2706/J XXI.GP
Eingelangt am:11.07.2001
ANFRAGE
der Abgeordneten Dr. Hannes Jarolim, Mag. Gisela Wurm
und Genossinnen
an den Bundesminister für Justiz
wegen katastrophaler Zustände in den österreichischen Justizanstalten
Die Medien berichteten in den letzten Wochen über katastrophale Vorgänge in der
Justizanstalt Stein. Neben Verwendung einer aufklärungsbedürftigen ,,Saunakammer" soll ein
Häftling qualvoll in einem nach dem Strafvollzugsgesetz seit 1994 verbotenen „Gurtenbett“
gestorben sein. Drei psychisch kranke Häftlinge sollen Selbstmord begangen haben, ein
psychisch kranker Häftling an einer Medikamenten - Überdosis gestorben sein.
Die unterzeichnenden Abgeordneten befürchten, dass es sich bei den tragischen Todesfällen
in Stein nur um die Spitze eines Eisberges handeln könnte. Auf Grund der derzeitigen
Einsparungsmaßnahmen der Regierung ist zu befürchten, dass sich die bedenkliche Situation
in allen Justizanstalten noch weiter verschärfen wird.
Das Wachpersonal ist auf Grund der Ausdünnung des Personalstandes ausgebrannt und
überfordert. Auf ihm lastet die Verantwortung für zahlreiche Menschen in einer aggressiver
werdenden Umwelt. Die Insassen in der Justizanstalt Stein sind schwierige Häftlinge, die
wegen schwerer Verbrechen zu langjährigen Haftstrafen verurteilt wurden. Viele sind
drogenabhängig, viele sind psychisch krank. Der Umgang mit diesen Häftlingen bedarf einer
umfassenden Schulung und einer Begleitung des Personals durch Supervision oder ähnliche
geeignete Maßnahmen.
Die Lebens - und Arbeitsverhältnisse in allen Justizgefangenenhäusern sind belastet und
werden durch die jüngsten Maßnahmen der Regierung noch verstärkt. Die Häftlinge sind
unterbeschäftigt, haben kaum Kontakt zur Außenwelt und keine Bewegungsmöglichkeit, da
die Spazierzeiten im Hof und sonstige Freizeitaktivitäten auf Grund des Personalmangels
verkürzt wurden. Perfides Beispiel dafür ist die Jugendstrafanstalt Gerasdorf, wo den
Jugendlichen nun Fernseher in den Zellen montiert wurden, dafür aber die Spazierzeiten im
Hof drastisch verringert wurden. Fernseher als Babysitter und Resozialisierungsmaßnahme?
Die Häftlinge haben zu wenige Möglichkeiten einer sinnvollen Beschäftigung nachzugehen.
Es gibt zu wenige Arbeitsplätze, Fortbildungsmaßnahmen und Freizeitbeschäftigungen. Dies
und auch Maßnahmen wie zum Beispiel die Kürzung der Warmwassermenge pro Häftling
und die damit einhergehende Beschränkung der Waschmöglichkeit erhöhen den Stress der
Insassen und sind eine Entwürdigung des Menschen.
Der am 21.6 2001 veröffentlichte Bericht des Europäischen Ausschusses zur Verhütung von
Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) über den
Besuch des CPT von 19. - 30 September 1999 in den Justizanstalten Schwarzau und Wien -
Josefstadt gibt ein deutliches Bild über die Situation in diesen Gefängnissen, die sich nicht
von der in anderen
Justizgefangenenhäusern unterscheidet.
Der CPT berichtet von einseitigem und unzureichendem Essen und von Sporträumen und
anderen Freizeiteinrichtungen die zwar vorhanden sind, auf Grund des Personalmangels aber
nicht benutzt werden. Ebenso kann den Häftlingen auf Grund des Personalmangels nicht die
ihnen zustehende Dusche zwei mal pro Woche ermöglicht werden. Es kommt immer wieder
zu körperlichen Übergriffen gegen Häftlinge, Beschimpfungen sind an der Tagesordnung.
Der CPT Bericht beschreibt die Stimmung als „angespannt“, nicht nur zwischen Häftlingen
und Wachpersonal sondern auch zwischen den Justizwachebeamten und der Anstaltsleitung.
Die Justizwachebeamten stünden unter erheblichem Stress und großer Anspannung.
Die Regierung lässt die Justizwachebeamten mit dieser belastenden Situation alleine. Passiert
etwas, so versichert das Bundesminister für Justiz die genaue Untersuchung der Vorfälle und
kündigt disziplinarrechtliche Schritte an. Das mag gegen einzelne schwarze Schafe unter den
Beamten und der Anstaltsleitung ein wirksames Mittel sein. An der für die
Justizwachebeamten und Häftlinge bedrückenden Situation in den österreichischen
Gefängnissen wird sich aber ohne rasches Handeln der Regierung nichts ändern.
Zu der bestehenden Situation in den österreichischen Justizanstalten stellen die
unterzeichenden Abgeordneten folgende
Anfrage
1. Welche Ziele verfolgt der Strafvollzug im Dienste der Gesellschaft?
2. Werden diese Ziele unter der derzeitigen Situation des Strafvollzugs erreicht?
3. Welche Maßnahmen zur Resozialisierung der Strafgefangenen werden derzeit
angewendet?
4. Wie viele der Strafgefangenen werden von den jeweiligen Maßnahmen in absoluten
Zahlen und prozentuell erfasst?
5. Dienen diese Maßnahmen dem Schutz der Gesellschaft vor Rückfällen und neuen
Straftaten?
6. Erachten Sie diese Maßnahmen und die Anzahl der davon erfassten Häftlinge für
befriedigend und ausreichend?
7. Wie oft und wie lange benützen die Häftlinge pro Woche den Spazierhof und andere
Freizeiträume? Bitte aufgeschlüsselt nach Justizanstalten.
8. Unterscheiden sich Dauer und Länge der tatsächlichen Aufenthalte im Spazierhof und
Freizeitanlagen/ - räumen von den gesetzlich vorgesehenen?
9. Wenn ja, warum?
10. Welche Beschäftigungsmöglichkeiten haben die Häftlinge während des
Wochenendes?
Aufgeschlüsselt nach Justizanstalten.
11. Wie oft und wie lange darf jeder Häftling pro Monat Besuch empfangen?
Aufgeschlüsselt nach Justizanstalten.
12. Wie viele Häftlinge in absoluten Zahlen und prozentuell, aufgeschlüsselt nach
Justizanstalten, gehen einer täglichen Beschäftigung nach?
13. Wie viele Häftlinge sind zur Zeit in jeder Justizanstalt arbeitswillig gemeldet ohne
einem Arbeitsplatz zugewiesen zu sein?
14. Warum kann nicht jedem arbeitswilligen Häftling Arbeit zugeteilt werden?
15. Welche Disziplinierungsmaßnahmen werden von den Anstaltsleitungen für welche
Delikte ergriffen?
16. Wer ordnet die jeweilige Maßnahme an?
17. Ist dabei ein Instanzenweg einzuhalten?
18. Wird der Häftling trotz erhobener, aber von der Instanz noch nicht beurteilter
Beschwerde der Maßnahme unterworfen?
19. Wird über die Maßnahmen Buch geführt?
20. Gibt es eine Statistik zu den verhängten Disziplinierungsmaßnahmen?
21. Wenn ja, wie lautet diese?
22. Wenn nein, warum nicht?
23. Wie oft werden In der JA Stein Häftlinge an Händen und Füßen gefesselt?
24. Unter welchen Voraussetzungen?
25. Wie oft werden Häftlinge der JA Stein in der Sicherheitszelle an Händen und Füßen
gefesselt?
26. Welche Ausbildung haben die Justizwachebeamten?
27. Gibt es die Möglichkeit einer Fortbildung für die Justizwachebeamten?
28. In welchem Ausmaß werden diese Angebot genutzt?
29. Welche „Karriere“ durchläuft ein Justizwachebeamter im Laufe seines Arbeitsiebens?
Welche Aufstiegsmöglichkeiten hat er?
30. Werden den Justizwachebeamten Supervision oder andere geeignete Maßnahmen
angeboten?
31. Wenn nein, warum nicht?
32. Wenn ja, in welchem Ausmaß wird dieses Angebot genutzt? Begründen Sie bitte,
warum die Inanspruchnahme so hoch/so niedrig ist.
33. Welchem Instanzenzug unterliegt der Justizwachebeamte dienstrechtlich?
34. Bestehen Pläne diesen Instanzenzug zu verändern? Bitte erläutern Sie diese Pläne.
35. Ist der Instanzenzug zum Unabhängigen Verwaltungssenat geplant?
36. Wenn nein, warum nicht?
37. Sind dem Justizministerium Beschwerden von Häftlingen betreffend körperliche
Übergriffe und Beschimpfung durch Justizwachebeamte, Anstaltsärzte und
Anstaltsleitung bekannt?
38. Wie wird mit Beschwerden von Häftlingen umgegangen? Werden diese vertraulich
behandelt?
39. Welche Initiativen haben Sie bisher ergriffen um eine würdige Behandlung der
Gefängnisinsassen zu gewährleisten?
40. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen um die Einhaltung der Menschenrechte in
Zukunft zu gewährleisten?
41. Welche Maßnahmen werden Sie ergreifen um Vorfälle, wie die in den Medien
kolportierten, zu verhindern?
42. Wie kontrollieren Sie die Einhaltung der Menschenrechte in den österreichischen
Justizanstalten?
43. Werden Sie die Justizanstalten der Kontrolle durch den Menschenrechtsbeirat oder
einer anderen unabhängigen Kommission öffnen?
44. Wenn nein, warum nicht?
45. Wenn ja, werden die Berichte dieser Kommission öffentlich sein?
46. Wenn nein, warum nicht?
47. Liegt dem Justizministerium der Bericht des CPT vor?
48. Welche konkreten Veränderungen werden und wurden seitens des
Bundesministeriums für Justiz angesichts der Kritik des CPT an der Haftanstalt Wien -
Josefstadt gesetzt?
49. Werden diese Veränderungen auch in anderen Justizanstalten durchgeführt?
50. Gibt es sonstige Berichte über die Situation in den Justizanstalten?
51. Wenn ja, wie oft werden diese erstellt und wo und von wem kann in diese Einsicht
genommen
werden?
52. Sollten diese nicht öffentlich sein, warum nicht?
53. Statten Vertreter des Justizministeriums den Justizanstalten in Österreich
Kontrollbesuche ab?
54. Wenn ja, in welchen Abständen?
55. Werden diese Besuche vorher angemeldet?
56. Haben die Besucher Zugang zu allen Räumlichkeiten?
57. Besteht für die Häftlinge im Rahmen dieser Besuche die Möglichkeit mit Vertretern
des Justizministeriums anonym und vertraulich in Kontakt zu treten?
58. Warum wurde Vertretern der Helsinki - Föderation der Zutritt zu einer Justizanstalt
verweigert?
59. Um welche Justizanstalt handelte es sich?
60. Gemäß eines Erlasses des Bundesministers für Justiz haben Justizwachebeamte die
Möglichkeit Arbeiten für sich privat durch Häftlinge um 20 Schilling pro Stunde
durchführen zu lassen. Um welche Arbeiten handelt es sich hierbei?
61. In welchen Werkstätten werden diese Arbeiten geleistet?
62. Wie oft werden solche billigen Arbeitsstunden und in welchem Ausmaß in Anspruch
genommen?
63. Womit wird dieser lächerlich geringe Stundensatz begründet?
64. Womit wird diese Bevorzugung der Justizwachebeamten begründet?