1705/J XXI.GP
Eingelangt am: 15.12.2000
der Abgeordneten Mag. Posch
und GenossInnen
an den Bundeskanzler
betreffend Anerkennung der Polen als Volksgruppe im Sinne des Volksgruppengesetzes
Nach dem geltenden Volksgruppengesetz sind durch Verordnungen der Bundesregierung im
Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates nach Anhörung der in Betracht
kommenden Landesregierungen die Volksgruppen festzulegen, für die ein
Volksgruppenbeirat eingerichtet wird. Derzeit gibt es Volksgruppenbeiräte für die kroatische,
slowenische, ungarische, tschechische, slowakische Volksgruppe und für die Volksgruppe der
Roma. Mit der genannten Verordnung auf Einrichtung eines Volksgruppenbeirates wird
defacto eine Volksgruppe vom Staat „anerkannt“.
Schon zu Zeiten der Donaumonarchie lebten im Raum Wien zahlreiche Polen, vor allem nach
der dritten Teilung Polens und der Eingliederung Galiziens in die Habsburgermonarchie.
Aufgrund der damals herrschenden Verhältnisse (keine exakte Erfassung der Bevölkerung
bzw. der Nationalität) bzw. aufgrund von verschiedenen Quellen lässt sich nicht genau sagen,
um wieviele Polen es sich exakt handelte, man kann aber davon ausgehen, dass zur
Jahrhundertwende (1900) über 20.000 Polen in Wien lebten.
Die in Wien lebenden Polen schlossen sich zu eigenen Vereinigungen zusammen. So wurde
als erste Organisation bereits 1864 die Polnische Akademische Vereinigung ,,Ognisko“
gegründet. In der Folge kam es zur Gründung von weiteren Vereinigungen, 1894 wurde zum
Beispiel ,,Strzecha“ gegründet, eine Vereinigung, die bis zum heutigen Tage aktiv ist.
Anlässlich des hundertjährigen Jubiläums von ,,Strzecha“ waren der Erste
Nationalratspräsident Fischer, Bundeskanzler Vranitzky und Altbundespräsident
Kirchschläger im Ehrenkomitee, was die große Wertschätzung Österreichs gegenüber den hier
ansässigen Polen unterstreicht.
In Österreich erscheinen vier Zeitschriften in polnischer Sprache und es gibt zwei polnische
Kirchen in Wien. Mit ihren kulturellen und sonstigen Aktivitäten tragen die in Österreich und
vorwiegend in Wien beheimateten österreichischen Staatsbürger mit polnischer Muttersprache
und eigenem Volkstum zur kulturellen Vielfalt
unseres Landes bei.
Seit geraumer Zeit wird im Bundeskanzleramt die Frage behandelt bzw. geprüft, inwieweit
auch die Polen als Volksgruppe im Sinne des Volksgruppengesetzes anerkannt werden
können.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Herrn Bundeskanzler nachstehende
Anfrage:
1. Seit wann beschäftigt sich das Bundeskanzleramt dezitiert mit der Frage, ob die
Voraussetzungen für eine Anerkennung der Polen als Volksgruppe gegeben sind?
2. Welche Ergebnisse der Prüfung dieser Frage können Sie nennen?
3. Sind nach Ihrer Auffassung die Voraussetzungen für die Anerkennung der Wiener
Polen als Volksgruppe gemäß dem Volksgruppengesetz gegeben?
4. Wenn nein: Warum nicht?
5. Wenn ja: Für wann ist mit der entsprechenden Verordnung des Bundeskanzlers auf
Einrichtung eines Volksgruppenbeirates der Polen zu rechnen?