3199/J XXI.GP
Eingelangt am: 12.12.2001
ANFRAGE
der Abgeordneten Heinzl, Beate Schasching
und Genossinnen
an den Bundesminister für Justiz
betreffend die geplante Schließung von Bezirksgerichten in Niederösterreich
Seit
geraumer Zeit versucht Justizminister Dr. Böhmdorfer sein
Gerichtsorganisationskonzept
durchzubringen, nach welchem “kleine Einheiten zu größeren
Einheiten zusammenzulegen"
seien. Es soll die neue Gerichtsorganisation zu einer Spezialisierung der
Gerichte führen. Im
ursprünglichen Konzept war vorgesehen, 213 Landes- und Bezirkgsgerichte zu
64
Eingangsgerichten
zusammenzulegen.
Als
dieses Konzept bekannt wurde, gab es umgehend eine breite Ablehnung
insbesondere
durch
die Länder. Die betroffenen Länder und Gemeinden waren an der
Erstellung des
Konzeptes nicht eingebunden und wurden erst nach dieser Erstellung kontaktiert
und in der
Folge
wurden einschlägige Gespräche geführt.
Die
SPÖ war und ist grundsätzlich über eine sinnvolle Reform
betreffend
“Kleinstbezirksgerichte"
(mit oft nur einem Bruchteil eines Richterdienstpostens)
gesprächsbereit.
Die vom Bundesminister für Justiz bisher angestrebten Modelle einer Reform
der Gerichtsorganisation sind aber sowohl von der Dimension als auch von der
Vorgangsweise
her absolut unakzeptabel und würden zu einer krassen und
unverantwortlichen
Benachteiligung des ländlichen Raumes erheblich beitragen.
Nach jüngstem
Stand scheint der Justizminister zu planen, im kommenden Jahr rund 90
Gerichtsstandorte in Österreich zu schließen - unabhängig davon
ob die Bundesländer, wie in
einer
Verfassungsbestimmung vorgeschrieben, einwilligen oder nicht. Denn ein im
Verfassungsrang
stehendes Übergangsgesetz aus dem Jahr 1920 gesteht den Bundesländern
ein
Veto gegen die Änderung von Gerichtssprengeln zu.
Der
Justizminister versucht nun diese im Zeichen des Föderalismus stehende
Verfassungsbestimmung
durch einen Trick zu umgehen: Er würde die Sprengel weiterhin
bestehen
lassen, die Gerichte aber an einzelnen Standorten zusammenfuhren.
Die
vom Justizminister eingenommene Vorgangsweise ist nicht nur ein schwerer Schlag
gegen
den Förderalismus, sondern auch verfassungspolitisch bedenklich.
Darüber hinaus
wären
derart zusammengelegte Gerichte auch insofern keine gute Lösung, als zwar
verschiedene
Gerichte dann in einem Gebäude zusammengelegt würden, als
Organisationseinheit
aber erhalten blieben und sich die Richter - angeblich ein Hauptziel der
Reform - erst recht nicht wechselseitig vertreten könnten bzw. die
geforderte Spezialisierung
nicht im nötigen Umfang greifen würde. Die Böhmdorfer'sche
Lösung würde demnach von
beiden
Wegen das Negative kombinieren: Zum einen würden zahlreiche
Bezirksgerichte an
ihrem bisherigen Standort verschwinden und damit die Infrastruktur des
ländlichen Raumes
schwächen, andererseits würden die wesentlichsten Vorteile der Reform
gar nicht greifen,
nämlich
eine bessere Spezialisierung und bessere Vertretungsmöglichkeiten der
Richter
untereinander.
Besonders
unverständlich scheint den unterzeichneten Abgeordneten das Vorhaben, dass
auch
in
Niederösterreich eine erhebliche Anzahl von Bezirksgerichten
zusammengelegt werden
soll. Denn es ist noch nicht allzu lange her, dass im Zuge einer Gerichtsreform
in
Niederösterreich eine Anzahl von Gerichten aufgelassen worden ist. Im
Wesentlichen hat
damit
die Reform von Kleinstbezirksgerichten in Niederösterreich schon
stattgefunden -
übrigens
damals im Einvernehmen zwischen dem damaligen Bundesminister für Justiz
und
dem Land Niederösterreich. Es konnte im Dialog eine gemeinsame tragbare
Lösung erreicht
werden.
Da
die kolportierte Reform der Gerichtsorganisation einen schweren Schlag für
die
Infrastruktur darstellen würde, der genaue und detaillierte Plan aber noch
nicht bekannt ist,
stellen
die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Justiz
nachstehende
Anfrage:
1. Wie sehen Ihre
Pläne einer Gerichtsreform in den Bezirken St. Polten Stadt, St.
Polten
Land, Krems, Tulln und Lilienfeld aus? Welche Zusammenlegungen,
Schließungen
bzw. Verlegung von Standorten von Gerichten sind in diesen Bezirken
geplant?
2. Sehen Sie Ihre
Pläne der Gerichtsreform nicht als einen schweren Schlag
insbesondere für die Infrastruktur des ländlichen Raumes?
3. Bei der in jüngerer Zeit von Ihnen forcierten Lösung würden Sie - wenn die
Zustimmung
der Länder nicht vorliegt - anstatt einer tatsächlichen
Zusammenlegung
der
Sprengel bloß die Gerichte an einzelnen Standorten zusammenfuhren. Gingen
damit
nicht die von Ihnen vorgegebenen Vorteile der Reform weitestgehend
verloren?
4. Wie ist Ihr Verhandlungsstand im Gegenstand mit dem Land Niederösterreich?
5. Was sagen Sie zum
Argument, dass in Niederösterreich die Reform im Wesentlichen
schon
stattgefunden hat und daher weitere Schließungen nicht zu rechtfertigen
sind?