2293/J XXI.GP

Eingelangt am: 04-04-2001

 

ANFRAGE

 

der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen

 

betreffend Verurteilung (§178 StGB) trotz Befolgung der Safer - Sex - Regeln im

Zusammenhang mit Hiv und Aids

 

Den unterzeichneten Abgeordneten wurde bekannt, dass ein Hiv - positiver Mann

derzeit. eine dreimonatige Haftstrafe unter anderem deshalb verbüßen muß, weil er

die Verhaltensmaßregeln Ihres Ressorts und der von Ihnen finanzierten Aids - Hilfen

befolgte.

 

Der heute 34jährige Mann wurde im Juli 1999 durch das Landesgericht Klagenfurt zu

einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt, weil er als Hiv - positiver Mann mit anderen

Männern sexuelle Kontakte (Oral - und Analverkehr) hatte (LG Klagenfurt 19.07.1999,

13 Evr 70/99). Die Verurteilung beruht ausschließlich auf der Aussage des

Verurteilten, in der dieser angegeben hatte, dass er mit seinen Partnern stets

Analverkehr mit und Oralverkehr ohne Kondom hatte. Diese Aussage wurde von

einem seiner Partner bestätigt. Andere Beweisergebnisse gab es nicht. Dennoch

verurteilte das Gericht den Mann aktenwidrig - nicht nur wegen Analverkehrs ohne

Kondom sondern auch wegen Oralverkehrs ohne Kondom.

 

Das Gericht qualifizierte nicht nur Analverkehr ohne Kondom (dies zwar rechtsrichtig

jedoch eben auf Grund aktenwidriger Feststellung) sondern auch Oralverkehr ohne

Kondom generell (für einen Samenerguß in den Mund gab es keinerlei

Anhaltspunkte) als „Handlungen, die geeignet sind, die Gefahr der Verbreitung von

übertragbaren Krankheiten herbeizuführen“ und verurteilte den Mann demgemäß auf

Grund des § 178 des Strafgesetzbuches („Vorsätzliche Gefährdung von Menschen

durch übertragbare Krankheiten“). Dies obwohl Oralverkehr ohne Kondom (und bei

Durchführung des Oralverkehrs an dem Hiv - Positiven: ohne Samenerguß in den

Mund) den von den österreichischen Gesundheitsbehörden und Aids - Hilfen

propagierten Verhaltensregeln („Safer Sex“) entsprechen.

 

Weil er mit einem dieser Männer im Sommer 1997 ein Monat vor dessen 18.

Geburtstag sexuellen Kontakt hatte, verurteilte ihn das Klagenfurter Landesgericht

auch auf Grund des antihomosexuellen Sonderstrafgesetzes § 209 StGB. Obwohl

der damals 30jährige Mann den 17 Jahre und 11 Monate alten jungen Mann lediglich

oral befriedigte sah der Richter auch in diesem Fall die Gefahr der Übertragung des

Hi - Virus (!) und damit den § 178 StGB als erfüllt an. Die Strafe: 1 Jahr Freiheitsstrafe,

davon drei Monate unbedingt.

 

Der Verurteilte verzichtete auf Anraten seines Verteidigers, der ein Rechtsmittel für

aussichtslos hielt, auf Rechtsmittel. Der Bundesminister für Justiz lehnte Ende

Februar 2001 das Gnadengesuch „im Hinblick auf die Schwere der der

gegenständlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat“ (!) ab, weshalb der

Mann die Freiheitsstrafe nun zwei Tage vor seinem 34. Geburtstag anzutreten hatte.

Aus einem unbedingten Teil einer teilbedingten Freiheitsstrafe gibt es auch keine

vorzeitige Entlassung.

 

Seit Jahren propagieren sowohl Ihr Ressort, sehr geehrter Herr Bundesminister, als

auch die von Ihnen finanzierten Aids-Hilfen als wirksame Prävention gegen eine

Ansteckung mit Hiv „Safer Sex" - Regeln für homo - und bisexuelle Männer, die neben

der Verwendung von Kondomen beim Analverkehr (Die Aids - Hilfen Österreichs:

Sicherer Sex für schwule Männer, 1994, S. 3ff; Die Aids - Hilfen Österreichs: Sex unter

schwulen Sternen, 2000, S. 3; BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Gib Aids

keine Chance, 1999, S. 11f) auch die Hintanhaltung eines Samenergusses in den

Mund des Hiv - negativen Partners beinhalten (Die Aids - Hilfen Österreichs: Sicherer

Sex für schwule Männer, 1994, S. 3ff; Die Aids - Hilfen Österreichs: Sex unter

schwulen Sternen, 2000, S.3; BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Gib Aids

keine Chance, 1999, S. 11f). Die orale Befriedigung des Hiv - negativen Partners

durch den Hiv - positiven wird stets als generell völlig risikolos präsentiert (BM für

Arbeit, Gesundheit und Soziales: Gib Aids keine Chance, 1999, S. 11); die orale

Befriedigung des Hiv - positiven Partners durch den Hiv - negativen, zumindest dann,

wenn kein Samenerguß in den Mund erfolgt, als bloß theoretisches, entfernt

denkbares, nicht jedoch praktisches (Rest)Risiko, sowie dies etwa auch bei

Analverkehr unter Verwendung von Kondomen besteht, weshalb lediglich empfohlen

wird, nicht in den Mund zu ejakulieren (Die Aids - Hilfen Österreichs: Sicherer Sex für

schwule Männer, 1994, S. 3ff; Die Aids - Hilfen Österreichs: Sex unter schwulen

Sternen, 2000, S. 3; BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Gib Aids keine Chance,

1999, S.11).

 

Diese Verhaltensempfehlungen entsprechen jenen in der Bundesrepublik

Deutschland (Deutsche Aids - Hilfen: von Mann zu Mann, 1997, S. 5; Bundeszentrale

für gesundheitliche Aufklärung: Safer Sex ... sicher, 1996, S. 15, 19), in den USA

(U.S. Department of Health and Human Services, National Institutes of Health: Safer

Sex Knowledge Base, NIH Information BBS, Washington D.C. 1993, ) und auf

internationaler Ebene (UNAIDS, AIDS and men who have sex with men, Technical

Update, May 2000, p. 4, 6), wobei UNAIDS zur Hiv - Prävention die Propagierung von

Oralverkehr anstatt Analverkehr (auch mit Kondom) sogar generell, ohne

Unterscheidung nach einem etwaigen Samenerguß in den Mund, empfiehlt

(UNAIDS, AIDS and men who have sex with men, Technical Update, May 2000, p.

6).

 

UNAIDS lehnt Tatbestände wie jene der §§ 178,179 StGB ab, die über die

Körperverletzungstatbestände hinaus die Übertragung bzw. die Gefährdung durch

eine potentielle Übertragung des Hi - Virus kriminalisieren, weil sie einer effektivenn

Aids - Prävention zuwiderlaufen (UNAIDS, Handbook for Legislators on HIV/AIDS,

Law and Human Rights, 1999, p. 11, 50ff; UNAIDS, AIDS and men who have sex

with men, Technical Update, May 2000, p. 6). Für den Fall, dass sich Staaten

dennoch zu solchen Tatbeständen entschließen, sollten solche Tatbestände laut

UNAIDS restriktiv als ultima ratio Anwendung finden und die Befolgung der Safer

Sex Regeln jedenfalls eine Strafe ausschließen (UNAIDS, Handbook for Legislators

on HIV/AIDS, Law and Human Rights, 1999, p. 11, 53).

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

ANFRAGE:

 

1. Teilen Sie die Ansicht der unterzeichneten Abgeordneten im Einklag mit

    UNAIDS, dass die strafrechtliche Verfolgung und Verurteilung Hiv -

    positiver Menschen für sexuelle Kontakte mit Hiv - negativen Menschen

    trotz Befolgung der Verhaltensempfehlungen der Gesundheitsbehörden

    und der Aidshilfen dem Anliegen einer effektiven Hiv - und Aids - Prävention

    zuwiderlaufen und daher eine Gefahr für die Volksgesundheit darstellen?

    Wenn ja: welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?

    Wenn nein: warum nicht?

 

2. Werden Sie sich mit dem Herrn Bundesminister für Justiz mit dem Ziel ins

    Einvernehmen setzen, dass Maßnahmen (etwa im Erlasswege) ergriffen

    werden, um künftig die strafrechtliche Verfolgung für Safer - Sex - Kontakte

    hintanzuhalten?

    Wenn ja: wann?

    Wenn nein: warum nicht?

 

3. Werden Sie auf eine Gesetzesänderung hinwirken, durch die sichergestellt

    wird, dass die Tatbestände der §§ 178,179 StGB nicht erfüllt sind, wenn

    gesundheitsbehördliche Verhaltensempfehlungen eingehalten werden?

    Wenn ja: welche konkreten Schritte werden Sie wann setzen?

    Wenn nein: warum nicht?

 

4. Für den Fall, dass Sie die Frage 1 bejahen und die Fragen 2 und 3

    verneinen: wie können Sie dies mit der verfassungsrechtlichen

    Anforderung der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit der

    gesamten staatlichen Verwaltung (Art. 126b Abs. 5 B - VG) vereinbaren?