete Dr. Susanne Riess-Passer (Freiheitliche) widerspricht der Ansicht der Abgeord­neten Dr. Lichtenberger, dass es in dem Antrag der Freiheitlichen um ein Junktim mit Blick auf einen Abbruch der Gespräche gehe. Vielmehr werde die Festschreibung einer verbindlichen Vorleistung für einen etwaigen EU-Beitritt angestrebt, und dafür habe es auch Stimmen unter den Grünen selbst gegeben.

Bisher werde noch viel zu wenig über die Finanzierung der EU-Erweiterung diskutiert, obwohl bereits einige beunruhigende Stellungnahmen von Seiten der Europäischen Union vorlägen. Die Kommissarin für Finanzen habe verlauten lassen, dass mit der einst in Berlin beschlossenen Ober­grenze von 1,27 Prozent für Beitragsleistungen der Mitglieder wahrscheinlich nicht das Auslangen gefunden werden könne. Abgeordnete Dr. Riess-Passer fragt nach dem Standpunkt der österreichischen Bundesregierung zu dieser Frage sowie dazu, dass Kommissarin Schreyer über­dies von einer EU-Steuer zur Finanzierung der Osterweiterung gesprochen habe, davon, dass die Staaten höhere Finanzmittel bereitstellen müssten und eine Steuer von der Euro­päischen Union direkt eingehoben werden sollte.

Abgeordnete Dr. Riess-Passer weist darauf hin, dass die Freiheitlichen einen Antrag auf Stellung­nahme eingebracht haben, mit dem eine Klarstellung darüber erreicht werden solle, dass Österreich eine eigene EU-Steuer zur Finanzierung der Erweiterung ablehne.

Eine Sachverständigen-Kommission mit den Mitgliedern Dehaene, Weizsäcker und Simon habe mehrere Vorschläge zur Institutionenreform ausgearbeitet, und einer dieser Vorschläge sei von der Europäischen Kommission inzwischen positiv bewertet worden. Darin sei eine Zweiteilung der Verträge vorgesehen, es werde auf die Schaffung einer europäischen Verfassung sowie eines so genannten ausführenden Teils der Verträge abgezielt. Demnach solle das Einstim­mig­keits­prinzip und darüber hinaus das Veto-Prinzip bei Berufung auf nationale Interessen nicht mehr gegeben sein. Abgeordnete Dr. Riess-Passer fragt, wie diese Zweiteilung der Verträge konkret aussehen solle und welchen Standpunkt die österreichische Bundesregierung in dieser Frage vertrete.

Abgeordneter Herbert Scheibner (Freiheitliche) rekapituliert, dass die Entwicklung einer ge­mein­samen Sicherheitspolitik im Rahmen der Europäischen Union jetzt auch für Bundeskanzler Mag. Klima eines der wichtigsten Ziele in diesem Bereich darstelle. Dies entspreche der Sicht­weise der Freiheitlichen, dass Österreich als Kleinstaat ein vorrangiges Interesse daran haben sollte, an den Bestrebungen nach einer gemeinsamen Verteidigungskapazität teilzuhaben und sich vollinhaltlich zu integrieren.

In der Vergangenheit habe sich Österreich durch eine diffuse und widersprüchliche Haltung in der Frage der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik ein wenig ins Abseits dieser Ent­wicklung gestellt. Dementsprechend sähen sich österreichische Delegationen im Rahmen sicher­heitspolitischer Tagungen öfters mit Unverständnis oder Spott konfrontiert. Sollte sich dies ändern, würde dies von den Freiheitlichen sehr begrüßt werden.

Es stelle sich die Frage, welchen Beitrag Österreich leisten könne. Nach Ansicht des Abgeord­neten Scheibner sollte Österreich von der Auffassung abgehen, dass es sich nicht nur am Euro­korps beteiligen kann, sondern sich auch im gesamten Bereich der “Petersberg”-Missionen ein­brin­gen, also alle Verpflichtungen übernehmen will, die aus einer derartigen Mitgliedschaft er­wach­sen, ohne aber die Rechte und Vorteile aus einer derartigen Solidarität in Anspruch neh­men zu können.

Da in den Planungs- und Kommandostrukturen nur diejenigen einbezogen seien, die auch in den entsprechenden Organisationen eingebunden sind, erwachse daraus ein qualitativer Unter­schied. Österreich dürfe zwar teilnehmen und sich auch finanziell beteiligen, werde aber nicht in die Planungs- und Entscheidungsstrukturen dieser neuen Sicherheitsarchitektur eingebunden. Es sei absehbar, dass die Teilnehmer nicht von gleicher Wertigkeit wären, sondern in erster Linie EU-Mitgliedstaaten, die zugleich NATO-Mitglieder sind, das Sagen hätten, an zweiter Stelle NATO-Mitglieder, die nicht der Europäischen Union angehören, und erst an dritter Stelle EU-Länder, die keine NATO-Mitglieder sind.

Abgeordneter Scheibner bringt sein Unverständnis darüber zum Ausdruck, dass Österreich nicht darauf hinarbeite, diejenigen zu stärken, die eine Überleitung der Beistandsgarantie gemäß Artikel V des WEU-Vertrages in den EU-Vertrag beabsichtigen. Ein Kleinstaat wie Österreich sollte Interesse an einer solchen Garantie und an der Solidarität der Europäischen Union haben. Klar sei, dass Staaten wie Frankreich oder Großbritannien von sich aus wenig Interesse daran hätten, diese Idee einer wirklichen europäischen Solidarität voranzutreiben, da für sie bereits die Beistandspflicht gemäß NATO-Vertrag gelte.

Abgeordneter Scheibner weist darauf hin, dass Österreich die Absicht habe, sich im Bereich der kollektiven Verteidigung gemäß Artikel 51 der UN-Charta zu beteiligen, sich aber strikt dagegen wehre, dass die Europäische Union eine Garantie für die Sicherheit Österreichs klar zum Aus­druck bringt. Alles andere, was derzeit in Österreich diskutiert werde, etwa die Frage eines Wehr­systems und der Heeresstrukturen, sei von der Frage der Beistandsgarantie abhängig. Daher stelle sich vorrangig die Frage nach der künftigen Strategie Österreichs und danach, welche Richtung Österreich in der Umsetzung der Kölner Beschlüsse unterstützen werde.

Mit Bezug darauf, dass sich Österreich an der Ausgestaltung des Eurokorps offenbar mit unge­fähr 2 500 Mann beteiligen werde, fragt Abgeordneter Scheibner, ob es innerstaatliche Vorkeh­run­­gen geben werde, die es dem österreichischen Bundesheer ermöglichen, sich in dieser Größen­ordnung am Eurokorps zu beteiligen. Nur unter größten Schwierigkeiten in personeller, materieller und budgetärer Hinsicht sei es derzeit möglich, jene knapp 2 000 Mann, die sich jetzt schon im Auslandseinsatz befinden, unterzubringen und diese für sehr positiv zu erachtenden Ein­sätze finanziell zu bedecken. Daher sei es zweifelhaft, dass unter den gegenwärtigen Rah­men­bedingungen zusätzlich 2 500 Mann für eine neue Truppe aufgestellt werden könnten. Wer sich zu gemeinsamen Zielen bekenne, müsse auch für die Ressourcen sorgen, die zu deren Errei­chung nötig sind.

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne) gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Verhandlungen in Helsinki nicht, wie in diesem Hauptausschuss, de facto ohne jede Tages­ordnung ablaufen werden. Eine solche Diskussion gerate zu einem “Kraut-und-Rüben”-Durch­einan­der vieler Themen, daher möge künftig mit einer Aufteilung in Blöcke für einen strukturier­ten Ablauf der Beratungen gesorgt werden.

Abgeordneter Dr. Van der Bellen weist auf einen von ihm eingebrachten Antrag auf Stellung­nah­me hin, der sich mit der europäischen Militär-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik befasst und folgendermaßen beginnt: “Die Bundesregierung wird beauftragt, sich im Rahmen des Rats­gipfels in Helsinki am 10. / 11. Dezember 1999 mit den anderen neutralen und bündnisfreien Mit­glie­dern in der EU zur Frage der Weiterentwicklung der GASP abzustimmen und gemein­same nichtmilitärische und friedenspolitische Initiativen anzuregen und zu fördern.”

Es gehe darin um die bereits vom Abgeordneten Scheibner angesprochene Kölner Erklärung und die seither eingetretene Entwicklung, jedoch werde diese Erklärung von den Grünen in einem gänzlich anderen Licht gesehen. Die Kölner Erklärung mache aus der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik eine Gemeinsame Außen- und Militärpolitik. Denn seither kon­zentriere sich die europäische Außenpolitik fast ausschließlich auf Fragen der militärischen Kon­flikt­bearbeitung, wogegen die klassische Außenpolitik und Diplomatie, beispielsweise der Ein­satz eines zivilen Friedenskorps und eine nichtmilitärische Krisenintervention, unterbelichtet blei­be.

Abgeordneter Dr. Van der Bellen fragt, wie die österreichische Bundesregierung zu seinem An­trag, worin das Nichtmilitärische betont werde, stehe und was Österreich unternommen habe, um die Initiative der finnischen Präsidentschaft zum Auf- und Ausbau einer zivilen Kriseninter­vention zu unterstützen. Von dem im Juli vorgelegten Dokument sei in der Öffentlichkeit nicht mehr viel die Rede gewesen, sondern es sei ausschließlich um Vorschläge in Bezug auf ein Interventionskorps gegangen.

Mit Bezug auf die von der Abgeordneten Dr. Riess-Passer angesprochene Finanzierungsfrage weist Abgeordneter Dr. Van der Bellen darauf hin, dass eine militärische Aufrüstung der Euro­päischen Union im diskutierten Ausmaß ein Vielfaches kosten würde. So sei etwa auf franzö­si­scher Seite bereits jetzt die Rede davon, Konvergenzkriterien für Militärausgaben in der Größen­ordnung von 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu entwickeln. Österreich hätte dann 30 oder 40 Milliarden Schilling mehr pro Jahr zu entrichten. Das finde nicht die Unterstützung der Grünen.

Abgeordneter Dr. Van der Bellen stellt fest, dass nicht klar sei, wie der bereits vom Abgeord­neten Dr. Spindelegger zitierte Punkt 3 aus dem Dokument der Präsidentschaft vom 6. Dezem­ber 1999 zu interpretieren ist, und fragt, ob die NATO künftig ein Vetorecht bezüglich aller Maß­nahmen haben werde, ob sich die Europäische Union immer dann verschweigen werde, wenn die NATO als solche tätig wird, und nur “die Reste aufklauben” werde.

Ein ziviles Krisenmanagement finde zwar in Punkt 4 dieses Dokuments Erwähnung, komme aber sonst nicht vor. Abgeordneter Dr. Van der Bellen fragt, ob Österreich sich in dieser Be­ziehung engagiert habe oder nicht. Die finnische Präsidentschaft sei im Übrigen “voll in die Falle getappt” und beschränke sich ausschließlich auf den Aufbau einer militärischen Interventions­kapazität “out of area”. Tatsächlich gehe es eben nicht um Aufgaben entsprechend Artikel 5 des NATO-Vertrages. Wäre dies der Fall, so könnte darüber debattiert werden, wie Österreich sich zu einem reinen Defensivbündnis im Sinne dieses Artikels stellen sollte. Aber genau darüber werde dort nicht gesprochen.

Unter Punkt 8 dieses Dokuments der Präsidentschaft sei zu lesen, “the Union recognizes the pri­mary responsibility of the United Nations Security Council for the maintenance of international peace and security”. Diese Formulierung könne als Fortschritt angesehen werden, weil der Sicherheitsrat Erwähnung findet; aber es könne auch gefragt werden, was mit “primary respon­si­bility” gemeint sei. Denn dies könne heißen, dass jegliche Entscheidungsfreiheit bestehe, wenn es zuvor im UNO-Sicherheitsrat zu keiner Einigung gekommen ist. Die Mitglieder der Bun­des­­regierung mögen erklären, was mit “primary responsibility” gemeint sei. (Bundeskanzler Mag. Kli­ma: Das ist ein wörtliches Zitat aus der Charta der Vereinten Nationen! Das heißt dort eben so!)

Abgeordneter Dr. Van der Bellen fragt, welche Position Österreich in Bezug auf die Feststellung von Kommissionspräsident Prodi vertrete, dass steuerpolitische Fragen Sache von Mehrheits­ent­scheidungen sein sollten, und ob der Standpunkt von Finanzminister Edlinger, diese Sicht­weise zu unterstützen, konkret auch im Hinblick auf die Energiesteuer-Richtlinie gültig sei. Nach­dem der auf derartige Mehrheitsentscheidungen bezogene Punkt von der ECOFIN-Tages­ordnung für den 29. November 1999 abgesetzt wurde, stelle sich die Frage, ob das Gipfeltreffen in Helsinki in dieser Hinsicht zu einem Fortschritt führen werde.

Unter Hinweis auf die neuen Leitlinien in der Beschäftigungspolitik der Europäischen Union fragt Ab­geordneter Dr. Van der Bellen, ob Österreich die sich abzeichnende Achse zwischen Deutsch­land und Frankreich in der Frage der Arbeitszeitverkürzung oder beispielsweise auch im Hin­blick auf Maßnahmen in den Bereichen Dienstleistungen oder Umwelttechnologie unter­stützen werde.

Obmannstellvertreter Dr. Andreas Khol sagt zu, er werde in der Präsidialkonferenz die Anre­gung des Abgeordneten Dr. Van der Bellen aufgreifen, Sitzungen mit einem reichhaltigen Korb von Themen zeitlich besser zu gliedern. Auch werde an Regierungsmitglieder rechtzeitig die Infor­mation ergehen, dass sie eine begrenzte Redezeit haben und dass es interessanter wäre, Rede und Antwort öfter aufeinander folgen zu lassen.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) merkt an, dass die Unterlagen für diese Beratun­gen sehr spät eingetroffen seien. Eine seriöse Diskussion brauche eine längere Vorbereitungs­zeit.

Obmannstellvertreter Dr. Andreas Khol stellt dem entgegen, dass eine andere Vorgangs­weise nicht möglich sei. Die Sitzung sei bewusst so angesetzt worden, um über den letzte Stand des Dokuments zu verfügen – dieses sei erst am Vortag fertig gestellt worden – und noch recht­zeitig vor Beginn des Gipfeltreffens darüber beraten zu können.

Abgeordneter Wolfgang Jung (Freiheitliche) erwidert, dies sei ihm klar. Aber diese Vorgangs­weise werde mit System praktiziert, und das bedeute auf Dauer nichts anderes als die nationale Kapitulation vor einer Europäischen Union, die ihre Mitglieder einfach überfahre.

Abgeordneter Jung stellt fest, dass ein Bündnis ein durch Abkommen geregelter Zusam­men­schluss mehrerer Vertragsparteien zur Erreichung eines bestimmten gemeinsamen Zieles sei. Wenn dieses Ziel durch militärische Mittel erreicht werde, dann handle es sich um ein Mili­tär­bündnis. In Artikel 1 Abs. 2 der österreichischen Verfassung heiße es: Österreich wird zur Siche­rung dieser Zwecke in aller Zukunft keinen militärischen Bündnissen beitreten.

Abgeordneter Schieder habe seiner Freude darüber Ausdruck gegeben, dass alles auf der Basis der Verfassung geschehe. Aber so sehe die Realität aus: Die Bundesregierung hoffe darauf, sich vor den Österreichern “über die Runden schmuggeln” zu können, und mache damit zu­gleich Österreich im Ausland weiterhin lächerlich. Vizekanzler Dr. Schüssel habe richtigerweise fest­gestellt, dass sich die Bundesregierung schon lange nicht mehr im Bereich der Neutralität bewege, sondern darüber hinausgegangen sei.

Auch mit seiner Feststellung, es wäre falsch, die Zustimmung zu einem NATO-Beitritt nur zu geben, damit österreichische Delegationen nicht für zwei Minuten aus einer Sitzung hinaus­gehen müssen, verweigere sich Abgeordneter Schieder der Realität. Die Fakten seien vielmehr, dass Österreich mitzahle, dass ein Fremder, nicht in der EU Befindlicher das eigentliche Sagen habe und dass Österreich über den Nachteil hinaus, nichts mitzureden zu haben, auch Dul­dungs­rechten unterliege. Ob es wolle oder nicht, müsse es in diesem Zusammenhang beispiels­weise Transporte sichern.

Es werde die Folge der sozialistischen Politik sein, dass Österreich zahlen und mitmachen müs­se, aber nichts mitzureden und mitzubestimmen habe, nur damit die SPÖ nach innen hin ihr Gesicht wahren könne. Dies werde von den Freiheitlichen für mehr als schädlich erachtet.

Kürzlich sei es in der WEU-Parlamentarierkonferenz als ziemlich sicher bezeichnet worden, dass allein für den Kosovo 20 Milliarden Euro bis zum Jahr 2006 zur Verfügung zu stellen sein würden. Abgeordneter Jung fragt, ob diese Mittel mit Hilfe einer EU-Steuer aufgebracht werden sollen.

Abgeordneter Georg Oberhaidinger (SPÖ) erinnert daran, dass Österreich von der slowaki­schen Regierung bis vor kurzem eher inoffizielle Erklärungen zur Schließung des Kernkraft­werks Bohunice erhalten habe, noch dazu mit unterschiedlichen Terminangaben, bevor die Festlegung auf die Jahre 2006 bis 2008 erfolgt sei. Nach dem Ausdruck der diesbezüglichen ein­helli­gen Meinung im Nationalrat in Form von Entschließungsanträgen und nach den Verhand­lungen der Mitglieder der Bundesregierung sei mit der jetzt vorliegenden Erklärung des slowaki­schen Außenministers Kukan ein gewisser Durchbruch geschafft worden.

Was die in dieser Angelegenheit vorgelegten Anträge auf Stellungnahme betrifft, erachtet Abge­ordneter Oberhaidinger ein Junktim nicht für sinnvoll. Bohunice wäre dadurch nicht sicherer zu machen, dass die Slowakei, weil sie dieses Kraftwerk nicht stilllegt, nicht Mitglied der Euro­päischen Union wird. Den Zwischenruf des Abgeordneten Jung, dass auch Bundesministerin Mag. Prammer wörtlich diese Forderung erhoben habe, beantwortet Abgeordneter Oberhai­dinger damit, dass sie dies nicht in der von den Freiheitlichen gewählten Form getan habe.

Im Hinblick auf eventuelle Kosten sei auf österreichischer Seite in den entsprechenden Anträgen immer wieder die Bereitschaft erklärt worden, gemeinsam mit der Europäischen Union dafür aufzukommen. Auch Energie-Partnerschaften seien angeboten worden. Daher sei es unan­ge­messen, sich jetzt davon überrascht zu geben, dass in dem Brief der slowakischen Seite kon­kret auf eine größere finanzielle Unterstützung für den Fall einer früheren Kraftwerksschließung hingewiesen wird.

Auf Grund dieses Schreibens sei eine Stellungnahme des Hauptausschusses derzeit verzicht­bar. Sie wäre überdies nicht klug, denn eine solche Stellungnahme würde fast so aussehen, als würde Österreich nicht ernst nehmen, was Außenminister Kukan schriftlich mitgeteilt hat.

Abgeordneter Dr. Gottfried Feurstein (ÖVP) bringt seine Zustimmung zu den Ausführungen des Abgeordneten Oberhaidinger zum Ausdruck und weist darauf hin, dass der Nationalrat sei­ne Stellungnahme durch Vier-Parteien-Anträge mehrfach und eindeutig dargelegt habe, zuletzt am 18. November 1999.

Jetzt liege eine Mitteilung von Seiten der Slowakei darüber vor, dass sie bereit sei, über die Fra­ge einer vorzeitigen Schließung neu und konkret zu verhandeln. Abgeordneter Dr. Feurstein lehnt es ab, diesen Brief mit einer bösen Absicht – wie die Abgeordnete Dr. Lichtenberger dies ange­sprochen habe – zu lesen, da ein klares Angebot auch als solches interpretiert werden sollte, handle es sich dabei doch um ein Ergebnis sehr intensiver Verhandlungen des österrei­chischen Außenministers und anderer österreichischer Beteiligter mit den slowakischen Stellen. Man könne auch nicht einfach sagen, dass es sich dabei um eine Aufgabe der Europäischen Union handle, sondern die Initiative müsse jetzt von Österreich ausgehen.

Jüngst erst habe Abgeordnete Dr. Glawischnig von den Grünen in einem Brief an den ÖVP-Ab­ge­ordneten Kopf die Forderung nach einem Ausdruck der Verhandlungsbereitschaft der slo­wa­kischen Regierung in Bezug auf frühere Kraftwerks-Schließungsdaten noch vor Aufnahme konkreter Beitrittsverhandlungen erhoben. Genau dieser Forderung werde durch den vorlie­gen­den Brief entsprochen.

Die Abgabe einer neuerlichen Stellungnahme des Hauptausschusses würde an der Sachlage nichts ändern. Auch Bundeskanzler und Vizekanzler stünden voll hinter den Forderungen des von vier im Nationalrat vertretenen Parteien getragenen Entschließungsantrages, daher könne eine weitere Initiative in dieser Hinsicht inhaltlich überhaupt nichts mehr bewirken. Die ÖVP werde den jetzt dazu vorliegenden Antrag der Grünen nicht unterstützen, weil sie ihn für über­flüssig erachte.

Abgeordnete Dr. Evelin Lichtenberger (Grüne) entgegnet, dass eine solche Stellungnahme gera­de im Lichte der Ausführungen von Bundeskanzler Mag. Klima vor dem Nationalrat am 18. November 1999 nicht überflüssig wäre. Damals sei nur noch von sehr verwaschenen Sicher­heits­standards die Rede gewesen. Unter Hinweis auf das Protokoll über dieses Ausführungen stellt Abgeordnete Dr. Lichtenberger fest, dass die damals erfolgte allgemeine Stellungnahme sie nachdenklich gemacht und zu dieser neuerlichen Initiative veranlasst habe.

Das Wort von der “bösen Interpretation” des slowakischen Briefes nehme sie zurück, empfehle aber nichtsdestoweniger eine genaue Interpretation, weil das von dieser Kraftwerksruine aus­gehende Gefährdungspotential hoch sei. Nunmehr bestehe Anlass zu der Befürchtung, dass man sich mit der in diesem Brief getroffenen Aussage zufrieden gibt. Aber die damit signalisierte Verhandlungsbereitschaft sei an die Bedingung finanzieller Leistungen gebunden, und das sei zu wenig. Dieser Brief sei nicht ausreichend, da eine Einschränkung auf Verhandlungen mit Öster­reich vorliege und eine zusätzliche Voraussetzung als Hürde vor entsprechende Verhand­lungen gestellt werde.

Jede zusätzliche Stellungnahme – auch wenn ein solcher Antrag von den Grünen stammt – sei geeignet, eine starke Haltung zu unterstützen.

Abgeordneter Dipl.-Ing. Maximilian Hofmann (Freiheitliche) verweist auf eine Äußerung von Ratspräsident Lipponen, in der dieser die von österreichischer Seite erhobenen Forderungen nach Schließung des Kernkraftwerks Bohunice als Ausdruck von “Imperialismus” bezeichnet habe, und zwar unter Berufung darauf, dass der Standard eines bestimmten Staates nicht Gültigkeit für Beitrittskandidaten, also etwa auch die Slowakei, haben könne.

Es liege daher an Österreich, das Bild zurechtzurücken, das in Finnland offenbar vorherrsche, und zwar in dem Wissen, dass gerade in Finnland ein Reaktor gleichen Typs von russischer Bauart in Betrieb ist, wenngleich mit einem etwas besseren Sicherheitssystem einschließlich eines Containments. Abgeordneter Dipl.-Ing. Hofmann fragt, ob Finnland möglicherweise die Sorge hege, in dieser Hinsicht ebenfalls ins Gespräch zu kommen.

In den bevorstehenden Beratungen werde von österreichischer Seite auch darauf hinzuweisen sein, dass hierzulande die auf Grund zunehmender Versprödung des Reaktors enorm steigende Gefährdung genau bekannt sei und daher ein besonderes Bedürfnis danach bestehe, ehestens die Schließung zu erreichen.

Es könne nicht hingenommen werden, dass die Slowakei, in Bezug auf die Einsichtnahme in sicherheitstechnische Unterlagen ohnehin sehr zurückhaltend, zur Verzögerung der Schließung neue graphische Unterlagen anfertigen lasse, denen zufolge der ausschlaggebende Grenzwert erst zu einem späteren Zeitpunkt erreicht werde. Denn in Wirklichkeit sei keine technische Vorrichtung zur Erhöhung der Sicherheit mehr verfügbar, und bereits jetzt sei der Zeitpunkt erreicht, zu dem die Bestandsdauer dieser Art von Reaktoren abgelaufen ist.

Österreich wisse über diesen Sachverhalt Bescheid, und dies sei auch hinsichtlich des An­sin­nens der Slowakei in finanzieller Hinsicht von Bedeutung. Die von der Slowakei vorgenommene Veränderung in der graphischen Darstellung könne unter Heranziehung eines darüber vorlie­genden Berichtes des Instituts für Risikoforschung festgestellt werden, weil die entsprechenden Kurven auch darin abgebildet seien. Österreich solle sich dagegen verwahren, dass zuerst Unzulänglichkeiten durch veränderte Darstellungen, die auf zeitliche Erstreckung hinauslaufen, kaschiert werden und anschließend unter Berufung auf eine so genannte vorzeitige Schließung finanzielle Unterstützung gefordert wird.

Bundeskanzler Mag. Viktor Klima weist die zitierte Aussage des finnischen Regierungschefs zurück und stellt fest, dass Österreich in keiner Weise imperialistisch, sondern vielmehr fair vorgehe und keine Diskriminierung beabsichtige. Österreich vertrete sowohl gegenüber den EU-Mitgliedstaaten als auch gegenüber den Beitrittskandidaten-Ländern den gleichen Standpunkt. Konkret fordere Österreich daher nicht die Abschaltung von Kraftwerken, die dem Stand der Technik entsprechen, in den Kandidatenländern, sondern wolle allen in nicht diskriminierender Weise die Frage nach den Sicherheitsstandards vorlegen.

Darüber hinaus vertrete Österreich die klare Formel “Kein Beitritt mit unsicheren Kernkraft­werken” und habe sich vorgenommen, seinen Standpunkt vor Beginn der Verhandlungen durch eine engagierte Positionierung der österreichischen Bundesregierung im Sinne des beschlosse­nen Anti-Atompakts, wie er den Beitrittskandidaten-Ländern und allen EU-Mitgliedstaaten über­mittelt wurde, klarzustellen. Es sei daher ein sehr positives Signal, dass von der slowakischen Regierung dem österreichischen Außenminister jetzt brieflich die Bereitschaft, in Verhandlungen über eine früherer Schließung von Bohunice einzutreten, mitgeteilt wurde.

Als finanzielle Größenordnung dessen, was eine Vorziehen der Schließung von Bohunice die Slo­wakei kosten würde, nennt Bundeskanzler Mag. Klima den Bereich zwischen 0,5 Milliarden und 1,5 Milliarden Schilling. Es werde daher mit einem armen Land darüber gesprochen werden müssen, wie Österreich diesen Schritt unterstützen könne. Die in diesem Zusammenhang manch­mal genannten Dutzende Milliarden Schilling bezögen sich auf die gesamten Schlie­ßungs­kosten, jetzt aber gehe es nur um die Differenz, die im Fall des Vorziehens dieser Schlie­ßung anfiele.

Die Europäische Kommission habe vorgeschlagen, im Zusammenhang mit der EBRD für diesen Zweck Fonds einzurichten. Einer Beteiligung daran werde sich Österreich selbstverständlich nicht entziehen können. Wenn der slowakische Außenminister jetzt die Bereitschaft zu Ge­sprä­chen über eine vorzeitige Schließung bekunde, müsse Österreich seinerseits bereit sein, über die Art der Unterstützung dieses Schrittes nachzudenken. Österreich werde die Gespräche dar­über unter Beiziehung der Europäischen Kommission führen. Grundsätzlich habe der zuständige Kommissar Verheugen diese österreichischen Initiativen bereits positiv bewertet.

Hinsichtlich der Finanzierung der Erweiterung weist Bundeskanzler Mag. Klima auf die Verhand­lun­gen über die Agenda 2000 in Berlin hin. Demnach sei ein klarer Finanzrahmen mit dem Limit von 1,27 Prozent vorgesehen. In diesem Rahmen seien auch die Vorbeitrittskosten enthalten, und damit müsse das Auslangen gefunden werden. Kein Regierungschef eines EU-Mitglied­staates rede heute ernsthaft über eine zusätzliche EU-Steuer oder etwas Ähnliches zugunsten der EU-Erweiterung.

Was die Frage der qualifizierten Mehrheiten betrifft, lasse sich im abstrakten, ideellen Raum rasch Übereinstimmung darüber herstellen, dass zugunsten rascherer Entscheidungen häufi­ge­re Mehrheitsentscheidungen nötig wären. Sobald es aber konkret werde, komme plötzlich wie­der beispielsweise das “weiße Gold” zur Sprache, also das österreichische Wasser, das angeb­lich nicht angerührt werden dürfe, obwohl ohnehin kein Mensch dies tun wolle. Die österrei­chi­sche Bundesregierung unterstütze die Position, dass Mehrheitsentscheidungen als grundsätz­li­che Regel angesehen werden. Von dieser grundsätzlichen Regel, den Abstimmungen mit quali­fizierter Mehrheit, sollte es Ausnahmen beispielsweise nur in jenen Bereichen geben, von denen die Verfassung berührt ist, oder in der Frage von Beschlüssen über Eigenmittel, oder auch hin­sicht­lich des Binnenmarktes. In solchen Fällen sei weiterhin Einstimmigkeit erforderlich.

Zwar bestehe darüber hinaus jetzt schon die Möglichkeit, dann, wenn die vitalen Interessen eines Mitgliedstaates berührt sind, ungeachtet der Entscheidungsregelungen ein Veto einzule­gen, doch komme dies in der Praxis nicht oft vor.

Im Zuge der Erweiterung werde von den beitrittswilligen Ländern der Acquis communautaire mit dem Beitritt zu 100 Prozent akzeptiert werden müssen. Ausnahmen könne es nur geben, wenn im Zuge der Verhandlungen für manche Bereiche Übergangsperioden festgelegt werden. Daran habe Österreich auch aus seiner Sicht ein Interesse, etwa im Hinblick auf die Freiheit des Per­sonenverkehrs – Stichwort: Pendler – oder des Dienstleistungsverkehrs.

In Beantwortung einer Frage des Abgeordneten Dr. Van der Bellen zitiert Bundeskanzler Mag. Kli­­ma Artikel 24 der Charta der Vereinten Nationen: Um ein schnelles und wirksames Han­deln der Vereinten Nationen zu gewährleisten, übertragen ihre Mitglieder dem Sicherheitsrat die Hauptverantwortung für die Wahrung des Weltfriedens. – Die darin angesprochene Haupt­ver­antwortung oder “primary responsibility” sei es, auf die in dem zitieren Dokument der Prä­sident­schaft Bezug genommen werde.

Bundeskanzler Mag. Klima erinnert daran, dass zur Zeit der österreichischen Präsidentschaft er selbst den britischen Premierminister Blair gebeten habe, eine “Keynote” zum Thema der euro­päischen Sicherheitspolitik zu erstellen. Dies habe den Zweck gehabt, die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union weiterzuentwickeln. Nunmehr zeige sich, dass alle diejenigen, die damals an dieser Vorgangsweise zweifelten, nicht Recht behalten hätten.

Selbstverständlich werde die Weiterentwicklung der GASP nicht nur eine militärische Kompo­nente enthalten. Der österreichische Außenminister habe sich mit Unterstützung des schwedi­schen und des deutschen Außenministers intensiv für die Schaffung eines Komitees im Sinne des zivilen Krisenmanagements eingesetzt. Auf den Seiten 11 bis 13 des vorliegenden Doku­ments der Präsidentschaft werde das zivile Krisenmanagement ausführlich angesprochen. Auf den weiterhin bestehenden österreichischen Wunsch nach einer eigenen Institution zu diesem Zweck sei bereits hingewiesen worden.

Dieses Dokument enthalte im Artikel 8 den eindeutigen Hinweis, dass Maßnahmen im Einklang mit der Charta und den Prinzipien der Vereinten Nationen gesetzt werden. Der gesamte Vertrag von Amsterdam beruhe auf derselben Grundlage. Diesen Vertrag habe das österreichische Parlament bei bestehendem Neutralitätsgesetz ratifiziert und damit die Meinung zum Ausdruck gebracht, die auch seitens der Bundesregierung bestehe, nämlich dass diese Maßnahmen unter Wahrung der österreichischen Bundesverfassung umgesetzt werden könnten.

Selbstverständlich könne Österreich, wie auch alle anderen EU-Mitgliedstaaten, in allen Pla­nungs­gremien der Europäischen Union mitarbeiten. Es gehe jetzt ausschließlich um die Frage, ob Österreich auch in den NATO-Planungsgremien einbezogen wird. In jedem Fall einer EU-ge­führten Operation könne Österreich in allen EU-Gremien mitwirken, nicht mitarbeiten könne es in NATO-Gremien. Die österreichische Bundesregierung strebe es an, dass im Fall EU-geführter Aktionen auch dann, wenn dafür Ressourcen der NATO herangezogen werden, alle Mitglied­staaten bereits im Planungsstadium auch hinsichtlich der NATO-Einrichtungen mitwirken kön­nen. Eine Entscheidung darüber könne aber nicht die Europäische Union allein fällen, dazu bedürfe es der Zustimmung der NATO-Mitglieder.

Der Vertreter der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik Solana habe im Rahmen seines Besuches in Österreich erklärt, es sei auch sein Ziel, dass alle EU-Mitgliedstaaten gleichbe­rechtigt an allen EU-geführten Operationen mitwirken können. Anders verhalte es sich mit NATO-geführten Aktionen. Bundeskanzler Mag. Klima gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass Österreich sein Ziel einer Einbeziehung werde erreichen können.

Österreich habe die Absicht, am Eurokorps mitzuwirken, und sollte mit den Planungen dafür rechtzeitig beginnen. Eine genaue Einschätzung des österreichischen Anteils könne derzeit noch nicht abgegeben werden.

Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten Vizekanzler Dr. Wolfgang Schüssel legt dar, dass der Brief des slowakischen Außenministers aus zwei Sätzen bestehe.

Laut dem ersten Satz werde Österreich darüber informiert, dass die slowakische Regierung be­reit sei, mit Österreich über die Schließung von Bohunice zu verhandeln. Darin sei von Geld nicht die Rede, daher liege ein klares Signal der slowakischen Regierung in Richtung von Ver­hand­lungen mit Österreich vor. Genau das habe Österreich gewollt. Denn es wäre unrealistisch ge­wesen, von einer jungen demokratischen Regierung, die, erst ein Jahr im Amt, riesige Schwie­rigkeiten habe und in der ein Koalitionspartner vertreten sei, der verantwortlich sei für den Bau von Bohunice, bereits die Lösung der Probleme zu erwarten. Die Verhandlungsbereitschaft sei jedoch klar zum Ausdruck gebracht worden.

Der zweite Satz des Briefes laute darauf, dass die Slowakei abhängig von einer zusätzlichen finanziellen Hilfe dazu bereit sei, eine frühere Schließung von Bohunice ins Auge zu fassen. Es sei das erste Mal, dass ein solcher Standpunkt vertreten wird. Wie Bundeskanzler Mag. Klima bereits festgestellt hat, werde dies etwas kosten, und darüber müsse verhandelt werden. Die Slowakei habe mit der Europäischen Kommission bereits einen Pakt auf Unterstützung bei den Schließungskosten vom Jahr 2006 an abgeschlossen.

Würde die Slowakei in einem Brief an Österreich von sich aus auf die Europäische Union zu spre­chen kommen, so würde sie hierdurch ihre Position gefährden. Es habe auf slowakischer Seite auch die Sorge bestanden, die Europäische Kommission dadurch zu verärgern, dass Öster­­reich in Verhandlungen erfolgreicher in der Durchsetzung eines früheren Schließungs­datum wäre und die Kommission finanziell dafür aufzukommen hätte. Aus diesen Gründen könne von slowakischer Seite nicht mehr als das Vorliegende verlangt werden.

Österreich habe überdies bereits Ansätze zu Gesprächen mit der Europäischen Kommission in dieser Angelegenheit unternommen. Es werde nicht einfach sein, das Problem zu lösen, aber zum ersten Mal habe die slowakische Regierung von sich aus die Bereitschaft erklärt, dem Wunsch Österreichs folgend über ein früheres Schließungsdatum ernsthaft zu verhandeln. Öster­reich müsse jetzt wissen, dass dies etwas kosten wird, sowohl die Europäische Union als auch zusätzlich Österreich. Es werde dann auch am Parlament liegen, zu sagen, ob es Öster­reich das wert sei.

Es habe zumindest Bewegung auf slowakischer Seite gegeben, und darauf könne aufgebaut werden. Damit liege ein gutnachbarschaftliches Signal vor. Diese Geste sei der Slowakei nicht leicht gefallen. Es habe drei dramatisch verlaufene Regierungssitzungen nur zu diesem Thema gegeben, und härteste Vertrauensarbeit sei auch auf österreichischer Seite nötig gewesen. Wer es ernst meine mit dem Aufgreifen der von der Botschafterin Österreichs in der Slowakei, Ga­briele Matzner-Holzer, in einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Brief geäußerten Rat­schläge für vertrauensbildende Gespräche, täte klug daran, dieses Signal aus Preßburg nicht einfach wegzuwischen.

Der Europäische Rat werde kein früheres Schließungsdatum für Bohunice beschließen, weil die 14 anderen Mitgliedstaaten nicht dieser Meinung seien. Auch seitens der Europäischen Kom­mission finde Österreich keine Unterstützung. Über die bilaterale Ebene aber sei jetzt dieser Ansatzpunkt dafür gefunden, ein Stück weiterzukommen. Mit gelassener Geste solle Österreich zum Zeichen seines guten Willens die Bereitschaft bekunden, der Slowakei den Verhandlungs­status zu ermöglichen.

Eine Zwischenfrage des Abgeordneten Mag. Schweitzer danach, auf welche Weise die Schlie­ßungsdaten in die Agenda gekommen seien, beantwortet Vizekanzler Dr. Schüssel damit, dass dies auf den früheren slowakischen Regierungschef Mečiar zurückgehe. Mečiar habe das aber nie ernst genommen, sondern damit sein Spiel getrieben. Früher habe er angekündigt, die Stillle­gung im Jahr 2000 vorzunehmen, jedoch auch öffentlich erklärt, dass er sich nicht daran halten werde. Österreichische Vorstöße seien mit der Begründung abgewiesen worden, dass es um 40 Prozent der slowakischen Energieproduktion gehe und keine Ersatzmöglichkeit bestehe. Es sei in Aussicht gestellt worden, dass zuerst der Bau in Mochovce fertig gestellt werden müs­se, doch dann habe auch dies nicht mehr gegolten.

Zur Frage des Abgeordneten Dr. Van der Bellen nach der militärischen und zivilen Komponente der EU-Sicherheitspolitik stellt Vizekanzler Dr. Schüssel fest, dass er eine andere als die in dem Antrag auf Stellungnahme geäußerte Meinung vertrete. Für einige Punkte sei die Bundes­re­gierung schon von sich aus eingetreten, etwa für ein umfassendes Krisenmanagement. Es wäre jedoch ebenfalls einäugig, ein ausschließlich nichtmilitärisches Krisenmanagement zu fordern.

Die Lehre aus dem Kosovo-Konflikt und anderen Konflikten bestehe darin, dass alle Kompo­nenten erforderlich sind. Es bedürfe der präventiven Diplomatie, der politischen Initiativen, Ge­sprä­che und Dialoge, der humanitären Hilfe, aber darüber hinaus auch des Aufbaus einer militärischen Kapazität. Ferner müsse der Frieden, nachdem er hergestellt worden ist, auch gesichert werden, und es müsse wirtschaftliche Hilfe geleistet werden. Daher treffe der Vorwurf der Einäugigkeit nicht zu. Selbstverständlich gehe es um einen umfassenden Sicherheitsbegriff.

Der Vorwurf des Abgeordneten Dr. Van der Bellen, dass die Europäische Union nur noch in Richtung einer Militärunion gehe, sei schlicht absurd. 99 Prozent der Arbeit im Allgemeinen Rat seien den Komponenten Krisenmanagement, präventive Konfliktverhütung, humanitäre Hilfe­lei­stung oder politische Signale gewidmet. Die Europäische Union habe noch keinen einzigen Militäreinsatz durchgeführt und sei auf diesem Gebiet bisher überhaupt nicht handlungsfähig gewesen. Jenes verbleibende 1 Prozent der Kapazität beschränke sich derzeit darauf, dass mit dem Aufbau von Strukturen begonnen wird.

Die vom Abgeordneten Dr. Van der Bellen in seinem Antrag auf Stellungnahme vorgelegte De­kla­ration sei zum Teil skurril, etwa in dem Punkt, dass die Europäische Union “einen Rat für Außenpolitik und Diplomatie einrichten” möge. Dieser bestehe längst in Form des Allgemeinen Rates, und darüber hinaus seien weitere Institutionen wie “Think tanks” und Planungszellen eingerichtet worden. Auch der geforderte “Fonds zur nichtmilitärischen Konfliktbewältigung, der finanzielle Mittel bereitstellt” sei längst existent, denn im Rahmen der Agenda 2000 seien für die GASP-Aktivitäten Mittel im Ausmaß von einigen Milliarden Schilling für die nächsten sieben Jahre zu genau diesem Zweck zur Verfügung gestellt worden.

Unter Hinweis darauf, dass auch für den Wiederaufbau von Bosnien-Herzegowina vor einigen Jah­ren keine Europasteuer nötig gewesen sei, erachtet Vizekanzler Dr. Schüssel die jetzt vorlie­gen­den, unterschiedlichen Schätzungen in Bezug auf den Wiederaufbau nach dem Kosovo-Konflikt für sehr grob. Die neue Europäische Kommission werde sehen müssen, dass sie mit dem Finanzplan für die nächsten sieben Jahre im Rahmen der Agenda 2000 ihr Auslangen findet und gegebenenfalls Umschichtungen vornimmt. Es werde nicht möglich sein, das EU-Bud­get einfach immer weiter zu erhöhen. Aus österreichischer Sicht sei es ein ungeschriebenes Gesetz, dass der Finanzrahmen der Europäischen Union nicht erhöht werden soll. Brüssel habe genug Geld. In den nächsten sieben Jahren stünden für die Bereiche Vorbeitritt und Beitritt Mittel im Ausmaß von 1 000 Milliarden Schilling zur Verfügung.

In Bezug auf die von den Abgeordneten Dr. Spindelegger und Dr. Van der Bellen zitierte Text­stelle “where NATO as a whole is not engaged” stellt Vizekanzler Dr. Schüssel fest, es komme darin zum Ausdruck, dass niemand eine Doppelgleisigkeit zwischen Europäischer Union, West­euro­päischer Union und NATO akzeptieren wolle. Wenn sich die NATO als Ganzes in einem Konflikt engagiere, dann sei sie und nicht die Europäische Union die handelnde Institution. Da elf EU-Mitglieder zugleich NATO-Mitglieder sind, sei es selbstverständlich, dass diese nur dann im Rahmen der Europäischen Union handeln, wenn die NATO als Ganzes nicht bereit sei, sich zu engagieren. Das sei aber nichts Neues, sondern entspreche schon seit dem Gipfeltreffen in Köln der gemeinsamen Position. Angesichts der gegebenen Budgetrestriktionen sei es vollkom­men richtig, in der Europäischen Union nicht eine Parallelaktion aufzubauen.

Daraus ergebe sich eine Unterschiedlichkeit, die störend sei, weil Österreich als Nichtmitglied der NATO nicht in allen Planungsprozesse eingebunden sei. Es treffe zu, dass dafür auch die Zu­stimmung von NATO-Mitgliedern erforderlich sei, die nicht der Europäischen Union ange­hören.

Vizekanzler Dr. Schüssel gibt zu bedenken, dass unter anderen Voraussetzungen jetzt im Koso­vo, wie schon früher in Bosnien, im Zuge der Ablösung eines Oberbefehlshabers die Möglichkeit vorstellbar gewesen wäre, einen Österreicher in eine höhere Position zu bringen. Aber es be­stehe unter den jetzigen Voraussetzungen überall dort ein Limit, wo Österreicher in diese Struktu­ren eingebunden sind, eine Art “gläserne Decke”, die es etwa verhindere, dass österrei­chische Mitglieder in Kommandostrukturen hineinkommen.

Da könne auch ein Problem auf Österreich zukommen, wenn die Frage aktuell wird, wie die West­europäische Union in die NATO integriert wird. Aber darüber werde in Helsinki nicht dis­ku­tiert werden, deshalb werde Österreich dort keine Probleme bekommen. Darüber, was Öster­reich für den Zeitraum der nächsten vier Jahre für klug halten wird, solle in Österreich selbst konstruktiv diskutiert werden. Ähnliches gelte auch für den österreichischen Anteil an der Truppe von 50 000 bis 60 000 Mann. In Österreich werde zu überlegen sein, worin ein genuin österrei­chischer Beitrag dazu bestehen könnte.

Obmannstellvertreter Dr. Andreas Khol schließt die Debatte und lässt die Abstimmung über die fünf eingebrachten Anträge auf Stellungnahme gemäß Artikel 23e Abs. 2 B‑VG vornehmen. Es sind dies im Einzelnen:

ein Antrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dr. Riess-Passer und Kollegen betreffend Anti-Atompolitik am Europäischen Rat in Helsinki,

ein Antrag der Abgeordneten Mag. Schweitzer, Dr. Riess-Passer, Herbert Scheibner und Kolle­gen betreffend Europäischer Rat in Helsinki – Regierungskonferenz über institutionelle Fragen,

ein Antrag der Abgeordneten Dr. Riess-Passer, Mag. Schweitzer, Herbert Scheibner und Kolle­gen betreffend Europäischer Rat in Helsinki – Erweiterung und Finanzierung,

ein Antrag der Abgeordneten Dr. Eva Lichtenberger betreffend Anti-Atompolitik am Euro­päischen Rat in Helsinki sowie

ein Antrag des Abgeordneten Univ.-Prof. Dr. Alexander Van der Bellen betreffend EU-Gipfel in Helsinki.

Alle fünf Anträge bleiben in der Minderheit und sind abgelehnt.

Obmannstellvertreter Dr. Khol stellt fest, dass die Tagesordnung erschöpft ist, und schließt die Sitzung.

Schluss der Sitzung: 17.24 Uhr

 

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