1349/J XXI.GP

18.10.2000

 

DRINGLICHE ANFRAGE

gemäß § 93 Abs. 2 GOG

 

 

der Abgeordneten Dr. Gusenbauer

und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend FP - Spitzelaffäre - illegale Weitergabe von Polizeidaten an Dritte

 

 

Anfang Oktober 2000 hat der ehemalige hochrangige Funktionär der FP - Gewerkschaft AUF

sein Buch “Ich gestehe. Was ein Polizist über die Exekutive weiß.” der Öffentlichkeit

präsentiert.

 

In dieser Publikation stellt Kleindienst Fälle der Bespitzelung und der Datenweitergabe an

eine Partei dar. Unter anderem führt er aus:

“In allen Bundesländern arbeiten Exekutivbeamte für eine Partei, teils werden sie bezahlt,

teils mit politischen Mandaten und Funktionen belohnt oder geködert, teils geschieht es aus

Ideologie. Idealismus oder auch einfach aus Wichtigtuerei. Wer profitiert? Die Informationen

gehen an verschiedene Stellen in der Partei und ihren Organisationen. Aber auch das Büro

des Chefs hat stapelweise Papiere und Dossiers gebunkert. Der Parlamentsklub ist eine

weitere Anlaufsteile für Informanten, in den geschäftsführenden Stellen sind heikle,

personenbezogene Auskünften gern gesehen. Und es werden auch immer wieder Daten aus

dem Polizeicomputer diverser ideologischer Gegner erbeten. Prominentes Beispiel der

jüngeren Zeit: Andre Heller engagierte sich bei etlichen ‚SOS - Mitmensch ‚ - Veranstaltungen.

Dadurch war er sehr interessant für die Politik geworden: seine gesamten Lebensumstände

wurde deshalb auf Aufforderung hin durchleuchtet.” (Seiten 112 u. 113)

 

“Auch das Büro des ehemaligen Obmanns Jörg Haider (COMBO) war über viele Vorgänge

innerhalb der Exekutive sehr gut informiert. Haider hat bekanntlich Informationen immer

wieder öffentlich verwendet... Und zuletzt hat es einen Salzburger Polizisten eine längere

Suspendierung eingetragen, weil Jörg Haider eine Datenanfrage allzu eifrig in laufende TV -

Kameras hielt.”(Seite 115)

 

In mehreren Interviews in der Folge bestätigte Kleindienst die im Buch erhobenen Vorwürfe.

Am 1. Oktober 2000 - nach Bekanntwerden dieser Vorwürfe - haben hochrangige SP -

Vertreter sofort die Einsetzung einer unabhängigen Sonderkommission gefordert.

 

Am 3. Oktober 2000 setzte Bundesminister Strasser eine Sonderkommission ein, die jedoch

unter der Leitung des oberösterreichischen Sicherheitsdirektors Heimo Siegel steht und der

keine unabhängigen Persönlichkeiten angehören. BM Strasser erklärte, innerhalb von 14

Tagen - also am 17. Oktober 2000 - ein Endergebnis der Untersuchung vorzulegen.

 

Zur Hälfte des Fristablaufs am vergangenen Mittwoch hat BM Strasser einen mündlichen

Zwischenbericht im Innenausschuss abgegeben, der nur als völlig unbefriedigend bezeichnet

werden kann. Dennoch kristallisierte sich schon nach Anfragen von SP - Abgeordneten heraus,

dass bis zu diesem Zeitpunkt (11.10.00) gegen sieben Personen wegen illegaler Weitergabe

von EKIS - Daten ermittelt wird. Darüber hinaus sollen 150 potentielle Opfer untersucht

worden sein, wobei sogar Mitglieder des Innenausschusses unter diesen sind.

 

Dem Vernehmen nach hat BM Strasser diese Namen den Mitgliedern des Unterausschusses

bekannt gegeben, wobei jedoch eine Weitergabe dieser Daten wegen der dort bestehenden

Vertraulichkeit nicht möglich ist.

 

Über das Wochenende kam es laut Berichten von Printmedien zu weiteren Entwicklungen in

dieser Angelegenheit.

 

Besonders betroffen macht der Umstand, dass im Format Nr. 42/2000 der Bericht der

Sonderkommission unter der Aktenzahl 20.000/144 - GD/00 auszugsweise veröffentlicht

wurde, obwohl BM Strasser diesen Bericht dem Parlament nicht zur Verfügung stellen will.

Es erhebt sich daher in diesem Zusammenhang die Frage, wer über diesen Bericht verfügt und

von wem die Weitergabe an die Zeitung Format erfolgte.

 

Darüber hinaus wurden am letzten Wochenende neue skandalöse Details bekannt, die in

Medien veröffentlicht wurden:

 

1.     Ein Wiener Polizeibeamter, er ist AUF - Mitglied und Postenkollege eines der sieben

       derzeit Verdächtigen (sein Name ist profil bekannt), hatte bei der Einvernahme durch

       die Sonderkommission angegeben, dass an seiner Dienststelle solche Daten abgerufen

       seien, einmal sei der Auftrag dafür von Karl - Heinz Petritz, seit vielen Jahren Jörg

       Haiders Pressesprecher, gekommen.

       (profil 42/2000)

2.    Profil zitiert aus dem Ermittlungsstand weiters:

       In der Regel hat der Wiener FP - Gemeinderat Michael Kreißl den Kontakt zu den

       Datenbeschaffern an der Front gehalten.

 

3.    Beim vertraulichen Gespräch in der vergangenen Woche nannte Kleindienst, Berichten

       von Ohrenzeugen zufolge, auch die beiden anderen an der “Heller - Aufklärung"

       Beteiligten; entgegengenommen habe die Order wieder Kreißl. Als Auftraggeber am

       anderen Ende der Leitung war FPÖ - Bundesgeschäftsführer Gernot Rumpold gewesen.

 

4.    Angeblicherweise zählen über 20 Exekutivbeamte zu den Empfängern der

       Überweisungen vom Konto der Freiheitlichen Exekutivgewerkschaft AUF. Für alle

       Konten war einer zeichnungsberechtigt: Michael Kreißl.

 

5.    Die Sonderkommission soll 500 Personen aus dem Kreis der Politik, der Kunst, des

       Journalismus sowie Vertreter von Sozialeinrichtungen auf EKIS - Abfragen zu ihrer

       Person überprüft haben, wobei es zu einem skandalösen Trefferergebnis gekommen ist:

       Bei 157 Personen gab es zumindest eine, meist aber mehrere EKIS - Treffer. (Dies

       entspricht einem Drittel der abgefragten Personen!). Bei 22 von diesen 157 Personen

       stießen die Fahnder auf auffällig häufige EKIS - Abfragen.

       (Format Nr.42/00, Seite 33)

 

       In diesem Zusammenhang muss herausgestrichen werden, dass EKIS - Abfragen nur drei

       Jahre in die Vergangenheit hin überprüft werden können. All die von Kleindienst in

       seinem Buch dargestellten Sachverhalte liegen vor dieser Zeit: Dieses Ergebnis ist nur

       die Spitze eines Eisberges.

 

6.    Neben den Wiener Verdächtigen wird ein weiterer Verdächtiger aus Kärnten genannt:

       Horst Binder. Dieser ist AUF - Funktionär und gleichzeitig Leibwächter des Kärntner

       Landeshauptmannes. Ein in die Causa involvierter Beamter wird wie folgt zitiert: “So

       sind die internen Polizeiinformationen dann an Haiders Sekretäre gegangen.

     

All diese neuen Fakten verdeutlichen die Grundzüge dieses Skandals:

Illegale Datenabfragen durch Funktionäre der FP im Exekutivbereich waren und sind keine

Einzelfälle, sondern ein systematisch zusammenarbeitendes Netzwerk zur Bespitzelung

politisch Andersdenkender, aber auch zur Bespitzelung von Konkurrenten oder neue

KanditatInnen in der eigenen Partei (siehe Theresia Zierler und Patrik Ortlieb).

Die illegalen Abfragen erfolgten auf Auftrag von FP - Politikern bzw. FP - Funktionären und

wurden in vielen Fällen durch Zahlung von Geldmitteln oder durch die Verleihung von

politischen Ämtern abgegolten.

 

Bisher wird im Auftrag von BM Strasser nur ein Detailbereich untersucht: Die EDV mäßige

Abfrage aus dem System EKIS.

 

Neben diesem gibt es im Bereich der Exekutive noch eine Reihe von Datenbanken und

Handarchiven, die noch nicht Gegenstand der Untersuchung der Sonderkommission sind.

Kleindienst merkt dazu an, dass es in den Handarchiven zu einem weit größeren Missbrauch

gekommen sei als beim System EKIS und dass diese Einsichtnahmen nicht mehr

rekonstruierbar sind.

 

Aus all dem Gesagten müssen auch Aussagen in der Vergangenheit neu interpretiert werden.

So hat der damalige Parteivorsitzende der FPÖ Jörg Haider im Rahmen einer tatsächlichen

Berichtigung in der Nationalratssitzung am 23. April 1996 ausgeführt:

"Ich zitierte aus dem Verschlussakt des Ministeriums von März 1995...

Herr Bundesminister! Ich möchte Sie bitten, sich nicht hierherzustellen und einen

Abgeordneten wie mich abzukanzeln und zu sagen, ich hätte die Unwahrheit gesagt, wenn Sie

wissen, dass wir Ihren gesamten Aktenverlauf in Händen haben und Sie eindeutig

entschieden und eine Weisung gegeben haben.”

 

Wie der damalige Parteivorsitzende der FPÖ im Nationalrat stolz erklärte, geht es nicht nur

um systematische Abfragen aus dem EKIS, sondern um die illegale Weitergabe ganzer

Datenkonvolute an die FPÖ.

 

In jeder parlamentarischen Demokratie ist es eine Selbstverständlichkeit, dass ein solcher

Bericht dem Parlament umgehend vorgelegt wird. Dass diese Selbstverständlichkeit von BM

Strasser nicht nachgekommen wird, zwingt dazu, Schlüsse daraus abzuleiten:

 

1.    BM Strasser bzw. die von ihm eingesetzte Sonderkommission konnte oder wollte

       fristgemäß die Untersuchungen nicht abschließen.

2.    BM Strasser schützt seinen Koalitionspartner.

       Dies ergibt sich aus dem logischen Umkehrschluss: Sollte das Ergebnis der

       Untersuchung keine politisch motivierte Weitergabe von Daten bzw. keine politische

       Involvierung von FP - Politikern oder FP - Exekutivbeamten beinhalten, ist die

       Verweigerung der Weitergabe des Berichts an das Parlament völlig unverständlich.

Aus all diesen Gründen richten die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für

Inneres nachstehende

 

 

Anfrage:

 

1.    Wie ist der letzte Stand der Untersuchungen der Sonderkommission zur Aufklärung

       der illegalen Weitergabe von Polizeidaten im Detail?

 

2.    Wann haben Sie der Staatsanwaltschaft einen Bericht über die Ergebnisse der

       Sonderkommission übermittelt?

 

3.    Welchen Inhalt hat dieser Bericht?

       Wird die Staatsanwaltschaft laufend über die Ergebnisse der Sonderkommission

       informiert?

 

4.    Im Format werden auszugsweise Teile des Ermittlungsaktes der Sonderkommission

       mit der Aktenzahl 20.000/144 - GD/00 veröffentlicht:

       Um welchen Akt handelt es sich dabei?

       Welchen Stand hatte dieser auszugsweise veröffentlichte Akt?

 

5.    Wer verfügte über diesen Akt?

 

6.    Gibt es Erhebungen betr. die Weitergabe dieses Aktes wegen Verletzung des

       Amtsgeheimnisses?

 

7.    Gibt es Indizien wer diese illegale Weitergabe des Ermittlungsaktes getätigt hat?

 

8.    Werden Sie diesen Akt, der nunmehr sogar Medien vorliegt, dem Nationalrat zur

       Verfügung stellen?

 

9.    Welche über EKIS hinausgehende Datenbanken und Handarchive gibt es im Bereich

       des Innenministeriums samt Dienststellen?

 

10.  Welcher Personenkreis hat zu den jeweiligen Datensammlungen Zugang und wie

       wird dieser Zugang dokumentiert?

 

11.  Werden auch bei diesen Datensammlungen Untersuchungen wegen illegaler Abfrage

       von personenbezogenen Daten oder illegaler Einsichtnahme in Handakte

       vorgenommen?

 

12.  Wenn nein, warum nicht?

 

13.  Stimmt es, dass EKIS - Daten auch in Handarchiven abgelegt sind und dass der

       Zugang dazu nicht oder nur unzulänglich protokolliert wird?

 

14.  Stimmen die Behauptungen, dass es nur Aufzeichnungen der EKIS Zugriffe über die

       letzten drei Jahre gibt?

 

15.  Beabsichtigen Sie den Untersuchungen unabhängige Experten (ev. auch aus dem

       Ausland) zuzuziehen?

 

16.  Gibt es einen Datenabtausch bzw. einen Datentransfer zwischen dem

       Bundesministerium für Inneres und dem Bundesministerium für Landesverteidigung?

 

17.  Haben Sie aus Anlass der Untersuchungen in Ihrem Haus auch mit dem

       Bundesminister f. Landesverteidigung Kontakt aufgenommen, um mögliche illegale

       Weitergaben von personenbezogenen Daten an eine politische Partei aus

       Datenbeständen des Bundesministeriums f. Landesverteidigung insbesondere des

       Abwehramtes und des Heeresnachrichtenamtes zu überprüfen?

 

18.  Wenn nein, warum nicht?

 

19.  Stimmen die Behauptungen, dass Personen, gegen die wegen Weitergabe von

       Polizeidaten gegenwärtig ermittelt wird, der FPÖ, einer ihrer Organisationen oder der

       AUF angehören bzw. angehörten?

 

Unter einem wird gemäß § 93 Abs. 2 GOG verlangt, diese Anfrage im Sinne des § 93

GOG dringlich zu behandeln.