1161/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Umweltverträglichkeit von Massentierhaltungen

 

                              

 

 

 

1. Konzentrationsprozess in der Landwirtschaft und

Gesundheitsrisken der Massentierhaltung

 

Der starke Ausbau der Intensivtierhaltung führt zunehmend zu Konfliktsituationen

zwischen Antragstellern von Mastbetrieben und der in der Umgebung lebenden

Bevölkerung. Auch gibt es raumplanerisch immer wieder Nutzungskonflikte, zum

Beispiel bei Massentierhaltungsanlagen in touristisch genutzten Gebieten.

 

Darüber hinaus gelten die organischen Stoffe der Stallluft von Mastbetrieben wie z.B.

staubgetragene Proteine, Endotoxine und Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze,

Viren und Protozoen, die unter dem Begriff Bioaerosole zusammengefasst werden,

als mögliche Risikofaktoren für Atemwegserkrankungen. Bisher gibt es jedoch keine

Richtwerte für die zulässige Außenluftbelastung mit Keimen, Viren, Allergenen und

toxischen Stoffen. Nach der derzeitigen Rechtslage werden von den

Luftverunreinigungen vorrangig Geruchsemissionen berücksichtigt. Weitergehende

Vorsorgemaßnahmen zum Anrainerschutz können die Genehmigungsbehörden nur

dann durchsetzen, wenn hinreichende wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen.

 

Das Niedersächsische Ministerium für Frauen, Arbeit und Soziales und das

Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten haben aus diesem Grund ein

dreijähriges, mehrstufiges mit 2,2 Mio. DM veranschlagtes Untersuchungsprogramm

beschlossen, das wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse über die Ausbreitung und

die gesundheitlichen Auswirkungen der Stallabluft auf AnrainerInnen von

Massentierhaltungsanlagen gewinnen soll. Das Untersuchungsprogramm zur

gesundheitlichen Bewertung der Bioaerosole gliedert sich in drei Teilprojekte mit

folgenden Schwerpunkten:

 

-      Erfassung und Modellierung der Bioaerosolbelastung im Umfeld von

       Geflügelstallungen

 

-      Erhebung des Gesundheitsstatus bei unterschiedlich belasteten Schulkindern

 

-      Querschnittstudie zu Allergiestatus und Atemfunktion bei unterschiedlich

        belasteten Personen

2. Verschlechterung des Rechtsschutzes der Nachbarn von Massentier-

haltungen seit der Anfragebeantwortung des BMU vom 11.9.1995 (1619/J)

 

a)      Hinaufsetzung der Schwellenwerte im neuen UVP - G

 

1995 meinte Umweltminister Bartenstein noch: "Nach Vorliegen erster

Erfahrungsberichte von UVP - Verfahren ist eine Evaluierung des UVP - Gesetzes

vorgesehen, in derem Zusammenhang auch die Frage der Herabsetzung der

Schwellenwerte, einer ausführlichen Prüfung unterzogen wird.“

 

Statt einer Senkung bringt das neue UVP - G, das mit den Stimmen der ÖVP - und der

FPÖ Fraktionen beschlossen wurde, eine empfindliche Erhöhung der

Schwellenwerte bei der Legehennenhaltung, Schweinemast und Sauenhaltung.

 

Mit den Erfahrungen mit dem bisherigen UVP - G kann dies nicht legitimiert werden.

Im Gegenteil: Wie die 10 Feststellungsverfahren zeigen, gab es zahlreiche

Umgehungsversuche seitens der Massentierhalter. Sie reichen von der Angabe

falscher Stückzahlen (z.B. Schweinemastprojekt in Altmannsdorf) bis zur Aufteilung

von Betrieben auf mehrere Personen (z.B. Masthühnerhaltung Perg/OÖ). Diese

Umgehungsversuche hat der Umweltsenat, welcher in 2. Instanz angerufen werden

kann, korrigiert (siehe Entscheide zu Bad Waltersdorf, Perg/OÖ, Altmannsdorf und

Stössing/NÖ). Die dadurch für die Nachbarn und die Umwelt errungenen Vorteile

gehen mit Inkrafttreten der neuen Novelle verloren. So liegt der Projektantrag in Bad

Waltersdorf mit insgesamt 43.421 Legehennen nun wieder unter dem zwingenden

Schwellenwert von 48.000 Stück, wie auch das Schweinemastprojekt in

Altmannsdorf mit 1820 Stück unter dem neuen (zwingenden) Schwellenwert von

2.500 Stück liegt. Der Gesetzgeber belohnt quasi die UVP - Umgeher durch eine

Hebung der Schwellenwerte ! Auf die niedereren Schwellenwerte in den

Schutzgebieten braucht hier nicht eingegangen zu werden, weil in der Kategorie C

genau die sachlich relevanten Gebiete, nämlich die Grundwassersanierungsgebiete,

nicht aufgelistet sind. Die „Siedlungsnähe" kann mit einem Abstand von 301 m leicht

verhindert werden. Auch unterliegen solche Anlagen nur dann dem UVP - G, wenn

dies die Behörde im Einzelfall feststellt. Diese Schwellenwerte wurden übrigens

nicht, wie es sachlich naheliegend gewesen wäre, im Abänderungsantrag

Kopf/Schweitzer um 20% gesenkt.

 

Abgesehen davon werden Massentierhaltungen, die die neuen Schwellenwerte

erreichen, nun nur mehr dem vereinfachten UVP - Verfahren unterzogen werden

müssen. Das heißt, es ist kein Umweltverträglichkeitsgutachten zu erstellen und es

können sich keine Bürgerinitiativen mit Parteistellung bilden.

 

b)      Einschränkung der Nachbarrechte in den Bauordnungen

 

Bundesminister Bartenstein verweist in seiner Anfragebeantwortung von 1995 auf

die Rechte der Nachbarn in den Bauordnungen und zitiert beispielhaft die NÖ

Bauordnung (§§ 62 Abs 2 und 118 Abs 8 und 9). Demnach konnten alle Nachbarn,

die vom Bauvorhaben betroffen waren, Parteistellung im Bauverfahren erlangen. Die

neue Bauordnung schränkt den Kreis der Nachbarn empfindlich ein: Nur jene

Eigentümer von Grundstücken, die an das Grundstück des Vorhabens angrenzen

oder von diesem durch dazwischen liegende Grundflächen mit einer Gesamtbreite

von bis zu 14 m getrennt sind, können Parteistellung erlangen.

 

Grundsätzlich wurden die Rechte, die von den Nachbarn geltend gemacht werden

können, von den Bundesländern durchgängig eingeschränkt. „Die neueste

Entwicklung der letzten Jahre drängte den von der Baubehörde zu gewährleistenden

Immissionsschutz in zweifacher Hinsicht zurück. Einerseits wurden nicht alle

Nachbarn, die durch Immissionen eines Bauvorhabens und dessen

konsensgemäßer Benützung betroffen sein können, als Parteien eines

Bauverfahrens anerkannt, ja die Parteistellung blieb zum Teil nur unmittelbaren

Anrainern erhalten, wie etwa in der Bgld BO 1997;.... Andererseits wurden

Nachbarn bisher eingeräumte Rechte auf Schutz vor Immissionen zum Teil

geschmälert, zum Teil völlig genommen, ...„ (Wolfgang Hauer, Der Nachbar im

Baurecht (1998)).

 

                              

3. Unzulänglicher Schutz der Gewässer

 

Bundesminister Bartenstein verweist hinsichtlich des Gewässerschutzes auf die

Genehmigungstatbestände nach § 32 Abs 2 lit f und g WRG. Der

Gewässerschutzbericht 1999 des BMLF sagt dazu folgendes auf S 183: „Bisher

wurden aus den Bundesländern nur wenige Erfahrungen gemeldet. Generell wurde

ausgeführt, dass diese Bestimmungen nur mit großen Schwierigkeiten zu vollziehen

sind, da die entscheidungsrelevanten Daten nicht zur Verfügung stehen. So legen

z.B. Betriebe, die eine das rechnerische Äquivalent von 3,5 DGVE ‚übersteigenden

Anzahl von Nutztieren halten, Nutzungsverträge bzw. Düngerabnahmebestätigungen

vor, wobei die Richtigkeit dieser Bestätigungen nicht leicht überprüft werden kann“.

Dergestalt unterliegen etwa sämtliche Betriebe des viehreichsten Bezirk des

Burgenlandes, Mattersburg, nicht der Genehmigungspflicht nach dem WRG.

 

4. Immissionsschutzgesetz - Luft

 

Interessant scheint der Hinweis des Bundesministers auf das IG - L. Die Frage ist, wie

oft es bisher zur Anwendung kam und was es bei Massentierhaltungen tatsächlich

bewirken kann.

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

 

      Guidelines und Forschungen zugunsten der Nachbarn und der Umwelt

 

1.     a)    In Anbetracht der Tatsache, dass das Ministerium im Bericht über den

               Vollzug des UVP - G vom Dezember 1998 die Erstellung von

               „projekttypenspezifischen Leitfäden und Regelwerken“ in Aussicht gestellt

               hat: Wird das Ministerium die Erstellung eines Prüfhandbuches für

                Massentierhaltungen (in der Art des UVP - Handbuches für

                Verkehrsanlagen) in Auftrag geben?

 

         b)    Welche Mitgliedstaaten der EU haben Prüfhandbücher oder ähnliches für

                 Massentierhaltungen erstellt?

 

         c)    Liegen dem Ministerium Studien über die gesundheitlichen Auswirkungen

                der Stallabluft auf Nachbarn vor und in welcher Weise würden diese in ein

                Prüfhandbuch Eingang finden?

 

         d)    Gibt es Felduntersuchungen über den Zusammenhang von

                Massentierhaltungen und Gesundheitsschäden bei Kindern in der

                Nachbarschaft solcher Anlagen (Atemwegsbeschwerden, Allergien,

                Neurodermitis)?

 

         e)    Wird der Minister eine repräsentative Studie über die

                 Gesundheitsgefährdungen durch Massentierhaltung bzw.

                 Felduntersuchungen in Auftrag geben?

                 

 

         Untersuchungsrahmen im Einzelfall

 

2.       a)   Welche Auswirkungen bzw. Fachgebiete sind nach Ansicht des

                 Ministeriums bei Massentierhaltungen unter Anwendung der

                 Genehmigungskriterien des § 17 UVP - G (Reduktion der Schadstoffe nach

                 dem Stand der Technik, möglichst geringe Immissionsbelastung, keine

                 Gefährdung von Leben und Gesundheit sowie Eigentum der Nachbarn,

                 keine erheblichen Belastungen der Umwelt, keine unzumutbare

                 Belästigung der Nachbarn, Vermeidung von Abfällen nach dem Stand der

                 Technik, alles unter Berücksichtigung der Wechselwirkungen, Kumulation

                 und Verlagerung) von der UVP - Behörde jedenfalls zu untersuchen?

 

           b)   Ist in diesem Zusammenhang auch im konkreten Verfahren die

                 Bioaerosolbelastung der Nachbarn zu erfassen und ihre Auswirkungen

                 auf die Gesundheit zu bewerten?

               

 

          Einzelfallprüfung wegen Kumulation von Vorhaben

 

3.       a)   Welche Vorhaben im Sinne § 3 Abs 2 UVP - G neu sind bei der Beurteilung

                 der UVP - Pflicht von Massentierhaltungen unter der Schwelle des Anhangs

                 1 Spalte 2 und 3 prinzipiell zu berücksichtigen?

 

          b)    Kann es sich dabei um jegliche Vorhaben handeln oder müssen es

                 Vorhaben sein, die in Anhang 1 angeführt sind?

 

          c)    Wie sind Güllebehälter, Futtersilos, Biogasanlagen,

                 Maistrocknungsanlagen und Kottrocknungsanlagen im Sinne des § 3 Abs.

                 2 UVP - G zu beurteilen?

                               Einzelfallprüfung bei Erweiterung bestehender Betriebe

 

4.            Gemäß dem neuen UVP - G ist eine Änderung bestehender Betriebe, selbst

               wenn damit der Schwellenwert erreicht wird, nicht automatisch UVP - pflichtig.

               Welche Überlegungen soll die Behörde bei der Beurteilung der UVP - Pflicht

               einer Erweiterung von Massentierhaltungen nach Ansicht des Ministeriums

               anstellen?

   

 

Einzelfallprüfung bei Situierung im Schutzgebiet und in Siedlungsnähe

 

5.           Gemäß dem neuen UVP-G sollen auch Schutzgebiete (hier nur Wasserschutz -

              und Schongebiete nach WRG) und Wohngebiete nicht per se besonders vor

              den Auswirkungen umweltrelevanter Projekte geschützt werden. Das

              vereinfachte UVP - Verfahren ist nur dann anzuwenden, wenn dies die

              Landesregierung feststellt. Welche Überlegungen soll die Behörde bei

              Massentierhaltungen im Sinne der Spalte 3 des Anhangs 1 für die Beurteilung

              der UVP - Pflicht anstellen?

 

                                              

  Verordnung für Einzelfallprüfung

 

6.           Eine Vielzahl von Vorhaben werden gemäß dem neuen UVP - G erst durch

              Entscheid der Landesregierung zu UVP - pflichtigen Projekten. Dies wird einen

              erhöhten Verwaltungsaufwand auslösen, der die Gefahr einer nachlässigen

              Prüfung in sich birgt.

 

              a)   Wann wird der Minister von der Verordnungsermächtigung zur Regelung

                     der Einzelfallprüfung Gebrauch machen?

 

              b)   Wird es diesbezüglich auch inhaltliche Vorgaben für die einzelnen

                     Vorhabenstypen insbesondere der Massentierhaltung geben?

 

              c)    Von wem soll typischerweise die Initiative zur Einzelfallprüfung ausgehen?

                                                 

 

                                     Verfahren nach dem Immissionsschutzgesetz Luft

 

7.            Sind dem Ministerium Genehmigungsverfahren für Massentierhaltungen nach

               dem Immissionsschutzgesetz - Luft bekannt und welche Behörden haben bereits

               Entscheidungen nach dem IG - L gefällt?