1700/J XXI.GP

Eingelangt am: 15.12.2000

 

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Jung

und Kollegen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend anonyme Anzeige wegen illegaler Weitergabe von Kontoauszügen durch

Beamte

 

Am 5.12.2000 ist im Parlamentsklub der Freiheitlichen die Abschrift einer anonymen

Anzeige an die Staatsanwaltschaft Wien eingegangen. Diese Anzeige gegen unbekannt

hat folgenden Wortlaut:

 

„Als regelmäßiger Zeitungs -  und auch Magazinleser fällt mir auf, daß ununterbrochen

geheime Unterlagen von Behörden immer wieder in den gleichen Redaktionsstuben von

verschiedenen Magazinen landen und anschließend sogar der Öffentlichkeit dargeboten

werden. Ich möchte mir die Mühe machen, diese Fälle aufzuzeigen und deren strafrechtliche

Relevanz überprüfen zu lassen. Es ist unglaubwürdig, Vorgehensweisen wie

„Datendiebstahl“ in den Medien anzuprangern und dann zu schweigen, wenn die so

erlangten Unterlagen von Medien verwendet werden.

 

In der Ausgabe des „NEWS“ - Magazins Nr. 47/00 wird auf Seite 33 in der rechten Spalte

unter der Überschrift „5,6 Millionen für FP - Gewerkschaft“ über die „blauen

Gewerkschaftskonten“ unter anderem folgendes berichtet: „Auf den NEWS vorliegenden

Kontoauszügen finden sich alleine für die Jahre 1998, 1999 und 2000 Überweisungen der

FPÖ in Höhe von 5,6 Millionen Schilling“. Einige Zeilen davor wird festgestellt: „Jene

Fahnder, die die gesamten Zahlungsbelege des Kontos Nr. 7045222/000 der blauen

Gewerkschaft FGÖ bei der Raiffeisen - Landesbank Niederösterreich - Wien sichten,

können... .

 

Aus dem Artikel, besonders aus den zwei genannten Auszügen geht eindeutig hervor daß

der Zeitschrift „NEWS“ geheime Unterlagen der Wirtschaftspolizei, die diese im Rahmen der

Ermittlungen im Fall ,,Kleindienst“ erhoben hat, zugegangen sind.

 

Ebenso kann man im „Format“ Nr. 45/00 vom 6.11.00 unter dem Titel „Rasterfahndung“

lesen: "... weist eine Format vorliegende vollständige Dokumentation von zwei AUF - Konten

bei der Raiffeisenlandesbank seit 1998 regelmäßige Überweisungen der Bundespartei in

Millionenhöhe aus (siehe Faksimile).“

 

Auch im „Profil“ vom 20. November 2000, Nr.47, ist zu lesen: „Profil liegen brisante

Datensätze des Hauptkontos (Nr.7.04.5222) der Freien Gewerkschaft Österreich (FGÖ) bei

der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich - Wien vor“

 

In allen diesen Fällen wurden von der Polizei im Rahmen ihrer Ermittlungen eingesehene

und beschlagnahmte Kontoauszüge an die drei genannten Magazine weitergeleitet.

 

Durch diese Weitergabe von vertraulichen Unterlagen setzten mit an Sicherheit grenzender

Wahrscheinlichkeit Mitarbeiter der Wirtschaftspolizei, Beamte im Sinne des

Strafgesetzbuches, oder auch andere „Beamte gemäß Strafgesetzbuch“, denen diese

Unterlagen in Ausübung ihres Amtes zu gekommen sind, offenbar die strafrechtsrelevanten

Tatbestände des „Amtsmißbrauches“ und der "Verletzung des Amtsgeheimnisses“.

Der/die Täter hielt(en) es ernstlich für möglich und fand(en) sich damit ab, daß diese

geheimen Unterlagen geeignet sind, andere, nämlich zumindest die Gewerkschafter des

FGÖ, an ihren Rechten zu schädigen. Sie wußten, daß die Unterlagen geheim sind und ihrer

dienstlichen Verschwiegenheit unterliegen und dennoch gaben sie diese weiter und

mißbrauchten dadurch ihre Befugnis in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte

vorzunehmen.

 

Ebenso haben die gleichen Personen ein kraft ihres Amtes anvertrautes oder zugänglich

gewordenes Geheimnis, Kontoauszüge der FGÖ, die durch die Wirtschaftspolizei

eingesehen wurden, offenbart, obwohl dieses geeignet ist, private Interessen, nämlich

zumindest die der Gewerkschafter der FGÖ, zu verletzen.

 

Ich stelle somit den Antrag, die Staatsanwaltschaft möge die geschilderten Sachverhalte in

dieser Sache auf ihre strafrechtliche Relevanz überprüfen, insbesondere Vorerhebungen

veranlassen, wie es zu der Veröffentlichung der geheimen Unterlagen gekommen ist und

durch wen und gegen die dafür Verantwortlichen Anklage erheben.“

 

Obwohl diese Dokumente und Mitteilungen den Zeitschriften ,,NEWS“, „profil“ und

„Format“ im Wege des Amtsmißbrauches, also auf verbrecherische Weise,

zugekommen sein müssen, ist offenbar - unter Mißachtung des § 84 Abs. 1 StPO -

bisher nichts gegen diese fortdauernden Gesetzesverletzungen, welche den genannten

Zeitschriften durch ihren Nachrichtenwert auch zum finanziellen Vorteil gereichen und in

Anbetracht ihrer fortdauernden Wiederholung wohl als gewerbsmäßige Delikte im Sinne

des Strafgesetzes gedeutet werden müssen, geschehen.

 

§ 84 Abs. 1 StPO lautet wie folgt:

 

„Wird einer Behörde oder öffentlichen Dienststelle der Verdacht einer von Amts wegen

zu verfolgenden strafbaren Handlung bekannt, die ihren gesetzmäßigen

Wirkungsbereich betrifft, so ist sie zur Anzeige an eine Staatsanwaltschaft oder

Sicherheitsbehörde verpflichtet.“

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an den

Bundesminister für Justiz nachstehende

 

Anfrage:

 

1.) Wann ist der oben angeführte Brief bei der Staatsanwaltschaft Wien eingelangt?

 

2.) Ist der Staatsanwaltschaft Wien bzw. der Oberstaatsanwaltschaft Wien bereits

      bekannt, wie der Zeitschrift ,,NEWS“ die im oben angeführten anonymen

      Schreiben erwähnten Informationen zugekommen sind?

 

3.) Ist der Staatsanwaltschaft Wien bzw. der Oberstaatsanwaltschaft Wien bereits 

      bekannt, wie der Zeitschrift „Format“ die im o.a. anonymen Schreiben

      erwähnten Informationen zugekommen sind?

 

4.) Ist der Staatsanwaltschaft Wien bzw. der Oberstaatsanwaltschaft Wien bereits

      bekannt, wie der Zeitschrift „profil“ die im o.a. anonymen Schreiben erwähnten

      Informationen zugekommen sind?

5.) Haben Beamte der Staatsanwaltschaft Wien bzw. der Oberstaatsanwaltschaft

      Wien bereits ihre Pflicht zur Anzeigenerstattung wahrgenommen und Anzeigen

      gegen bekannte oder unbekannte Täter in den jeweiligen Redaktionen der

      Zeitschriften „NEWS“‘ „profil“ oder „Format“ oder gegen Beamte Ihres

      Ministeriums oder des Bundesministeriums für Inneres wegen des Verdachtes der

      Verletzung des Amtsgeheimnisses nach § 310 (1) StGB; des Mißbrauches der

      Amtsgewalt nach § 302(1) sowie der Bestimmung anderer zur Ausführung einer

      Straftat nach § 12 StGB in Zusammenhang mit §§ 310(1) bzw. 302(1) StGB

      erstattet?

      Wenn ja, wann und gegen wen ist mit welcher Begründung Anzeige erstattet

      worden bzw. wann und gegen wen wird mit welcher Begründung Anzeige

      erstattet werden?