1168/J XXI.GP
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Zeitgeist Justiz
Als sich vor wenigen Wochen der FPÖ - Politiker Windholz im Rahmen einer
Parteifeier öffentlich des SS - Mottos „unsere Ehre heißt Treue“ bedient hat, sah kein
Staatsanwalt Anlass zum Einschreiten. Unmittelbar danach hat der Regisseur
Christoph Schlingensief im Rahmen einer künstlerischen Aktion, die sich vor allem
gegen die Politik der FPÖ richtete, ebenfalls den Satz verwendet, um damit klar zu
machen, welch Geistes Kind seiner Meinung nach die FPÖ ist. In der Folge hat dann
der Bundesminister für Justiz erklärt, dass er die Staatsanwaltschaft beauftragt habe,
Ermittlungen wegen Verstoßes gegen das Verbotsgesetz gegen Schlingensief
durchzuführen. Gleichzeitig kommt das Verfahren gegen Dr. Heinrich Gross, der in
der Nazizeit an der Tötung einer unbestimmten Anzahl von geisteskranken,
geistesschwachen und stark missgebildeten Kindern mitbeteiligt war, nicht und nicht
in Gang. Zuletzt wurde er als verhandlungsuntauglich erklärt, obwohl er kurz nach
der Verhandlung in einem Fernsehinterview das Gegenteil bewies.
Im Profil vom 10.7.00, Nr.28/00 erschien folgender Artikel mit Aussagen
österreichischer Unternehmer, wobei der Schotterunternehmer Johannes Asamer
aus Oberösterreich zur NS - Zwangsarbeiterentschädigung mit folgender Drohung
zitiert wird: „Die Juden treiben`s noch so weit, bis sie wieder eine auf den Deckel
kriegen.“
„Das ist reine Erpressung“
Zwangsarbeiter. Die Regierung wird NS - Zwangsarbeiter entschädigen. In ÖVP - nahen Wirtschaftskrei -
sen rumort es deshalb gehörig.
Das Thema scheint eines jener wenigen zu sein, die in der derzeit so aufgeheizten innenpolitischen
Stimmungslage außer Streit stehen. Einmütig wie selten stimmten die Abgeordneten aller vier
Parlamentsparteien vergangenen Freitag für die Einrichtung eines mit sechs Milliarden Schilling
dotierten Fonds zur Entschädigung von NS - Zwangsarbeitern. Das Geld soll auf geschätzte 150.000
noch lebende ehemalige Zwangsarbeiter verteilt werden.
Die international geschmähte Regierung hatte ihr Prestigeprojekt im Schnellverfahren durchgezogen.
Nach dem Motto: keiner soll ihr vorwerfen können, nichts für Opfer des NS - Regimes übrig zu haben.
Auch Finanzminister
Karl - Heinz Grasser zeigte sich generös:
Zumindest die Hälfte der aufzubringenden Milliarden, stellte er in Aussicht, könnten aus staatlichen
Mitteln bestritten werden. Also: alles eitel Wonne?
Unmut. Nach außen befinden sich die Kader der Regierungsparteien voll auf Linie. Doch intern rumort
es gehörig. Einer der wenigen die sich gegen die Regierungslinie stellten, der freiheitliche Salzburger
Landtagsabgeordnete und Vizebürgermeister von Seekirchen, Helmut Naderer, wurde vergangene
Woche zwar öffentlichkeitswirksam zurechtgestutzt, weil er gefordert hatte, dass seine Gemeinde
nichts in den Fonds einzahlen solle. Doch tatsächlich denkt in der FPÖ so mancher gar über eine
Volksbefragung zum Thema Entschädigungen nach. In blauen Kreisen erwartetes Ergebnis: eine klare
Ablehnung jeglicher Entschädigungen. Jörg Haiders Kulturberater Andreas Mölzer: „Das wäre eine
interessante Frage, denn moralisch sind wir sicher zu nichts verpflichtet. Nur realpolitisch wird`s das
nicht spielen, da muss eben gezahlt werden.“ Dass das viele in der FPO für überflüssig halten, bewies
einmal mehr FP - Bundesrat John Gudenus. Im profil (Nr. 22/00) hatte er die Entschädigungen als
„Schutzgeld“ bezeichnet, in einem Leserbrief an die „Kronen Zeitung“ rechnete er dann vor, dass NS -
Opfer vom Staate Österreich ohnehin schon mehr als genug Geld bekommen hätten.
Doch wer glaubt, dass sich bloß Freiheitliche am öffentlich so gefeierten Entschädigungsfonds stoßen,
irrt gewaltig. Vor allem viele VP - nahe Unternehmer können der Zwangsarbeiter - Entschädigung rein gar
nichts abgewinnen. Es herrscht ein Klima aus Unverständnis für die Ansprüche der Zwangsarbeiter
und Unwilligkeit, für etwas, das vor über fünfzig Jahren stattgefunden hat und angeblich längst
vergessen ist, jetzt auch noch zu bezahlen.
Druck von außen. „Die Entschädigungen sind eine absolute Ungerechtigkeit. Hitler hat 20 Millionen
Leute umgebracht, Stalin 100 Millionen. Von Russland verlangt aber keiner was. Außerdem: Die, die
wirklich Zwangsarbeit gemacht haben, leben eh nicht mehr‘, meint etwa Johannes Asamer,
Schotterkaiser aus Oberösterreich. Asamer versteigt sich sogar zu einer mehr als deutlichen Drohung:
„Die Juden treiben`s noch so weit, bis sie wieder eine auf den Deckel kriegen.“
Warum Österreich dennoch Entschädigungen leistet, erklärt er sich so: „Die sechs Milliarden müssen
gezahlt werden, weil Amerika Druck ausübt. Das ist reine Erpressung.“
In dieselbe Kerbe schlägt auch Carl Anton Goess - Saurau, Aufsichtsratsvorsitzender und Großaktionär
der börsenotierten Mayr - Melnhof Karton AG. Der steirische Adelige lehnt Ansprüche ehemaliger
Zwangsarbeiter ab: „Ich war selbst in russischer Gefangenschaft, aber auf die Idee, heute etwas dafür
zu verlangen, wäre ich nicht gekommen. Es war eben Krieg. Und deshalb kann es heute keine
Forderungen mehr geben.“ Auch Goess - Saurau führt das Einlenken der Regierung auf „Druck von
außen“ zurück. Aber zur Erhaltung der Wirtschaftskontakte kann er sich mit einer finanziellen „Geste“
noch anfreunden.
Von jenen großen Unternehmern allerdings Geld für den Entschädigungsfonds zu lukrieren dürfte sich
schwierig gestalten. Immerhin soll die Wirtschaft nach den Plänen der Regierung in den nächsten
Monaten etwa drei Milliarden Schilling berappen. Heinz Kessler, Generaldirektor der Nettingsdorfer
Papierfabrik und Obmann der von Industriellenvereinigung und Wirtschaftskammer ins Leben
gerufenen Plattform humanitäre Aktion, hat vergangene Woche etwa 1000 Briefe an größere
Unternehmen mit der Bitte um Einzahlung in den Fonds ausgeschickt. Die angepeilte Marke glaubt er
allerdings nicht erreichen zu können. Kessler: „Ich hoffe auch noch auf Länder und Gemeinden. In
weiten Teilen der Wirtschaftstreibenden gibt es Ablehnung oder Skepsis. Aber ein Teil wird sicher
auch dazu beitragen, dieses historische Erbe aus der Welt zu schaffen.“ Johannes Asamer gehört
nicht dazu: „Ich zahle sicher nichts.“
Gerecht? Neben den Schwierigkeiten bei der Aufbringung der nötigen Finanzmittel dürften der
Regierung in Sachen Zwangsarbeiter - Entschädigung weitere Unannehmlichkeiten ins Haus stehen. In
Österreich werden mittlerweile immer mehr Stimmen laut, die auch eine Entschädigung für
österreichische Kriegsgefangene verlangen, die Zwangsarbeit leisten mussten.
Der Ex - Generaldirektor der Brau - AG, Christian Beurle: „Wenn auch Österreicher Zwangsarbeiter
waren, steht ihnen genauso eine Entschädigung zu. Da muss es schon gleiches Recht für alle geben.“
Heinz Havelka, Autohändler in Wien und Kandidat der ÖVP für die Wiener Gemeinderatswahl im
kommenden Jahr, pflichtet dem bei: „Nachdem jetzt die NS - Zwangsarbeiter entschädigt wurden, sollte
man dieses Thema in
einer zweiten Phase angehen.“
Das Problem bei der Sache: Die Republik Österreich hat im Staatsvertrag auf alle Ansprüche
verzichtet und müsste Entschädigungen Österreichischer Zwangsarbeiter selbst aufbringen. Otto
Keimel, Präsident des Kameradschaftsbundes und Ex - ÖVP - Abgeordneter: „Ich habe mit
Bundeskanzler Schüssel schon darüber gesprochen. Wenn es schon Zahlungen an NS -
Zwangsarbeiter gibt, ist es nur eine Frage der Gerechtigkeit, dass auch die eigenen Betroffenen
entsprechend entschädigt werden.“
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wurden von der zuständigen Staatsanwaltschaft gegen Johannes Asamer
Vorerhebungen durchgeführt, ob er mit seiner Aussage einen strafrecht ich
relevanten Tatbestand gesetzt hat? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wie
lautet das Ergebnis der Vorerhebungen?
2. Angesichts der oben erwähnten Vorfälle und unter Berücksichtigung der
Verurteilung von Universitätsprofessor Dr. Anton Pelinka könnte der Justiz eine
gewisse Einseitigkeit vorgeworfen werden. Was wird von Ihnen und von Seiten
der Staatsanwaltschaft unternommen, um diese Optik wieder zu verbessern?
3. Was werden Sie unternehmen, um nicht autoritäres Denken und den Verdacht
der Behördenkumpanei sondern Meinungsfreiheit und Bürgerrechte zu
stärken?