260/J XXI.GP

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Mag. MIKL - LEITNER

und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend Expertise zur Einführung der d - Box beim ORF.

 

Bereits Anfang Dezember lag dem Bundeskanzler eine Expertise des Verfassungsdienstes über

rechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Einführung der sogenannten d - Box der Kirch - Gruppe

beim Österreichischen Rundfunk mit folgendem Inhalt vor:

 

                                                                              I.

 

Bei der d - Box handelt es sich um eine sogenannte Set - Top - Box (Decoder), die zusätzlich durch den

Fernseher erworben, oder gemietet bzw. durch einen Veranstalter zu Verfügung gestellt werden muss,

um dafür zu sorgen, dass die digitalen Signale für ein analoges Fernsehgerät verfügbar gemacht

werden. Die d - Box ermöglicht auch den Empfang von unverschlüsselten digitalen Programmen. Für

verschlüsselte Programme ist zusätzlich die Zugangsfreischaltung durch ein so genanntes Conditional -

Access-System notwendig. Ein Conditional - Access - System (CA - System) wird in der Regel dann

verwendet, wenn es um die Sicherstellung der Bezahlung bei Pay - TV Programmen geht, aber auch in

jenen Fällen, in denen aus urheberrechtlichen Gründen gewährleistet sein muss, dass das Programm

nur in einem bestimmten Territorium empfangen werden kann. Die d - Box ist in Deutschland weit

verbreitet (in Österreich gibt es derzeit 40.000 Nutzer) und basiert auf einer Technologie, die im

Wesentlichen durch die zur Kirch - Gruppe gehörige Betaresearch entwickelt worden ist Verschlüsselte

Programme könne mit der d - Box nur empfangen werden, wenn sie das Verschlüsselungs - und

Freischaltungssystem (Conditional - Acces - System) ,,Betacrypt“ verwenden.

 

                                                                              II.

 

Der ORF plant eine Vereinbarung mit Betaresearch zur Verwendung des Conditional - Access - Systems

,,Betacrypt“ für die Ausstrahlung seiner Programme über Satellit. Die Begründung für die Entscheidung

zugunsten eines Conditional - Access - Systems liegt darin, dass Teile der Satellitenprogramme des

ORF aus urheberrechtlichen Gründen verschlüsselt ausgestrahlt werden müssen, da der ORF nicht

über die europaweiten Rechte verfügt.

 

                                                                              III.

In der jüngsten Diskussion wurde vorgebracht, dass die Verwendung der d - Box durch den ORF

insbesondere deswegen unzulässig sei, da die d - Box nicht den Anforderungen der Richtlinie

95/47/EG über die Anwendung von Normen für die Übertragung von Fernsehsignalen entsprechen

würde. Ferner wurde auf eine jüngst erfolgte Entscheidung des Schweizerischen Departements für

Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation im Zusammenhang mit der d - Box hingewiesen.

Zunächst ist nach den, dem Verfassungsdienst vorliegenden Informationen davon auszugehen, dass

der ORF nicht die d - Box betreiben will, sondern lediglich plant, das Verschlüsselungssystem

,,Betacrypt“ zu verwenden, um auf der d - Box empfangen werden zu können. Dies schließt aber nicht

aus, dass der ORF in Zukunft auch von anderen Set - Top - Boxen lesbare Verschlüsselungssysteme

(wieder nach Vereinbarung) verwendet.

Die Richtlinie 95/47/EG - bezüglich deren Nicht - Umsetzung in österreichisches Recht die Europäische

Kommission bereits Klage beim EuGH erhoben hat - sieht in dem maßgeblichen Artikel 4c das Prinzip

der Interoperabilität zwischen unterschiedlichen Zugangsberechtigungssystemen vor. Es soll

gewährleistet werden, dass alle Dienste über einen einzigen Decoder empfangen werden können, um

dem Verbraucher die Anschaffung mehrerer Decoder zu ersparen. Dazu muss ein Anbieter von

Conditional - Access - Systemen Rundfunkveranstaltern zu chancengleichen angemessenen und nicht

diskriminierenden Bedingungen Dienste anbieten, die den Empfang von Programmen mit

unterschiedlichen Verschlüsselungssystemen erlauben, ohne dass sich das Publikum zwei Decoder

beschaffen muss. Zur Gewährleistung der Interoperabilität bestehen wie die Kommission in ihrem

jüngsten Bericht KOM (1999) 540, über die Anwendung der Richtlinie 95/47/EG unter Punkt 1.3, S6

anführt - grundsätzlich zwei Möglichkeiten, nämlich das so genannte ,,Simulcrypt“ - Verfahren und das

sogenannte ,,Multicrypt“ - Verfahren. Die Kommission bestätigt in ihrem jüngsten Bericht ausdrücklich

die Zulässigkeit beider angesprochener Verfahren.

 

Beim ,,Simulcrypt“ - Verfahren wird die Möglichkeit des Empfangs von verschiedenen Programmen mit

unterschiedlichen Conditional - Access - Systemen auf dem von Konsumenten verwendeten Decoder

dadurch erreicht, dass ein Veranstalter sich vertraglich die Rechte sichert, sein Verbreitungssignal

neben dem von ihm verwendeten Schlüssel (im Fall des ORF nunmehr ,,Betacrypt“) einen zweiten

Schlüssel beifügen dürfen, der von dieser Set - Top Box verwendet wird. Dieses System setzt somit

eine vertragliche Vereinbarung zwischen einem CA - Anbieter und dem Rundfunkveranstalter voraus.

Das ,,Multicrypt“ - Verfahren hingegen ermöglicht den Empfang von Programmen mit verschiedenen

Conditional - Access - Systemen durch eine besondere Schnittstelle (Common - Interface, kurz CI

genannt) in der Set - Top - Box. Auf diese Weise können in der vom Konsumenten verwendeten Set -

Top - Box unterschiedliche CA - Systeme zur Anwendung kommen, welche als unterschiedliche

Steckmodule an die Box angeschlossen werden.

Wie bereits ausgeführt, sind aufgrund der genannte Richtlinie nach Ansicht der Kommission beide

Systeme grundsätzlich zulässig. Wie sich aus den Ausführungen der Kommission in dem oben

erwähnten Bericht eindeutig ergibt (so in den Ausführungen im Anhang 3, 59f zur Unsetzung der

Richtlinie durch Spanien und Griechenland), würde die zwingende gesetzliche Vorschreibung der

Verwendung des ,,Multicrypt“ - Verfahrens (Common - Interface) nicht den Vorgaben der Richtlinie

entsprechen.

Zur Entscheidung des eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und

Kommunikation, das in einer jüngsten Entscheidung einem Schweizerischen Veranstalter die

Verwendung der d - Box nur unter der Auflage gestattete, dass diese mit dem eben angesprochenen

Common - Interface aufgerüstet wird, was gegenwärtig nicht der Fall ist, ist folgendes zu bemerken:

Für die Entscheidung des Departements war dabei maßgeblich, dass die Betaresearch bei diesem

Programmveranstalter, der ihr CA - System verwendet zu 40% beteiligt und daher am wirtschaftlichen

Erfolg dieses Veranstalters interessiert ist. Nach Auffassung des Departements bestünde daher

potentiell die Gefahr, dass die Kirch - Gruppe ihre Position als Lizenzgeberin (Betaresearch) im

Rahmen des ,,Simulcrypt“ - Verfahrens dazu missbrauchen könnte, Konkurrenten dieses Veranstalters

auf den Pay - TV Markt zu benachteiligen.

Dazu ist zu bemerken, dass die Kirch - Gruppe - anders als im Schweizer Fall - keinerlei Beteiligungen

am ORF hält, sodass die Gefahr des Missbrauchs (etwa durch diskriminierende Bedingungen bei der

Lizenzvergabe im Rahmen von ,,Simulcrypt“ an andere Veranstalter) zugunsten des ORF nicht

besteht, da keine aus einem Beteiligungsverhältnis erfließende wirtschaftliche Interessen der Kirch -

Gruppe bestehen.

Zwar bestehen zwischen dem ORF und der Kirch - Gruppe kurzfristige Vereinbarungen über

Ausstrahlungsrechte für Filme, diese Vereinbarungen vermögen aber nicht eine dem Schweizer Fall

vergleichbare Interessensage zu begründen, da die Kirch - Gruppe anders als im Fall der Beteiligung

an dem Schweizer Veranstalter nicht direkt am Unternehmenserfolg des ORF partizipiert und somit

gehalten wäre, Konkurrenten des ORF bei der Lizenzvergabe für das Verschlüsselungssystem zu

benachteiligen.

 

Die schweizerische Entscheidung ist somit einzelfallbezogen und nicht auf die österreichische

Situation bzw. Rechtslage übertragbar.

 

Zusammenfassend kann daher gesagt werden, dass das geplante Vorhaben des ORF im Lichte der

Richtlinie 95/47/EG betrachtet unbedenklich erscheint.

Die entsprechende Verpflichtung aus der Richtlinie insbesondere die Verpflichtung des Anbieters

technischer Dienste zu chancengleichen, angemessenen und diskriminierungsfreien Bedingungen,

treffen nicht den Rundfunkveranstalter, sondern den Anbieter von CA - Systemen (im vorliegenden Fall

„Betaresearch“)

 

Nach dem oben Gesagten ist der Abschluss eines Vertrages über die Verwendung des

Verschlüsselungssystems ,,Betacrypt“ durch den ORF a priori aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht nicht

zu beanstanden. Aus wettbewerbsrechtlicher Sicht könnte allenfalls ein etwaiges missbräuchliches

Marktverhalten des Lizenzgebers ,,Betaresearch“ gegenüber den anderen Rundfunkveranstaltern, für

das sich nach dem gegenwärtigen Stand der Informationen aber keine Anhaltspunkte ergeben, im

Nachhinein überprüft bzw. sanktioniert werden. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es sich

bei den bisher von der Europäischen Kommission getroffenen Entscheidungen im Zusammenhang mit

der Kirch - Gruppe (1999/154/EG Deutsche Telekom/Betaresearch; 1999/153/EG

Bertelsmann/Kirch/Premiere) um die Untersagung von Zusammenschlüssen mit dem Ziel der

Verhinderung der Marktkonzentration auf dem deutschen Pay - TV Markt handelte, deren

Entscheidungsgrundsätze auf die geplante Vereinbarung des ORF mangels Vorliegen eines

Zusammenschlusses nicht übertragbar sind.“

 

(Zitat ende)

 

Von einigen Kuratoriumsmitgliedern wurde ein offizielles Gutachten des Bundeskanzlers über die Eu -

Konformität und die Vereinbarkeit mit der österreichischen Medienrechtsordnung im Zusammenhang

mit einer allfälligen Vertragsunterzeichnung mit der Kirch - Gruppe und dem ORF gefordert.

Vor allem die Entscheidung der Schweiz in Bezug auf den Einsatz der d - Box machten eine

diesbezügliche Prüfung notwendig.

 

Nun bezeichnete der Pressesprecher des Bundeskanzlers Herr Kalina oben zitierte Expertise in der

Tageszeitung "Der Standard" am 17.12.1999 als lediglich „internes“ Papier, das dem ORF zu

Verfügung gestellt wurde, und bestritt damit offenbar den Gutachtenscharakter des angeführten

Papiers.

 

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende

 

 

ANFRAGE

 

 

1. Handelt es sich bei oben angeführter Expertise um eine offizielle Stellungnahme des

    Bundeskanzleramtes?

 

2. Sehen sie in der Frage der Einführung der d - Box die EU - Konformität gegeben?

 

3. Worauf begründen sie diese Meinung?

 

4. Sehen sie die Einführung der d - Box der Kirch - Gruppe mit der österreichischen

    Medienrechtsordnung als vereinbar an?

 

5. Worauf begründen Sie diese Meinung?

 

6. Stehen sie der Einführung der d - Box der Kirch - Gruppe beim ORF positiv gegenüber?