1324/J XXI.GP
11.10.2000
der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Justiz
betreffend mediale Vorverurteilungen von schwarzafrikanischen
Untersuchungshäftlingen
In der Kronen Zeitung vom 17. September 2000 wird unter Berufung auf eine
„hochgerechnete" (?) Untersuchung und auf einen namentlich nicht genannten
„Insider“ gemeldet, dass jeder zweite Häftling im Wiener Landesgericht Drogen
konsumiere. Ferner heißt es in diesem Artikel „wie auf der freien Strasse haben auch
im Gefängnis schwarzafrikanische Dealer einen professionell organisierten
Drogenring aufgezogen. Insbesondere Nigerianer, die der Polizei im Rahmen der
'Operation spring‘ ins Netz gegangen sind und letzt ihre Strafen absitzen müssen.“
Der Artikel endet mit der Forderung des freiheitlichen Bezirksrates und Polizei -
Personalvertreters Werner Radakovits, dass die Anstaltsleitung hart durchgreifen
möge. Ferner kritisiert der freiheitliche - Polizeipersonalvertreter die Justizbehörden:
Es es ein Fehler gewesen, „fast alle Mitglieder des zersprengten nigeranischen
Drogenkartells unter einem Dach einzusperren."
Die unterfertigte Abgeordnete konstatiert in diesem Zusammenhang:
- Sämtliche Drogendelikts - Vorwürfe gegen den wochenlang in medialen
Schlagzeilen und freiheitlichen Attacken als „Drogenboss“ denunzierten
Charles O. wurden von der Staatsanwaltschaft zurückgenommen.
- Die Art der Prozeßführung (Veurteilungen ohne Sachbeweise, lediglich
gestützt auf Beschuldigungen völlig anonymisierter Zeugen mit Helm und
Overall) wird von namhaften StrafrechtsexpertInnen als rechtswidrig und
verfassungswidrig eingestuft.
- Ein nigerianisches Drogenkartell, „das im Wiener Straflandesgericht, so wie auf
der Straße den Suchtgifthandel bestimmt“, ist ein Konstrukt freiheitlicher
Propaganda und nicht ein rechtskräftig aufgrund von Sachbeweisen gerichtlich
festgestelltes Faktum.
- „Anregungen“ von freiheitlichen Polizeipersonalvertretern führen offenbar nicht
zu einer Reaktion von Justiz - Organen im Sinne einer Zurückweisung der
Einmischung in Justizangelegenheiten.
- Bei den von freiheitlicher Seite als Bandenmitglieder von Drogenkartellen
vorverurteilten SchwarzafrikanerInnen handelt es sich um
Untersuchungshäftlinge, für welche die Unschuldsvermutung giIt.
- Der vom freiheitlichen Personalvertreter in Millionenauflage verbreitete Vorwurf
an die Justiz, indirekt die Bildung von behaupteten Drogenkartellen zu
begünstigten, stellt einen massiven Versuch der Veränderung der
Gerichtsorganisation zulasten bestimmter Beschuldigter (mit schwarzer
Hautfarbe) dar.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie beurteilen Sie die gegen die Justiz gerichteten Vorwürfe eines freiheitlichen
Polizei - Personalvertreters?
2. Wie sehen Sie diese Vorwürfe vor dem Hintergrund der strafrechtlichen
Unschuldsvermutung?
3. Haben Sie gegenüber polizeilichen Einmischungen, Vorwürfen bzw. Forderungen
nach Änderungen der Gerichtsorganisation oder der Vollzugspraxis eine
Zurückweisung ausgesprochen. Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum
nicht?
4. Teilen Sie aufgrund von rechtskräftigen Prozeßurteilen die Auffassung, dass
nigerianische Drogendealer im Wiener Landesgericht so wie auf der Straße den
Suchtgifthandel bestimmen?
5. Gibt es im Wiener Straflandesgericht ein rechtskräftig von ordentlichen Gerichten
konstatiertes Drogenkartell? Wenn nein, was tun Sie, um objektive Verfahren
ohne Vorverurteilungen in Medien mit Millionenauflage hintanzuhalten?
6. Halten Sie es für denkbar, dass die Vorwürfe gegen etliche U - Häftlinge so
schlecht begründet sind bzw. sich ausschließlich auf anonyme Zeugenaussagen
stützen, sodass die freiheitlichen Personalvertreter im nachhinein Drogendelikte
in der Haft behaupten müssen, um nicht ähnliche Blamagen wie im Fall des
NICHT - Drogenbosses Charles O. zu erleiden?
7. Was werden Sie tun, um rassistische Vorverurteilungen von Personen mit
bestimmter Hautfarbe oder bestimmter Staatsangehörigkeit hintanzuhalten und
allen U - Häftlingen ohne Ansehung der Hautfarbe oder der Staatsangehörigkeit
ein faires Verfahren zu sichern?
8. Wie beurteilen Sie im Lichte der neuen medialen Vorverurteilungen den Einsatz
völlig anonymisierter Zeugen mit Sturzhelm und Overall?
9. Wie beurteilen Sie im Lichte der medialen Intervention eines Polizei
Personalvertreters den seinerzeitigen Bericht des Stadtmagazins Falter, dass
polizeiliche Ermittlungsorgane mit dem dann nicht mehr maskierten AZ 1 in der
Gerichtskantine auf ein Bier gegangen sind und den Zeugen tobten?
10. Hat die Staatsanwaltschaft die rechtliche Relevanz dieser polizeilichen "Zeugen -
Belobigung“ bereits geprüft. Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum
nicht?
11. Hat die Staatsanwaltschaft das Verhalten des sog. AZ 1 geprüft, der zwar im
Gerichtssaal angebl. aus Angst vor Revanche Vermummung braucht, nicht aber
in der Kantine beim Bier? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum
nicht?
12. Ist es zutreffend, dass im Rahmen der gerichtlichen Abhandlung der sog.
„Operation spring“ ein einziger Staatsanwalt sämtliche Anklageschriften zu
verfassen hatte? Wieviele Staatsanwälte/Staatsanwältinnen waren tatsächlich
befaßt und wieviele Anklageschriften wurden bislang ausgearbeitet?
13. Sind Sie bereit, die Ergebnisse des kolportierten „Drogentests“ dem Parlament
zur Verfügung zu stellen, oder bekommt das nur die Krone?
14. Wie gelangte der Bericht an Herrn Radakovits bzw. an die Krone und die
freiheitlichen Polizei - Personalvertreter? Falls Sie außer Stande sind, diese Frage
zu beantworten: Wurden diesbezüglich eine Untersuchung eingeleitet? Wenn ja,
mit welchen Ergebnis? Wenn nein, warum nicht?
15. Wie steht es um die Amtsverschwiegenheit im Bereich der Justizverwaltung?
16. Hängt die Wahrung Amtsverschwiegenheit der Justizverwaltung mit der Hauffarbe
der Betroffenen zusammen?