3271/J XXI.GP

Eingelangt am: 09.01.2002

 

 


ANFRAGE

der Abgeordneten Petrovic, Freundinnen und Freunde

an die Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft & Kultur

betreffend EU-Weißbuch "Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik"

Aufgrund zunehmender Krankheiten, etwa Allergien und bestimmter Krebsarten, die
in einem ursächlichen Zusammenhang mit bestimmten Chemikalien auftreten, hat
die EU-Kommission das Weißbuch "Strategie für eine zukünftige Chemikalienpolitik"
vorgelegt.

Einer der zentralen Punkte ist, alle "Alt-Chemikalien (das sind 100.106 chemische
Stoffe und Zubereitungen, die im September 1981 bereits im Umlauf waren) auf die
für Mensch und Umwelt gefährlichen Eigenschaften zu überprüfen. Diese
Chemikalien stellen mehr als 99 % der Gesamtmenge sämtlicher auf dem Markt
befindlichen Stoffe dar. Die Kommission schlägt bei der Systematisierung dieser
alten chemischen Stoffe ein schrittweises Vorgehen (Erfassung, Bewertung,
Zulassungsverfahren) und einen Übergangszeitraum von 11 Jahren vor.

Zunächst sollen alle Altchemikalien erfasst werden. Man schätzt, dass für ungefähr
80 % der Stoffe eine Erfassung ausreichend ist. Verdächtige Stoffe, man
veranschlagt hierfür 15 %, sollen einer Bewertung unterzogen werden. Abertausende
Tierversuche werden die Folge sein. Und Stoffe, "die in besonderen Maße zur
Besorgnis Anlaß geben", sollen einem Zulassungsverfahren unterworfen werden.
Dabei soll es sich um etwa 5 % der registrierten Stoffe handeln. Auch hier ist mit
abertausenden von Tierversuchen zu rechnen.

Eine englische Studie vom Institute for Environment and Health "Testing
Requirements for Proposals under the EC White Paper .Strategy for a Future
Chemicals Policy'" hat ergeben, dass für die Bewertung der Gefährlichkeit der
Altchemikalien innerhalb der EU mit 13 Millionen Tierversuche zu rechnen ist, die für
die Tiere immens belastend und qualvoll sind, da sie systematisch vergiftet werden.

Dem Kommissionsvorschlag gemäß sollen die Unternehmen selbst die
Chemikaliendaten erfassen, ebenso werden Importeure verpflichtet, die Sicherheit
ihrer Chemikalien zu bewerten und auch nachgeschaltete Anwender sollen
Risikobeurteilungen für Stoffe und Zubereitungen durchführen. Da es nicht im
Interesse eines Unternehmens sein wird, die Vermarktung einer Chemikalie mit
Einschränkungen versehen zu bekommen, ist zu befürchten, dass es keine objektive
Bewertung geben wird.


Im Strategiepapier wird die vorrangige Anwendung von Methoden ohne Tierversuche
und die Förderung dieser Methoden eigens hervorgehoben. Auch werden
Maßnahmen zur Vermeidung von unnötigen Mehrfachversuchen vorgeschlagen.

Anderseits erfolgt die Gefährlichkeitsprüfung eines Stoffes nach Prüfmethoden der
OECD, die zu einem großen Teil auf Tierversuchen basieren. Besonders häufig sind
hier die für die Tiere sehr belastenden Toxizitätstests vorgeschrieben.

Auch hinterfragt die Kommission nicht die Übertragbarkeit von
Tierversuchsergebnissen aus dem Labor auf den Menschen und die Umwelt, obwohl
es etliche Negativ-Beispiele dafür gibt.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE:

1. Was ist die österreichische Position zum Weißbuch der Kommission und welche
Vorschläge werden von Ihnen eingebracht?

2. Mit wie vielen Tierversuchen ist in Österreich aufgrund der Umsetzung der
Vorschläge im Weißbuch zu rechnen?

3. Was unternehmen Sie derzeit in Österreich und was werden Sie hinsichtlich des
Weißbuches auf EU-Ebene vorschlagen, damit alle existierenden Daten und
Informationen von den seit über 20 Jahren (!) im Verkehr befindlichen
Chemikalien verwertet und zusammengeführt werden, um dadurch unnötige
Tierversuche zu vermeiden?

4. Was unternehmen Sie derzeit in Österreich und was werden Sie hinsichtlich des
Weißbuches vorschlagen, damit alle vorhandenen tierversuchsfreien Verfahren
und Methoden auch eingesetzt und erforderlichenfalls weiterentwickelt werden,
um dadurch unnötige Tierversuche zu vermeiden?

5.  Was unternehmen Sie derzeit in Österreich und was werden Sie hinsichtlich des
Weißbuches vorschlagen, damit speziell in diesem Fall (da, wie schon erwähnt,
die Chemikalien seit über 20 Jahren im Verkehr sind und der Wissens- und
Erfahrungsstand ausreichend sein muss) epidemiologische Studien gegenüber
neuerlichen Tierversuchen bevorzugt werden?

6. Was unternehmen Sie derzeit in Österreich und was werden Sie hinsichtlich des
Weißbuches vorschlagen, damit alle epidemiologischen Daten der Öffentlichkeit
zur Verfügung gestellt werden?

7. Was unternehmen Sie, damit alle toxikologischen Gutachten der Öffentlichkeit
zur Verfügung gestellt werden?


8. Wie beurteilen Sie im Sinne der Objektivität der Ergebnisse, dass die
Unternehmen selbst die Daten erfassen, auswerten und bewerten sollen?
Welche Position werden Sie diesbezüglich auf EU-Ebene vertreten?

9. Welche Forschungsanstrengungen werden Sie unternehmen, damit es zur
Weiterentwicklung von Alternativmethoden zum Tierversuch kommt?

10.Welche Forschungsprojekte wurden in den letzten Jahren bzw. werden derzeit
gefördert, die sich mit Alternativen zum Tierversuch befassen bzw. die mit
Methoden durchgeführt werden, die den Tierversuch ersetzen? Wie viele Mittel
wurden in den letzten Jahren bzw. werden derzeit dafür zur Verfügung gestellt?

11.Was wird in Österreich derzeit unternommen, damit die Daten von
Tierversuchsergebnissen zu Verfügung gestellt werden, damit bestimmte
Versuche nicht unnötig wiederholt werden müssen?

12.Was werden Sie unternehmen, damit es in Österreich zur Förderung,
Entwicklung und vor allem auch zum Einsatz von Alternativen zum Tierversuch
kommt?

13.Was werden Sie unternehmen, damit die für die Tiere sehr belastenden
Toxizitätstests vermieden bzw. verboten werden?

14.Von welcher statistischen Wahrscheinlichkeit hinsichtlich der Validität von
Tierversuchen für die Bewertung von Chemikalien geht Ihr Ressort aus bzw. wie
hoch schätzen Sie die Fehlerquote bzw. die Quote der unerwarteten Wirkungen
ein?

15.Was werden Sie unternehmen, damit es zu einer umfassenden Validierung von
Tierversuchen kommt?