1791/J XXI.GP

Eingelangt am: 24.01.2001

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land - und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Abwasseremissionen der Müllverbrennungsanlage Flötzersteig

 

 

Die Müllverbrennungsanlage Flötzersteig leitet ihre Abwässer, die in erster Linie aus

der Rauchgaswäsche stammen und zahlreiche gefährliche Abwasserinhaltsstoffe

aufweisen, in das Wiener Kanalnetz. Von dort gelangen die Abwässer letztlich nach

einer Behandlung in der Kläranlage in die Donau.

 

Am 30. Juni 1999 stellten die Abg. Petrovic, Freundinnen und Freunde eine Anfrage

an Bundesminister betreffend Wasserbedarf und Abwasserbelastung von

Hausmüllverbrennungsanlagen anhand der MVA Flötzersteig, der MVA Wels und

der MVA Spittelau (Nr. 6527/J). Gerade hinsichtlich der MVA Flötzersteig blieben

viele Fragen offen bzw. werfen die Antworten neue Fragen auf. Unklar ist

insbesondere, ob die Abwasseremissionen konsensgemäß sind, ob die notwendigen

Überprüfungen durchgeführt wurden und welche Emissionswerte tatsächlich

gemessen wurden.

 

1. Waren bzw. sind die Abwasseremissionen der MVA Flötzersteig legal?

 

In der Anfragebeantwortung vom August 1999 heißt es: „Für die Abwassereinleitung

gilt derzeit die Bewilligungsfiktion des § 33 g Abs 3 WRG i.V.m. § 7 Abs 3 der

lndirekteinleiterverordnung - IEV, BGBl. II Nr.222/1998.“ „Da eine bescheidmäßige

Bewilligung nicht erteilt wurde, sind ausschließlich die Mengen - , Konzentrations - und

Frachtbeschränkungen nach Maßgabe einschlägiger Rechtsvorschriften, wie

insbesondere der lndirekteinleiterverordnung, der Abwasseremissionsverordnung für

die Reinigung von Verbrennungsgas, aber auch der auf landesgesetzlicher

Grundlage beruhenden Kanalgrenzwertverordnung einzuhalten.“

 

§ 33 g Abs 3 WRG war (und ist) die Übergangsbestimmung zu den Neuregelungen

für Indirekteinleiter durch die WRG - Novelle 1990. Die im Nachhinein 1993

geschaffene Bewilligungsfiktion gilt nur für jene Indirekteinleiter, die gemäß „den für

sie sonst geltenden Vorschriften“ betrieben werden. Soll daher für die MVA

Flötzersteig die „Wohltat“ der Bewilligungsfiktion gelten, so muß erstens dargelegt

werden, welche sonstigen Vorschriften für die MVA galten und zweitens dass diese

Vorschriften auch eingehalten wurden. Dies erfolgte in der Beantwortung der

parlamentarischen Anfrage im Jahre 1999 nicht.


 

Die Übergangsbestimmungen der lndirekteinleiter - VO 1998 knüpfen an diese

Rechtslage an und sehen zweierlei Arten von Altanlagen vor. Greift die

Bewilligungsfiktion des § 33 g Abs 3 bzw. wurde bis 11. Juli 1997 eine

wasserrechtliche Genehmigung für die Indirekteinleitung erteilt, so wird die

lndirekteinleiter - VO für diese Anlage hinsichtlich der Genehmigungspflicht nicht

wirksam. Kam die Bewilligungsfiktion nicht zum Tragen und wurde keine

Genehmigung nachgeholt, so wurde dem Altanlagenbetreiber wiederum eine

„Wohltat“ zuteil. Er mußte erst bis zum 12. Juli 1999 eine wasserrechtliche

Genehmigung vorweisen (und dementsprechend einen Antrag bis zum 12.1.1999

vorlegen).

 

Es besteht die Vermutung, dass die Abwässer der MVA Flötzersteig weder 1993 den

„sonstigen Vorschriften“ entsprachen, noch 1999 für die Einleitung gemäß § 7 Abs 4

lndirekteinleiterverordnung die wasserrechtliche Genehmigung nachgeholt wurde.

Demgemäß wäre jetzt eine Genehmigung nach § 2 lndirekteinleiter - VO zu

beantragen.

 

2. Wesentliche Überschreitung des Dioxin - Richtwerts für Abwässer

 

Auf Anfrage eines Bezirksvertreters gab der Umweltstadtrat der Stadt Wien am 29.

November 1999 die Messergebnisse zu in der Anfrage angeführten Parametern aus

dem Jahre 1998 bekannt. Für die Schadstoffe polychlorierte Dibenzodioxine und

Dibenzofurane wurden auch Messergebnisse vom 7.4.1999 vorgelegt.

 

„Die BI berechnete die Toxizitätsäquivalente (TE), also jene Meßeinheit, die in den

Meßdaten der Gemeinde die verschiedene Giftigkeit der Mitglieder der Dioxinfamilie

berücksichtigt und so Vergleiche mit Richt - oder Grenzwerten möglich macht:

 

35 pg TE/1 für die Meßreihe vom 7. April 1998

16 pg TE/1 für die Meßreihe vom 15. Oktober 1998

42 pg TE/1 für die Meßreihe vom 7. April 1999

 

Schon 1984 nahmen Experten nach dem Dioxinskandal der deutschen Deponie von

Georgswerder den Richtwert für Abwässer die „kommunalen Kläranlagen zugeführt

werden“ mit 0,1 pg TE/1 an (1 pg (Picogramm) = 1 Billionstel Gramm).

 

Dagegen findet die (industriefreundliche?) amerikanische Environment Agency (EP)

nichts dabei, 10 pg Dioxin pro Liter Wasser einzuleiten!

 

Selbst bei dem sehr hohen Wert der EA ergibt sich eine 3,5 - fache, eine 1,5 - fache

und eine mehr als 4 - fache Überschreitung des Dioxingehaltes im Abwasser der MVA

Flötzersteig.

 

Der strengere Maßstab, der von von internationalen Experten heute als noch zu

hoch (!) angesehen wird, zeigt eine Überschreitung um das 350 -, 160 - und 420 -

fache!!“ (Einfälle gegen Abfälle, Nr.48)

 

Nach Auskunft von Stadtrat Svihalek werden PCB (Polychlorierte Biphenyle) nicht

gemessen.


 

In der Verordnung zur Begrenzung von Abwasseremissionen aus der Reinigung von

Abluft und wässrigen Kondensaten (AEV Abluftreinigung), BGBl. 218/2000, finden

sich - völlig unverständlich - keine Emissionsgrenzwerte für Dioxine und Furane. Dies

steht auch im Widerspruch zum „veröffentlichten Engagement" des Ministeriums, bei

den internationalen Verhandlungen zum Vertrag zur Einschränkung langlebiger

Umweitgifte. „Für Dioxine und Furane, die vor allem im Betrieb von Industrie - oder

Müllverbrennungsanlagen entstehen, enthält die Konvention verbindliche Vorgaben

zur weltweiten Einführung des letzten Standes der Technik“ (Presseinformation des

BMLFUW vom 11.12.2000, 122 Staaten einigen sich auf weltweiten Bann für

langlebige Umweltgifte).

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

 

1.       a) Wie hat die Wasserrechtsbehörde überprüft, dass die Bewilligungsfiktion

           des § 33 g Abs 3 WRG für die Abwässer der MVA Flötzersteig in die

           kommunale Abwasseranlage zum Tragen kommt?

 

          b) Welche Grenzwerte für welche Schadstoffe galten für die indirekte

           Abwassereinleitung der MVA Flötzersteig zum Zeitpunkt des Inkrafttretens

           der WRG - Novelle 1993?

 

          c) Wie wurde der Nachweis der Einhaltung dieser Grenzwerte durch die

           MVA Flötzersteig erbracht? Liegt der Wasserrechtsbehörde der Nachweis

           vor, dass die Abwässer der MVA die Emissionsgrenzwerte der Wiener

           Kanalgrenzwertverordnung, LGBl. Nr.2/1990 im Jahre 1993 eingehalten

           haben?

 

          d) Wie oft hat die Wasserrechtsbehörde seit Inkrafttreten der Bestimmungen

           für Indirekteinleiter der WRG - Novelle 1990 die Abwässer der MVA

           Flötzersteig überprüft? Welche Befunde wurden seitens der Betreiber

           vorgelegt?

 

           e) Wie beurteilte die Wasserrechtsbehörde die Abwässer der MVA

           Flötzersteig im Lichte der lndirekteinleiterverordnung 1998 insbesondere

           der Übergangsbestimmungen in § 7 Abs 3 und 4?

 

           f) Stimmt es, dass - bei Zutreffen der Bewilligungsfiktion nach § 33 g Abs 3

           WRG - die „Bewilligung“ für die Einleitung der Abwässer der MVA

           Flötzersteig in das Wiener Kanalnetz am 31.12.2002 endet? Demnach

           wäre entsprechend der Information der Wien - Kanal in wien.online, Neue

           Bestimmungen zur Indirekteinleitung, spätestens bis 30. 9. 2002 ein

           neuerlicher Antrag auf Genehmigung der Abwassereinleitung zu stellen.

 

2.         a) Welche Messergebnisse zur Abwasserbelastung der MVA Flötzersteig

           liegen der Wasserrechtsbehörde vor, welche Schadstoffe wurden

           gemessen und welche Konzentrationen lagen vor?


 

         b) Überschreiten diese Messergebnisse die Schwellenwerte nach § 3

           (Mengenschwellen für Indirekteinleitungen in öffentliche Kanalisationen)

           der Indirekteinleiterverordnung 1998? Wenn ja, welche Schwellenwerte

           werden in welchem Ausmaß überschritten?

 

          c) Kann die MVA Flötzersteig die Emissionsgrenzwerte der Anlage A II) der

           AEV Abluftreinigung derzeit einhalten?

 

          d) Bis zu welchem Zeitpunkt müssen diese unter lit c) angesprochenen

           Grenzwerte von der MVA Flötzersteig eingehalten werden?

 

          e) Welche Abwassermengen werden von der MVA Flötzersteig in das

           öffentliche Kanalnetz der Stadt Wien eingeleitet?

 

           f) Welche Auswirkungen hatte die Kapazitätserweiterung der MVA

           Flötzersteig durch den Neubau der Brennkammern in den Jahren 1990/91

           auf die Abwassermenge und die Abwasserinhaltsstoffe?

 

3.       a) Durch welche generelle Vorschrift werden derzeit die Konzentrationen an

           Dioxinen und Furanen im Abwasser von Müllverbrennungsanlagen

           begrenzt?

 

          b) Durch welche Vorschrift werden derzeit die Konzentrationen an Dioxinen

           und Furanen im Abwasser der MVA Flötzersteig begrenzt?

 

          c) Warum gibt es in der AEV Abluftreinigung keine Grenzwert für Dioxine

           und Furane? Leistet dieser Umstand nicht der bloßen Verlagerung einer

           Umweltgefährdung von der Luft in das Wasser Vorschub?

 

          d) Warum wurden Dioxine und Furane in der lndirekteinleiterverordnung

           1998 nicht berücksichtigt?

 

          e) Warum wurden PCB weder in der Indirekteinleiterverordnung 1998 noch

           in der AEV Abluftreinigung 2000 berücksichtigt, wo doch PCB zu den 12

           „persistenten organischen Schadstoffen“ zählt?