2379/J XXI.GP
Eingelangt am: 04.05.2001
der Abgeordneten Dr. Kostelka
und GenossInnen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend höchst hinterfragungswürdige Vorgänge in der Spitzelaffäre
Der Endbericht der Wiener Wirtschaftspolizei über die Spitzelaffäre hat eine neue Dynamik
in diese Causa gebracht. Mehrere Wochenmagazine berichten ausführlich darüber und
kommentieren äußerst kritisch die Vorgangsweise der Staatsanwaltschaft.
So heisst es etwa im Falter 17/01: „Die Staatsanwaltschaft hat den Endbericht zur
Spitzelaffäre von politisch heiklen Fakten in den Fällen Jörg Haider, Ewald Stadler säubern
lassen. Ein Vergleich mit dem ungesäuberten Bericht illustriert, wie sich die Anklagebehörde
von der Hüterin der Gesetze zum Leibwächter der Politiker degradiert.“
Die genannte Einschätzung ist aber kein Einzelfall. Das Format Nr. 17/01 schreibt über den
„vorläufigen Abschlussbericht“, datiert mit 19.1.2001: „Er enthält eine Reihe von Passagen,
die im offiziellen Endbericht nicht mehr vorhanden sind. Etwa Verdachtsmomente gegen Jörg
Haider und den niederösterreichischen FP - Landesrat Ewald Stadler, die von den Fahndern
zusammengetragen, von der Staatsanwaltschaft jedoch als verjährt oder nicht
verfahrensrelevant ausgeschieden wurden... - was an ihrer politischen Relevanz freilich
wenig ändert. ‚Der Kärntner Landeshauptmann Dr. Jörg Haider dürfte in das System der
Informationsbeschaffung eingeweiht gewesen sein‘, heisst es im vorläufigen Abschlussbericht
noch.“
Und der Top - Journalist Alfred Worm kommentiert im News Nr. 17/01: „Nach dem Stand der
Vorerhebungen haben sich Mandatare bei AUF - Polizisten Informationen beschafft‘ um
unliebsame Personen bzw. Personengruppen (Ausländer) zu desavouieren; befreundete
Journalisten und Medien mit einschlägigen Nachrichten zu versorgen; oder um politische
Gegner in der Öffentlichkeit anzuschwärzen. Der lange Arm der Aktenbeschaffung reichte
hinein bis ins Privatleben einer Kanzlersekretärin oder in Ausländerheime der Caritas.
Polizisten als Informationsbeschaffer wurden
für ihre gesetzwidrigen Dienste finanziell
honoriert - als Spesennachweis dienten ‚getürkte‘ Kilometergeldabrechnungen. Die
strafrechtliche Tragweite dieser Vorgänge ist vorerst noch nicht absehbar, zumal sich die
Staatsanwaltschaft aus offensichtlichen Gründen mit der Verfassung von Anklagen viel Zeit
lässt.“
Einer der schwerwiegendsten im Raum stehenden Vorwürfe besteht wohl darin, dass - laut
Falter - Bericht - das Innenministerium die Anklagebehörde ersucht hätte, „den ersten Bericht
um ein paar brisante Stellen zu bereinigen.“
Aber auch die Tagespresse nimmt die neuen Entwicklungen in der Spitzelaffäre durchaus
kritisch zur Kenntnis, so heisst es beispielsweise im Standard vom 23. April 2001: „Im
Abschlussbericht der Wirtschafispolizei vom 23. März des heurigen Jahres zum
Spitzelskandal an die Staatsanwaltschaft werden insgesamt 21 Verdächtige und 24 konkrete
Fakten angeführt. Im ursprünglichen Bericht, der am 23. Jänner bei der Staatsanwaltschaft
eingelangt ist, waren es noch 36 Verdächtige und 43 Fakten. Auf ‚Ersuchen‘ der
Staatsanwaltschaft musste dieser Bericht noch einmal ‚überarbeitet‘ werden. Ergibt insgesamt
40 Seiten weniger. Während ein Teil der Erhebungen an andere Staatsanwaltschaften, etwa in
Klagenfurt oder Graz, abgetreten wurde, fielen die Fakten zu Jörg Haider, Ewald Stadler und
Haiders früherem Sekretär Gerald Mikscha zur Gänze weg.“
Da im gegebenen Zusammenhang erhebliche Ungereimtheiten vorzuliegen scheinen bzw. die
Vorgangsweise der Anklagebehörde in höchstem Maße aufklärungswürdig erscheint, stellen
die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz nachstehende
Anfrage:
1. Kann man die Einschränkung der Faktenkreise und des Kreises der Verdächtigen in
der gegenständlichen Causa im endgültigen Bericht vom März dieses Jahres
gegenüber dem vorläufigen Bericht vom Jänner dieses Jahres uneingeschränkt
sachlich rechtfertigen und wenn ja, wie?
2. Entspricht es den Tatsachen, dass die Anklagebehörde das Innenministerium ersucht
hätte, den ersten Bericht
„um ein paar brisante Stellen zu bereinigen“?
3. Wie beurteilen Sie die im genannten Falter - Artikel dargelegte Einschätzung „aus dem
Innenministerium“, nach welcher es sich dabei „um einen ungewöhnlichen Wunsch“
handle?
4. Entspricht es den Tatsachen, dass Teile der Spitzelaffäre ausgeblendet werden
sollten, obwohl in der Sache noch nicht einmal alle Zeugen vernommen wurden?
5. Warum wurden die im gegebenen Zusammenhang in Frage kommenden Zeugen
nicht einvernommen?
6. Warum hat der Staatsanwaltschaft die Aussage Dr. Jörg Haiders, er sei „nie an
Kleindienst herangetreten, um Akten zu keilen“ genügt, um - wie der Falter berichtet
- die Ermittlung ohne Begründung einzustellen und ohne den Fall einem Richter
vorzulegen und die Fakten aus dem Bericht der Wirtschaftspolizei zu entfernen?
7. Warum wurde von Seiten der Staatsanwaltschaft nicht weiter danach geforscht‘ wie
Hans - Jörg Schimanek zu den Unterlagen in Zusammenhang mit dem
Bombenanschlag in Ebergassing gekommen ist?
8. Im genannten Falter wird über eine Anzeige der Wirtschaftspolizei wegen versuchter
Anstiftung zur falschen Zeugenaussage berichtet. Warum hat der Staatsanwalt das
diesbezügliche Verfahren ohne eine weitere Einvernahme Haiders oder Mikschas
eingestellt?
9. Warum ist im gegebenen Zusammenhang keine Rufdatenrückerfassung erfolgt?
10. Wurden die diesbezüglichen Fakten aus dem Polizeibericht gelöscht und wenn ja,
warum?
11. Im genannten Artikel ist von einem Verfahren gegen Brigadier Mitterberger die
Rede. Michael Kreißl wurde auch dazu noch nicht einvernommen. Ließ die
Staatsanwaltschaft tatsächlich dieses Verfahren ohne Begründung einstellen und die
Fakten aus dem Bericht löschen, und wenn ja, warum?
12. Entspricht es den Tatsachen, dass das Verfahren gegen Dr. Ewald Stadler ohne
Begründung
eingestellt wurde und wenn ja, warum?
13. Im genannten Artikel ist zu lesen, dass Stadler behauptet, er habe „diese Information
jedenfalls nicht beschafft“, während in einem Schriftsatz der Kanzlei „Böhmdorfer -
Gheneff - KEG“ zu lesen sei, „dass die fragliche Aktenzahl von Stadler selbst
beigebracht wurde.“ Entspricht diese Darstellung den Tatsachen?
14. Warum hat im gegebenen Zusammenhang die Staatsanwaltschaft nicht ein Verfahren
gegen Unbekannt eingeleitet, in dem Dr. Ewald Stadler gegebenenfalls als Zeuge
hätte vernommen werden können?
15. Können Sie sich der zitierten Einschätzung von Staatsanwalt Dr. Wetzer anschließen,
wonach die Frage um Material zur Russenmafia „ohne Schädigungsabsicht“ erfolgt
sei?