1934/J XXI.GP
Eingelangt am: 20.2.2001
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend die Verweigerung der Anerkennung der polnischen Minderheit in
Österreich als „Volksgruppe“
In der Anfragebeantwortung 1675/AB (XXI. GP) haben sie erklärt, daß die polnische
Minderheit in Österreich nicht als Volksgruppe im Sinne des Volksgruppengesetzes
anerkannt werde und das insbesondere „die Bestimmungen des
Volksgruppengesetzes nicht auf die polnische Minderheit anzuwenden sind“.
Die Verweigerung der Anerkennung als „Volksgruppe“ hat für die polnische
Minderheit zur Folge, dass sie keinerlei Rechte des Volksgruppengesetzes geltend
machen kann. Ihr bleibt der Anspruch auf Volksgruppenförderung ebenso verwehrt
wie die Möglichkeit, einen Volksgruppenbeirat zu beschicken, der die
Bundesregierung in für die polnische Minderheit relevanten Angelegenheiten beraten
könnte. Weiters sind die Polen von den Bestimmungen des Volksgruppengesetzes
über Sprachenrechte ausgeschlossen.
Mittelbare Folge der Verweigerung der Anerkennung als Volksgruppe ist weiters,
dass die polnische Minderheit nicht vom Geltungsbereich der Europäischen
Rahmenkonvention zum Schutz nationaler Minderheiten umfaßt ist, noch bei der von
Ihnen vorgeschlagenen Ratifikation der Europäischen Charta der Regional - und
Minderheitensprachen berücksichtigt werden soll.
Des weiteren bedeutet die Verweigerung der Anerkennung als Volksgruppe auch,
dass die polnische Minderheit nicht in den Genuß der Staatszielbestimmung in Art. 8
B - VG kommt, da sich diese Staatszielbestimmung auf Wunsch der ÖVP ausdrücklich
auf den Schutz und die Förderung anerkannter Volksgruppen bezieht.
Begründet wird die Verweigerung der Anerkennung mit dem Verweis auf
„sozialstatistische Analysen und in einer Presseaussendung ihres Büros vom 15.2.
mit einer „wissenschaftlichen Analyse“ die der Verfassungsdienst des
Bundeskanzleramts in Auftrag gegeben habe.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wann wurde die genannte
„wissenschaftliche Analyse“, in Auftrag gegeben?
2. Von wem und in welchem Zeitraum wurde diese Studie durchgeführt? Wem oblag
die wissenschaftliche Leitung? Auf welche Materialien wurde zurückgegriffen?
3. Wie lauteten die detaillierten Ergebnisse der „wissenschaftlichen Analyse“?
4. Wann und wo wurde die „wissenschaftliche Analyse“ publiziert?
5. Inwieweit wurden die ihnen vorliegenden umfangreichen Dokumentationen der
polnischen Vereinigungen in Österreich berücksichtigt, die sehr wohl
hinreichende Argumente für die Anerkennung als Volksgruppe liefern?
6. Weshalb sind sie diesen Argumenten nicht gefolgt? Halten sie die vorgebrachten
Unterlagen für falsch?
7. Falls die „wissenschaftliche Analyse“, noch nicht veröffentlicht wurde, sind sie
bereit, sie den Abgeordneten das Nationalrates in kopierter Form zur Verfügung
zu stellen?
a) Wenn nein, weshalb nicht?
8. Wie erklären sie den Richtungsschwenk des Bundeskanzleramtes, der zur
Verweigerung der Anerkennung der polnischen Minderheit als Volksgruppe
geführt hat, nachdem noch vor wenigen Jahren die Ungarn in Wien sehr wohl als
Teil der ungarischen Volksgruppe anerkannt worden waren?
9. Welche Unterschiede haben „sozialstatistische Analysen“ und „wissenschaftliche
Analysen“ zwischen den Polen und den Ungarn in Wien im Detail ergeben, die
eine diametral unterschiedliche Behandlung der beiden Gruppen sachlich
gerechtfertigt erscheinen lassen?