1177/J XXI.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, MMag Dr. Madeleine Petrovic, Freundinnen
und Freunde
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Helmpflicht für Zeugen
Helmpflicht für Zeugen
Artikel vom "Falter" Nr. 27/00 Seite 6 sowie Nr. 26/00 Seite 9 u.a.
![]() |
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Laut Anfragebeantwortung des Bundesministers für Justiz vom 14.9.1999 zu
6601/J, 6312/AB, XX GP wurden im Zuge der „Operation Spring“ in neunzig
Fällen Haftbefehle erlassen.
a) Gegen wieviele dieser neunzig Personen wurde eine Anklage erhoben?
b) Gegen wieviele dieser neunzig Personen hat bereits eine
Hauptverhandlung stattgefunden?
c) Wieviele dieser neunzig Personen sind bereits wegen welcher konkreter
Vergehen zu welcher Strafe verurteilt worden?
d) Wieviele Personen, gegen die im Zuge der „Operation Spring“ ermittelt
wurde, wurden insgesamt wegen Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz
angeklagt?
e) Welche Menge an Suchtgifte wurde im Zuge der „Operation Spring“ in
welcher Höhe sichergestellt?
f) In wievielen Fällen führten Aufzeichnungen, die im Zuge der „Operation
Spring“ gemacht wurden, zu weiteren Verhaftungen bzw in wievielen
Fällen zu weiteren Telefonüberwachungen?
g) Wurden von den im Zuge der „Operation Spring“ beobachteten Personen
auch wegen anderer Delikte - wenn ja, wieviele, wegen welcher -
angeklagt?
h) Gibt es Personen, die auch im Zuge der „Operation Spring“ erfasst
wurden, gegen die aber noch keine Anklageschrift eingebracht, aber auch
das Strafverfahren noch nicht eingestellt wurde? Wenn ja, warum wurde
das Strafverfahren noch nicht eingestellt, wenn keine Anklageschrift
erhoben wurde?
2. Nach den Bestimmungen der StPO und der EMRK hat der Beschuldigte das
Recht, sich wirksam verteidigen zu können und belastende Beweise zu
entkräften. Expertlnnen auf dem Gebiet des Strafverfahrensrechtes bestätigen
unter dem Hinweis auf Urteile des EGMR, dass durch die Praxis der
vermummten Zeugen das Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde. Laut
Erlass des Justizministeriums ist eine vollständige Vermumung des Zeugen
oder eine Verzerrung des Bildes oder eines Tones der Videoaufnahme nach
den Bestimmung der StPO nicht zulässig, da die "nonverbale Kommunikation“
erhalten bleiben muss.
a) Wieviele Zeugen sind im Zuge der Verhandlungen gegen
schwarzafrikanische Drogendealer anonym aufgetreten und welche
Bezeichnung erhielten sie?
b) Wer von diesen Zeugen war bereits wegen Vergehens nach dem
Suchtmittelgesetz bzw anderer Vergehen vorbestraft, gegen wen dieser
Zeugen ist ein Akt bei der Fremdenpolizei wegen Beendigung des
Aufenthaltsrechtes (Ausweisung, Aufenthaltsverbot) anhängig bzw. gegen
wen war bereits ein Aufenthaltsverbot verhängt?
c) Wer von den anonymen Zeugen befand sich im Zuge der Ermittlungen
selbst unter den Tatverdächtigen?
d) Welcher konkreter Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz wurden die
einzelnen anonymen Zeugen beschuldigt und wann wurde jeweils ein
Strafverfahren eingeleitet und die Anklageschrift erstellt?
e) Gegen wen von den anonymen Zeugen haüeine Hauptverhandlung
stattgefunden und zu jeweils welcher Verurteilung wegen welcher Delikte
kam es?
f) Der Zeuge AZ1 hat sich in der Hauptverhandlung 4C Hv 5700/99 selbst
als Beitragstäter beschuldigt. Wann wurde gegen ihn ein Strafverfahren
eingeleitet und die Anklageschrift erstellt? Hat bereits eine
Hauptverhandlung stattgefunden?
g) Gab es Absprachen zwischen Vertretern der Staatsanwaltschaft und
Vertretern der Sicherheitsbehörden hinsichtlich der anonymen Zeugen?
Wenn ja, wie lauten die Protokolle dieser Dienstbesprechungen?
h) Wurde bei solchen Treffen auch erörtert, gegen tatverdächtige anonyme
Zeugen kein Strafverfahren einzuleiten?
i) In wievielen Fällen führte allein die Aussage eines vermummten Zeugen
zur Verurteilung?
j) Ist der Name der anonymen Zeugen in jedem Fall dem Gericht bekannt?
k) Ist der Name der einzelnen anonymen Zeugen der Staatsanwaltschaft
bekannt?
l) Was wurde jedem einzelnen anonymen Zeugen von den
Sicherheitsbehörden bzw.der Justiz konkret versprochen, wenn sie gegen
andere verdächtige Personen aussagen?
m) Hatten die einzelnen anonymen Zeugen aufgrund ihrer persönlichen
Situation (selbst verdächtigt, Ausländer, kein Einkommen und keine
Chance auf eine Beschäftigungsbewilligung, drohende Abschiebung,...)
überhaupt
die Möglichkeit nicht als anonymer Zeuge aufzutreten?
n) Kamen solche Deals mit anonymen Zeugen auch unter Drohungen
zustande, wie von einzelnen Personen behauptet wird?
o) Anonyme Zeugen, die sich nicht mehr an den Deal mit der Polizei
gebunden fühlten, haben ihre Aussagen widerrufen. Wurde das
Zustandekommen und der Inhalt des Deals mit der Polizei sowie der
Wahrheitsgehalt der Aussagen der anonymen Zeugen von der Justiz in
jedem einzelnen Fall überprüft?
p) Werden Sie aufgrund der von ExpertInnen geäußerten Bedenken gegen
die Praxis der vermumten Zeugen in all jenen Fällen, in denen die
Aussage eines anonymen Zeugen zu einer Verurteilung geführt hat, im
Sinne des § 33 Abs 2 StPO die Generalprokuratur beauftragen, eine
Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes beim Obersten
Gerichtshof einzubringen?
q) Wenn nein, was spricht gegen eine Überprüfung dieser fragwürdigen
Verfahrenspraxis durch den OGH?
3. Der Rechtsschutzbeaufiragte hat gemäß § 149o Abs 5 StPO bis zum 31. März
des Folgejahres einen Bericht über seine Tätigkeiten und Wahrnehmungen
dem Justizminister zu erstatten.
a) Wie lautet dieser Bericht des Rechtsschutzbeauftragten?
b) Werden Sie dafür sorgen, dass dieser Bericht zumindest den
Abgeordneten des Justizausschusses zugeleitet wird?
4. Im Zuge der „Operation Spring“ wurden über Beschluss des Landesgerichtes
für Strafsachen Wien vom 26.3.1999, 26c Vr 11372/98 die Sicherheitsbehörden
beauftragt, alle personenbezogenen Daten, Adressen, Telefonnummern und
Rufdaten sowie Kontoverbindungen und Geldtransaktionen mit dem
Softwareprogramm Access aufzuarbeiten. In der Folge wurde dann bei
Ermittlung gegen weitere schwarzafrikanische Drogendealer (auch außerhalb
der „Operation Spring“) sämtliche per Rückdatenerfassung bekannt
gewordenen Telefonnummern und andere Daten mit diesem Programm
abgeglichen. Es handelt sich somit um einen automationsunterstützten
Datenabgleich im Sinne des § 149i Stpo, der zwingend eines Beschlusses der
Ratskammer bedarf. Gegen diese Vorgangsweise hat auch der
Rechtschutzbeauftragte und die Datenschutzkommission eine Beschwerde
eingelegt.
a) In wievielen Fällen kamen im Zuge der „Operation Spring“ gewonnene
„Zufallsfunde“ wie Telefonnummern oder andere Beweismittel gegen nicht
von der „Operation Spring“ erfasste Personen zur Anwendung?
b) Warum wurde von der StA kein Bewilligungsbeschluss für den
Datenabgleich - wie auch vom Rechtschutzbeauftragten und der
Datenschutzkommission gefordert - von der Ratskammer für den
durchgeführten Datenabgleich eingeholt?
c) Die Daten wievieler Personen, gegen die außerhalb der „Operation
Spring“ wegen Vergehens nach dem Suchtmittelgesetz ermittelt wurde,
wurden mit dem im Zuge der „Operation Spring“ und dem
Softwareprogramm Access aufgearbeiteten Daten abgeglichen?
d) In wievielen Fällen kam es aufgrund dieser Datenabgleichen zu
Verurteilungen?
e) Werden Sie aufgrund der vom Rechtschutzbeauftragten und der
Datenschutzkommission gemachten Bedenken gegen diese Praxis des
Datenabgleichs in all jenen Fällen, in denen es in der Folge zu einer
Verurteilung kam, im Sinne des § 33 Abs 2 StPO die Generalprokuratur
beauftragen, eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes
beim Obersten Gerichtshof einzubringen?
5. Bei wievielen Personen, gegen die aufgrund der „Operation Spring“ eine
Hauptverhandlung durchgeführt wurde, kamen besondere Milderungsgründe -
wenn ja, welche - zur Anwendung?
6. Ist es richtig, dass Abhörprotokolle nicht immer von gerichtlich beeideten
Dolmetschern übersetzt wurden?
7. Wenn ja, aufgrund welcher Qualifikationen wurden diese Dolmetscher
ausgewählt?
8. Befinden sich unter den Dolmetschern auch Personen, die im Zuge der
„Operation Spring“ durchgeführten Ermittlungen selbst als tatverdächtig gelten?
9. Warum sind manche Dolmetscher anonym? Sind deren Namen der StA und
dem Gericht bekannt?
10. Wurde den Strafverteidigern wie der Staatsanwaltschaft Einsicht in die Akten
sowie in die Abhörprotokolle und Videoaufzeichnungen gewährt?
11. In wievielen Fällen waren im Zuge der „Operation Spring“ bzw bei den
Ermittlungen gegen Bewohner des Heimes in der Zohmanngasse auch
Jugendliche betroffen?
12. In wievielen Fällen wurde das angegebene Alter angezweifelt und wurde eine
Altersbestimmung durch einen Sachverständigen vom Gericht durchgeführt?
13. Welcher Sachverständige hat diese Altersbestimmungen nach welcher
Methode vorgenommen?
14. Wurde auch Dr. Johann Szilvassy trotz der Kritik an seiner Methode aus
Sachverständigenkreisen mit der Bestimmung des Alters von verdächtigen
Jugendlichen beauftragt?