230/J XXI.GP
ANFRAGE
der Abgeordneten Scheibner, Dr. Ofner
an den Bundesminister für Justiz
betreffend strafrechtliche Verfolgung der DDR - Spionage in Österreich
Bekanntlich arbeitet die sogenannte ,,Gauck - Behörde“ in Deutschland seit Jahren die
frühere Tätigkeit des Staatssicherheitsdienstes der DDR auf. Die Entschlüsselung der
zufällig unversehrt aufgefundenen Datenbänder über die Auslandsspionage der DDR
war bis Herbst vorigen Jahren nicht möglich. Die darin enthaltenen Daten werden nun
aufgearbeitet; sie sind aber so lange nur von beschränktem Wert, als die Namen der
Agenten der DDR nicht bekannt sind. Die Zentralkartei der Decknamen und der echten
Namen der Auslandspione befindet sich aber in den Händen des US - amerikanischen
CIA.
Wie wichtig diese Vorgänge für Österreich sind, ergibt sich allein schon daraus, daß sich
angeblich immerhin 3.929 Datensätze von 180.564 mit Spionagetätigkeiten in Öster -
reich beschäftigen. Die ersten 740 davon wurden bereits ausgewertet und enthalten
angeblich Informationen über 40 DDR - Spione in Österreich. Nach den bisher im
„Kurier“ veröffentlichten Information soll es zumindest im Außenministerium, in der
SPÖ und in der ÖVP Spione in Spitzenpositionen gegeben haben. Angeblich waren aber
auch die Jüdische Gemeinde in Wien, der Flughafen Schwechat, aber auch der U - Bahn -
Bau und andere öffentliche Aufträge Ziele der DDR - Spionage. In den letzten Jahren
wurden auch immer wieder Personen genannt, die angeblich für die DDR spioniert
haben sollen. Bisher wurden aber die entsprechenden Informationen aus Deutschland
und den USA nicht zur Verfügung gestellt, weil dies nur im Rahmen der Rechtshilfe in
Strafsachen möglich wäre und nach Angaben des Bundesminister für Inneres sogar für
konkrete Strafverfahren bisher keine direkte Einsicht in die Akten gewährt wurde.
Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang, daß allein das Bundesministerium für Justiz
nach den Regeln der Rechtshilfe in Strafsachen in der Lage ist, die einschlägigen Infor -
mationen von den ausländischen Behörden zu erlangen. Da für die DDR tätige Spione
durchaus später im Dienst anderer Auftraggeber gearbeitet haben könnten, die Infor -
mationen aus den DDR - Akten auch geeignet sein könnten, ev. Nachfolger in der Spio -
nagefunktion aufzudecken und die landesverräterischen Tätigkeiten wenn schon nicht
strafrechtlich, so jedenfalls dienstrechtlich auch heute noch von hohem Interesse sind,
halten es die Anfragesteller für im gesamtstaatlichen Interesse gelegen, wenn die Justiz -
behörden selbst den bereits verjährten Verdachtsfällen bis ins Detail nachgehen. Sie
richten daher an den Herrn Bundesminister für Justiz die nachstehende
Anfrage:
1. Welche Strafverfahren wurden im Zusammenhang mit dem Verdacht von Spionage -
tätigkeiten für die DDR in Österreich bisher jemals eingeleitet?
2. Wo waren die von den Strafverfahren betroffenen Verdächtigen jeweils tätig?
3.
Welches Delikts wurden sie jeweils verdächtigt?
4. Bei welchen dieser Strafverfahren wurde bisher seitens der österreichischen Strafver -
folgungsbehörden konkret versucht, Informationen von der ,,Gauck - Behörde“ aus
Deutschland oder aus der beim CIA befindlichen Zentralkartei der Deck - und
Echtnamen von DDR - Spionen aus den USA zu erhalten?
5. Wann sind die entsprechenden Rechtshilfeersuchen ergangen und wie wurden sie
jeweils beantwortet?
6. In welchen Fällen wurden Informationen aus den genannten Quellen an die
österreichische Justiz weitergegeben? Um welche Informationen handelt es sich
jeweils? Wie wurden die betroffenen Verfahren jeweils abgeschlossen oder in
welchem Stadium befinden sie sich derzeit?
7. Wenn auf einschlägige Rechtshilfeersuchen vom betroffenen Staat keine Informa -
tionen erteilt wurden, welche Schritte haben Sie gesetzt, um die Einhaltung der
Rechtshilfeabkommen durchzusetzen?
8. Bei welchen der bisher schon eingeleiteten Strafverfahren wurde kein einschlägiges
Rechtshilfeersuchen um Übermittlung von Informationen gestellt? Warum ist dies
jeweils unterblieben? Wie wurden diese Verfahren jeweils abgeschlossen oder in
welchem Stadium befinden sie sich derzeit?
9. Werden Sie veranlassen, daß die Medienberichte der letzten Tage, die konkrete
Verdachtsmomente gegen Mitarbeiter bestimmter Institutionen enthalten, von der
Staatsanwaltschaft zum Anlaß genommen werden, Strafverfahren gegen die in
Österreich seinerzeit tätigen Spione der DDR einzuleiten und in der Folge die
genauen Informationen im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens anzufordern? Wenn
nein, warum nicht? Wenn ja, wann ist mit entsprechenden Aktivitäten zu rechnen,
damit nicht alle Straftaten sollten sie nicht auch noch nach dem Ende der DDR für
andere Auftraggeber fortgesetzt worden sein - verjähren?
10. Werden Sie sich - zumal nur die Justiz rechtlich befugt ist, die einschlägigen Infor -
mationen aus dem Ausland anzufordern - dafür einsetzen, daß im Interesse der Re -
publik Österreich auch die Spionagefälle zugunsten der DDR restlos aufgeklärt wer -
den, die nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden können, damit gegen die Spione
zumindest dienstrechtlich vorgegangen und weitere Gefahren für Österreich etwa
durch eine weitergehende Spionagetätigkeit für neue Auftraggeber oder andere
Formen des Treuebruchs hintangehalten werden können? Wenn nein, warum nicht?