3045/J XXI.GP
Eingelangt am: 08.11.2001
der Abgeordneten Dr. Hannes Jarolim und GenossInnen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend das Ehrenamt „Fachkundiger Laienrichter“
Von Seiten des Bundesministers für Justiz wird in regelmäßigen Abständen der Einsatz
fachkundiger ExpertInnen in der Arbeits - und Sozialgerichtsbarkeit in Frage gestellt. Leider passen
diese Vorschläge in das Bild zahlreicher anderer Initiativen freiheitlicher Regierungsmitglieder
gegen sinnvolle sozialpartnerschaftliche Strukturen. Es besteht daher der Verdacht, daß
schlußendlich alle legistischen Absicherungen der Sozialpartnerschaft von den Kollektivverträgen
bis zur Arbeits - und Sozialgerichtsbarkeit - beseitigt werden sollen. Im Gegensatz dazu treten die
unterzeichneten Abgeordneten für eine Stärkung der Laiengerichtsbarkeit ein, die eine wesentliche
Säule unserer Justiz darstellt.
Den unterzeichneten Abgeordneten ist der Fall des Innsbrucker Rechtsanwaltes Dr. Bernt Strickner
bekannt, der vom Tiroler Rechtsanwaltskammertag ab 1. Jänner 2002 zum „Fachkundigen
Laienrichter“ gemäß Arbeits - und Sozialgerichtsgesetz bestellt wurde. Dr. Strickner hat im Zuge
seiner Bestellung die Bezeichnung dieses Ehrenamtes und die Kuriosität der Entstehung dieses
Titels hinterfragt, da er die Bezeichnung für in sich widersprüchlich und dadurch irreführend hält.
Er hat in dieser Sache bereits im September 2001 ein Schreiben an den Bundesminister für Justiz
verfasst, das bis heute unbeantwortet blieb: „... Dort heißt es ‚Laie‘ = ,Nichtfachmann‘... Damit
lautet der Titel ins Deutsche übersetzt ‚fachkundiger Nichtfachmann - Richter‘.“ (Brief Dr. Strickner
an den BMJ vom 26. September 2001). In diesem Schreiben wird auch eine Lösung der
Widersprüchlichkeit durch die Bezeichnung „Fachrichter“ vorgeschlagen. Dieser Titel wäre im
Falle der Aufwertung dieser Säule des österreichischen Justizsystems möglicherweise sinnvoller.
Das Ehrenamt des „Fachkundigen Laienrichters“ ist maßgeblich im Arbeits - und
Sozialgerichtsgesetz, III. Abschnitt geregelt (Stellung, Wahl (Entsendung) und Pflichten der
fachkundigen Laienrichter). Im § 16 Arbeits - und Sozialgerichtsgesetz heißt es dazu: „(1) Die
fachkundigen Laienrichter sind in Ausübung ihres Amtes unabhängig; sie haben hiebei die mit dem
Richteramt verbundenen Befugnisse in vollem Umfang.“ Ebenso findet sich dieses Amt im
Kartellgesetz 1988.
Darüberhinaus existiert in anderen Rechtsvorschriften der - offensichtlich historische da nicht
geschlechtneutrale - Titel des „Fachmännischen Laienrichters“, wurde also in dieser Hinsicht bisher
keine Rechtsbereinigung durchgeführt, zum Beispiel im § 20 Gerichtsorganisationsgesetz
(RGBl.Nr. 217/1896 zuletzt geändert durch BGBl.Nr. 507/1994). Eine besondere Kuriosität stellt
die gemäß dem Ersten Rechtsbereinigungsgesetz weiterhin in Kraft befindliche „Verordnung der
Minister der Justiz und des Handels vom 1. Juni 1897, über die Ernennung der fachmännischen
Laienrichter aus dem Handelsstande und aus dem Kreise der Schiffahrtskundigen“ dar. Sie enthält
- offensichtlich weiterhin rechtsgültig - u.a. folgende Bestimmung: „§12 Für das Ansuchen um
Urlaub und die Ertheilung eines Urlaubes an fachmännische Laienrichter gelten die Vorschriften
der §§.
69 bis 72 des kaiserlichen Patentes vom 3. Mai 1853, R. G. Bl. Nr.81,..."
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
1. Stellen Sie weiterhin die Sinnhaftigkeit der Laiengerichtsbarkeit in der österreichischen
Justiz - insbesondere in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit in Frage? Wenn ja, welche
Maßnahmen gegen diese sinnvolle sozialpartnerschaftliche Struktur sind von Ihnen geplant?
2. Warum konnte der Brief von Dr. Strickner seit September nicht beantwortet werden?
3. Sehen Sie im Titel „Fachkundiger Laienrichter“ ebenfalls eine Widersprüchlichkeit
dahingehend, daß es sich zumindest sprachlich, wenn nicht sogar inhaltlich, um einander
widersprechende Bezeichnungen - einerseits „Fachkundig“, andererseits „Laie“ - handelt?
Wenn ja, welche Konsequenzen - z.B. Novellierungsvorschläge - werden Sie daraus
ziehen? Wenn nein, warum nicht?
4. Halten Sie den im Brief enthaltenen Vorschlag einer Neuformulierung durch den Titel
„Fachrichter“ für eine adäquate Lösung? Wenn nein, warum nicht bzw. welche besseren
Alternativen sehen Sie?
5. Da im österreichischen Rechtssystem derzeit zwei Varianten für den Titel dieses Ehrenamtes
- die aktuelle "Fachkundiger Laienrichter" und die historische „Fachmännischer
Laienrichter" - existieren: Werden Sie in dieser Hinsicht eine Rechtsbereinigung durch
Vorschläge zur Anpassung der historischen Vorschriften an eine geschlechtsneutrale
Formulierung durchführen?
6. Teilt das Bundesministerium für Justiz die Auffassung, daß die „Verordnung der Minister
der Justiz und des Handels vom 1. Juni 1897, über die Ernennung der fachmännischen
Laienrichter aus dem Handelsstande und aus dem Kreise der Schiffahrtskundigen“ weiterhin
Teil der österreichischen Rechtsordnung ist? Wenn ja, warum wurde im Zuge des Ersten
Rechtsbereinigungsgesetz nicht die Erlassung einer neuen, den heutigen Umständen
entsprechenden Verordnung erwogen?