2051/J XXI.GP
Eingelangt am: 2. 3. 2001
ANFRAGE
des Abgeordneten Brosz, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft & Kultur
betreffend Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1. Klasse für Dr. Heinrich Gross
Dem Psychiater und Euthanasieexperten Dr. Heinrich Gross wurde mit
Entschließung des Bundespräsidenten vom 5. November 1975 das Österreichische
Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst 1 Klasse verliehen.
Dies, obwohl Dr. Gross in einem Volksgerichtsprozeß im Jahr 1950 wegen
Beteiligung an der Kindereuthanasie angeklagt, in erster Instanz verurteilt und das
Urteil nur wegen eines Formalfehlers aufgehoben worden ist, und in der Folge eine
neuerliche Anklage gegen Dr. Gross nur an dem Umstand gescheitert ist, dass die
Anklagebehörde in den Dr. Gross zur Last gelegten Verbrechen nur das Faktum des
(verjährten) Totschlags gegeben sah. Die Republik hat somit eine Person geehrt,
gegen die von seiten der Anklagebehörde immer der Verdacht des (verjährten)
Totschlags gegeben war und die wegen ihrer Beteiligung an der Kindereuthanasie
auch mehrmals im Zentrum öffentlicher Diskussionen war. Dr. Gross hat außerdem
unseres Wissens mit den Gehirnpräparaten der ermordeten Kinder wissenschaftliche
Forschung betrieben und auch versucht, seine Habilitationsschrift auf diese Arbeiten
zu stützen.
Bereits in der parlamentarische Anfrage 3799/J, XX. GP des Abgeordneten Öllinger
wurde der damalige Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr gefragt, ob es
eine Möglichkeit gibt, Dr. Gross das ihm zugesprochene Ehrenzeichen der Republik
wieder abzuerkennen. Diese Frage wurde in der Anfragebeantwortung 3760/AB wie
folgt beantwortet:
„Das Bundesgesetz vom 25. Mai 1955 über die Schaffung des Österreichischen
Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines Ehrenkreuzes für
Wissenschaft und Kunst, BGBl. Nr. 96/1955, sieht keine Aberkennung vor; im Falle
einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung wegen eines Verbrechens wäre eine
solche als contrarius actus grundsätzlich möglich.“
Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass im Antrag des
Bundesministers für Wissenschaft und Forschung folgende Begründung aufscheint:
„Seine wissenschaftlichen Verdienste auf dem Gebiete der Neuropathologie, hier vor
allem die Mißbildungen des Nervensystems betreffend, der Psychiatrie, forensischen
Psychiatrie und der Psychopharmakologie sind national wie auch international
anerkannt.“
Diese Begründung ist nach wie vor aufrecht. § 1.2. des Bundesgesetzes erhält
folgende Forumlierung: Das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und
Kunst wird an Personen des In - und Auslands verliehen, die sich durch besonders
hochstehende schöpferische Leistungen auf dem Gebiete der Wissenschaft oder der
Kunst allgemeine Anerkennung und einen hervorragenden Namen erworben haben.
Nach dem für Überlebende des Spiegelgrundes die Angelegenheit im Unterschied
zum Ministerium nicht erledigt war, wurden im Frühjahr 2000 Briefe an den
Bundespräsidenten sowie das nunmehr zuständige Bundesministerium für Bildung,
Wissenschaft und Kultur geschrieben, die den unfertigten Abeordneten vorliegen.
Zitat aus dem Antwortschreiben der Präsidentschaftskanzlei:
„Wie Ihnen bekannt ist, wurde der seinerzeitige Bundesminister für Wissenschaft und
Verkehr im Auftrag des Herrn Bundespräsidenten um Prüfung ersucht, ob ein
entsprechend begründeter Antrag auf Außerkraftsetzung der Entschließung, durch
die 1975 die Auszeichnungsverleihung erfolgte, unterbreitet werden kann. Einem
derartigen Antrag sowie einem diesbezüglichen Beschluss des Ministerrates würde
der Herr Bundespräsident selbstverständlich entsprechen.“
Das Schreiben des Bundesministeriums erhielt folgende Formulierung:
„Da, wie schon kurz erwähnt, den einschlägigen gesetzlichen Regelungen über die
Verleihung des Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst keine
Regelung über die Aberkennung dieser Auszeichnung enthalten ist, muss in einem
derartigem Fall auf die allgemeinen Grundsätze des Verwaltungsrechts und des
Verwaltungsverfahrens Bezug genommen werden. Angesichts des Umstandes, dass
die Zuerkennung staatlicher Auszeichnungen durch den Bundespräsidenten in der
Form eines Verwaltungsaktes erfolgt, stellt sich auch die Aberkennung einer
Auszeichnung, also der ,,contrarius actus“ als Verwaltungsverfahren dar, in welchem
vor einem Aberkennungsantrag dem Besitzer der Auszeichnung Gelegenheit zum
rechtlichen Gehör einzuräumen ist. Selbstverständlich gäbe es gegen die
Aberkennung selbst als Verwaltungsakt auch Rechtsmittel und eine Kontrolle durch
die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes.
Zur unabhängigen Klärung der Rechtslage und des gegebenen Sachverhaltes sowie
zur Vermeidung allfälliger Verfahrensfehler hat das Bundesministerium für Bildung,
Wissenschaft und Kultur daher auch zusätzlich ein Rechtsgutachten durch einen
universitären Fachvertreter des öffentlichen Rechts eingeholt, das in Kürze vorliegen
sollte.
Zusammenfassend kann ich Ihnen jedenfalls versichern, dass vom
Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur alles getan wird, um -
selbstverständlich unter Beachtung rechtsstaatlicher Voraussetzungen und
Verfahren - eine Aberkennung der an Herrn Dr. Heinrich Gross verliehenen
Auszeichnung zu erreichen.“
Nach dem auch bis Ende des Jahres 2000 kein Aberkennungsverfahren eingeleitet
wurde, forderte der stellvertretende Klubobmann der Grünen Penzing, Wolfgang
Krisch, Bundesministerin Gehrer in einem Schreiben vom 28.11.2000 nochmals
dazu auf und erhielt am 20. 12. 2000 auszugsweise folgende Antwort:
„Die diesbezüglichen Bestrebungen zur Aberkennung einer staatlichen
Auszeichnung bewegen sicher daher tatsächlich auf „juristischem Neuland“.
„Was die in Ihrem Schreiben erwähnte, in der Kanzlei des Herrn Bundespräsidenten
in Erfahrung gebrachte Aussage betrifft, wonach „in diesem Sinne lediglich ein
formeller Beschluss des Ministerrates genüge, um für die Zustimmung zu einer
Aberkennung der Ehrenzeichen des Dr. Heinrich Gross durch unseren
Bundespräsidenten die nötige Voraussetzung zu schaffen“ und wonach „in meinem
Ministerium Kompetenzen bestehen sollen“, so muss ich zu meinem Bedauern
darauf hinweisen, dass weder die Sach - noch die Rechtslage so eindeutig ist.
Tatsache - und dies wird auch durch Rechtsgutachten untermauert - ist, dass
einerseits das bereits schon zitierte Bundesgesetz über die Schaffung eines
Österreichischen Ehrenzeichens für Wissenschaft und Kunst und eines
Österreichischen Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst keine rechtliche
Grundlage für die Aberkennung oder Entziehung einer derartigen Auszeichnung
bietet, andererseits aber die Verleihung einer staatlichen Auszeichnung ganz
allgemein einen Verwaltungsakt mit einem (positiven) Bescheid, der überdies in
Rechtskraft erwachsen ist, darstellt.
Ein derartiger in Rechtskraft erwachsener Bescheid, kann allerdings im
rechtsstaatlichem Sinn nur unter außergewöhnlichen Voraussetzungen aufgehoben
werden, wobei insbesondere ein Ermittlungsverfahren damit verbunden sein muss.
Ein derartiges Ermittlungsverfahren zur Aufhebung eines Bescheides und damit zur
Durchbrechung der materiellen Rechtskraft eines derartigen Bescheides wird aber
ganz bestimmte Voraussetzungen vorbedingen. Eine der denkbaren Möglichkeiten
wäre eine gerichtliche Verurteilung in dem bereits vorbezeichneten gerichtlichem
Verfahren, wobei gleichzeitig wieder die Schwäche darin besteht, dass weder das
Strafrecht etwa die Nebenfolge der Aberkennung einer verliehenen staatlichen
Auszeichnung vorsieht, noch das zitierte Bundesgesetz über die Verleihung des
Ehrenkreuzes für Wissenschaft und Kunst selbst eine derartige Aberkennung oder
Entziehung einer verliehenen Auszeichnung ermöglicht.
Von den allenfalls sinngemäß anzuwendenden Eingriffstatbeständen des
allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes AVG (Abänderung und Behebung
eines Bescheides von amtswegen; Wiederaufnahme eines Verfahrens) käme
lediglich allenfalls der in § 68 c Abs. 3 AVG angesprochene Fall einer Aufhebung zur
„Wahrung des öffentlichen Wohles zur notwendigen und unvermeidlichen Abwehr
schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen“ in Betracht. Eine Voraussetzung mit
einem Sachverhalt, der in einem Verwaltungsverfahren mit Parteiengehör zu prüfen
und zu beweisen wäre.
Ein derartiges rechtsstaatliches Verfahren muss selbstverständlich auch vor der
möglichen Überprüfbarkeit durch
die Höchstgerichte mit einer auf
diesem Gebiet noch nicht bestehenden Rechtssprechung gesehen werden.
Indem ich Sie für diese Sach - und Rechtslage um Verständnis bitte verbleibe ich mit
freundlichen Grüßen
E. Gehrer“
Dieses letzte Schreiben erweckt den Eindruck, dass das Ministerium zumindest vor
einer gerichtlichen Verurteilung kein Aberkennungsverfahren einleiten wird. Eine
solche Verurteilung ist aber durch den Gesundheitszustand von Dr. Gross fraglich.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Werden Sie ein Verfahren zur Aberkennung des Ehrenkreuzes für Wissenschaft
und Kunst im Fall Dr. Heinrich Gross einleiten?
2. Wenn ja, wann?
3. Wer kann ein solches Verfahren einleiten?
4. Erachten Sie die seinerzeitige Begründung, dass die wissenschaftlichen
Verdienste auf dem Gebiete der Neuropathologie, hier vor allem die
Mißbildungen des Nervensystems betreffend, der Psychiatrie, forensischen
Psychiatrie und der Psychopharmakologie von Dr. Heinrich Gross national wie
auch international anerkannt sind, angesichts der mittlerweile auch eine breiten
Öffentlichkeit bekannten Fakten nicht ebenfalls für beschämend?
5. Wie würden Sie als Bundesministerin reagieren, wenn sie davon Kenntnis
erlangen, dass jemand, der für Verdienste um Wissenschaft und Kunst mit dem
Ehrenkreuz ausgezeichnet wurde, die Leistungen nicht selbst erbracht hat?
Würden Sie in einem solchen Fall ein Aberkennungsverfahren einleiten?
6. Halten Sie eine Änderung des Gesetzes hinsichtlich der Möglichkeit einer
Aberkennung für erforderlich?
7. Gibt es vergleichbare Bundesgesetze bei denen eine Aberkennung der
Ehrenzeichen vorgesehen ist? Wenn ja, welche?