1738/J XXI.GP

Eingelangt am: 18-01-2001

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Dr. Pilz und FreundInnen

 

an den Bundesminister für Justiz

 

betreffend Dr. Böhmdorfer, Spitzelaffäre und Rechtsstaat

 

 

Justizminister Dieter Böhmdorfer hat als Rechtsanwalt fur die FPÖ in mehrfacher Weise eine

Schlüsselfunktion innegehabt: Seine Kanzlei war die gerichtliche Verwertungszentrale für illegal

beschaffte Informationen und Akte aus der Polizei; über seine Kanzlei wurden Millionen an illegaler

Parteienfinanzierung geleitet; Rechtsanwalt Böhmdorfer hatte die Aufgabe, Kritiker der FPÖ durch

Klagslawinen mundtot zu machen.

 

Den beiden Regierungsparteien ist es bisher gelungen, alle Untersuchungen gegen den Parteianwalt

und Justizminister zu verhindern. Alle Anträge auf Untersuchungsausschuss sind abgelehnt worden -

das Parlament darf nicht untersuchen. Die Anzeige gegen Böhmdorfer ist ohne Zeugeneinvernahmen

und ohne Prüfung von Beweismitteln zurückgelegt worden. Und die Dringliche Anfrage, die Grüne

und SPÖ gemeinsam im Dezember 2000 an den Justizminister gerichtet haben, ist von diesem teils

falsch, teils gar nicht beantwortet worden. Im Rechtsstaat Österreich wird der Justizminister vor jeder

Befragung geschützt. Spitzelaffäre, Schwarzgeldkanzlei, Einschüchterung der Opposition -

Justizminister und Regierung sorgen dafür, dass Böhmdorfer durchtauchen kann. Während der

Justizminister selbst das Verfahren gegen seine Parteifreunde öffentlich beeinflusst, versuchen

Mitglieder der Bundesregierung, Justiz und Polizei zugunsten des Justizministers unter Druck zu

setzen.

 

Die Achtung des Rechtsstaats durch Mitglieder der Bundesregierung und die Unabhängigkeit des

Justizministers sind insbesondere durch fünf Umstände in Frage gestellt:

 

1. Vizekanzlerin Riess - Passer hat die Justizbehörden aufgefordert, die gerichtlichen Verfahren gegen

ihre Parteifreunde in der Spitzelaffäre einzustellen. Damit hat ein Mitglied der Bundesregierung

versucht, ein Gerichtsverfahren zu beeinflussen. Der Justizminister hat Staatsanwälte und Richter

gegen diese und ähnliche Interventionen öffentlich nicht in Schutz genommen.

 

2. Gerichtliche Unterlagen belegen, dass RA Dr. Dieter Böhmdorfer in zwei Verfahren interne

Informationen und vertrauliche Akten von Sicherheitsbehörden für seine Klienten Dr. Stadler bzw.

Dr. Haider verwendet hat. Ein Teil der Informationen stammt offensichtlich aus dem

Polizeiinformationssystem EKIS. Damit wird der Verdacht begründet, dass Dr. Böhmdorfer

widerrechtlich beschaffte Informationen verwendet hat.

 

3. Nach einem bestätigten Aktenvermerk eines ehemaligen Konzipienten der Kanzlei Dr.

Böhmdorfer zufolge hat eine Staatsanwältin beim Versuch, dem damaligen Innenminister ein

Drogendelikt zu unterstellen, eine Anzeige bei der FPÖ und der Kanzlei Böhmdorfer bestellt.

 

4. Nach eben diesem Aktenvermerk waren Mitarbeiter der Kanzlei Böhmdorfer informiert, dass die

FPÖ über einen Informanten Zugang zum "Aktenkeller" des Wiener Sicherheitsbüros hatte. Die

Kanzlei Böhmdorfer vewertete auf diesem Weg beschaffte Informationen.

 

5. Der Aussage eines ehemaligen Konzipienten der Kanzlei Dr. Böhmdorfer zufolge hat der

Industrielle Turnauer im November 1996 dem nunmehrigen Landeshauptmann von Kärnten den

Geldbetrag von 5 Mio Schilling zukommen lassen. Die Übergabe geschah derart, dass zunächst

Turnauer den Betrag Jörg Haider übergeben hat. Dieser hat in der Folge einen Mitarbeiter des

freiheitlichen Parlamentsklubs beauftragt, den Betrag in die RA Kanzlei Dr. Böhrndorfer zu

verbringen. Der ehemalige Mitarbeiter dieser Kanzlei kann den Vorgang der Übergabe in der

Kanzlei Dr. Böhmdorfer bezeugen. Er hat seine Angaben mir gegenüber vollinhaltlich bestätigt

und ist jederzeit bereit, eine gerichtliche Aussage zu machen. Damit wird der Verdacht begründet,

dass Dr. Böhmdorfer an der Durchführung illegaler Parteienfinanzierung beteiligt war.

 

 

Da der Bundesminister für Justiz bis heute unterlassen hat, zu den angeführten Sachverhalten klar und

ausreichend Stellung zu nehmen, richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für

Justiz folgende

 

 

ANFRAGE

 

 

RIESS - PASSER

 

1. Wie beurteilen Sie die Angriffe von freiheitlichen Politikern gegen die in der "Spitzelaffäre"

agierenden Staatsanwälte und Richter?

2. Wann, wo und wie haben Sie die Forderung von Frau Riess - Passer, die Strafverfahren gegen

freiheitliche Politiker einzustellen, zuruckgewiesen ?

 

3. Hat Frau Riess - Passer Sie persönlich zur Einstellung der Verfahren aufgefordert ?

 

4. Jörg Haider hat erklärt, die in der Spitzelaffäre ermittelnden Staatsanwälte hätten

"nachweislich das Recht gebeugt und gebrochen~. Warum haben Sie bis heute die

Staatsanwälte nicht öffentlich gegen diese Angriffe in Schutz genommen?

Haben Sie selbst an der Vorgangsweise des Staatsanwalts etwas auszusetzen?

 

6. Die Bundessektion Richter und Staatsanwälte in der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst klagte

darüber, dass in einer "noch nie da gewesenen Art und Weise“ insbesondere Politiker der FPÖ

versuchen würden, "medialen Druck auf die in der Spitzelaffäre ermittelnden Staatsanwälte

und Untersuchungsrichter auszuüben." Richter und Staatsanwälte protestieren immer schärfer

gegen die Einmischungen freiheitlicher Politiker in die laufenden Verfahren. Was haben Sie

unternommen, um freiheitliche Einmischungen in die laufenden Verfahren zu unterbinden und

Staatsanwälte und Richter vor dem Druck der FPÖ zu schützen?

 

7. Haben Sie - wie angekündigt - vor, eine Weisung zur "Beschleunigung" der Verfahren zu

geben?

 

8. Wie stehen Sie zur Forderung die Staatsanwälte gegenüber dem Bundesminister für Justiz

weisungsfrei zu stellen?

 

9. Wie stehen Sie zur politischen Forderung, einen unabhängigen Bundesstaatsanwalt

einzurichten, der die Weisungsspitze gegenüber den Staatsanwaltschaften darstellen würde?

 

EKIS, AKTENKELLER ETC.

 

10. Im Beweisantrag zum Verfahren gegen Thomas K. haben Sie dem Handelgericht Wien am

l9.1.1996 für ihren Mandanten Dr. Städler "Front - und Profilaufnahmen des Klägers"

vorgelegt. Medien gegenüber haben Sie die Fotos als "Passfotos" bezeichnet. Haben Sie die

Profilaufnahmen für "Passfotos" gehalten?

 

11. Warum haben Sie in einem gerichtlichen Verfahren "Passfotos" über einen Kläger vorgelegt,

der selbst vor Gericht anwesend war und daher nicht identifiziert werden musste?

12. Bei den Fotos handelt es sich um typische erkennungsdienstliche Aufnahmen. Haben Sie als

Rechtsanwalt legalen direkten Zugriff zu erkennungsdienstlichen Aufnahmen der

Kriminalpolizei ?

 

13. Wer hat Ihnen die Fotos von Thomas K. übergeben?

 

14. Haben Sie als Anwalt legalen direkten Zugriff zum System EDE (erkennungsdienstliche

Evidenz) des BMI ?

 

15. Als Anwalt sind Sie verpflichtet, sich von der Echtheit des von Ihnen vorzulegenden

Beweismaterials zu überzeugen. Wie haben Sie sich davon überzeugt, dass es sich bei den

Aufnahmen um echte Aufnahmen aus EDE handelt?

 

16. Im genannten Beweisantrag werden vertrauliche Informationen aus staatspolizeilichen Akten

aus Wien, St.Pölten und Innsbruck verwendet. Wer hat Ihnen die staatspolizeilichen

Informationen über Thomas K. übergeben?

 

17. Wie haben Sie sich davon überzeugt, dass es sich bei den Informationen über Thomas K. über

authentische staatspolizeiliche Informationen handelt ?

 

18. Ihr ehemaliger Mitarbeiter hält in einem Aktenvermerk Ihrer Kanzlei vom 301.1996 in bezug

auf das Sicherheitsbüro des BMI fest, dass "die Möglichkeiten für weitere Recherchen sehr

erschwert worden" sind, "insbesondere die Möglichkeiten, im Keller nach Akten zu suchen".

Über welche Möglichkeiten, im Keller des Sicherheitsbüros nach Akten zu suchen, verfügte

Ihres Wissens nach die FPÖ?

 

19. Können Sie ausschliessen, dass Sie als Anwalt derart beschaffte Informationen aus dem

Sicherheitsbüro verwendet haben?

 

20. Haben Sie die SoKo oder den Staatsanwalt über Ihr Wissen über die Informationsbeschaffung

der FPÖ im BMI informiert?

 

21. Immer, wenn freiheitliche Politiker für ihre Aussagen geklagt wurden, wurde in der Kanzlei

Böhmdorfer versucht, entlastendes Material zu besorgen. Daher und aus Aussagen von Zeugen

ist wahrscheinlich, dass in den Akten der Kanzlei Böhmdorfer noch wesentliches, bislang

unbekanntes Material zur Spitzelaffäre ausbewahrt wird. Ist RA Bähmdorfer bereit, dem

Staatsanwalt diese Unterlagen zur Verfügung zu stellen ?

 

22. Was werden Sie tun, um dem Staatsanwalt den Zugang zu diesen Unterlagen zu ermöglichen ?

 

23. Am 10.11.2000 sagte Ewald Stadler im Verfahren "Thomas K." als Zeuge vor Gericht aus.

RA Böhmdorfer war als Anwalt anwesend. Aus der Aussage geht zweifelsfrei hervor:

 

+ Dr. Stadler hat selbst zum Zeitpunkt der inkriminierten Presseaussendung nicht über die illegal

   beschafften polizeilichen Informationen verfügt.

+ Er bezeugt, dass Informationen von Personen gezielt beschafft worden sind.

+ Als Hauptquelle dafür gibt er Dr. Haider bzw. dessen Büro an.

+ Die öffentliche Umsetzung der illegal beschafften Informationen erfolgte seiner Aussage nach

   durch den Leiter der Presseabteilung, Ing. Peter Westenthaler.

 

Daraus ergeben sich mehrere Schlüsse:

 

Die Aussage begründet in der Spitzelaffäre weiteren Tatverdacht gegen Dr. Haider und erstmaligen

Verdacht gegen Ing. Westenthaler. Dr. Böhmdorfer war während der zeugenschattlichen Vemehrhung

von Dr. Stadler anwesend. Seine Rechtfertigung, ihm sei bis heute nichts über Aktenbeschaffungen

bekannt geworden, ist damit ebenso widerlegt wie seine Erklärung, alle beschafften Unterlagen

stammten von Dr. Stadler. Was werden Sie unternehmen, um im Zuge der gerichtlichen Verfolgung

der Spitzelaffäre zu klären, warum Dr. Böhmdorfer die Öffentlichkeit falsch informiert hat?

 

24. Im oben zitierten Aktenvermerk eines Mitarbeiters der Kanzlei Böhmdorfer wird darauf

verwiesen, dass sich eine Staatsanwältin bei der FPÖ bzw. der Kanzlei Böhmdorfer eine

Anzeige gegen den 1996 amtierenden Innenminister bestellt hat. Was haben Sie unternommen,

um die Hintergründe dieses fragwürdigen Verhaltens zu klären?

 

25. Welche disziplinarrechtlichen Schnitte haben Sie in diesem Zusammenhang gegen StA Dr.

Schuhmeister - Schmatral gesetzt?

 

26. Sind Sie bereit, das Verhalten der Staatsanwältin überprüfen zu lassen?

 

WESTENTHALER

 

27. Im Verfahren, das Thomas K. gegen Ewald Stadler angestrengt hat, kommt klar zum

Ausdruck, dass die mediale Verwertung des illegal beschafften Materials über Peter

Westenthaler erfolgt ist. In der EV vom 5.9.1995 heisst es dazu: "Ing. Westenthaler konnte

einen Eindruck von der Glaubwürdigkeit der nicht genannt sein wollenden Informanten nicht

vermitteln.. ."Hat der Staatsanwalt Herrn Westenthaler bezüglich seiner Informanten in der

Exekutive befragt?

 

28. Hat Westenthaler die Namen der Beamten genannt und damit zur Aufklärung beigetragen?

 

29. In seiner zeugenschaftlichen Einvernahme gab Westenthaler am 4.9.1995 in bezug auf die

illegal beschaffte Anzeige des LGK NÖ in der Causa "Ebergassing" an: „Auf die Frage, ob er

dem Beklagten (Stadler, Am. d. Verf.) das Material für die strittige Pressekonferenz

aufbereitet habe: Wir saßen vor dieser Pressekonferenz mehrere Male zusammen. Aus mir

nicht bekannten Gründen und anonym kam uns die schon erwähnte Strafanzeige in Kopie zu.

Darauf haben wir die weitere Aktion aufgebaut." Haben die Ermittlungen ergeben, dass

Stadler die Anzeige aus einer ihm bekannten Quelle erhalten hat?

 

30. Wird daher gegen Westenthaler wegen des Verdachts der falschen Zeugenaussage ermittelt?

 

31. Ist Westenthaler als zeuge befragt worden, wie und mit wem die "weitere Aktion aufgebaut"

worden ist ?

 

32. Diese und andere Beweismittel belegen, dass Peter Westenthaler in Beschaffung und medialer

Verwertung illegal beschaffter Unterlagen eine Schlüsselrolle gespielt hat. Ist vom

Staatsanwalt untersucht worden, ob RA Böhrndorfer von Westenthaler Informationsmaterial

aus polizeilichen Quellen (EKIS etc.) erhalten hat?

 

PERSILSCHEIN HAIDER

 

33. Kurz nach der Einleitung gerichtlicher Vorerhebungen gegen Jörg Haider haben Sie am 28.

Oktober 2000 im Mittagsjournal erklärt: "Jörg Haider ist über jeden Verdacht erhaben." Wie

begründen Sie diese Erklärung?

 

34. In derselben Sendung haben Sie erklärt, die Vorerhebungen gegen Haider seien "nicht von

grosser Bedeutung". Wie kommen Sie zu diesem Schluss?

 

35. Wie oft, wann und wo haben Sie mit Jörg Haider über die gegen ihn eingeleiteten

Vorerhebungen gesprochen?

36. Hat Haider Ihnen vorgeschlagen, das Verfahren gegen ihn einzustellen?

 

37. Warum haben Sie (laut Standard) den Bundesminister für Inneres ersucht, dem Staatsanwalt

über jeden Ermittlungsschritt gegen Jörg Haider zu berichten?

 

38. Mit welcher Begründung hat der Innenminister das abgelehnt?

 

39. Wie oft und wann ist Ihnen in der Spitzelaffäre berichtet worden?

 

40. Wie viele Dienstbesprechungen hat es bisher in der Spitzelaffäre gegeben ?

 

41. Sie haben StA Fasching in die Sonderkommission des BNII entsandt. Welche Aufgabe erfüllt

Dr. Fasching in der SoKo?

 

42. Hat das BMI um die Entsendung eines Staatsanwalts in die SoKo ersucht?

 

43. Hat StA Fasching an Beamte des BMJ über die Ermittlungen berichtet?

44. Wenn ja, sind die Berichte auch Ihnen zugegangen ?

 

SCHWARZGELD

 

45. Haben Sie bzw. Ihre Kanzlei die 5 Mio Schilling an die FPÖ weitergeleitet?

 

46. Wenn nein, wer ist der Empfänger der 5 Mio Schilling gewesen?

 

47. Sind jemals Gelder für die FPÖ über Ihre Kanzlei bzw. Ihre Person geleitet worden?

 

48. Wenn ja, wann, von wem und in welcher Höhe?

 

49. Werden Sie Ihren ehemaligen Konzipienten Mag. M. wegen seiner Aussage klagen?

 

50. Werden Sie den zweiten Zeugen, der laut news die illegale Parteienfinanzierung über Ihre

Kanzlei bestätigt, klagen?

 

KANZLEI

51. Sie behaupten, Ihre Rechtsanwaltskanzlei nicht mehr zu führen. Warnm haben Sie die Zeile

"Dr. Dieter Böhmdorfer - Bundesminister für Justiz" in den Briefkopf Ihrer (Nicht - ) Kanzlei

aufnehmen lassen?

 

BEFANGENHEIT

 

52. Wie viele Anzeigen bzw. Sachverhaltsdarstellungen in bezug auf Ihre Person sind in den oben

genannten Causen bei der StA Wien eingebracht worden ?

 

53. Werden die Ermittlungen in bezug auf Ihre Person von dem Staatsanwalt geführt, der für die

Spitzelaffäre in der StA Wien zuständig ist?

 

54. Wird Ihnen der Akt, in dem über die Ermittlungen gegen Sie berichtet wird, als Berichtsakt

vorgelegt?

 

55. Ist die Causa "Haider / 5 Mio Schwarzgeld / Kanzlei Böhmdorfer" von der SrA Wien bereits an

die FLD Wien abgegeben worden?

 

56. Sind Sie in der Causa "5 Mio Schwarzgeld / Kanzlei Böhmdorfer" schon als Zeuge

einvernommen worden?