2228/J XXI.GP
Eingelangt am:28.03.2001
der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Wirtschaft & Arbeit
betreffend schwere Menschenrechtsverletzungen im Sudan aufgrund von
Ölgeschäften der OMV
Das islamistische (nord)sudanesische Regime unter General Omar Hassan Ahmad
al Bashir führt seit Jahrzehnten einen grausamen, blutigen Bürgerkrieg gegen die
Völker im Süden des Landes. Die reichen Ölvorkommen im Land spielen eine
zentrale Rolle im Konflikt der Völker. Die Ölfelder liegen zum Großteil in der
südlichen Region des Landes, der Profit bleibt aber in den Händen des Regimes.
Nach Aussagen von (nord-)sudanesischen Politikern und Regierungsvertretern wird
ein wesentlicher Teil der staatlichen Einnahmen aus dem Ölgeschäft (210.000 Barrel
Rohöl pro Tag im Jahr 2000) in Waffenkäufe angelegt (327 Mio. US$
Militärausgaben im Jahr 2000). Waffen, die dann im Bürgerkrieg gegen die
südsudanesische Bevölkerung zum Einsatz kommen und eine Politik der
„verbrannten Erde“ unterstützen. Was von dem Ölgeld in den Ausbau von
Infrastruktur, Sozial - und Bildungswesen gesteckt wird, bleibt im Nordsudan hängen.
Die Völker des Südsudans, auf deren Land die auf bis zu drei Milliarden Barrel Rohöl
geschätzten Reserven liegen, gehen nicht nur völlig leer aus, sondern sind
Vertreibung und Völkermord ausgesetzt.
Im Zusammenhang mit Vorwürfen an die im Sudan aktive kanadische Ölfirma
Talisman erstellte im Jänner 2000 John Harker (ein Vertreter des kanadischen
Aussenministeriums) für den kanadischen Aussenminister einen Bericht über die
Menschenrechtssituation im Sudan („Human Security in Sudan: The Report of a
Canadian Assessment Mission“). Darin heisst es, dass im August 1999 acht
Angehörige des Nuerstammes beim Heglig - Ölfeld umgebracht worden seien und die
Präsenz von Ölfirmen im Südsudan die Menschenrechtssituation verschlimmere. Die
von den Ölfirmen erbauten Strassen hätten der Armee eine Offensive ermöglicht,
und die Luftwaffe benütze das Flugfeld. Die Erschliessung der Ölfelder habe zur
Vertreibung von zahlreichen Menschen geführt. Auch Berichte von
Menschenrechtsorganisationen machen klar, dass die Präsenz der Ölindustrie im
Südsudan zumindest solange zur Verschärfung des Konfliktes beträgt, solange es
keinen dauerhaften, nationalen Frieden im Land gibt.
Das österreichische Unternehmen OMV Aktiengesellschaft (zu 35% im Besitz der
ÖIAG) ist seit Februar 1997 am Explorationsblock 5A im Südsudan mit 26,1%
beteiligt, die schwedische Firma Lundin als Betriebsführer mit 40,4%, Petronas
(Malaysien) mit 28,5% und die sudanesche Firma Sudapet mit 5%. Die OMV
verkündete kürzlich, dass ihre 100%ige Tochterfirma OMV (Sudan) Exploration
GmbH einen bedeutenden Ölfund im Sudan getätigt habe. Die Explorationsbohrung
„Thar Jath 1“ war die erste in
Block 5A, die von diesem Konsortium abgeteuft wurde.
Der OMV Vorstand über den erfolgreich abgeschlossenen Fördertest: "OMV
Exploration hat in den letzten Monaten eine beeindruckende Serie neuer Ölfunde
getätigt, Thar Jath jedoch hat das Potential, bei weitem der größte Fund zu sein.“
Dieser Erfolg des Geschäftsbereiches Exploration & Produktion der OMV im Sudan
sei ein bedeutender Schritt zur Umsetzung der gesetzten strategischen Ziele, die
Region Nordafrika/Mittlerer Osten weiter forciert auszubauen. Die
Explorationsarbeiten in Block 5A würden weitergeführt - zusätzlich seien seismische
Messungen in diesem Block noch für das laufende Jahr geplant. Die Bohranlage
werde nun zu „Jarayan - 1“ - 12 km südöstlich des neuen Fundes - verlegt, wo
anschließend die Erweiterungsbohrung „Thar Jath - 2“ abgeteuft werden solle, so die
OMV in einer Presseaussendung am 5. März 2001.
Die OMV und ihre Tochterfirmen sind nach eigener Darstellung nur zu
Explorationszwecken tätig, und zwar in einem Gebiet in der Nähe der Städte Koch,
Leer und Adok. Nach Angaben der OMV ist diese Region „praktisch unbesiedelt“.
Den unterfertigten Abgeordneten liegen aber Meldungen gegenteiligen Inhalts vor:
Im und im unmittelbaren Umfeld des Block 5A haben sudanesische
Regierungstruppen (Government of Sudan - GOS - Truppen) und regierungsnahe
Truppen Siedlungen (z.B. Chotyiol, Dhorbor, Guit, Nhialdiu, Kuach) überfallen,
ausgeraubt und zum Teil niedergebrannt. Die BewohnerInnen wurden teilweise
ermordet oder vertrieben. Tausende Menschen waren und sind auf der Flucht vor
den Truppen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Mit wieviel Prozent ist die OMV an welchen Explorationen im Südsudan beteiligt,
wie hoch ist das Investitionsvolumen und mit welchen Unternehmen wurden
Kooperationen und Joint Ventures eingegangen?
2. Wieviele und welche OMV - Tochterfirmen wurden im Südsudan gegründet?
3. Wieviel in - und ausländisches Personal ist bei der OMV im Südsudan im Einsatz
und wie wird sichergestellt, dass keine führenden Einsatzkräfte des
sudanesischen Militärs beschäftigt werden?
4. Werden Sie im Lichte des Harker - Reports, der bestätigt, dass der Krieg im
Südsudan solange andauern würde, solange die Ölindustrie im Einsatz sei, die
OMV auffordern, ihre Aktivitäten einzustellen? Wenn ja, in welcher Weise? Wenn
nein, warum nicht?
5. Sollten die Aktivitäten der OMV nicht eingestellt werden: Inwiefern werden Sie auf
die Geschäftsführung einwirken,
damit sie die Tatsache anerkennt, dass im Explorationsgebiet bzw. in dessen
unmittelbarem Umfeld Menschen leben,
damit es zu einer Einbindung der lokalen Bevölkerung in sämtliche
Entscheidungen betreffend Ölexplorationen und Ölförderungen kommt
und damit es zu einer vorübergehenden Einstellung der Ölexplorationstätigkeit
kommt, bis ein dauerhafter
Friede erreicht ist?
6. Welche weiteren österreichischen Öl - bzw. Infrastrukturprojekte mit oder ohne
OMV - Beteiligung sind im Sudan geplant? Wurden dafür und/oder für die
Explorationen des Blocks 5A Exportförderungen oder sonstige öffentliche Mittel
(Rahmen - II - Kredite, Other Official Flows oder Mittel aus dem Bundesbudget)
beantragt oder genehmigt? Wenn ja, welche Projekte, welche Firmen sind daran
beteiligt und wieviele Kredite bzw. Mittel wurden in welcher Höhe gewährt?
7. Bekanntlich ist die OMV am Explorationsblock 5A im Südsudan mit 26,1%
beteiligt, die schwedische Firma Lundin als Betriebsführer mit 40,4%, Petronas
(Malaysien) mit 28,5% und die sudanesche Firma Sudapet mit 5%. Wie ist die
Arbeitsaufteilung und Kommunikation zwischen diesen Unternehmen organisiert
und was sind die gemeinsamen Pläne für die nächsten Jahre?
8. Lässt die OMV zu, dass die von ihr und den anderen Ölfirmen erbauten Strassen
und Flugfelder von der sudanesischen Armee benützt werden? Wenn ja, was
werden Sie dagegen unternehmen?
9. Von welchen zu erwartenden Fördermengen geht die OMV aus und was sind ihre
strategischen Ziele in Nordafrika/Mittlerer Osten?
10. Welche Flächen werden für die Exploration des Block 5A bzw. für Aktivitäten der
OMV in Anspruch genommen und gab es in diesem Gebiet
Menschenrechtsverletzungen oder Vertreibungen?
11. Stimmt es, dass im unmittelbaren Umfeld des Block 5A einige Ortschaften bzw.
Siedlungen liegen und dass sich in der Stadt Leer noch im Mai des Vorjahres ca.
17.000 Menschen befunden haben, die mittlerweile durch Angriffe von
Regierungstruppen vertrieben wurden?
12. Wieviele Menschen wurden bisher im Gebiet des Block 5A getötet oder
vertrieben?
13. Stimmt es, dass die sudanesische Regierung im April 2000 Truppen in das Erdöl -
Gebiet entsandte, die die umliegenden Dörfer zerstörten und plünderten sowie
die BewohnerInnen vergewaltigten und ermordeten? Wieviele Menschen, Dörfer,
Häuser waren von diesem Überfall betroffen?
14. Stimmt es, dass Zerstörungen von Häusern, des Viehbestandes und von Feldern
durch Truppen der Sudanesischen Regierung an der Tagesordnung sind?
15. Stimmt es, dass diese Politik der „verbrannten Erde“ verfolgt wird, um das Gebiet
für die Ölexploration und die spätere Ölförderung menschenleer zu machen?
16. Die OMV gibt an, kaum Kontakt zur lokalen Bevölkerung zu haben. Halten Sie
diese „Vogel - Strauss - Politik“ angesichts der augenscheinlichen
Menschenrechtsverletzungen für gerechtfertigt?
17. Wann und in welcher Form hat die OMV die lokale Bevölkerung in ihrer
Vorbereitungen
zur Ölförderung einbezogen?
18. Gab es Bemühungen der OMV, die lokale Bevölkerung in Entscheidungen
miteinzubeziehen? Wenn ja, welche?
19. Wie beurteilen Sie das Argument der OMV, man handle nach den „gültigen
Gesetzen und Verordnungen“ des Landes, wohl wissend, dass diese im
Widerspruch zu den grundlegendsten Bedürfnissen der lokalen Bevölkerung
stehen?
20. Gibt es eine Veröffentlichung aller Verträge der OMV mit der sudanesischen
Regierung? Wenn ja, wo sind diese veröffentlicht? Wurden sie auch in einer
Form und Sprache veröffentlicht, die für die lokale Bevölkerung verständlich ist?
21. Beinhalten diese Verträge auch Umweltschutzmassnahmen, soziale und
Menschenrechtsfragen und wenn ja, welche?
22. Nach Aussagen von (nord - )sudanesischen Politikern und Regierungsvertretern
wird ein wesentlicher Teil der staatlichen Einnahmen aus dem Ölgeschäft für
Waffenkäufe verwendet - Waffen, die dann im Bürgerkrieg gegen die
südsudanesische Bevölkerung zum Einsatz kommen. Wie beurteilen Sie diese
Aussagen und welche Konsequenzen sind daraus zu ziehen?
23. Wie beurteilen Sie Berichte der Gesellschaft für bedrohte Völker, von Amnesty
International, Christian Aid sowie Aussagen von Rechtsvertretern und
maßgeblichen Kirchenvertretern, dass die Präsenz der Ölindustrie im Südsudan
zumindest solange zur Verschärfung des Konfliktes beiträgt, solange es keinen
dauerhaften, nationalen Frieden im Land gibt?
24. Wie ist die beschriebene Vorgangsweise der OMV mit ihrem
Unternehmensleitbild vereinbar, dass sich ihre „Arbeit an der Verantwortung für
den Menschen“ orientiere?
25. Welche Massnahmen als Zeichen der Mißbilligung der Bombenangriffe im Süden
des Sudans haben Sie gesetzt bzw. werden Sie setzen?
26. Werden Sie das Ende der Menschenrechtsverletzungen in der Ölregion und im
gesamten Südsudan zur Voraussetzung jeglicher Zusammenarbeit mit der
sudanesischen Regierung machen? Wenn ja, an welche konkreten Schritte ist
gedacht, wenn nein, warum nicht und welche sonstigen Massnahmen werden Sie
ergreifen?
27. Was werden Sie unternehmen, damit unabhängige BeobachterInnen und
JournalistInnen in das Ölgebiet im Südsudan zugelassen werden?