3176/J XXI.GP

Eingelangt am: 05.12.2001

 

 


ANFRAGE

der Abgeordneten Dr. Jarolim

und Genossinnen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend weitere höchst bedenkliche Vorgänge in Zusammenhang mit dem “Spitzelskandal"

Seit eineinviertel Jahren beschäftigt der so genannte “Spitzelskandal" die österreichische
Innenpolitik und zeigt manche wichtige Organwalter in der Justiz nicht von ihrer besten Seite.
Zwei Dringliche Anfragen im Nationalrat wurden vom Bundesminister für Justiz wenig
aussagekräftig und so knapp als möglich beantwortet, zahlreiche schriftliche Anfragen erlitten
ein ähnliches Schicksal und unzählige zum Teil äußerst fundierte Artikel in Medien konnten
den Justizminister nicht dazu veranlassen, ausreichend Licht ins Dunkel dieser Affäre zu
bringen. Vielmehr gab es gehäuft Vorwürfe, es sei gelungen, auf die Justizorgane Einfluss zu
nehmen.

Ein Irrläufer aus einer Anwaltskanzlei hat jüngst noch einmal ein bezeichnendes Licht auf
diese unfassbare Affäre geworfen. Der Großmeister des investigativen Journalismus in
Österreich, Alfred Worm, beschreibt unter dem Titel “Ein Paukenschlag zum Schluss" im
NEWS vom 29.11.2001 diese Vorgänge wie folgt:

“Die Umstände sind so grotesk, dass man sie grotesker nicht erfinden könnte. Da trat also im
Oktober 2000 der ehemalige FPÖ-Gewerkschafter Josef Kleindienst in die Öffentlichkeit, um
mit seinen Enthüllungen den “Spitzelskandal" (Bespitzelung von Kritikern durch Polizisten,
angestiftet durch FPÖ-Funktionäre, motiviert durch Cash) loszutreten. Namhafte FPÖler
bezichtigen Kleindienst der Lüge und erwirken bei Gericht “Einstweilige Verfügungen",
denenzufolge Kleindienst derlei Anschmisse zu unterlassen habe. Dieses Spiel wird bis zum
Obersten Gerichtshof durchgezogen, während die Staatsanwaltschaft seelenruhig einen
Verfahrenspunkt nach dem ändern einstellt.

Es gibt keinen Belaster - Kleindienst ist es ja per Einstweiliger Verfügung zunächst verboten
auszusagen. Nach einem Jahr hat der OGH bestätigt, dass Kleindienst sehr wohl reden darf-
nur, leider: Die Staatsanwaltschaft hat bereits einen Großteil der Vorwürfe eingestellt.
Ein Irrläufer aus der Anwaltskanzlei Gheneff-Böhmdorfer enthüllt nun eine
Ungeheuerlichkeit: Die FPÖ-Advokatur habe ohnehin immer gewusst, heißt es in einem


NEWS vorliegenden Schreiben an einen FPÖ-Mitarbeiter, dass rechtliche Schritte gegen
Josef Kleindienst letztendlich aussichtslos seien. Man werde aber die “Einstweiligen" gegen
Kleindienst dennoch bis zum OGH weitertreiben, um das Strafverfahren gegen die
Involvierten der 'Spitzelaffäre' möglichst lange hinauszuzögern.

Die vom amtierenden FPÖ-Justizminister Dieter Böhmdorfer gegründete Anwaltskanzlei hat
also den Quasi-Kronzeugen Kleindienst vorsätzlich durch zivilrechtliche Schritte am Reden
gehindert, bis die weisungsgebundene Staatsanwaltschaft auf die Kleindienst-Aussage
verzichten und zuvor einen Großteil der anhängigen Verdachtspunkte versenken konnte. Die
Kanzlei Gheneff-Böhmdorfer hat sich somit der Justiz bedient, um einen Enthüller mundtot zu
machen. ...."

Die Faktenlage auf Basis des “Irrläufers" aus der Kanzlei Gheneff-Fürst scheint es
erforderlich zu machen, bei einer Reihe von eingestellten Verfahren die umgehende
Wiederaufnahme einzuleiten. Interessant wäre aber, Rechtsexperten aus dem In- und Ausland
angesichts der dramatischen Entwicklungen beizuziehen, welche beurteilen sollten, ob das in
Österreich bis dato abgelaufene Verfahren unter Berücksichtigung der neuesten Aspekte den
Mindeststandards europäischer Rechtskultur entspricht.

Konkret heißt es im genannten Schreiben, welches unter der Faxkennung Boehmdorfer-
Gheneff KEG gefaxt wurde, von Mag. Huberta Gheneff-Fürst an ihren Mandanten Karl-Heinz
Petritz:

“In obiger Angelegenheit übermittle ich Dir zur Vervollständigung Deines Handaktes die
Entscheidung des obersten Gerichtshofes in Deiner eigenen Sache gegen Josef Kleindienst.
Bekanntlich haben wir nunmehr abschließend das Provisorialverfahren deshalb verloren,
weil es uns nicht gelungen ist zu beweisen, dass Kleindienst wissentlich Unwahrheiten vor der
Wirtschaftspolizei ausgesagt hat. Dieser Beweis konnte auch nicht gelingen. Das Verfahren
war aber mehr Mittel zum Zweck und haben wir zwischenzeitig bereits mit Dir vereinbart,
hier die Klage im Hauptverfahren zurückzuziehen. Dies werden wir umgehend veranlassen."

Das genannte Schreiben wurde von Josef Kleindienst bei einer Pressekonferenz der
Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt.

Florian Klenk bringt im Falter 49/01 den ganzen Skandal auf den Punkt: “Kabinettsjustiz".


Neben zahlreichen seit längerem bestehenden ungeklärten Punkten in der “Spitzelaffäre"
ergeben sich durch den neuen Sachverhalt weitere dringend aufklärungsbedürftige Fragen,
und die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz
nachstehende

Anfrage:

1.      Sind Sie der Auffassung, dass aufgrund der neuen Faktenlage bereits eingestellte
Verfahren in der “Spitzelaffäre" wieder aufgenommen werden müssten und wenn ja,
welche?

2.      Sind Sie in diesem Zusammenhang bereit, im Sinne eines rechtsstaatlichen
Verfahrens eine Weisung/Weisungen zu erteilen?

3.      Lehnen Sie Weisungen auch dann ab, wenn von der gesetzlich bestimmten

Weisungsspitze ein Agieren im Sinn einer Wiederaufnahme eines Verfahrens zurecht
erwartet würde?

4.      Sind nach zahlreichen Praktikern und Professoren jetzt nach den Erfahrungen in der
“Spitzelaffäre" nunmehr auch Sie der Überzeugung, dass es sinnvoll wäre, die
Weisungsspitze gegenüber den staatsanwaltschaftlichen Behörden vom
Bundesminister für Justiz auf einen Bundesstaatsanwalt oder den Generalprokurator
zu verlagern?

5.      Wie beurteilen Sie den Vorwurf von Alfred Worm, wonach “die Kanzlei Gheneff-
Böhmdorfer..... sich somit der Justiz bedient hat, um einen Enthüller mundtot zu
machen"?

6.      Sind Sie nicht auch der Auffassung, dass das Eingeständnis von Frau Mag. Gheneff-
Fürst, dass es nicht gelungen sei, zu beweisen, ,dass Kleindienst wissentlich
Unwahrheiten vor der Wirtschaftspolizei ausgesagt hat" etc. es erforderlich macht,
eingestellte Verfahren wieder aufzunehmen?

7.      Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass offenbar zahlreiche Verfahren “mehr Mittel
zum Zweck" waren? Würden Sie eine solche Vorgangsweise als Missbrauch der
Justiz bezeichnen?


8.      Wie beurteilen Sie die Forderung, dass, wie in der Begründung dargelegt,

internationale Rechtsexperten zur Beurteilung des abgelaufenen Verfahrens in der
“Spitzelaffäre" beigezogen werden sollten?

9.      Wie beurteilen Sie den Vorwurf, dass die Verfahren gegen Kleindienst deshalb bis
zum OGH weitergetrieben worden seien, “um das Strafverfahren gegen die
Involvierten der 'Spitzelaffäre' möglichst lange hinauszuzögern?

10.    Werden Sie alles von Ihrer Position her mögliche tun, dass in einem fairen

öffentlichen Verfahren über die Stichhaltigkeit der Vorwürfe in der “Spitzelaffäre"
geurteilt werde?

11.    Wenn nein, warum nicht?

12.    Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft nicht den Ausgang der
zivilrechtlichen Verfahren gegen Kleindienst abwarten konnte, um Kleindienst eine
von zivilrechtlichen Folgen unbedrohte Aussage zu ermöglichen?