2046/J XXI.GP

Eingelangt am: 2. 3. 2001

 

                                                               ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

 

betreffend die Menschenrechtssituation in der Türkei und den fehlenden Druck

Österreichs bzw der Europäischen Union

 

 

Die Bundesministerin für Äußere Angelegenheiten hat letzte Woche die Türkei

besucht. Trotz großer Bedenken von internationalen und türkischen

Menschenrechtsorganisationen im Zusammenhang mit diesem Besuch und der

Situation der Menschenrechte in der Türkei fand die Aussenministerin keine klaren

Worte über dieses zentrale Thema, sondern ließ durch bedenkliche Äußerungen

aufhorchen. Insbesondere sagte die Außenministerin, sie sei dagegen „die Türkei

unter Druck zu setzen“.

 

Menschenrechtsorganisationen bezeichnen die aktuelle Lage in der Türkei als

„ernst“. Seit Zuerkennung des EU - Kandidatenstatus an die Türkei im Dezember

1999 hätten „Regierung und Justiz keine Schritte zu einer Verbesserung“ eingeleitet.

Die Türkei gibt selbst zu, dass sie derzeit 10.000 politische Häftlinge in ihren

Gefängnissen eingesperrt hat. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen

befinden sich 1.500 Häftlinge aus Protest gegen die umstrittene Gefängnisreform in

Hungerstreik, 240 sind „an der Schwelle des Todes“. Das Angebot der

Menschenrechtsorganisation, die kritische Lage in einem Dialog zu entschärfen,

wurde vom Justizministerium abgelehnt. Die Arbeit von Menschenrechtsgruppen

wird von den Behörden weiterhin systematisch zu verhindern gesucht.

 

Im Dezember des Vorjahres töteten türkische Sicherheitskräfte dutzende Häftlinge,

die sich der Überstellung in „Gefängnisse des Typs F“ widersetzten.

 

Die Aussenministerin anerkannte, dass die Menschenrechtsgruppen in der Türkei

weiter unter Druck stünden, hofft aber, dass mit dem angekündigten Nationalen

Programm der Türkei der Beginn einer Verbesserung eingeleitet werde.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

                                                               ANFRAGE:

 

 

1.   Wann, wenn nicht in einer derart prekären Situation wie jetzt, sollte man nach

      Ihrer Meinung die Türkei „unter Druck setzen“?

 

2.   Mit welchen offiziellen Gesprächspartnern in der Türkei haben Sie das Problem

      der unmenschlichen Haftbedingungen und der Hungerstreiks angesprochen?

3.   Welche Zusagen konnten Sie erzielen?

 

4.   Gegenüber welchen Gesprächspartnern in der Türkei haben Sie die sofortige

      Freilassung aller politischen Gefangenen des Landes eingefordert?

 

5.   Wenn nein, weshalb nicht?

 

6.   Nach Pressemeldungen äußerten Sie Verständnis für die „Schwierigkeiten der

      Türkei“ mit der Einhaltung von Menschenrechten. Man müsse in Europa davon

      ausgehen, dass in der türkischen Öffentlichkeit und Politik erst "sehr langsam

      heikle Fragen diskutiert werden“ könnten. Wie rechtfertigen Sie Ihr Verständnis

      für gröbste Menschenrechtsverletzungen, die die Regierung in Ankara zu

      verantworten hat?

 

7.   Wie können Sie gegenüber den inhaftierten, teilweise gefolterten Oppositionellen

      in der Türkei ihre Aussage rechtfertigen, wonach Sie „in den besonders kritischen

      Bereichen Menschen - und Minderheitenrechte hofften, „dass sich eine liberale

      Position in dem Programm durchsetzen werde“, wobei es aber realistisch sei,

      damit zu rechnen, dass das Nationale Programm ein Kompromiss werde.

      Entscheidend sei aber dann die Umsetzung: „Man muss dem Land eine Chance

      geben, innere Prozesse zu fördern“?

 

8.   Haben Sie die Tötung von dutzenden Häftlingen durch türkische Polizeikräfte, die

      europaweit Empörung ausgelöst hat, gegenüber ihren Gesprächspartnern kritisch

      angesprochen? Wenn ja, gegenüber wem?

 

9.   Was veranlaßt Sie zur Erkenntnis, dass das „Nationale Programm“ lediglich ein

      Kompromiß zwischen Einhaltung der Menschenrechte und

      Menschenrechtsverletzungen sein werde?

 

10. Haben Sie gegenüber ihren Partnern darauf bestanden, dass es aus der Sicht

      Österreichs nicht bei diesem Kompromiss bleiben kann, und dass ein EU - Beitritt

      auf dieser Basis nicht möglich sei?

 

11. Wenn nein, weshalb nicht? Denken Sie, dass ein EU - Beitritt der Türkei auf Basis

      eines menschenrechtlichen „Kompromisses“ möglich sein könnte?