1331/J XXI.GP
12.10.2000
der Abgeordneten Moser, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Soziales, Gesundheit und Generationen
betreffend Lebensmittelkontrolle
Die häufigen Schlagzeilen über Rinderwahn, Hormone, Antibiotika, Gentechnik oder
sonstiger Chemie in der Nahrung verunsichern die Konsumentinnen und Konsumenten in
zunehmenden Ausmaß. Die Skandale am Lebensmittelsektor scheinen nicht mehr abzureißen.
Der Lebensmittelkontrolle kommt daher eine immer größere Bedeutung zu. Doch für die
politisch Verantwortlichen ist dieses Problem einmal mehr ein unbequemes Thema. Obwohl
der Aufgabenbereich für die Lebensmittelkontrolle immer umfangreicher und komplexer
wird, erfolgen keine weiteren Investitionen im Bereich der Lebensmittelkontrolle; im
Gegenteil: Einsparungen waren und sind die Folge. So läuft die österreichische amtliche
Lebensmittelüberwachung, die bis vor kurzem im europäischen Durchschnitt sicherlich im
Spitzenfeld zu finden war, Gefahr diesen Status zu verlieren.
Seit nunmehr 70 Jahren (!), wird ein Neubau oder eine räumliche Erweiterung der
Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und - forschung gefordert (Festschrift 1930).
Die Kürzung der Ressortmittel um 15% führte dieses Jahr zu einer Nullrunde bei der
Gerätebeschaffung. Früher standen rund 16 Millionen für alle Bundesanstalten in den Ländern
zur Verfügung, nächstes Jahr werden es 8 Millionen sein.
„Es vergeht auch kaum ein Jahr, ohne dass Österreich in dem einen oder anderen Punkt von
der Europäischen Kommission ‚eingeladen‘ wird, seinen Verpflichtungen nachzukommen,
d.h. mehr als bisher zu tun, namentlich im Bereich der Überwachung auf Kontaminanten und
Rückstände“.
BA für Lebensmitteluntersuchung in Linz, Jahresbericht 1999, Seite 18
Denn zusätzliche Investitionen sind unausweichlich! Dies betrifft die Aufstockung des
Personals, neue Ausbildungsprogramme (Spezialisierungen) sowie für neue
Kontrolleinrichtungen. Auch sollte daran gedacht werden, so wie in Deutschland ein
Lebensmittel - Monitoring einzuführen, das allfällig erforderliche Schwerpunktsetzungen
aufzeigen könnte. Eine Ausweitung der Kontrolldichte und der Kontrollfrequenz ist zum
Schutz der KonsumentInnen unumgänglich, da durch die Teilnahme am Binnenmarkt immer
mehr und neue Produkte auf den Markt gelangen. Aus diesem Grund sollte vor allem auch die
Informationstätigkeit der amtlichen Lebensmittelüberwachung massiv ausgebaut werden.
Will man also das Kontrollniveau in Österreich aufrechterhalten bzw. verbessern, muss in
Zukunft mehr Personal zur Verfügung gestellt werden. Für diese Maßnahmen bedarf es
erheblicher finanzieller Mittel.
Wie jedoch aus einer Anfrage der Grünen hervorgeht, sinkt der Personalstand der staatlichen
Lebensmitteluntersuchungsanstalten kontinuierlich. Allein von 1992 bis 1998 sank der
Personalstand von 249 Bediensteten auf 232.
„Die Verbesserung der Personalsituation im Frühjahr 1998 - Aufnahme einer
Molekularbiologin und eines HTL - Biochemikers mit befristeten Dienstverträgen -
verschlechterte sich wieder schlagartig im Frühjahr 1999: beide bestens eingeschulte,
vollwertig einsetzbare und äußerst motivierte Mitarbeiter mussten die Bundesanstalt
aufgrund des Auslaufens der Dienstverträge wieder verlassen. Dies in einer Zeit der noch
abzuschließenden bzw. schon wieder anlaufenden Aktionen! Als Folge mussten aus
kapazitätsgründen 28 Proben aus dem Vorjahr storniert werden. Auch die Ausarbeitung von
Verfahren zur Quantifizierung von GVO - Anteilen mit dem Real - Time PCR - System
„TaqMan“, das der Molekularbiologin anvertraut worden war, musste eingestellt werden“.
Tätigkeitsbericht 1999 des BALUF Wien, Seite 109
Ebenso reduzierten sich die aufgewendeten finanziellen Mittel des Bundes für die
Lebensmittelkontrolle im Zeitraum 1994 - 1997 von 188 Mio. ÖS auf 176 Mio ÖS. Generell ist
festzuhalten, dass diese Beträge für die neuen und künftigen Aufgaben der
Lebensmittelkontrolle viel zu gering sind. Eine massive Aufstockung der Mittel für die
Kontrolle von Lebensmitteln ist unerlässlich.
Dementsprechend weniger Probennahmen wurden in den letzten Jahren in Österreich
vorgenommen. Während 1985 über 52.000 Proben gezogen wurden, waren es 1993 noch
47.501 und 1998 nur mehr 43.115. Der Rückgang der Probennahmen von 1993 auf 1998
beträgt rund 9%.
Zudem wird jetzt auch noch daran gedacht, die Lebensmitteluntersuchungsanstalten zu
privatisieren und auszugliedern. Aus diesem Grund stellen die unterzeichneten Abgeordneten
folgende
Anfrage
1. Wie stehen Sie persönlich zur Privatisierung bzw. Ausgliederung der Bundesanstalten
für Lebensmitteluntersuchung und - forschung?
2. In welchen EU - Mitgliedstaaten ist die amtliche Lebensmittelüberwachung privatisiert
bzw. ausgegliedert und seit wann?
3. Welche Grundmotive liegen ihrer Überlegung zur Ausgliederung bzw. Privatisierung
der amtlichen Lebensmittelüberwachung zugrunde?
4. Sie haben eine Arbeitsgruppe in ihrem Ressort eingerichtet, die die notwendigen
Informationen erarbeiten soll, auf deren Grundlage diese Frage entschieden werden
soll. Welche Personen sitzen in dieser Arbeitsgruppe und bis wann sollen konkrete
Ergebnisse vorliegen?
5. Unabhängig von den Ergebnissen der Arbeitsgruppe, bzw. werden ja wohl bereits
Zwischenergebnisse vorliegen, müssen doch gewisse Grundüberlegungen für eine
Ausgliederung angestellt werden. Ist die Zusammenlegung der BALUF mit anderen
Instituten geplant? Wenn ja, mit welchen und in welchem Zeitraum? Wo, d.h. welcher
Standort ist für die BALUF bzw. die anderen Institute vorgesehen?
6. Ist damit zu rechnen, dass Standorte von Lebensmitteluntersuchungsanstalten
geschlossen werden? Wenn ja, welche und in welchem Zeitraum?
7. Halten Sie den derzeitigen Personalstand für die amtliche Lebensmittelüberwachung
für ausreichend?
8. Halten Sie die derzeitige Budgetierung der amtlichen Lebensmittelüberwachung für
ausreichend?
9. Denken Sie daran die Kontrolldichte bzw. Kontrollfrequenz zu erhöhen? Wenn ja, wie
und wie soll diese finanziert werden?
10. Kommt es aus Ihrer Sicht aufgrund des EU - Binnenmarktes zu qualitativ und
quantitativ neuen Aufgaben bzw. einem verstärkten Aufwand für die amtliche
Lebensmittelüberwachung? Wenn ja, warum unternehmen Sie nichts, damit diesen
neuen Anforderungen zum Schutz der österreichischen KonsumentInnen entsprochen
wird?
11. Wie stehen Sie zu folgendem Zitat: „Budgetbedingte Einsparungen bei den Anlagen in
den letzten drei Jahren sind aus unserer Sicht problematisch, da von den
Bundesanstalten für Lebensmitteluntersuchung zusätzliche Aufgaben verstärkt
bewältigt werden müssen (z.B. Monitoring, gentechnisch veränderte Lebensmittel)“.
12. Wie wollen Sie, als Gesundheitsministerin und Konsumentenschutzministerin für den
Bereich Lebensmittel, den Schutz der österreichischen KonsumentInnen
gewährleisten, wenn Sie nichts gegen die finanzielle Aushöhlung der amtlichen
Lebensmittelüberwachung unternehmen und sogar ihre eigenen Kompetenzen abgeben
wollen, indem Sie selbst eine Ausgliederung bzw. Privatisierung vorschlagen?
13. Ist es wirklich Ihr Verständnis von einer funktionierenden amtlichen
Lebensmittelüberwachung, die rein zum Schutz der KonsumentInnen agieren sollte,
wenn diese privatisiert wird und plötzlich Marktmechanismen unterliegt?
14. Führten Sie im Zusammenhang mit der Ausgliederung bzw. Privatisierung der
amtlichen Lebensmittelüberwachung auch Gespräche mit Ihrem Kollegen
Landwirtschaftsminister Molterer, bzw. gab es Gespräche diesbezüglich zwischen
ihrem und BM Molterers Ressort? Wenn ja, wie viele, wann und was hatten diese
Gespräche zum Inhalt?