3141/J XXI.GP

Eingelangt am: 23.11.2001

 

 


ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Dr. Eva Glawischnig, Freundinnen und
Freunde

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Optimierung der kommunalen Wasserver- und Abwasserentsorgung

In Ihrem Auftrag wurde von Seiten PriceWaterhouseCoopers (PWC) eine Studie
über die Optimierung der kommunalen Wasserver- und Abwasserentsorgung im
Rahmen einer nachhaltigen Wasserpolitik erstellt. Die PWC-Studie empfiehlt, die
heimische Siedlungswasserwirtschaft auf ein verpflichtendes Konzessionsmodell auf
Basis großer Gebiete (wie etwa Flusseinzugsgebiete) umzustellen, bei dem für die
Dauer von zehn Jahren Konzessionen für die Wasserver- und entsorgung einer
Region vergeben werden sollen. Das Ministerium hat die Studie als
Diskussionsgrundlage für die Weiterentwicklung der Siedlungswasserwirtschaft
bezeichnet.

Die Autoren gehen an ihre Aufgabe nicht neutral heran, sondern bevorzugen
eindeutig Liberalisierungsmaßnahmen und privatwirtschaftliche Modelle der
Wasserwirtschaft. Die Entwicklung unterschiedlicher Systeme hängt jedoch von
zentralen Faktoren wie den Wasservorkommen, der Siedlungsstruktur und den
historischen Bedingungen ab. Allein aus der Sicht der Wasserversorgung weisen
liberalisierte Wasserwirtschaftssysteme erhebliche Nachteile auf. Tatsache ist, dass
in England und Wales die öffentliche Wasserversorgungsanlagen weit unterhalb des
Anlagenwertes verkauft (privatisiert) wurden und die Wasserpreise nach der
Privatisierung zwischen 1990 und 1998 um über 100% stiegen. Bekannt ist auch,
dass sich englische Water and Sewage Companies nicht an gesetzliche Vorgaben
hinsichtlich Qualität und Genehmigung halten. Die Wasserpreise sind in Frankreich,
wo das Konzessionsmodell vorherrscht und 80% der Bevölkerung von Privaten
versorgt wird, in den letzten Jahren geradezu explodiert, im Mittel um 60 %.
Durchschnittspreise pro m3 bei öffentlich verwalteten Anlagen liegen bei 14 ff (ca
29,--ATS),  bei privat verwalteten bei 18 ff (bei 37,--ATS). Berichte unabhängiger
englischer Stellen (Universität Greenwich) und französische Rechnungshofberichte
beurteilen die Situation kritisch und problematisieren die vorgenommenen
Privatisierungen.


In Österreich liegt der Durchschnittspreis für einen Kubikmeter Wasser bei S 11,62.
Ein Vergleich der Wasserpreise in Österreich zeigt, dass gerade die
privatwirtschaftlich geführten größeren Wasser- und Abwasserbetriebe höhere
Wasserpreise verlangen.

In Fachkreisen stieß deshalb die Studie von PWC auf erhebliche Kritik, die sich auf
folgende Aspekte fokussiert:

•    Keine Berücksichtigung der lokalen Stärken als wesentliches Qualitätselement
der österreichischen Wasserwirtschaft: Nähe der Versorger zum Konsumenten,
vorwiegend demokratische Kontrolle der Trinkwasserversorgung,
Trinkwasserbedarf wird zu 99 % aus Grundwasser gedeckt, sicherheitspolitische
Vorteile des dezentralen System.

•    Fehlen grundsätzlicher Rahmenbedingungen wie Volksgesundheit und
Versorgungssicherheit.

•    Bevorzugung der Wettbewerbsunternehmen gegenüber den

Versorgungsunternehmen, weil die Nachteile der Wettbewerbswirtschaft wie
Konkursrisiko, Gefahr der Monopolisierung, fehlende Kostentransparenz für den
Konsumenten usw. nicht erwähnt werden.

•    Keine Erhebung der makroökonomischen Daten über die Kosten der
österreichischen Siedlungswasserwirtschaft.

Offensichtlich war lediglich bezweckt, die vorwiegend kommunal organisierten
österreichischen Wasserversorger- und entsorger zu verunsichern und damit den -
politisch fragwürdigen - Rückzug des Bundes aus der finanziellen Förderung dieses
wichtigen Bereichs der Daseinsvorsorge zu überdecken.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1.     Wie hoch beliefen sich die Gesamtkosten für die Erstellung der Studie?

2.     Aus welchen Gründen wurde sie an die genannte Institution vergeben? Warum
wurde von Ihrem Ministerium eine Studie an ein internationales
Beratungsunternehmen, das bisher am Verkauf nicht aber an der
Verbesserung der Wasserwirtschaft beteiligt war, in Auftrag gegeben? Warum
wurden die Bundesländer nicht maßgeblich eingebunden?

3.     Wie viele Ökonomen waren an der Erstellung der Studie beteiligt?

4.      Gab es eine Ausschreibung? Wenn ja, wer bewarb sich noch? Was waren die
Voraussetzunger, für die Auftragserteilung? Wenn nein, warum nicht?   . ..   .


5.     Welche Befähigungen war für die Beurteilung der österreichischen
Wasserwirtschaft erforderlich?

6.     Warum beschritten Sie nicht den Weg, Expertinnen damit zu beauftragen, die
bereits Erfahrungen in diesem Bereich haben und insbesondere die
österreichische Wasserwirtschaft gut kennen?

7.      Da flächendeckende makroökonomische Informationen über die Kosten der
österreichischen Siedlungswasserwirtschaft fehlen, erscheint eine Studie
darüber als sinnvoll, werden Sie diese in Auftrag geben und wird diese auch die
privaten Wassergenossenschaften beinhalten, wenn nicht, warum nicht?

8.     Wie beurteilen Sie den fachlichen Wert dieser Studie angesichts der Tatsache,
dass Problemfelder der Wettbewerbswirtschaft wie Konkursrisiko,
Monopolisierung bzw. Oligopolisierung, Kosten für gegensteuernde Strukturen,
reale Auswirkungen des Konzessionsmodells in Frankreich nicht behandelt
werden?

9.     Aus welchen Gründen sollen laut Studie funktionierende angepasste Strukturen
im ländlichen Raum durch städtische Systeme ersetzt werden?

10.   Welchen Stellenwert hat für Sie

a)     eine demokratische Kontrolle der Wasserver- und entsorgung im Wege
der kommunalen Aufgabenerfüllung,

b)     der sicherheitspolitische Vorteil einer dezentralen Wasserentsorgung,

c)     die Selbstorganisation und das hohe ehrenamtliche Engagement in den
privaten Wassergenossenschaften?

1.      PWC behauptet, dass ein Wettbewerbsunternehmen im Gegensatz zum

Versorgungsunternehmen effizient, effektiv, kostendeckend, kostentransparent,
finanzstark, liquid, eigenkapitalverzinsend und kundenorientiert und das bei
Einhaltung der ökologischen Standards und Gewährleistung der
Versorgungssicherheit ist. Wie beurteilen Sie diese Aussage angesichts der
Erfahrungen mit Wettbewerbsunternehmen im Ausland (siehe unter anderem
R. Andreas Krämer, Öffentliche und Private Wasserversorgung und
Abwasserbeseitigung in Europa, in Correia/Krämer, Eurowater 2 (1997, S 269
ff), Artikel aus DIE ZEIT vom 28.01.1999, Bericht Water Magazine 30.07.1999
Nr 63)?

2.      Liegt Ihnen der Bericht des franz. Rechnungshofes über die Wasserver- und
entsorgung in Frankreich vor (Cour des Comptes, La gestion des Services
publics locaux d'eau et d'assainissement, Rapport Public Particulier, Janvier
1997) und welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die österreichische
Entwicklung?

3.      Liegt Ihnen die Studie zur Wasserprivatisierung ("UK Water privatisation - a
briefing") der Public Services International Research Unit an der Universität


Greenwich, London, vor und welche Schlüsse ziehen Sie daraus für die
österreichische Entwicklung?

4.      Das österr. WRG bietet mit den §§ 12a und 21 die Verpflichtung der Betreiber,
den Stand des Wissens und der Technik zu erfüllen und die Anlagen
entsprechende anzupassen. Welches Verbesserungspotential brächte mehr
Wettbewerb, wenn bereits derzeit öffentliche Ausschreibungen im Planungs-
und Baubereich erfolgen?

5.     Welche Schlussfolgerungen werden Sie aus diesen Mängeln der Studie
ziehen?

6.     Welche weitere Vorgangswiese planen Sie im Anschluss an die Studie?

7.      Auf welche Weise soll Ihres Erachtens die Zukunft der österreichischen
Wasserwirtschaft weiterentwickelt werden?

8.     Welche Maßnahmen gedenken Sie im Hinblick auf die Stärkung der
kleinteiligen, dezentralen Strukturen zu setzen?

9.     Wurden weitere Studien von Ihrem Ressort betreffend die Zukunft der

Wasserwirtschaft bzw. Wasserentnahme etc. in Auftrag gegeben? Wenn ja, an
wen und mit welcher Zielsetzung? Was ist der Zeitplan für die Erstellung und
Veröffentlichung dieser Studien?

10.   Werden diese Studien dem Parlament zugeleitet und im Umweltausschuss
diskutiert? Wenn nein, warum nicht?