1567/J XXI.GP
Eingelangt am: 24.11.2000
ANFRAGE
der Abgeordneten Petrovic, Grünewald, Moser, Pirklhuber, Freundinnen und
Freunde
an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
betreffend Zeitbombe BSE und Symptompolitik
1984/85 wurden erste BSE - Erkrankungen bei Rindern in Großbritanien konstatiert.
Ein möglicher Zusammenhang mit der Creutzfeldt - Jakob - Krankheit (CJK) wurde von
KritikerInnen der agroindustriellen Tierhaltung sehr bald vermutet. Die unterfertigte
Abgeordnete hat diese frühen Bedenken in parlamentarischen Anfragen artikuliert,
die jedoch bereits damals verharmlosend beantwortet wurden.
Zwischenzeitlich wurde durch den BSE - Ausschuss des europäischen Parlaments
aufgedeckt, dass Expertinnen der EU wider besseren Wissens die KonsumentInnen
beschwichtigten, um Zusammenbrüche der Fleischmärkte zu verhindern bzw. zu
verzögern. Es dauerte über 10 Jahre, bis die europäische Kommission am 27.3.1996
ein Exportverbot für lebende Rinder aus Großbritanien verhängte, welches am 1.
August 1999 - trotz nachweislich weiter bestehender Gefahr und neuer Erkenntnisse
über die Erkrankung - aufgehoben wurde.
Folgende Thesen können als erwiesen bzw. sehr wahrscheinlich angenommen
werden:
a) In mehreren europäischen Staaten ist eine neue Variante der tödlichen
Creutzfeldt - Jakob - Krankheit (vCJK) aufgetreten, die beim Menschen schwerste und
irreversible Schäden des Gehirns auslöst.
b) Die neue Variante der CJK (vCJK) kann nicht auf bestimmte Altersgruppen
eingegrenzt werden. Erkrankungsfälle sind überdies auch in der Zeit des
Exportverbotes sowohl bei sehr jungen wie auch bei älteren PatientInnnen
aufgetreten. (Mittlerweile sind etliche Rechtsbrüche bekannt geworden; auch in der
Zeit des Exportverbotes sind zigtausende britische Kälber auf den Kontinent gelangt;
ein Nachweis gelang nur in wenigen Fällen (sh. z.B. Stern 47/2000, Seite 52 ff.).
c) Über die Nahrungskette dürften bereits geringste Mengen von BSE - Gewebe eine
Erkrankung bei KonsumentInnen auslösen können.
d) Die Übertragung der Krankheit scheint nicht nur über die Nahrungskette möglich
zu sein, sondern auch auf anderen Wegen, insbesondere über Blut bzw.
möglicherweise auch Blutprodukte.
e) Als relativ sicher gilt, dass Kälber über die Mutterkuh angesteckt werden können
(maternale Transmission).
f) Obwohl der exakte Mechanismus der Erkrankung bislang nicht eindeutig
identifiziert werden konnte, gilt mittlerweile als gesichert, dass Prionen diese
Krankheit auslösen. Bei den Prionen handelt es sich nicht um Krankheitserreger im
klassischen Sinn, sondern um körpereigene Eiweiß - Stoffe, die genetische
Veränderungen auslösen können. Die Funktion der Prionen ist wenig erforscht;
sicher ist jedoch, dass die Fähigkeit zur Übertragung von Krankheiten extrem
nachhaltig gegeben ist, da die krankmachende Wirkung auch nach chemischen
Behandlungen, Einsatz von Desinfektionsmitteln oder Erhitzung über Jahre erhalten
bleiben kann.
g) Es gilt als unbestritten, dass BSE die Artengrenze übersprungen hat. Inzwischen
wurde nachgewiesen, dass auch andere Tierarten wie Mäuse, Affen und Katzen
infiziert werden.
h) Die exakte Inkubationszeit ist nicht bekannt, man geht jedoch von einem Zeitraum
von mehreren Jahren aus. Klare Krankheitssymptome treten erst im letalen
Endstadium der Krankheit auf, sodass auch erkrankte Tiere zum Zeitpunkt der
Schlachtung völlig gesund wirken können.
i) Per Stand November 2000 wurden 85 Todesfälle registriert, bei denen die neue
Variante der Creutzfeldt - Jakob - Krankheit als Todesursache feststeht. Die
Dunkelziffer ist schon jetzt möglicherweise erheblich höher. Britische und
französische ForscherInnen halten es für denkbar, dass sich eine Epidemie bzw.
eine Pandemie anbahnt, der hunderttausende Menschen zum Opfer fallen könnten
(sh. dazu medicine - worldwide, „Prionen als Krankheitserreger“: www.medicine-worldwide.de/prionenerkrankungen/).
Angesichts dieser Fakten bzw. relativ gut bestätigter Hypothesen erscheinen die
Gegenmaßnahmen im Sinne eines vorsorgenden KonsumentInnenschutzes grob
fahrlässig, wenn nicht sogar als eine bewusste Konzession an die Lobby der
Agroindustrie.
1.) Die Beschränkung von BSE - Schnelltests auf Rinder erscheint angesichts der
nachweislich bereits übersprungenen Artengrenzen und angesichts der Tatsache,
dass Fleisch - und Knochenmehle erlaubterweise an Schweine und Geflügeltiere
verfüttert werden dürfen, völlig unzulänglich und viel zu eng.
2.) Eine zwingende Produktdeklaration für tierische Lebensmittel nach der Art der
Haltung, Fütterung und Schlachtung fehlt nach wie vor. Es ist in sämtlichen EU
Staaten ein Wildwuchs an Marken entstanden. Es ist nicht mehr überschaubar und
für KonsumentInnen nachvollziehbar, welche Sicherheitsvorschriften für
Markenfleisch bei den verschiedenen Etikettierungen verlangt werden. Bei
verarbeiteten Produkten, Fleischzubereitungen etc. versagen sämtliche
Sicherheitsnormen. Die rasche, etappenweise Abschaffung nicht artgerechter
Formen der Tierhaltung und Fütterung,
also eine ursächliche Auseinandersetzung
mit BSE und anderen Tierseuchen wird auf Druck der Agroindustrie konsequent
verweigert.
4.) Rindersubstanzen bzw. tierische Produkte werden nicht nur über den
Fleischkonsum aufgenommen, sondern finden sich in zahllosen Arzneimitteln,
Impfstoffen sowie anderen Lebensmitteln (Gelatine, Süßigkeiten), Verzehrprodukten
und Konsumartikeln.
5.) Die EU - Agrarförderungen prämieren nach wie vor die Quantität der Erzeugung.
Der Dialog über den Einsatz der Agrarförderungen zur Durchsetzung einer
flächendeckend ökologischen, tiergerechten und konsumentinnensicheren
Landwirtschaft wird nach wie vor verweigert.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Sind die im Text der Anfrage dargestellten Fakten bzw. Hypothesen (Punkte a
bis i) korrekt oder liegen Ihnen andere Informationen vor? Wenn ja, welche und
worauf stützen sich Ihre Annahmen?
2. Ist es zutreffend, dass BSE die Artengrenze übersprungen hat, dass die die
Krankheit wahrscheinlich auslösenden Prionen extrem resistent sind und dass
Krankheitsübertragungen über die Nahrungskette, über Blut und Blutprodukte
erfolgen können und welche Konsequenzen ziehen sie daraus?
3. Werden Sie Blutkonserven aus dem Verkehr ziehen lassen, die Spenderblut
aus England oder Frankreich enthalten?
4. Mittlerweile wurde über die Medien bekannt, dass auch ein Baby, dessen
Mutter bereits an der CJK gestorben ist, an derselben tödlichen Erkrankung
leidet. Wieviele Fälle von Übertragungen von der Mutter auf das Kind sind
Ihnen bekannt und wie erklären Sie diese?
5. BSE hat die Artengrenze übersprungen und inzwischen wurde nachgewiesen,
dass auch andere Tierarten wie Mäuse, Affen und Katzen infiziert werden. Im
Labor war angeblich auch eine Übertragung auf Schweine möglich. Wie
beurteilen Sie dies angesichts der Tatsache, dass Tiermehl nach wie vor an
Schweine, Geflügel und Fische verfüttert werden darf?
6. Die genaue Inkubationszeit von BSE ist noch nicht bekannt. Man geht jedoch
von einem Zeitraum von 5 - 7 Jahren aus. Während dieser Zeit sind die Rinder
scheinbar gesund, die ersten Krankheitssymptome treten erst im Endstadion
der
Erkrankung auf. Ist es zutreffend dass die meisen Tiere, die zur Gewinnung
von Lebensmitteln dienen, in der Regel vor dem Auftreten von
Krankheitssymptomen, d.h. innerhalb der Inkubationsfrist geschlachtet werden,
wodurch viele BSE - Fälle nicht erkannt bzw. registriert werden? Was werden
Sie unternehmen, um Hinweise über möglicherweise BSE - infizierte Herden zu
bekommen und diese möglichst lückenlos zu erfassen?
7. Wieviele Fälle von Creutzfeldt - Jakob - Erkrankungen sind Ihnen bekannt
- in der herkömmlichen Form
- in der neuen Variante?
- Wieviele Menschen sind daran bereits verstorben?
- Wie gliedern sich Todesfälle auf die europäischen Länder?
8. Fast alle Rinderbestandteile werden auch zur Herstellung von Genußmitteln
und Arzneimitteln verwendet (z.B. Gelatine in Gummibärli und in der Hülle von
Medikamentenkapseln). Können Sie eine BSE - Gefährdung von
KonsumentInnen ausschließen bzw. welche Maßnahmen zur
KonsumentInnensicherheit werden Sie ergreifen?
9. Ist es zutreffend, dass Tierfuttermittel nach wie vor dem freien Warenverkehr
unterliegen und dass hinsichtlich der Unschädlichmachung von möglicherweise
gefährlichen Prionen kein gesichertes Wissen vorhanden ist? Welche Schlüsse
ziehen Sie daraus?
10. Stimmt es, dass trotz der bekannten Entstehungsgeschichte von BSE nach
einer EU - Entscheidung vom 30. Juli d.J. es den Mitgliedstaaten ermöglicht
werden soll, bei der Herstellung von Tiermehl das im letzten Jahr
beschlossene, vergleichsweise sicherere Druck - Hitze - Sterilisationsverfahren
nicht zu vollziehen (sh. dazu Bayrisches Landwirtschaftliches Wochenblatt vom
8. Nov.2000)? Wenn ja, macht Österreich davon Gebrauch? Wenn nein, an
welche Auflagen ist die Herstellung von Tiermehl in Österreich generell
gebunden?
11. Stimmt es, dass in Österreich nach wie vor an Seuchen verendete und mit
schweren Nervengiften eingeschläferte Haustiere zu Tiermehl verarbeitet und
weiterhin an Schweine, Hühner, Puten, Fische und Pferde verfüttert werden?
Wenn ja, wie beurteilen Sie das und was haben Sie als Landwirtschaftsminister
bisher unternommen bzw. werden Sie unternehmen, damit dieser Mißstand
beendet wird?
12. Treten Sie weiterhin für die Verfütterung von Tiermehl in der Nutztierhaltung
(mit Ausnahme der Verfütterung an Widerkäuer) ein? Wenn ja, wie begründen
Sie das?
13. Wieviele Tonnen Tiermehl wurden in den letzten drei Jahren in Österreich
verarbeitet,
verfüttert, importiert und exportiert?
14. Die angebliche "BSE-Freiheit“ von Österreich hängt vor allem damit zusammen,
dass hier - im Gegensatz zur Schweiz und Frankreich - in den letzten Jahren
kaum auf BSE getestet wurde. Wieviele BSE - Tests von welchen
Behörden/Institutionen gab es in Österreich seit Auftreten von BSE, welche
Methoden wurden angewandt und was war das Ergebnis?
15. Sind Sie bereit, die in Österreich verwendeten Impfseren auf BSE zu testen?
Wenn nein, warum nicht?
16. Können Sie ausschließen, daß die in Österreich verwendeten Zellnährböden
und kommerziell erhältliches Kälberserum für den Einsatz in Zellkulturen BSE -
verseucht sind?
17. Inwiefern setzen Sie sich innerhalb des Ministerrates bzw. im Rahmen der
zuständigen EU Gremien dafür ein, daß eine zwingende Kennzeichnung
tierischer Lebensmittel nach der Art der Haltung, Fütterung und Schlachtung
von Tieren eingeführt wird und welche diesbezüglichen konkreten Maßnahmen
ergreifen Sie auf der nationalen Ebene?
18. Sind Ihnen die Thesen britischer bzw. französischer Forscherinnen, wonach
CFJ zur Epidemie bzw. Pandemie ausarten könnte, bekannt ? Was tun Sie im
Lichte dieser Thesen, um Alternativen zur tierischen Massenproduktion, die auf
industrielle Massenfuttermittel und Medizinalfutter verzichten, verstärkt zu
fördern?
19. Halten Sie es für angebracht, dass die österreichische Bundesregierung viele
Millionen für Werbung in eigener Sache ausgibt, während die Bevölkerung über
die möglichen Gefahren einer BSE - Epidemie nicht aufgeklärt wird? Was
werden sie tun, um diesen Zustand zu ändern?
20. Inwiefern tragen Sie in Ihrem Zuständigkeitsbereich dafür Sorge, damit allen
zuständigen Stellen die verfügbaren seriösen Forschungserkenntnisse aus dem
In - und Ausland zugänglich gemacht werden? inwiefern befürworten und
unterstützen Sie eine diesbezügliche Forschung in Österreich?
21. Sind Sie bereit, gemeinsam mit dem Bundesminister für Land - und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit FachexpertInnen,
VertreterInnen des KonsumentInnenschutzes und der Oppositon ein seriöses
Gipfelgespräch über Maßnahmen im Sinne einer größtmöglichen Sicherheit der
Konsumentinnen rasch zu beginnen? Wenn nein warum nicht?
22. Was haben Sie bisher auf EU - und auf nationaler Ebene unternommen, damit
endlich von einem BSE - Krisenmanagement auf konsequente
Vorbeugemaßnahmen und Alternativen zur industriellen Tierproduktion
übergegangen
wird?
23. Wie hoch sind die insgesamt durch die BSE bzw CJK verursachten Schäden
EU - weit und in Österreich zu beziffern?
24. Hätte dieses Geld nicht lange schon gereicht um eine lebensgerechte
naturnahe Landwirtschaft flächendeckend einzuführen?