2989/J XXI.GP
Eingelangt am: 23.10.2001
Der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser und GenossInnen
an die Frau Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten
betreffend Bedrohung des freien Journalismus Strafverfahren gegen Kurier-Redakteur in Italien
Im lokalen Tiroler Sendebereich des ORF fand am 20.11.1998 ein „Treffpunkt Tirol“ statt. In dieser von
Frau Katharina Kramer moderierten Sendung sagte u.a. der Chefredakteur des Tirol-Kurier, Herwig
Schmiedl: „Wissen tue ich es nicht, ich vermute nur in Kenntnis der handelnden Personen, daß Christian
Waldner aufgrund seiner politischen und privaten Tätigkeiten in Kontakt gekommen ist zu
Gruppierungen, vor denen man Angst haben muß, Waffenschieberei, Drogenhandel etc. im Spiel, und ich
nehme an, das ist jedoch eine Vermutung, die ich durch nichts beweisen kann, das Opfer einer solchen
kriminellen Bande und organisierten Kriminalität geworden ist....“ ...... „Ich respektiere die Betroffenheit
des Vaters, nur sollte man in Südtirol einmal recherchieren in Richtung Waffendiebstähle aus der Festung
Franzensfeste, den Mord in Gals, ob da nicht Zusammenhänge mit dem Mordfall Waldner bestehen....“
Obwohl man annehmen könnte, dass sich Herr Chefredakteur Schmiedl mit dieser Aussage im Rahmen
des Art. 10 MRK - Recht auf freie Meinungsäußerung - befunden hat und es sich eindeutig um keine
Tatsachenbehauptung sondern um eine persönliche Wertung gehandelt hat, wurde aufgrund einer vom
Vater und vom Bruder Dr. Christian Waldners eingebrachten Anzeige von der Staatsanwaltschaft beim
Landesgericht Bozen ein Strafverfahren eingeleitet. Davon betroffen waren zunächst neben Herrn Herwig
Schmiedl auch die Moderatorin der Sendung Frau Katharina Kramer und der ORF-Landesintendant
Roland Adrowitzer.
Die Staatsanwaltschaft legte dem Strafverfahren das Delikt der Verunglimpfung des Andenkens eines
Verstorbenen (Art. 595, Abs. 1 und 3., Art. 597, Abs. 3 StGB) zugrunde. Das Verfahren gegen Frau
Kramer und Herrn Adrowitzer wurde inzwischen eingestellt, jenes gegen Herrn Herwig Schmiedl behängt
nach wie vor.
Dies bedeutet für Herrn Chefredakteur Schmiedl eine erhebliche Einschränkung seiner beruflichen und
privaten Bewegungsfreiheit, da er befürchtet, im Falle einer Reise nach Südtirol oder anderen Teilen
Italiens festgenommen zu werden. Herr Schmiedl hat die Bozener Staatsanwaltschaft schon vor dieser
ORF-Sendung und auch danach fallweise in seinen Artikeln kritisiert und will nicht ausschließen, dass er
bei der Bozener Staatsanwaltschaft als missliebiger Nordtiroler Journalist „notiert ist“.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten in diesem Zusammenhang an die Frau Bundesministerin für
auswärtige Angelegenheiten folgende
Anfrage:
1. Wurde Ihnen über diesen Fall durch die diplomatischen österreichischen Stellen in Italien bereits
berichtet?
2. Wie beurteilen Sie den Umstand, dass wegen einer ORF- Sendung in einem Nachbarland ein
Strafverfahren eingeleitet wird ?
3. Erachten Sie die Vorgangsweise der Bozener Staatsanwaltschaft als MRK - konform?
4. War dieses Strafverfahren bereits einmal Gegenstand bilateraler Gespräche?
5. Wenn Nein, werden Sie nach Prüfung des dargelegten Sachverhaltes diesen zu einem Thema solcher
Gespräche machen?
6. Wie beurteilen Sie den vorliegenden Fall unter dem Aspekt der Schaffung eines europäischen Raumes
der Rechtspflege?