1966/J XXI.GP

Eingelangt am: 21.2.2001

 

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Inneres

 

betreffend Kampf um Kopfgeld bei der Volkszählung 2001

 

 

Seit Monaten ist das große Rennen ums Kopfgeld ausgebrochen. Die Volkszählung

im Mai 2001 ist der Grund dafür. Es geht ums Geld, Geld, das Gemeinden und

Städte für jeden "Hauptwohnsitz - Kopf" erhalten. Deshalb nehmen sich Städte und

Gemeinden das Recht, BürgerInnen unter Druck zu setzen und ihnen vorzuschrei -

ben, wo ihr Lebensmittelpunkt (also Hauptwohnsitz) zu sein habe. Durch diesen

Druck wollen Städte und Gemeinden schon im Vorfeld unter dem Motto: „Diese

Bürgerin/dieser Bürger gehört mir“ Rechtsstreitigkeiten vermieden wissen.

Die tatsächlichen Lebensinteressen der BürgerInnen zu akzeptieren, wird dabei

völlig ignoriert. Den Städten und Gemeinden ist es nur wichtig, das Kopfgeld für die

nächsten 10 Jahre zu erhalten.

 

Ganz besonders schlimm wird der Kampf ums Kopfgeld auf dem Rücken von jenen

Menschen mit Behinderungen ausgetragen, die aufgrund einer Behinderung derzeit

nicht im Familienverband in der Hauptwohnsitzgemeinde leben können.

So auch im Fall von Herrn M. Mit 49 Jahren erlitt Herr M. im Jahre 1999 einen

schweren Schlaganfall und war mehr als ein Jahr im Krankenhaus bzw. in

verschiedenen Rehabilatationszentren. Da seine Behinderung noch sehr intensiv ist,

kann Herr M. derzeit nicht bei seiner Familie wohnen, sondern muß auf unbestimmte

Zeit im Pflegeheim (außerhalb seiner Hauptwohnsitzgemeinde) leben.

Herr M. kann sich von seiner Hauptwohnsitzgemeinde nicht abmelden, da er sonst

einen Anspruch auf eine gemeinnützige behindertengerechte Wohnung, die er in

Zukunft in seiner Hauptwohnsitzgemeinde brauchen wird, verliert.

Von der Gemeinde, in dem Herr M. derzeit im Pflegeheim ist, wird aber verlangt,

dass er, aber auf jeden Fall am Stichtag der Volkszählung, seinen Hauptwohnsitz

dort anmelden muß.

 

Ein Telefonat mit dem zuständigen Gemeindebeamten ergab, dass es der

Gemeinde ausschließlich um‘s Geld geht, also um das Geld für die nächsten

10 Jahre. Wäre im Mai 2001 nicht die Volkszählung, dann wäre es auch kein

Problem, dass Herr M. in dieser Gemeinde nur den Nebenwohnsitz hat.

Der Beamte hat seine Haltung auch damit begründet, dass er einen Eid

abgelegt habe, im Sinne der Gemeinde zu dienen und zum Wohle der

Gemeinde zu handeln. Was mit den BürgerInnen ist, diese Frage hat er nicht

beantwortet!

 

Herr M. ist seit mehr als 25 Jahren verheiratet, hat 2 Kinder und lebt mit Frau und

Kindern seit 25 Jahre in seiner Hauptwohnsitzgemeinde. Erst seit 1.2.01 ist er im

Pflegeheim und er hat keinesfalls vor, länger als unbedingt notwendig, zu bleiben.

Im Mai 2001 kann daher gar nicht vorausgesagt werden, wo sein Lebensmittelpunkt,

also sein Hauptwohnsitz in Zukunft, also in den nächsten 10 Jahren sein wird.

Da Herr M. bis zum 1.2.2001 weder seinen Hauptwohnsitz noch einen

Nebenwohnsitz in der Gemeinde des Pflegeheimes hatte und wie bereits erwähnt,

auch nicht beabsichtigt, im Alter von 50 Jahren schon daran zu denken, bis zu

seinem Lebensende im Pflegeheim zu bleiben, ist es unerklärlich, warum die

Gemeinde den zukünftigen Hauptwohnsitz (Pflegeheim) schon weiss. Weder Herr

M., noch die Gemeinde wissen, wie andere BürgerInnen auch, wo sie in den

nächsten 10 Jahren leben wollen und werden.

Es ist nachvollziehbar, dass Gemeinden, in denen BürgerInnen schon seit Jahren

wohnen, also ihren Lebensmittelpunkt haben, verlangen, diesen als Hauptwohnsitz

anzugeben. Es ist auch nachvollziehbar, dass Gemeinden die Frage: „Wo haben

Sie in den letzten Jahren hauptsächlich gelebt?“ stellen und dadurch feststellen

können, wo der Lebensmittelpunkt war und ist. Es ist auch nachvollziehbar, dass

BürgerInnen, die zwar noch eine Wohnung z.B.: in Wien haben, aber ein Eigenheim

z.B. in Böheimkirchen, in der Ehefrau und Kinder wohnen, dann nicht in Wien

sondern in Böheimkirchen den Hauptwohnsitz haben.

Es ist aber nicht nachvollziehbar, dass sich Gemeinden das Recht nehmen

BürgerInnen vorzuschreiben, wo in den nächsten 10 Jahren ihr Lebensmittelpunkt

(Hauptwohnsitz) zu sein hat, wenn es sich um behinderte Menschen handelt, die erst

seit 1.2.01 vorübergehend in einem Pflegeheim außerhalb der

Hauptwohnsitzgemeinde leben, und nur die minimalsten persönlichen Dinge

(notwendige Kleidung und Toilettenartikel, Rollstuhl und Pflegemittel etc.)

mitgenommen haben.

 

So wie auch ich der Gemeinde Wien nachgewiesen habe, dass ich in den letzten 7

Jahren (seit ich Abgeordnete bin) nicht mehr als 160 Tage im Jahr in Wien lebe,

meine Familie und mein Lebensinteresse in Steyr ist und daher auch mein

Hauptwohnsitz nicht Wien, sondern Steyr ist.

Herr M. kann auch nachweisen, dass er bis 1.2.01 niemals in der Gemeinde des

Pflegeheimes gewohnt hat und sein Lebensinteresse nachweislich auch nicht dort

ist, da ja seine Familie nicht mit ihm nicht ins Pflegeheim gezogen ist und sein

Lebensinteresse auch weiterhin seiner Familie und der gemeinsame Hauptwohnsitz

ist. Herr M. ist im Pflegeheim Vollzahler, d.h. die Gemeinde zahlt für seine

Pflegehilfen keinen Groschen dazu, Herr M. finanziert sich zur Gänze die

monatlichen Kosten von S 35.000,-- selbst, da es sich bei dem Pflegeheim um ein

privates Pflegeheim handelt und das Land nicht mitfinanziert.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

 

1. Ist es richtig, dass eine Gemeinde versucht, eine Familie zu sprengen, weil sie

     dem derzeit pflegebedürftigen Vater und Ehemann vorschreibt, wo sein

     Hauptwohnsitz zu sein hat, nur weit er seit 1.2.01 vorübergehend im

     Pflegeheim der Nachbargemeinde leben muß?

     Wenn ja: Wie lautet Ihre Begründung?

     Wenn nein: Auf welcher rechtlichen Grundlage kann ein Familienvater in seiner

     Situation dazu gezwungen werden?

 

2. Was halten Sie von den Aussagen des Gemeindebediensteten?

 

3. Aufgrund welcher gesetzlichen Grundlage kann eine Gemeinde BürgerInnen

    vorschreiben, welcher Wohnort in den nächsten 10 Jahren der Hauptwohnsitz

    zu sein hat?

 

4. Sind Sie, so wie die Gemeinde in dem das Pflegeheim steht, auch dafür, dass

    BürgerInnen in ihrer jahrelangen Hauptwohnsitzgemeinde den Anspruch auf

    eine gemeinnützige behindertengerechte Wohnung verlieren, weil es die

    Gemeinde, in der sich das Pflegeheim befindet, darauf keine Rücksicht nimmt?

    Wenn ja: Wie begründen Sie dies?

    Wenn nein: Was würden Sie der Gemeinde, in der das Pflegeheim ist, raten?

 

5. Können Sie Herrn M. einen Rat geben, wie er in dieser Situation handeln soll?

    Wenn ja: Wie lautet dieser?

   Wenn nein: Warum nicht?

 

6. Kennen Sie ähnliche „Fälle“ wie den von Herrn M.?

    Wenn ja: Welche Lösungen wurden getroffen?

 

7. Was wäre Ihrer Meinung nach gewesen, wenn Herr M. erst am 1.6.01

     vorübergehend ins Pflegeheim eingezogen wäre?

 

8. Sind Ihnen Gemeinden bekannt, die genauso unmenschlich vorgehen, wenn es

    um das „Kopfgeld“ für die nächsten 10 Jahre geht?

    Wenn ja: In welcher Gemeinde wird genauso unmenschlich gehandelt?

    Wenn nein: Sind Sie bereit, wenn ich Ihnen den Namen der Gemeinde nenne,

    eine positive Lösung im Sinne von Herrn M. anzustreben?

            Wenn ja: Wie werden Sie vorgehen?

            Wenn nein: Warum nicht?