1381/J XXI.GP
19-10-2000
der Abgeordneten Maga. Ulrike Lunacek, Maga. Terezija Stoisits, Freundinnen und
Freunde
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Maßnahmenvollzug wegen „Verbrechens der gleichgeschlechtlichen
Unzucht“ nach dem § 209 StGB
In den Anfragebeantwortungen zu 387/J, GZ 7025/1 - Pr1/2000 und zu 735/J, GZ
7050/1 - Pr1/2000 führen Sie auf die Frage zu Maßnahmenvollzug wegen § 209 StGB
aus. „2 Personen, die neben anderen Delikten auch wegen § 209 StGB verurteilt
worden sind, befinden sich gemäß § 21 Abs. 2 StGB in Maßnahmenvollzug“.
Es ist davon auszugehen, dass es sich bei einer der beiden Personen um A.S.
handelt, dessen weitere Anhaltung in einer Anstalt für geistigabnorme Rechtsbrecher
gem. § 21 Abs. 2 StGB mit Entscheidung vom 16.5.2000 des LG Graz, AZ: 2 BE
73/00 beschlossen wurde. Im Verfahren 6EVr 474/99 wurde A.S. wegen des
„Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht“ nach dem § 209 zu einer
Freiheitsstrafe von 1 Jahr verurteilt und gleichzeitig die bedingte Strafnachsicht von 6
Monaten aus dem Urteil 8Vr 2608/94 widerrufen. Herr A.S. wurde also nur wegen §
209 StGB nicht aber wegen anderer Delikte verurteilt und auch die Anhaltung
erfolgte nur wegen des „Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht“ nach dem
§ 209 StGB wie aus der Entscheidung 2 BE 73/00 hervorgeht. Ihre Beantwortung in
den beiden oben zitierten Anfragen ist daher in diesem Punkt unrichtig.
Wie aus der oben zitierten Entscheidung über die weitere Anhaltung hervorgeht, hat
die Staatsanwaltschaft Graz den Antrag auf Fortsetzung der Maßnahme gem. § 21
Abs. 2 StGB gestellt, obwohl der Soziale Dienst sowie der Psychologisch und
Psychiatrische Dienst der Justizanstalt Graz - Karlau, feststellten, dass der
Strafgefangene prinzipiell sozial integriert ist. Der Antrag stützt sich auf das
Gutachten des Sachverständigen, der wie der Richter (im Verfahren“ BE 73/00) den
Betroffenen nie persönlich kennengelernt hat. Dem Strafgefangenen wird eine
Störung der Sexualpräferenz (Pädophilie) und chronischer Alkoholismus unterstellt.
Der chronische Alkoholismus wird damit begründet, dass Herr A.S. (laut seinen
Angaben), 2 - 3 mal in der Woche 3 - 4 Bier konsumiert. Eine Störung der
Sexualpräferenz nimmt der Sachverständige und damit auch die Staatsanwaltschaft
offenbar dadurch als gegeben an, dass der Betroffene einen im 15. Lebensjahr
stehenden männlichen Jugendlichen an den Geschlechtsteilen intensiv streichelte
und er bereits im Jahre 1994 wegen „gleichgeschlechtlicher Unzucht“ mit einem 13 -
jährigen verurteilt wurde.
Pädophilie heißt laut Duden: „Auf Kinder gerichteter Sexualtrieb Erwachsener“. Das
Streicheln der Geschlechtsteile einer gleichaltrigen weiblichen Jugendlichen durch
Herrn A.S. hätte zu keiner Verurteilung geführt und Herr A.S. wäre in der Folge auch
nicht wegen Pädophilie und chronischem Alkoholismus in eine Anstalt für
geistigabnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Ist Herr A.S. eine der zwei Personen, die laut oben angeführten Anfrage -
beantwortungen wegen § 209 StGB verurteilt worden sind und sich in
Maßnahmenvollzug befinden?
Wenn nein, warum haben Sie diesen Fall verschwiegen?
Wenn ja, warum haben Sie die Frage, wieviele Personen sich wegen § 209
StGB im Maßnahmenvollzug befinden unrichtig zumindest aber mißverständlich
damit beantwortet, dass die zwei Personen auch neben anderen Delikten
verurteilt worden seien, obwohl der Maßnahmenvollzug bei A.S. nur aufgrund
der Verurteilung nach dem § 209 StGB erfolgte?
2. Teilen Sie die Auffassung der StA, dass homosexuelle Neigungen, die auch mit
Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren ausgelebt werden, als Pädophilie zu
bezeichnen sind?
3. Teilen Sie die Auffassung der Staatsanwaltschaft, dass der Genuß von 3 - 4 Bier
2 - 3 mal in der Woche als chronischer Alkoholismus zu bezeichnen ist?
4. Halten Sie den Antrag der StA, auf weitere Anhaltung des Herrn A.S. in einer
Anstalt für geistigabnorme Rechtsbrecher wegen des „Verbrechens der
gleichgeschlechtlichen Unzucht“ nach dem § 209 StGB für gerechtfertigt?
Wenn nein, was werden Sie dagegen unternehmen?
5. Wie rechtfertigen Sie diese Entscheide angesichts der Judikatur des
Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und der Resolutionen in der
EU und im Europarat?
6. Halten Sie die Praxis, dass Sachverständige und Richter Ihre Entscheidungen
bzw. Gutachten über die weitere Anhaltung in einer Anstalt ohne persönlichen
Kontakt treffen für gerechtfertigt?
Wenn nein, was werden Sie dagegen unternehmen?
7. Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass der mit der Überprüfung beauftragte
Sachverständige eine Praxisgemeinschaft mit dem Sachverständigen hat, der
im Zuge der Hauptverhandlung beauftragt wurde?