1996/J XXI.GP

Eingelangt am:01.03.2001

 

DRINGLICHE ANFRAGE

 

der Abgeordneten Glawischnig, Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen

 

betreffend Gesundheitsgefährdung der KonsumentInnen durch Kontroll - Chaos und

Schutz von Rechtsbrechern

 

Die aktuelle Bilanz der österreichischen Lebensmittel - und KonsumentInnenschutzpolitik fällt

desaströs aus. Sechs Wochen nach Auffliegen der Schweine - Affäre wurden immer noch

keine Konsequenzen gezogen. Die Zentralbereiche des KonsumentInnenschutzes, die

Lebensmittel - und Veterinärkontrolle, drohen ausgegliedert und der Landwirtschaft

überlassen zu werden. Bis auf den BSE - Krisenplan, der durch die Europäische Union

zwingend vorgegeben war, hat der zuständige Minister im Konsumentenschutz so gut wie

keine Ergebnisse vorzuweisen. Obwohl mit der schwersten Lebensmittelkrise der 2. Republik

nach dem Glykolskandal konfrontiert, werden die Chancen für eine Generalreform in der

Lebensmittelpolitik verpaßt. Bundesminister Haupt ist offenbar mehr an Parteipolitik als an

Sachfragen interessiert, wie der Abschuß von Hans Sallmutter oder die Versorgung von

blauen Parteigängern in seinem Ministerium mit Männer - Abteilungsposten belegen. Zentrale

Ressortaufgaben im KonsumentInnenschutzbereich werden völlig vernachlässigt, das

Vertrauen der KonsumentInnen weiter aufs Spiel gesetzt.

 

Bundesminister Herbert Haupt hat zwei zentrale Vorwürfe politisch zu verantworten:

 

I. Rechtsbrecher werden systematisch geschützt

Krasse Lücken im Überprüfungssystem entlasten Landwirte viel zu früh. Nach dem Großteil

der über hundert illegalen Arzneimittel wird gar nicht getestet. Durch viel zu lange

Wartezeiten zwischen dem ersten Test am lebenden Tier und dem zweiten Test nach der

Schlachtung können illegale Substanzen gar nicht mehr nachgewiesen werden.

 

Bei den Ermittlungen in den Bundesländern herrscht Chaos, die Ermittlungen werden

teilweise regelrecht verschlampt. Kriminalpolizei und Veterinäraufsicht arbeiten

nebeneinander her, eine zentrale Koordination durch den Konsumentenschutzminister fehlt.

 

Die seit Jahren bestehenden gravierenden Gesetzeslücken im Lebensmittelrecht wurden

trotz zahlreicher Ankündigungen bis heute nicht geschlossen. Die Systemlücken produzieren

bei Verstößen gegen das Lebensmittelrecht Freisprüche am laufenden Band.

 

II. Keine zusätzlichen Kontrollen als Konsequenz aus der Fleisch - Krise

Die Bundesregierung vermittelt der Öffentlichkeit in den letzten Wochen den Eindruck, daß

im Fleischbereich massiv kontrolliert wird. Medienwirksame Rindfleisch - Essen verschiedener

Minister bis hinauf zum Bundeskanzler verstärken dieses Bild. Dabei werden als

Konsequenz aus der Schweine - Affäre keine zusätzlichen Stichproben gezogen. Für die

bisherigen ca. 30.000 BSE - Tests wurden keine zusätzlichen Kapazitäten geschaffen. In allen

anderen Bereichen der Lebensmittelkontrolle fehlt es jetzt an Personal und Geld.

 

Trotzdem wird der Sparkurs bei der Lebensmittelkontrolle fortgesetzt, Personal und Budget

weiter reduziert. Die geplante ‚Agentur für Ernährungssicherheit‘ ist eine ‚Pseudo - Lösung, die

an Problemen wie Ressourcenknappheit und Gesetzeslücken nichts ändern wird.

 

Chaos, Überforderung und Nicht - Handeln prägen einen desaströsen Gesamteindruck in der

aktuellen Lebensmittelpolitik und sind ein Armutszeugnis für den Konsumentenschutz in

Österreich.

I. ‚Rechtsbrecher‘ werden systematisch geschützt

 

Lücken im Prüf - System

Krasse Lücken im Überprüfungssystem entlasten potentiell betroffene Landwirte viel zu früh.

Der anhand von Blut - und Harnproben am lebenden Schwein durchgeführte Hemmstofftest

untersucht neben Antibiotika nur weitere 25 Substanzen. Experten rechnen aber mit über

hundert verschiedenen Substanzen, darunter beispielsweise Nachbauprodukte

osteuropäischer Herkunft. Die Proben werden also auf die überwiegende Anzahl von

relevanten Substanzen gar nicht untersucht. Vieles bleibt daher unentdeckt.

 

Zwischen einem positiven Hemmstofftest und der anschließenden durchzuführenden

Fleischuntersuchung am geschlachteten Tier vergehen teilweise bis zu zwei Wochen. Durch

die lange Wartezeit zwischen den zwei Tests sind Antibiotika dann nicht mehr nachweisbar.

Die betroffenen Landwirte setzen die Antibiotika nach einem ersten positiven Test einfach

ab, nach drei bis vier Tagen haben sich die Substanzen abgebaut. Betriebe, von denen

positive Probenergebnisse vorliegen, durften wieder aufsperren. Denn eine Verurteilung

erfolgt nur, wenn die illegalen Wirkstoffe auch im Fleisch geschlachteter Tiere nachgewiesen

werden „Die ganze Sache läuft ins Leere“, wird ein Chemiker der Tierschutzorganisation

Vier Pfoten im profil (26.2.2001) zitiert.

 

Chaos statt zentralem Management

Bei der Aufklärung der Affäre fehlt es an zentralem Management. Kriminalpolizei und

Veterinäraufsicht arbeiten nebeneinander her, es gibt keine Koordination durch das Haupt -

Ministerium. Daten über die genaue Anzahl der gesperrten und wieder freigegebenen

Betriebe sind nicht abrufbar, der Minister hat keinen Überblick über die Affäre.

 

In den Bundesländern werden die Ermittlungen teilweise regelrecht verschlampt. Während

im ebenfalls betroffenen Deutschland eine eigene Sondereinheit bis zu 200 (!)

Hausdurchsuchungen pro Woche vornimmt, wurden beispielsweise in Niederösterreich

insgesamt nur 45, in Oberösterreich gar nur 3 (!) Hausdurchsuchungen bei verdächtigen

Schweinebetrieben durchgeführt. Der Großteil der Vor - Ort - Ermittlungen wird über normale

Hof - Besuche abgewickelt, bei denen die Ermittler keinen Zugang zu den Wohngebäuden der

Landwirte haben, in denen die Medikamente meist gelagert sind.

 

Gesetzeslücken: Die Ankündigungspolitik des Konsumentenschutzministers

Haupt betreibt ausschließlich Ankündigungspolitik. Seit Amtsantritt hat der Minister mehrfach

angekündigt, im Konsumentenschutz „neue Akzente“ setzen zu wollen und „einiges in

Österreich neu zu regeln“. Den Lippenbekenntnissen folgten keine Taten. Wenn es um die

Versorgung von FPÖ - Parteigängern mit Männerabteilungsposten geht, legt der Minister ein

unheimliches Tempo hin. Betreffend der seit Jahren bestehenden Gesetzeslücken im

Lebensmittelrecht hat er hingegen, ebenso wie seine Amtsvorgängerin Sickl, trotz

zahlreicher Ankündigungen bis heute keine Gesetzesinitiativen gesetzt.

 

Anzeigen ohne Folgen

Nur ein lächerlich geringer Anteil der von den Lebensmitteluntersuchungsanstalten bei den

Verwaltungsbehörden angezeigten Proben führen zu strafrechtlichen Verurteilungen. Bei

Verstößen gegen das Lebensmittelrecht werden die meisten Anzeigen fallen gelassen.

Werden Strafen verhängt, so fallen diese lächerlich gering aus. Das belegt das Beispiel

Oberösterreich. In den Jahren 1998 bis 2000 wurde in 26 Fällen Anzeige erstattet. 14

Verfahren endeten mit Freisprüchen, Einstellung und geringen Geldstrafen. Nur in einem Fall

wurde das Strafausmaß mit 95.000.- ATS ausgeschöpft. (Anm.:12 der 26 Verfahren sind zur

Zeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen)

Illegale Arzneimittel im Schlafzimmerschrank

Die Überprüfung der Arzneimittelanwendung in landwirtschaftlichen Betrieben erfolgt neben

Rückstandsuntersuchungen in den Schlachthöfen durch direkte Kontrolle in den Betrieben.

Die gesetzliche Grundlage dafür, die so genannte "Rückstandskontrollverordnung",

ermöglicht Kontrollen allerdings nur in Räumlichkeiten und Flächen, die der Tierhaltung

dienen. In Wohnräumen, in denen die Medikamente üblicherweise gelagert werden, darf

dabei nicht Nachschau gehalten werden.

 

Rückmeldungen bitte warten

Positiv getestete Proben in der Fleischbeschau ziehen keine Konsequenzen für die

betroffenen Betriebe nach sich. Lediglich das betroffene Fleisch wird aus dem Verkehr

gezogen, eine Rückmeldung an die Bauernhöfe erfolgt nicht. Es existiert keine zentrale

Datenbank zur systematischen Erfassung positiv beanstandeter Proben.

 

Gesetz für Tierarzneimittel fehlt

Der Umgang mit Tierarzneimitteln ist derzeit im allgemeinen Arzneimittelgesetz geregelt. Ein

eigenes Gesetz, das die Verwendung von Tierarzneimitteln regelt, fehlt.

 

Straffreier Besitz illegaler Substanzen

Nur die Anwendung, nicht jedoch Besitz und Lagerung von illegalen Tierarzneimitteln sind

strafbar. Täter müssen also sozusagen ‚mit der Spritze in der Hand‘ auf frischer Tat ertappt

werden.

 

Sünder werden gedeckt

Den KonsumentInnen wird bisher das Recht verwehrt, bei wiederholten Verstößen gegen

das Lebensmittelrecht die Namen von Firmen und Produkten zu erfahren.

 

II. Keine zusätzliche Kontrollen

 

Keine Zusatz - Kapazitäten für BSE - Tests

Für die in Österreich bisher durchgeführten ca. 30.000 BSE - Tests wurden keine zusätzlichen

Kontrollkapazitäten geschaffen. Die Kräfte für die notwendigen BSE - Tests wurden durch

reine Umschichtungsmaßnahmen freigemacht. In allen anderen Bereichen der

Lebensmittelkontrolle - von Antibiotika - Rückständen im Schweinefleisch über Salmonellen

bei Geflügel bis zu gentechnisch kontaminierten Lebensmitteln - fehlt es daher an Personal

und Geld. Eine ausreichende Kontrolle in den zahlreichen ‚sonstigen‘ Problemfeldern im

Lebensmittelbereich kann so nicht gewährleistet werden.

 

Kontrollversagen bei Schweine - Affäre in Bundesländern

In Niederösterreich und Oberösterreich wurden im Kontrollbereich praktisch keine

Konsequenzen aus der Schweine - Affäre gezogen. Während in der Steiermark jedes

zwanzigste geschlachtete Schwein auf Antibiotika - Rückstände untersucht wird, wird in

Oberösterreich nur jedes 1000. Schwein, in Niederösterreich überhaupt nur jedes 2000.

Schwein untersucht. „Wir wollten ja jedes 30. Tier untersuchen, aber das wäre uns doch zu

teuer geworden. Außerdem hat die Bundesanstalt zu wenig Personal dazu“, wird der

Veterinärdirektor der oberösterreichischen Landesregierung im Standard dazu zitiert. Der

Veterinärdirektor der niederösterreichischen Landesregierung stellt unverblümt klar, wo die

Verantwortung für dieses unfaßbare Kontrollversagen liegt: "Wir halten uns an den jährlichen

Stichprobenplan, der uns von der Regierung vorgegeben wird. Etwas anderes ist uns nicht

angeordnet worden“ (derStandard.at, 21.2.2001)

Antibiotika - Einsatz bei Puten - und Hühnermast

Mehr als 95% der österreichischen Masthühner werden unter tierquälerischen Bedingungen

gemästet. Möglichst schnelles Wachstum ist das einzige Ziel. Auch in der Geflügel - und

Putenzucht werden daher regelmäßig Antibiotika eingesetzt. In der österreichischen

Geflügel - Mast wurden vermutlich ebenso wie in der Schweine - Zucht illegale Arzneimittel an

Tiere verfüttert. Gegen fünf Massentierhaltungsbetriebe wurde Ende Jänner 2001 Anzeige

erstattet. Bei den illegalen Medikamenten handelt es sich vermutlich um Nachbauprodukte

aus Osteuropa.

 

Salmonellen: Immer noch mehr als 7000 Erkrankungen jährlich in Österreich

Seit über 10 Jahren erkranken jährlich über 7.000 Menschen an Salmonellenvergiftungen.

Die Dunkelziffer liegt weit höher. Immer wieder kommt es zu Todesfällen. Im Raum von

Wien, NÖ und dem Burgenland wurden 1999 in 183 von 643 Geflügelproben Salmonellen

nachgewiesen. Salmonellenerkrankungen sind in erster Linie auf den Verzehr von

Hühnerfleisch und Eiern zurückzuführen. Seit Jahren sind die Beanstandungen der

Lebensmittelüberwachung anhaltend hoch. Bei über 80% aller Lebensmittelinfektionen

handelt es sich um Salmonelleninfektionen. Ein wirksames österreichweites Salmonellen -

Kontrollprogramm ist bis heute ausständig.

 

Maul - und Klauenseuche: Ausreichende Maßnahmen?

In Großbritannien wurden bisher wegen der aktuellen Maul - und Klauenseuche 7000

Schweine Rinder und Schafe geschlachtet und verbrannt. Es besteht der begründete

Verdacht, daß die Seuche durch Exporte bereits in andere EU - Länder verschleppt wurde.

Die niederländischen Behörden haben jedenfalls mehr als 3000 Tiere (Schafe, Rinder,

Schweine. Hirsche) vorsorglich getötet. Auch in Nordrhein - Westfalen hat man damit

begonnen, Tiere aus Großbritannien vorsorglich zu töten, mehrere Betriebe mit tausenden

von Schweinen und hunderten von Schafen stehen unter Quarantäne. Frankreich kündigte

an, alle im Februar aus Großbritannien importierten Schafe töten zu lassen. Auch Österreich

importiert regelmäßig Schweine aus Holland, Deutschland und anderen EU - Ländern.

 

Kennzeichnungs - Schwindel

In regelmäßigen Abständen belegen Tests von Konsumentenschützern, daß sich die

österreichischen KonsumentInnen auf die Kennzeichnung von Lebensmitteln nicht verlassen

können. Immer wieder werden gentechnisch veränderte Bestandteile in Lebensmittel ohne

Kennzeichnung entdeckt. 10% der Lebensmittel, die Soja enthalten, enthalten gentechnisch

verändertes Soja - allerdings rechtswidrig ohne Kennzeichnung. Minister Haupt schützt

rechtswidrig handelnde und verurteilte Unternehmen, die ihre Produkte nicht kennzeichnen,

obwohl sie gentechnisch veränderte Bestandteile enthalten dadurch, daß die Namen und

Produkte nicht bekannt gegeben werden.

 

Neben ungekennzeichneten Gentechnik - Lebensmitteln sind in den vergangenen Wochen

mehrfach Mängel bei der Kennzeichnung von Wurstwaren aufgedeckt worden. So haben

Tests in Tirol ergeben, daß bei mehr als 50% der in Supermärkten und Metzgereien

eingekauften Wurstwaren die Zusammensetzung der Lebensmittel nicht korrekt angegeben

war. Trotz gegenteiliger Kennzeichnung wurde beispielsweise in Käsekrainer oder

Extrawurst Rindfleisch gefunden. In Oberösterreich wurden im vergangenen Jahr 16% der

überprüften Wurstwaren wegen falscher Kennzeichnung oder unerlaubter Zusätze

beanstandet.

 

Antibiotika - Rückstände bei importierten Meeresfrüchten (Shrimps, Lachs)

Zuchtanlagen für Meeresprodukte (Aquakulturen) in tropischen Küstenregionen werden

durch für den Menschen krankheitserregende Bakterien besiedelt. Deswegen werden

zahlreiche Antibiotika eingesetzt, die gleichzeitig auch als Wachstumsförderer wirken. Dabei

handelt es sich u.a. auch um Substanzen, die in Österreich verboten sind. Über die Mengen

an verwendeten Antibiotika liegen kaum offizielle Zahlen vor. Auch über potentielle

Gesundheitsgefahren und negative Umweltauswirkungen gibt es nur beschränkt

Forschungsergebnisse. Die gesetzlichen Regelungen betreffend Antibiotikaeinsatz bzw.

deren Einhaltung sind in den meisten Erzeugerländern tropischer Zuchtshrimps völlig

unzureichend und nicht lückenlos kontrollierbar.

 

Bei Tests von auf dem österreichischen Markt gehandelten Garnelenprodukten wurden bei

einem Produkt eines französischen Herstellers Spuren des Antibiotikums Chloramphenicol

festgestellt. Aufgrund der spärlichen Importkontrollen - weltweit wird maximal eine Probe je

100 Tonnen auf gefährliche Rückstände untersucht - ist davon auszugehen, daß Antibiotika -

belastete Meeresfrüchte auch in Österreich regelmäßig auf den Markt kommen. Rückstände

dieses Antibiotikums sind EU - weit in Nahrungsmitteln verboten.

 

Österreichische Antibiotika - Fische

Auch in der österreichischen Fischzucht, vor allem in intensiven Forellenmast - Betrieben,

werden aufgrund der erhöhten Infektionsgefahr Antibiotika gefüttert.

 

Sparkurs bei Lebensmittel - und Veterinärkontrolle wird trotz Fleischkrise fortgesetzt

Personalabbau, weniger Kontrollen und weniger Budget kennzeichnen die Lebensmittel - und

Veterinärkontrolle in den vergangenen Jahren. Das von der Bundesregierung angepeilte

Nulldefizit im Budget geht auf Kosten der Gesundheit der KonsumentInnen. Auch unter

Minister Haupt wird der Sparkurs fortgesetzt.

 

Trotz BSE - Krise und Fleischskandal wurden keine Investitionen in den Ausbau der

Lebensmittelkontrolle getätigt. Der Personalstand der staatlichen

Lebensmitteluntersuchungsanstalten sinkt seit Jahren kontinuierlich, obwohl die Aufgaben

massiv angewachsen sind. Von 1994 bis 1999 sank der Personalstand von 251

Bediensteten auf 213. Mit Stichtag 1. September 2000 waren gar nur mehr 199 Bedienstete

in der amtlichen Lebensmittelkontrolle tätig.

 

Ein ähnliches Bild zeigt sich im Bereich der Veterinärkontrolle: 24 Planstellen wurden in

den veterinärmedizinischen Bundesanstalten zwischen 1995 und 2000 eingespart. Mit

Stichtag 1.12.2000 arbeiteten nur mehr 206 Bedienstete in der amtlichen Veterinärkontrolle

(1995: 230). In mehreren Prüfberichten hält die EU - Kommission der österreichischen

Veterinärverwaltung schwerwiegende Mängel vor. In einem Bericht über österreichische

Grenzkontrollstellen (2000) im Veterinärbereich (u.a. Einfuhr von tierischen Erzeugnissen

und lebenden Tieren) hat die EU in praktisch allen überprüften Grenzkontrollstellen

erhebliche Abweichungen von EU - Rechtsvorschriften festgestellt, insbesondere in den

Bereichen Hygiene und Personalausstattung. In einem weiteren Bericht über die

Grenzkontrollstellen (1999) halten die EU - Prüfer fest, daß die „zuständige Zentralbehörde in

Österreich behauptete, Inspektionen von Einrichtungen durchgeführt zu haben, obwohl es

keinen Nachweis dafür gab". Die Einrichtungen zur Kontrolle lebender Tiere entsprachen

teilweise nicht den EU - Anforderungen, Ausrüstung und hygienischer Zustand wurden als

mangelhaft bezeichnet.

 

Geplante Agentur für Ernährungssicherheit ist Pseudoagentur

Die Lebensmittelkontrolle soll ausgeliedert werden und als „Agentur für Ernährungssicherheit

- Österreich“ in Form einer Körperschaft öffentlichen Rechts errichtet werden. Diese soll

unter der Ägide des Landwirtschafts - (!) und Sozialministeriums alle Kompetenzen und

Kontrollaufgaben im Bereich der gesamten Ernährungsproduktion und Qualitätssicherung

bündeln. Nach dem vorliegenden Gesetzesentwurf ist die Besetzung des Aufsichtsrats und

der Geschäftsführung im Verhältnis 1:1 zwischen dem Landwirtschafts - und

Gesundheitsressort vorgesehen. Dies bedeutet nicht nur eine erhebliche Verschiebung der

‚Kontrollmacht‘ in Richtung Landwirtschaftsministerium, sondern auch eine unhaltbare

Verstärkung der politischen Einflußnahme. Die geplante Agentur ist eine ‚leere Schachtel‘

und nicht mehr als eine Pseudomaßnahme, die an den mangelnden Kontroll - Ressourcen

nichts ändern wird. Kommt die Agentur in der vorgeschlagenen Form, so werden die

Interessen der KonsumentInnen gegenüber der Landwirtschaft klar hintangestellt.

 

Reduzierte Untersuchungsreihen, keine Kapazitäten für Breitbanduntersuchungen, billige

automatisierte ,,0815 - Untersuchungsreihen“, Ausbleiben von Vorsorge - Untersuchungen,

höhere Gesamtkosten und Informationstransfers der Probenpläne an die zu Kontrollierenden

durch die LandwirtschaftsvertreterInnen sind konkrete Gefahren der geplanten

Ausgliederung.

 

Bereits 1998 wendete sich der Rechnungshof massiv gegen eine Ausgliederung der

Lebensmittelüberwachung: „Private Untersuchungseinrichtungen sind in der Freiheit der

Auswahl hinsichtlich Methoden, Art und Anzahl der Untersuchungen eingeschränkt, zumal

sie grundsätzlich die fachlichen Überlegungen den ökonomischen Prinzipien

(Gewinnmaximierung) unterzuordnen haben“. Der Rechnungshof warnt vor

Qualitätseinbußen, weil dann möglicherweise notwendige, aber teure Untersuchungen

unterlassen und damit wichtige gesundheitspolitische Aspekte unberücksichtigt bleiben

würden. Einziger Vorteil einer Ausgliederung laut Rechnungshof: eine kurzfristige Entlastung

des Budgets hinsichtlich des Personal - und Sachaufwands.

 

In diesem Zusammenhang stellen die unterzeichneten Abgeordneten folgende

 

ANFRAGE:

 

‚Rechtsbrecher‘ werden systematisch geschützt

 

1. Wie groß ist die Anzahl der seit 18.1.2001 in Schweinebetrieben durchgeführten

    Hausdurchsuchungen in Österreich, aufgeschlüsselt nach Bundesländern, und welche

    konkreten Ergebnisse wurden dabei erzielt?

 

2. Wie viele Schweinezuchtbetriebe wurden seit 18.1.2001 gesperrt (aufgeschlüsselt nach

    Bundesländern) und wie viele der gesperrten Betriebe wurden seither wieder

    freigegeben?

 

3. Wie viele Proben von lebenden Tieren (Blut, Harn) aus Schweinezuchtbetrieben wurden

    seit 18.1.2001 untersucht, nach welchen konkreten Substanzen wurde dabei untersucht

    und wie viele der untersuchten Proben ergaben ein positives Testergebnis

    (aufgeschlüsselt nach Bundesländern)?

 

4. Wie viele Proben geschlachteter Schweine wurden seit 18.1.2001 im Zusammenhang mit

    der Schweineaffäre untersucht nach welchen konkreten Substanzen wurde dabei

    untersucht und wie viele der untersuchten Proben ergaben ein positives Testergebnis

    (aufgeschlüsselt nach Bundesländern)? Welche Verurteilungen erfolgten?

 

Zwischen einem positiven Hemmstofftest und der anschließenden durchzuführenden

Fleischuntersuchung am geschlachteten Tier vergehen teilweise bis zu zwei Wochen. Durch

die lange Wartezeit zwischen den zwei Tests sind Antibiotika dann nicht mehr nachweisbar.

Der Hemmstofftest ist zudem sehr unspezifisch, sagt nichts über Art und Konzentration der

Substanzen aus und untersucht außerdem nur auf einen Bruchteil möglicher Substanzen.

5.    Halten Sie angesichts dieser Umstände die verfrühte Freigabe von gesperrten

       Schweinemastbetrieben, aus denen positive Hemmstofftests vorliegen, für

       verantwortbar? Welche Maßnahmen haben Sie getroffen um auch auf Substanzen, die

       nicht durch den Hemmstofftest nachweisbar sind, zu testen. Welche Maßnahmen haben

       sie getroffen, um die unverantwortbare Zeitspanne von bis zu zwei Wochen zwischen

       den Tests zu reduzieren?

 

6.    Wann werden Sie die von Ihnen bereits mehrfach angekündigte Verschärfung des

       Lebensmittelrechtes durch entsprechende Gesetzesinitiativen in Angriff nehmen? Welche

       gesetzlichen Änderungen planen Sie dazu konkret und wann sollen diese in Kraft treten?

 

II. Keine zusätzliche Kontrollen

 

7.    Wieviel Kontroll -Personal der betroffenen Bundesanstalten ist seit Anfang des Jahres mit

       der Durchführung der BSE - Tests beschäftigt? Welche zusätzlichen Kontrollkapazitäten

       sind angesichts der notwendigen Durchführung von bisher ca. 30.000 BSE - Tests in

       Österreich geschaffen worden? Falls keine, warum nicht?

 

8.    Wie viele zusätzliche Stichproben haben sie im Zusammenhang mit dem

       Schweineskandal seit 18.1.2001 angeordnet (aufgeschlüsselt nach Bundesländern)?

 

Derzeit sind die Stichprobenpläne in der Fleischbeschau je nach Bundesland von sehr

unterschiedlicher Frequenzdichte. Während in der Steiermark jedes zwanzigste

geschlachtete Schwein auf Antibiotika - Rückstände untersucht wird, wird in Oberösterreich

nur jedes 1000. Schwein, in Niederösterreich überhaupt nur jedes 2000. Schwein untersucht.

 

9.    Halten Sie angesichts dieser Tatsache die aktuellen Stichprobenpläne für

       Niederösterreich und Oberösterreich für ausreichend?

 

10. Wie intensiv erfolgt die Kontrolle der Hühner - und Putenmastbetriebe in den jeweiligen

       Bundesländern? Welche Ergebnisse im Hinblick auf illegalen Einsatz von Arzneimitteln

       liegen vor, wieviele Verwaltungsstrafen oder Anzeigen erfolgten in den letzten fünf

      Jahren? Welche Verurteilungen erfolgten? Wie hoch war das Strafausmaß?

 

11. Wie häufig werden Geflügelproduktionsbetriebe und Hühnerfarmen auf Salmonellen

      kontrolliert (bundesländerspezifische Aufgliederung unter Angabe des Verhältnisses der

      Zahl der Betriebe und Anzahl der Kontrollen seit 1995)?

 

12. Welche Maßnahmen haben Sie anläßlich des Auftretens der Maul - und Klauenseuche in

      Großbritannien inbesondere im Hinblick auf die Importe von Schweinen aus Deutschland,

      Holland und weiteren Risikoländern nach Österreich getroffen, damit sich diese Seuche

      nicht auch in Österreich ausbreitet?

 

13. Wie viele Lebensmittelproben wurden seit 1998 jährlich auf gentechnisch veränderte

      Organismen untersucht? Wie viele Verstöße gegen das Kennzeichnungsrecht wurden

      dabei beanstandet? Wie viele Strafen wurden verhängt? Wie hoch war das

      Strafausmaß?

 

14. Welche Maßnahmen haben Sie seit Bekanntwerden der positiven Testergebnisse

       betreffend Antibiotika - Rückständen von in Österreich gehandelten Zuchtgarnelen konkret

       getroffen? Haben Sie die Untersuchung aller in Frage kommenden Produktgruppen auf

       Antibiotika - Rückstände eingeleitet? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wieviele Proben

       werden innerhalb welches Zeitraumes untersucht und nach welchen Substanzen werden

       die Proben konkret untersucht?

15. Erwägen Sie angesichts des positiven Nachweises von Antibiotika - Rückständen in am

      österreichischen Markt befindlichen Zucht - Garnelen ein Einfuhrverbot für tropische

      Zucht - Shrimps? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, welchen Kriterien legen Sie einer

      Verhängung eines Importverbotes zugrunde?

 

16. Wie werden die Forellen - und Karpfenmast - Betriebe in Österreich kontrolliert? Können

      Sie ausschließen, daß es zu Medikamentenmißbrauch und oder Antibiotikaeinsatz in der

     Fütterung kommt? Wenn nein, welche Maßnahmen werden Sie ergreifen?

 

17. Wie viele Beschäftigte waren mit Stichtag 28.2.2001 in den einzelnen Bundesanstalten

      für Lebensmitteluntersuchung sowie in den Bundesanstalten für Veterinärmedizin

      beschäftigt, jeweils aufgeschlüsselt auf die einzelnen Bundesanstalten?

 

18. Wie hoch ist die Zahl der durch die Lebensmittel - Aufsichtsorgane in Österreich

      überprüften Betriebe im Zeitraum 1.1.2000 bis 28.2.2001? In wie vielen Betrieben wurden

      dabei Proben gezogen? Wie viele Proben wurden in diesem Zeitraum insgesamt durch

      die einzelnen Bundesanstalten untersucht (aufgeschlüsselt nach amtlichen und privaten

      Proben)? Wie viele Strafen wurden verhängt?

 

19. Auf welche Weise soll die Kontrollfunktion der geplanten ‚Agentur für

      Ernährungssicherheit‘ glaubhaft ausgeübt werden, wenn Aufsichtsrat und

      Geschäftsführung paritätisch zwischen Gesundheitsressort und

      Landwirtschaftsministerium besetzt werden? Warum streben Sie als Vertreter der

      KonsumentInnen nicht den vollen Umfang der Kontrollaufgaben an?

 

20. Wie groß sind die erwarteten Kosteneinsparungseffekte durch die Einrichtung der

      ‚Agentur für Ernährungssicherheit‘? Welche Personaleinsparungen sind geplant?

 

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage unter Verweis auf

§ 93 Abs 2 GOG verlangt.