1514/J XXI.GP
Eingelangt am: 22.11.2000
ANFRAGE
des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
betreffend Quarantäne Fresh Frozen Plasma (qFFP) und Alternativen dazu
Plasma ist nach § 11 Arzneimittelgesetz (AMG) eine zulassungspflichtige
Arzneispezialität (siehe auch Mayer/Michtner/Schober - Kommentar zum AMG,
Österr. Staatsdruckerei 1987). Da von diversen Herstellern von FFP (Blutbanken,
Plasmapheresestellen) zum Stichtag 31.3. 1990 kein FFP zur Zulassung als
Arzneimittelspezialität eingereicht wurde, war ab 1.4.1990 FFP nicht rechtmäßig in
Verkehr. Dies ungeachtet der Tatsache, daß der Oberste Sanitätsrat bereits damals
die Ausserverkehrziehung empfohlen hatte.
Ab Juli1994 stand flächendeckend die Arzneispezialität Octoplas als Alternative zu
FFP zur Verfügung - die, u.a. durch die virusinaktivierenden Schritte im
Herstellungsverfahren, eine Erhöhung der Arzneimittelsicherheit, insbesondere der
Infektionssicherheit, bedeutete.
Dessenungeachtet gelangte in den letzten Jahren FFP in Form von Quarantäne -
plasma (qFFP) ohne Zulassungsverfahren auf den Markt.
Das Gesundheitsressort definierte nun plötzlich, dass FFP keine Arzneispezialität
sondern nur ein Arzneimittel sei, welches keiner Zulassung bedürfe. Arzneimittel
deshalb, da es in unterschiedlicher Zusammensetzung hergestellt würde.
Laut AMG sind zwar Arzneispezialitäten Arzneimittel, die stets in gleicher
Zusammensetzung hergestellt werden, laut Standardkommentar zum AMG
(Anmerkung Nr.50) ist jedoch für das Vorliegen der „gleichen Zusammensetzung“
entscheidend, ob das gleiche Herstellungsverfahren angewendet wird; dies gilt
selbst dann, wenn keine gleiche Zusammensetzung vorliegt. Das ist hier der Fall und
daher ist FFP als Arzneispezialität zu werten. Diese einzig mögliche Interpretation ist
auch international üblich.
Somit gewährleistet das Blutsicherheitsgesetz keine dem Stand der Technik
entsprechende Produktsicherheit, da qFFP in Verkehr gebracht wird, bei dem die
firmeneigenen Stabilitätsdaten nicht nur unakzeptabel sind sondern auch nicht dem
Europäischen Arzneibuch entsprechen.
Die Richtlinie des Rates vom 26.1.1965 (Nr. 65/65, Artikel 1) definiert
Arzneispezialitäten als alle Arzneimittel, die im voraus hergestellt werden und mit
einer besonderen Bezeichnung und in einer besonderen Aufmachung in Verkehr
gebracht werden. Dies ist bei FFP der Fall. Die derzeitige Interpretation des
Ministeriums hinsichtlich qFFP ist daher nicht Stand der Wissenschaft, entspricht
nicht dem AMG und nicht der Richtlinie der EU - die ja über den Bundesgesetzen
steht.
Anstatt hier das AMG EU konform zu formulieren, soll in der geplanten AMG Novelle
diese ungesetzliche Praxis des BM fortgeschrieben werden, offenbar um die
Versäumnisse der Vergangenheit zu kaschieren.
Die Blutbankprodukte sollen nach den Plänen des Gesundheitsressorts weiterhin
ohne Zulassung vertrieben werden, obwohl es bereits eine Reihe von kommerziellen
Blutbanken und Plasmapheresestationen gibt, und dadurch zusätzliche Hersteller
von nicht entsprechenden Produkten potentiell höheren Risikos auf diesen sensitiven
Markt gelangen.
Zudem hat qFFP ein höheres Gefährdungspotential, es fordert daher das Council of
Europe (Guide to the preparation, use and quality assurance of blood components
4th, Council of Europe 1998) seit Jahren, dass „qFFP dort nicht verwendet werden
soll, wo eine entsprechende inaktivierte Alternative erhältlich ist“. Dies ist in
Österreich seit 1994 der Fall.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1) Warum duldet das Gesundheitsministerium seit 1990 daß FFP unter
Umgehung des AMG in Verkehr gebracht wird?
2) Warum wird hier gegen den Stand der Wissenschaft, aber auch nicht EU -
konform eine Gesetzesinterpretation geduldet, die klar gesetzeswidrig ist?
3) Warum wird die Bevölkerung mit dem riskanten qFFP versorgt, und nicht mit
zugelassenen Alternativen geringeren Risikos?
4) Haben Sie vor, mit diesen riskanteren FFPs die Versorgung weiterzuführen?
Wenn ja, warum?
5) Wird FFP in Form von qFFP in Österreich entsprechend den Empfehlungen
des Europarates und des Obersten Sanitätsrates unverzüglich vom Markt
genommen? Wenn nein, warum nicht?
6) Warum wird gegen die Empfehlungen des Europarates verstossen, obwohl der
Europarat (Committee of Ministers) seine Empfehlung in nationales Recht
umgesetzt sehen will?
7) Warum wird die geplante Novelle des AMG nicht EU konform formuliert?
8) Warum sollen weiter Erythrozytenkonzentrate und ähnliche Produkte von der
Zulassungspflicht ausgenommen werden?
9) Warum unterziehen Sie diese Produkte nicht dem Zulassungsverfahren, wie in
anderen
EU Staaten, z.B. Deutschland?
10) Auf weiche harten wissenschaftliche Daten berufen sich Ihre Beamte bei ihren
Entscheidungen und wie begründen sie ihre, den geforderten hohen
Sicherheitsstandards widersprechende Positionen?