1063/J XXI.GP
der Abgeordneten Mag Maria Kubitschek und Genossen
an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
betreffend die Forderung von Herrn Bundesminister Bartenstein nach einer
Kartellbehörde, sowie die Aktivitäten des Bundesministeriums für Arbeit und
Wirtschaft im Rahmen der österreichischen Wettbewerbspolitik
Herr Minister Bartenstein hat sich mehrfach in verschiedenen Medien zum Thema
Wettbewerbspolitik geäußert. „Die österreichische Wirtschaft braucht einen Schutz
des Wettbewerbs und nicht einen Schutz vor Wettbewerb" äußerte sich Herr Minister
Bartenstein beispielsweise in einer Presseaussendung (OTS01 99 2000-06-
07/12:17). In derselben Presseaussendung schlägt Herr Minister Bartenstein auch
die Entwicklung einer eigenen Kartellbehörde vor. Mittlerweile wurde diese
Forderung seitens Herrn Minister Bartenstein mehrfach wiederholt und - ebenfalls
laut zitierter Presseaussendung - von der gesamten Regierung unterstützt.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundesminister für
Wirtschaft und Arbeit nachstehende
Anfrage:
1) In den letzten Jahren hat der Konzentrationsprozeß in vielen Branchen enorm
zugenommen. Welche wettbewerbspolitischen Maßnahmen hat Ihr Ministerium in
den letzten Jahren gesetzt, um den negativen Auswirkungen, die ein fehlender
oder mangelhafter Wettbewerb für Konsumenten, Arbeitnehmer und die gesamte
Volkswirtschaft
haben kann, entgegenzuwirken.
2) Welche Branchen weisen Ihrer Meinung nach ein besonders ausgeprägtes chro -
nisches Defizit im Wettbewerb auf und was sind Ihrer Meinung nach die wesent -
lichen sachlichen Ursachen dafür?
3) Welche konkreten Maßnahmen hat das für Fragen der Wettbewerbspolitik
inhaltlich zuständige Bundesministerium für Wirtschaft in den letzten 7 Jahren
gesetzt,
Ø um den Wettbewerb im Interesse der österreichischen Wirtschaft zu schützen und
einer breiten Öffentlichkeit diese Notwendigkeit zu begründen?
Ø um die Ursachen des ausgeprägten chronischen Defizits in Österreich im
allgemeinen und im einzelnen insbesondere in den am stärksten betroffenen
Branchen zu ergründen,
Ø allenfalls sonstige Abhilfen zur Beseitigung oder zumindest Verbesserung dieses
chronischen Wettbewerbsdefizits in die Wege zu leiten
4) Wenn den im vorigen Punkt genannten Ursachen „des ausgeprägten chronischen
Defizits“ nicht nachgegangen wurde: Was waren die sachlichen Gründe dafür und
werden sie den Auftrag geben, diesen Ursachen nachzugehen und sie allenfalls
durch geeignete Maßnahmen abstellen?
5) Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit kann im Rahmen des
Kartellgesetzes über die Finanzprokuratur Prüfanträge an das Kartellgericht
stellen. Wieviele Prüfungs - und/oder Feststellungsanträge hat das BM für
Wirtschaft und Arbeit bzw das BM für wirtschaftliche Angelegenheiten zum
Schutz des Wettbewerbs seit Einführung der Zusammenschlußkontrolle mit
1.11.1993 über die Finanzprokuratur an das Kartellgericht gestellt und welche
Fälle waren das konkret?
6) In wievielen Kartellfällen hat das BM für wirtschaftliche Angelegenheiten bzw das
BM für Wirtschaft und Arbeit in den letzten 10 Jahren Prüfungs - oder
Feststellungsanträge zum Schutz des Wettbewerbs über die Finanzprokuratur an
das Kartellgericht
gestellt und welche Fälle waren das konkret?
7) In wievielen Fällen hat das BM für wirtschaftliche Angelegenheiten bzw das BM
für Wirtschaft und Arbeit in den letzten 10 Jahren Prüfungs - und/oder
Feststellungsanträge zum Schutz des Wettbewerbs über die Finanzprokuratur
betreffend den Mißbrauch einer marktbeherrschenden Stellung gestellt und
welche Fälle waren das konkret?
8) Das BM für wirtschaftliche Angelegenheiten war für den Bereich Straßenbau
zuständig. Diese Branche ist von einem extremen Konzentrationsgrad betroffen.
Nur vier Unternehmen verfügen über mehr als 70 % Marktanteil. Auf regionalen
Teilmärkten kommt es sogar zu Konzentration von über 80 %. Dabei besetzt der
größte Baukonzern alleine mehr als 40 %. Die Fusion zwischen der Bau Holding
AG und der STRABAG im Jahr 1998 hat diese Situation noch weiter verschärft.
Hat das BM für wirtschaftliche Angelegenheiten als für den Straßenbau
budgetmäßig verantwortliches und von dem extremen Konzentrationsgrad dieser
Branche daher direkt betroffenes Ministerium im Fusionsfall Bauholding einen
Prüfantrag an das Kartellgericht gestellt?
9) Das Kartellgericht hat die Fusion Bau Holding - Strabag nur unter Erteilung von
Auflagen genehmigt. Wenn das BM für wirtschaftliche Angelegenheiten bei
diesem Fusionsfall keinen Prüfantrag gestellt hat, wie lautet die Begründung
dafür, daß das BM für wirtschaftliche Angelegenheiten - im Gegensatz zum
Kartellgericht - keine Gefährdung des Wettbewerbs befürchtet hat?
10)Hat es in Ihrer Amtszeit als zuständiger Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit
aus Ihrer Sicht wettbewerbspolitisch problematische Fusions - oder
Zusammenschlußanmeldungen gegeben?
11)Wieviele Anträge zum Schutz des Wettbewerbs hat das BM für Wirtschaft und
Arbeit während Ihrer Amtszeit gestellt?
12)Sollte das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit bzw das BM für
wirtschaftliche Angelegenheiten bisher keine oder nur einzelne derartige Anträge
zum Schutz des
Wettbewerbs gestellt haben, was sind die Gründe hierfür?
13) Ist Ihnen bekannt wieviele derartige Anträge zum Schutz des Wettbewerbs die
einzelnen Amtsparteien gestellt haben? Wenn ja, ersuchen wir Sie um eine
Aufstellung zumindestens der letzten drei Jahre.
14) Laut Standard vom 5.6.2000 haben Sie, Herr Bundesminister, geäußert, daß
Österreich ein Land mit chronischem Defizit im Wettbewerb ist“ und im
Gegensatz zur USA oder Deutschland keine deftigen Strafen hat, so dass ,,.. ‚kein
Marktteilnehmer Angst haben .. muss, dass ihm der Kartellrichter auf die Finger
klopft“. Sind Sie der Meinung, daß die derzeitigen Strafandrohungen in
Kartellsachen sowie die Bußgelder des Kartellgesetzes nicht ausreichend sind?
15)Wenn Sie der Auffassung sein sollten, daß diese ausreichend sind, meinen sie,
daß die Justiz (Staatsanwaltschaft und Kartellgericht) in Kartellangelegenheiten
hinsichtlich des „Schutzes des Wettbewerbs“ Vollziehungsdefizite hat und wo
liegen Ihrer Meinung nach die Gründe für diese Vollziehungsdefizite?
16)Wenn Sie der Auffassung sein sollten, daß die derzeitigen Strafandrohungen
nicht ausreichend sind, welche Arten von Strafandrohungen im Detail und in
welcher Höhe wären Ihrer Meinung nach ausreichend, um ein ,,wettbewerbliches
Wohlverhalten“( Standard vom 5.6.2000) der Marktteilnehmer zu erzwingen?
17)Sind Ihrer Meinung nach jene Strafen, welche die Gerichte in den Baukartellfällen
Steiermark und Niederösterreich ausgesprochen haben „zu wenig deftig“?
18)Ist es Ihrer Meinung nach trotz des „chronischen Defizits im österreichischen
Wettbewerb“ und der fehlenden „Sorge vor deftigen Strafen“ zweckmäßig bei
Kartellvergehen die gerichtliche Strafbarkeit abzuschaffen, wie es das
Parteienübereinkommen FPÖ - ÖVP vorsieht?
19) Streben Sie, Herr Bundesminister an, Bußgelder von 10% oder mehr der
jährlichen Umsatzerlöse der am wettbewerbswidrigen Verhalten
beteiligten
Unternehmen zu verhängen, wie das in den Wettbewerbsordnungen mehrerer
Länder vorgesehen ist?
20)Wenn nein, warum nicht?
21)Laut Standard vom 5.6.2000 messen Sie, Herr Bundesminister, das „wettbewerb -
liche Wohlverhalten“ von Unternehmen u.a. auch am Beispiel der USA. Im
Gegen - satz zu der im wesentlichen präventiven Wettbewerbskontrolle des
österreichischen Kartellrechts kennt das US - Kartell als schärfstes Instrument, die
Möglichkeit einer nachträglichen Zerschlagung bestehender
Unternehmensverflechtungen. Wäre ihrer Meinung nach ein solches Instrument
zum „Schutz des Wettbewerbs in Österreich“ zweckmäßig und nötig? Wenn nein,
warum nicht?
22)Sie begründen Ihre Absicht, eine eigene Kartellbehörde einzuführen mit dem
Wettbewerbsmangel, den Sie in Österreich orten. Sind Sie der Meinung, daß eine
Wettbewerbsbehörde prinzipiell für eine effizientere Umsetzung des
Wettbewerbsrechtes sorgen kann als unabhängige Richter?
23)Wenn ja, wie begründen Sie Ihre Ansicht, daß weisungsgebundene Beamte in
einer „ausgegliederten Verwaltungsbehörde“ das Kartellrecht besser,
wettbewerbspolitisch effizienter und unabhängiger als unabhängige Gerichte
vollziehen können?
24)Das Kartellgericht muß mit nur einem Richter und zwei dem Kartellgericht nur
teilweise zugewiesenen Richtern auskommen. Mit 1.1.2000 kann das
Kartellgericht auch von Amts wegen in allen Angelegenheiten des Kartellgesetzes
tätig werden. Hierfür wäre allerdings eine entsprechende Personalausstattung
notwendig, die bisher nicht erfolgt ist. Sind Sie der Meinung, daß das
Kartellgericht mit einer ähnlichen personellen Ausstattung wie Sie es für eine
Wettbewerbsbehörde als notwendig erachten (40 bis 60 Beamte), den
Wettbewerb in
Österreich ebenfalls entsprechend sicherstellen könnten?
25)Wenn nein, warum nicht?
26)Ist Ihr Vorschlag zur Einführung einer Kartellbehörde, samt Hausdurchsuchungen
durch Beamte ohne richterliche Verfügung anstelle der Kartellgerichte die einzige
Maßnahme die Sie zum „Schutz des Wettbewerbs in Österreich“ vorsehen?
27)Sieht Ihr Konzept einer ausgegliederten Organisationseinheit vor, daß die Wei -
sungsgebundenheit der Kartellbehörde in Personal - und Verwaltungssachen auf -
recht bleibt, sodaß den vollziehenden Beamten jederzeit andere
Tätigkeitsbereiche zugeteilt werden können (wie zB bei der Deutschen
Kartellbehörde)?
28)Laut Standard vom 5.6.200 üben Sie u.a. Kritik am geltenden Kartellverfahren,
weil „nach wie vor...die Sicherstellung von Unterlagen für Erhebungen.. nicht
möglich ist“ und ,‚. . .dies nur durch Einschaltung der Polizei bei Verdacht einer
strafbaren Handlung geschehen... kann“. Streben Sie die Möglichkeit von
Hausdurchsuchungen ohne Verdacht und ohne richterlichen Beschluß im
Gegensatz etwa zur deutschen Regelung oder der EU - Regelung an?
29)Laut Standard vom 5.6.2000 gehen Sie davon aus, daß eine Kartellbehörde 40
bis 60 Mitarbeiter beschäftigen müßte und diese Kosten in der Höhe von 50 bis
60 Mio S verursachen würde. Worauf stützen sich diese Ihre Berechnungen, wie
begründen Sie die erforderliche Mitarbeiterzahl, verfügt das Wirtschaftsressort
über eine solche Anzahl von Kartellexperten oder gehen Sie davon aus, daß 60
neue Planstellen für eine Kartellbehörde geschaffen werden müssen?
30)Sind Sie der Meinung, daß es keine kostengünstigere Möglichkeit gibt, den
Wettbewerb zu fördern?
31)In welchen konkreten Bereichen der österreichischen Wirtschaft bestehen Ihrer
Auffassung nach, Herr Bundesminister, durch bessere Überwachung des Wettbe -
werbs jährliche
Einsparungsmöglichkeiten in dreistelliger Millionenhöhe (laut
Standard vom 5.6.2000)? Können Sie konkrete Berechnungen oder Erhebungen
vorlegen?
32)Über welches wettbewerbspolitische know how verfügt Ihrer Meinung nach der
Verwaltungsgerichtshof derzeit und in welchem Zeitraum könnte der VwGH ihrer
Meinung nach das nötige wettbewerbsrechtliche und wettbewerbspolitische
know - how aufbauen, um einen im „Gemeinsamen Markt“ vertretbaren Standard
zu erreichen?
33)Wie lange würde Ihrer Meinung nach ein Kartellverfahren dauern, wenn der
bereits seit langem überlastete Verwaltungsgerichtshof, über Beschwerden zu
entscheiden hätte?