3187/J XXI.GP

Eingelangt am: 10.12.2001

 

 


ANFRAGE

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für auswärtige Angelegenheiten

betreffend Investitionspläne der OMV im Sudan und Prinzipien der österreichischen
Entwicklungspolitik

Die kanadische Ölfirma Talisman zieht sich nach einem ungeheuren Imageverlust durch
mehrere Klagen aus den USA aus ihren Geschäften im Sudan zurück. Die OMV, die sich noch
immer zu 35% im Besitz der ÖIAG befindet, hat hingegen mehrmals betont, im Sudan
bleiben zu wollen. Die schwedische Firma Lundin hat keinerlei Interesse an einer Übernahme
der Talisman-Anteile signalisiert. Wie einem Artikel von Michael Wang im “Dow Jones" vom
5. Dezember 2001 zu entnehmen ist, wird derzeit in der OMV die Möglichkeit der Übernahme
der Talisman-Anteile geprüft: “In recent weeks, news reports have said, OMV and Indian
state-oil firms Oil and Natural Gas Corp. (P.ONG) and Indian Oil Co. (P. OIL) were sizing up
bids for Talisman's Sudan holding." Der derzeit kolportierte Betrag beläuft sich auf CAD
630.000.000,-.

Der Sudan befindet sich nach langen Jahren noch immer in einem blutigen Bürgerkrieg,
dessen Ende nicht absehbar ist. Der UNO-Sonderberichterstatter für den Sudan, Gerhart
Baum, sagte in einem Interview mit dem ai-Journal (Zeitschrift von amnesty international
Deutschland) vom 1. September 2001 dazu: “Der Krieg ist ein Machtkampf- im Norden wie
im Süden. Es geht um Einfluss und um den Zugang zu Ressourcen. (...) Bildhaft gesprochen:
Das Öl ist Öl im Feuer des Krieges. Ich habe mit den Ölkonzernen gesprochen. Ich gestehe
den Firmen zu, dass sie die negativen Auswirkungen nicht wollen und ihnen
entgegenzuwirken versuchen. Aber sie können machen, was sie wollen: Sie sind Teil des
Krieges." Der Spruch “oil fuels war" passt demnach in kaum einem anderen Land so perfekt
wie im Sudan.

Das österreichische Außenministeriurn betont richtigerweise immer wieder die Bedeutung der
Prävention von Konflikten und dass Österreich einen wichtigen Beitrag zur Beilegung von
bewaffneten Auseinandersetzungen - etwa in Afrika - leistet.

Derzeit liegt dem österreichischen Nationalrat die Regierungsvorlage für ein neues
Bundesgesetz über die Entwicklungszusammenarbeit vor, in der Entwicklungspolitik wie folgt
definiert wird:

§1 Abs. 2: “Entwicklungspolitik hat alle Maßnahmen des Bundes zu umfassen, die geeignet
sind, die nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Entwicklungsländer zu
fördern oder eine Beeinträchtigung dieser Entwicklung hintanzuhalten; ..."

§1 Abs. 3 betont: “Die österreichische Entwicklungspolitik hat vor allem folgende Ziele zu

verfolgen:

1.   die Bekämpfung der Armut in den Entwicklungsländern durch Förderung der

wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, welche zu einem Prozess des nachhaltigen
Wirtschaftens und des wirtschaftlichen Wachstums, verbunden mit strukturellem,
institutionellem und sozialem Wandel führen soll, ..."


§1 Abs. 5 hält fest: “Der Bund berücksichtigt die Ziele und Prinzipien der Entwicklungspolitik
bei den von ihm verfolgten Politikbereichen, welche die Entwicklungsländer berühren
können."

§8 betont: “... Der Bundesminister für auswärtige Angelegenheiten hat die Koordination der
internationalen Entwicklungspolitik sowohl in Österreich wie auch in Hinblick auf Art. 180
EGV sicherzustellen."

Und in §13 heißt es: “... Mit der Vollziehung des §1 und §8 ist der jeweils zuständige
Bundesminister betraut."

Aus den Zielsetzungen in dieser Regierungsvorlage ergibt sich eine besondere
entwicklungspolitische Verantwortung für alle vom Bund in diesem Zusammenhang
gesetzten Aktivitäten. Dies gilt auch für Unternehmen, an denen der Bund Anteile besitzt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1)  Wie beurteilen Sie nach diesen entwicklungspolitischen Zielen die o.g. Pläne der OMV, wo
es sich um Investitionen in einem Staat handelt, in dem nicht nur ein jahrzehntelanger
Bürgerkrieg stattfindet, sondern der von den USA als “Schurkenstaat" bzw. in letzter Zeit
auch als “low intensity terrorist state" (Zitat US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld)
bezeichnet wird?

2)  Wie stehen Sie dazu, dass man in einem teilweise in staatlichem Eigentum befindlichen
Betrieb Anteile von Talisman zu einem Preis (CAD 630.000.000,-) zu übernehmen
überlegt, der weit über der Höhe der Ausgaben der österreichischen Entwicklungs-
zusammenarbeit liegt?

3)  Sehen Sie einen Imageverlust auf das zu 35% in ÖIAG-Besitz befindliche Unternehmen
OMV und in der Folge auf Österreich zukommen, wenn die OMV in einen Bereich
einsteigen sollte, aus dem sich das kanadische Unternehmen Talisman wegen großer
Imageverluste zurückzieht?

4)  Wie beurteilen Sie es aus entwicklungspolitischer Sicht, dass ein zu mehr als einem
Drittel in österreichischem Staatseigentum stehendes Unternehmen erwägt, seine
Ölexplorationen im Bürgerkriegsland Sudan in hohem Maße auszuweiten?

5)  Sind Sie der Meinung, dass ein renommiertes Unternehmen wie die OMV neben seiner
ökonomischen, ökologischen und sozialen auch eine entwicklungspolitische
Verantwortung hat?