2388/J XXI.GP

Eingelangt am: 04.05.2001

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr. Kostelka, Cap

und Genossinnen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend die mögliche Schließung von Bezirksgerichten in Österreich

(Anfrage 7 zur Verschlechterung der Infrastruktur im ländlichen Raum)

 

Die Notwendigkeit einer Verwaltungsreform ist an sich unbestritten. Eine solche Reform hat

die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Verwaltung bestmögliche Leistungen für die Bürger

zum kostengünstigsten Preis erbringt. Anders als der Eindruck, den die Bundesregierung zu

erwecken versucht, ist die Verwaltung nicht bloß ein Kostenfaktor oder gar ausschließlich

Belastung für Bürger und Wirtschaft, sondern eine Grundbedingung für das Funktionieren

eines Staates und der Gesellschaft. Die Verwaltung bat unverzichtbare Leistungen für alle

Menschen zu erbringen. Nach allen internationalen Rankings ist eine qualitativ hochwertige

Verwaltung auch einer der wichtigsten Standortfaktoren, wobei Österreich hierbei gut

abschneidet.

 

Anstatt die Verwaltung im Sinne einer Verbesserung der Leistungen für die Bürger zu

reformieren, geht die Bundesregierung einen anderen Weg:

 

                • Sie privatisiert Probleme, statt Probleme zu lösen,

                • Schafft Leistungen ab, statt die Leistungserbringung zu verbessern.

 

Dabei ist die Vorgangsweise der Bundesregierung insgesamt chaotisch, wie die Fülle der

parallel tätigen Einrichtungen zeigt, die noch dazu von vier verschiedenen Ressorts betreut

werden (Bundeskanzler, Vizekanzlerin, Finanzminister, Landwirtschaftsminister); unter

anderem wurden folgende Gremien eingerichtet:

 

                • Aufgabenreformkommission

                • FAG - Begleitkommission

                • Bund/Länder Arbeitsgruppen

                • Landesamtsdirektorenkonferenz

                • Arthur - Anderson Consulting

Diese Gremien verursachen Kosten in vielfacher Millionenhöhe, arbeiten aber offenkundig

unkoordiniert und planlos vor sich hin. Dabei kursiert schon jetzt eine Fülle von Vorschlägen

in der Öffentlichkeit, die schlimme Befürchtungen wecken. Gemeinsam ist diesen

Vorschlägen, dass Leistungen abgeschafft oder eingeschränkt werden; dezentrale

Einrichtungen in den Ländern und Gemeinden werden geschlossen, dafür werden aber neue

zentrale Einrichtungen geschaffen.

 

Beispielsweise ist bereits geplant:

 

Schließung von 2/3 der Bezirksgerichte

Schließung von 800 Postämtern

Reduktion der Finanzämter auf 40

Abschaffung von Regionalstellen des Arbeitsmarkservice

Abschaffung von Sozialämtern in den Bezirken

Schließung von Wachzimmern der Polizei

Auflassung von Gendarmerieposten

Auflassung von Schulstandorten

 

Alle diese Maßnahmen werden gravierende Nachteile für die Bevölkerung haben,

insbesondere im ländlichen Raum. Statt dass die Verwaltung ihre Leistungen möglichst

bürgernah anbietet und damit die Funktion des ländlichen Raumes aufrechterhält. erfolgt eine

bürgerferne Zentralisierung der Verwaltung bzw. überhaupt die Abschaffung von

Verwaltungsdienstleistungen. Damit wird die Verwaltung nicht für die Bürger verbessert,

sondern nur verschlechtert, wobei zu befürchten ist, dass es auch zu keinen bedeutenden

Einsparungen kommt, weil gleichzeitig kostspielige zentrale Einrichtungen geschaffen

werden.

 

Die vom Bundesminister für Justiz geplante Reform der Gerichtsorganisation passt in das

oben gezeichnete Bild von „Reformen“ zum Nachteil der BürgerInnen, insbesondere des

ländlichen Raumes.

 

Verwiesen sei im gegebenen Zusammenhang auch auf die Anfragen von Bundesräten Nr.

1770/J - BR/2001, Nr. 1773 - 1779/J - BR/2001, welche die mögliche Schließung von

Bezirksgerichten in den jeweiligen Bundesländern betrafen und welche jeweils 13 bzw. 14

Fragen umfassten. Vom Bundesminister für Justiz wurden die Fragen leider nicht im

Einzelnen beantwortet, sondern jeweils nur in einer alle Fragen zusammenfassenden

Beantwortung.

Die Sozialdemokratische Partei Österreichs hat sich niemals einer sinnvollen Reform einer

Gerichtsorganisation und auch nicht einer damit allenfalls verbundenen Schließung von

Kleinst - Bezirksgerichten, mit oft weniger als einem Richterplanposten, verschlossen. Die dem

Bundesminister für Justiz offenbar vorschwebende Reform ist allerdings in einer Dimension

gehalten, die weit über bisher geplante Zusammenlegungen hinausgeht und die tatsächlich zu

einer Verschlechterung der Infrastruktur des ländlichen Raumes in erheblichem Maße

beitragen würde.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz

nachstehende

 

 

Anfrage:

 

 

1. Welche Ergebnisse haben die Fragebögen zur Feststellung des Bedarfes und der

    gewünschten Modalität qualifizierter Beratung, die Sie, wie in den genannten

    Anfragebeantwortungen erwähnt, an Bürgermeisterinnen und Bürgermeister des

    jeweiligen Landes versandt haben, erbracht (aufgeschlüsselt nach den betreffenden

    Bundesländern)?

 

2. Glauben Sie, dass Standorte für die Rechtsberatung tatsächlich im gewünschten

    Ausmaß die Standorte von entscheidenden Gerichten ersetzen können?

 

3. Sie führen in den genannten Anfragebeantwortungen an, dass es doppelt so viele

    Bezirksgerichte wie Bezirksverwaltungsbehörden gäbe. Soll es nach Ihrer Reform

    aber sogar Standorte von Bezirksverwaltungsbehörden geben, an denen es keinen

    Gerichtsstandort mehr gibt und wenn ja, warum?

 

4. Wann ist aller Voraussicht nach damit zu rechnen, dass Sie eine Darstellung der

    neuen Gerichtsorganisation in den jeweiligen Bundesländern im Detail -

    insbesondere die genauen Standorte der Regionalgerichte - geben können?

 

5. Wie kommen Sie auf die in den genannten Beantwortungen dargestellte Vermutung,

    dass viele Bedienstete durch die neue Gerichtsorganisation kürzere Anfahrtswege

    haben werden, wo doch die Anzahl der Gerichte drastisch reduziert wird?

6. Befürchten Sie nicht, dass durch die von Ihnen geplante drastische Zusammenlegung

    von Gerichten zu einer Verschlechterung der Infrastruktur des ländlichen Raumes

    führen wird?