3376/J XXI.GP
Eingelangt am: 01.02.2002
ANFRAGE
der Abgeordneten Öllinger,
Glawischnig, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend Begünstigung Pultar bei Ausgliederung der Artothek
Im Zusammenhang mit der überraschend und überhastet durchgeführten
Ausgliederung von Leistungen der “Artothek" wurden in der Öffentlichkeit Fragen
aufgeworfen, die vor allem von Seiten Ihres Staatssekretärs Morak bisher nur
unzureichend oder falsch beantwortet wurden.
So konnte bisher nicht geklärt werden, zu welchem Preis und zu welchen
Konditionen der Auftrag zur Verwaltung und Digitalisierung der “Artothek" vergeben
wurde.
Bemerkenswert erscheint uns auch, dass
Herr Christian Pultar, der als Konsulent für
Staatssekretär Morak in vertraglicher Beziehung zum BKA steht, als
“Bestbieter" den
Zuschlag bei der Ausgliederung der .Artothek" erhalten hat, zur
Anbotlegung und
gleichzeitig auch zu einem “Equal"-Projekt vom Bundeskanzleramt
eingeladen
wurde.
Christian Pultar, der als Konsulent mit
seiner “WWV Partner SteuerberatungsGmbH"
für das BKA tätig ist, ist Geschäftsführer eines Vereins
“Gesellschaft zur Förderung
der Digitalisierung von Kulturgütern", der gemeinsam mit dem BKA, der
WWV
(Gesellschafter und Geschäftsführer Christian Pultar) und Kucera's
Fotostudio
(Gesellschafter Kurt Pultar) das Equal Projekt “Beschäftigung durch
Digitalisierung
von Kulturgütern" eingereicht hat.
Diese merkwürdige
Verflechtung des BKA und seines Konsulenten Pultar mit
Gesellschaften, bei denen
ebenfalls überall Pultar drinnen ist bzw. “drauf steht,
erinnert mehr an intime familiäre Beziehungen denn an transparente
geschäftliche:
das Bundesvergabegesetz wurde mehrfach grob missachtet, um den Konsulenten
des BKA zu begünstigen.
>
Der Auftrag zur Vergabe
der Verwaltung und Digitalisierung der “Artothek"
wurde nicht öffentlich ausgeschrieben, obwohl er den Schwellenwert von
€
200.000,-
weit überschritten hat.
> Die Vergabe im Rahmen eines Vergabeverfahrens entspricht weder
hinsichtlich der gebotenen Mindestfrist von 37
Tagen (§ 67 BvergG) noch
hinsichtlich der Voraussetzungen § 21(1)
bzw. § 81 den Anforderungen.
> Der Anbieter Pultar konnte nur deshalb ein für das BKA
(nicht für den Bund!
kostengünstigeres Angebot als der
Konkurrent erstellen, weil der Auftraggeber
BKA (!) gemeinsam mit dem Anbieter (!) in
engster zeitlicher und inhaltlicher
Verschränkung mit Auftragsvergabe und Vertrag ein Förderprojekt
“Beschäftigung durch Digitalisierung von Kulturgütern" im
Rahmen der
Gemeinschaftsinitiative “EQUAL",
getarnt als sozialökonomisches Projekt,
eingereicht hat. Das ist nicht nur der Missbrauch eines EU -
Förderprojekts,
sondern auch des Vergabeverfahrens.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1).
Das Präsidium des BKA hat mit Schreiben vom 30. 5. 01 mehrere
Interessenten
unter dem Betreff: Interessentensuche
eingeladen, ein Anbot für die Verwaltung und
Digitalisierung der “Artothek"
zu erstellen.
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a) Welche Interessenten wurden zu dem Anbot eingeladen?
b) Mit welchen Kriterien (Qualifikationen etc.) begründen Sie diese Auswahl?
c) Warum wurde die Anbotsfrist mit 29.6.01 beschränkt?
d) Warum haben Sie erst im Schreiben vom 20.6.01, mit dem
Sie Erläuterungen zur
Ausschreibung gaben und eine Nachfrist bis 11.7.01 gesetzt haben, die
Interessentensuche als Verhandlungsverfahren deklariert?
e) Hat Herr Pultar bzw. sein Verein, den es noch nicht gab,
innerhalb der Frist
29.6.01 ein Angebot eingereicht?
f) Hat Herr Pultar bzw. sein Verein, den es noch nicht gab,
innerhalb der Nachfrist ein
Angebot eingereicht?
g) Warum wurde Herrn Pultar die Teilnahme am Verhandlungsverfahren ermöglicht,
obwohl er bzw. sein Verein, den es noch nicht gab, keine besonderen technischen
oder künstlerischen Befähigungen betr. Digitalisierung von Kunstwerken vorweisen
kann?
h) Welche Interessenten haben bis 11.7.01 ein Angebot gelegt?
i) Welche Interessenten haben sich innerhalb der Nachfrist beworben?
j) Wurden alle Interessenten davon in Kenntnis gesetzt, dass das Bundeskanzleramt
beabsichtigt, im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative “Equal" ein Projekt
“Beschäftigung durch Digitalisierung von Kulturgütern" als verantwortliche
Verwaltungsbehörde einzureichen?
2). Staatssekretär Morak
erklärte gegenüber dem “Kurier" (29.1.02), dass im Wege
eines Verhandlungsverfahrens eine Ausschreibung gemacht wurde und unter
anderem acht Museen,
“von der Albertina bis zum MAK", angeschrieben worden
seien: “Diese haben Desinteresse signalisiert".
a) Welche Museen zwischen Albertina und MAK wurden angeschrieben?
b) Welche Museen haben Desinteresse signalisiert und warum?
c) Wurden nur Museen angeschrieben?
d) Welche sonstigen qualifizierten Interessenten wurden angeschrieben?
e) Warum wurden nicht auch Einrichtungen
angeschrieben, die bereits über
Erfahrungen mit der inhaltlichen Erschließung moderner und
zeitgenössischer Kunst
und deren Digitalisierung bzw. Visualisierung im Internet verfügen?
3).
Staatssekretär Morak erklärte gegenüber dem
,,Kurier"(29.1.02), dass es “nach
Fristende...nur eine
Bewerbung der Bundestheater Service GmbH" gab.
“Gleichzeitig", so Morak, “gab es die Bewerbung eines Vereines
zur Digitalisierung
des Kulturgutes im Rahmen eines EU-Projektes. Dieser Verein wurde vom
Kanzleramt gebeten, ein Anbot zu stellen, da seine Tätigkeit bekannt
war".
a) Warum wurde nach Fristende der Verein
zur Digitalisierung von Kulturgütern
gebeten, ein Anbot zu
stellen?
b) Wie erklären Sie den Umstand, dass
es nach Fristende zwar nur einen Bewerber,
nämlich die Bundestheater Service GmbH, gab, nach den Aussagen von
Staatssekretär Morak aber “gleichzeitig" die Bewerbung des
Vereins zur
Digitalisierung von Kulturgütern?
c) Wann war für Sie bzw. Staatssekretär Morak das Fristende?
d) Wie erklären sie den
merkwürdigen Umstand, dass Staatssekretär Morak diese
Einladung an den Verein damit rechtfertigt, dass “seine Tätigkeit
bekannt war",
obwohl zum Zeitpunkt der Anbotslegung der Verein noch nicht einmal
gegründet
war?
e) Ist Ihnen nicht bekannt gewesen, dass
der “Verein zur Digitalisierung von
Kulturgütern"
- erst am 9.8.01, also offensichtlich nach
Anbotslegung, mit seinen Proponenten um
die Vereinsgründung einreichte;
- erst Anfang September 01, also
offensichtlich lange nach Fristende, seinen
Nichtuntersagungsbescheid von der Vereinsbehörde erhalten hat und
daraufhin nach
eigenen Angaben
- erst am
27.9.(Erklärung des Vereins in “Standardonline" 14.1.02) oder
am 28.9.01
(Pultar gegenüber APA,
15.1.02) seine konstituierende Sitzung abgehalten hat?
f) Hat Staatssekretär Morak noch andere
mysteriöse Kontakte zu Vereinen, die zwar
ihm bekannt, aber noch nicht gegründet sind?
g) Wann haben Sie bzw. das BKA mit den
Vorbereitungen für das “EQUAL" -Projekt
“Beschäftigung durch Digitalisierung von Kulturgütern"
gemeinsam mit Herrn Pultar
bzw. dessen WWV SteuerberatungsGmbH begonnen?
h) Warum haben Sie mit der “Catro
Management Services GmbH" ebenfalls ein
Projekt “Digitalisierung österreichischer Kulturgüter" im
Rahmen der
Gemeinschaftsinitiative
“EQUAL" eingereicht?
i) Wann haben Sie mit der “Catro Management Services
GmbH" mit den
Vorbereitungen für das “EQUAL'-Projekt begonnen bzw. wann haben Sie
die “Catro"
darauf angesprochen?
j) Warum haben Sie nicht Vereine, die tatsächlich
existieren, bzw. Kulturinitiativen
oder kulturelle Einrichtungen mit Erfahrungen
eingeladen, an einem entsprechenden
EQUAL-Projekt
teilzunehmen?
4). Gegenüber dem “Standard" (9.1.02) werden vom BKA die jährlichen Kosten der
Ausgliederung mit Zahlungen von € 109.000,- an den Verein beziffert. Gegenüber
dem “Kurier" (29.1.01) spricht Staatsekretär Morak allerdings von Zahlungen von 10
Millionen Schilling an den Pultar- Verein für 5 Jahre. Selbst bei großzügiger
Aufrundung ergibt sich bei € 109.000,- für fünf Jahre nur ein Betrag von 7,5 Millionen
Schilling.
Tatsächlich aber enthält der Vertrag des BKA mit dem Pultar-Verein nach 3 Jahren
Leistung für jährlich € 109.000,- eine Erhöhung auf jährlich € 202.684,50 exkl.
Umsatzsteuer, während das Anbot der Theaterservice GmbH bei jährlich € 166.116,-
exkl. USt. lag.
Rechnet man die Kosten, die dem Bund (in diesem Fall dem BMWA) durch die
Kofinanzierung von EQUAL Projekten erwachsen, hinzu (50% der Fördersumme), so
sind die Kosten für den Bund beim Pultar-Projekt (ca. ATS 8 Mio.) daher allein aus
dem EQUAL Projekt bei rund 4 Millionen ATS oder knapp € 300.000,- für maximal 3
Jahre, also bei zusätzlichen Kosten von € 100.000 pro Jahr. Der Vertrag mit dem
Pultar-Vereins ist also nicht günstiger als das Anbot des zweiten bekannten
Anbieters.
Darüber hinaus soll der Pultar-Verein, den es nicht gab, ein weiteres Anbot in der
Höhe von durchgängig jährlich € 202.684,50 erstellt haben.
Damit wäre keines der beiden Pultar - Anbote günstiger als jenes des
Konkurrenzanbieters, dafür beide Anbote kostenident für den Bund.
Damit wären auch die Kosten der Ausgliederung höher als jene Kosten, die bei einer
weiteren Betreuung der Artothek durch das BKA anfallen würden.
a) Wie lautete das Anbot des “Vereins", den es noch nicht gab ?
b) Hat es zwei
oder mehrere unterschiedliche Anbote des “Vereins" gegeben? Wenn
ja, mit welchen Konditionen?
c) Wie lautete das Anbot der Bundestheater Service GmbH?
d) Hat es auch in diesem Falle zwei oder mehrere unterschiedliche Anbote gegeben?
e)
Wurde die Bundestheater Service GmbH bzw. alle potentiellen Anbieter auch
über
die Möglichkeit informiert, unterschiedliche Anbote erstellen zu
können?
f) Wurde die
Bundestheater Service GmbH bzw. die anderen Anbieter auch darüber
informiert, dass das BKA die Teilnahme an einem EQUAL Projekt zur
Digitalisierung
von Kulturgütern beabsichtigt bzw. dazu eingeladen?
g) Wurde die Bundestheater Service GmbH darüber informiert, dass ein anderer
Anbieter gemeinsam mit dem BKA ein derartiges Projekt vorbereitet und dadurch die
Kosten für den Vertrag zumindest für drei Jahre senken kann?
h) Warum wurde die Ausgliederung in der Öffentlichkeit vom BKA mit
Kostenreduktion beworben, obwohl die Kosten für das BKA bzw. für den Bund höher
sind?
i) Wurde die Innenrevision des BKA mit der Vertragsvergabe bzw. der
Ausschreibung befasst? Wenn ja, wann und welche Stellungnahme erfolgte?
Wenn nein, warum nicht?
j) Wurde das Bundesministerium für
Finanzen vor Vertragsabschluss mit dem
Vertrag, der ja eine Dauerleistung inkludiert, befasst und hat es seine
Zustimmung
gegeben? Wenn ja, wann, wenn nein, warum nicht?
5). Das BKA bzw. der Pultar-Verein, den es
nicht gab, haben ein Projekt
“Beschäftigung durch Digitalisierung von Kulturgütern" bei
EQUAL im Strang
“Stärkung der Sozialwirtschaft" eingereicht und mit der
zusätzlichen Beschäftigung
und Qualifizierung auch in der Öffentlichkeit den Ausgliederungsvertrag
beworben.
Die Gemeinschaftsinitiative EQUAL will über ihre Projektpartnerschaften
auch
prekäre in reguläre bzw. dauerhafte Arbeitsverhältnisse
umwandeln bzw. zusätzliche
Arbeitsplätze schaffen. In der Information des BKA zum
Verhandlungsverfahren
“Ausgliederung der Artothek" vom
20.6.01 heißt es zum Thema Personal:
“Für Zwecke der Verwahrung der
Kunstwerke sind drei Personen in vollem Ausmaß
tätig. Diese Personen nehmen ausschließlich die in der Ausschreibung
umschriebenen Aufgaben
wahr.
Es bleibt den Vertragspartnern des Bundes
überlassen, die Personen zu
übernehmen oder eigenes Personal anzubieten".
a) Wie viele Personen waren zum Stichtag 31. 12. 01 in der Artothek beschäftigt?
b) Wie viele von ihnen waren ausschließlich
“für Zwecke der Verwahrung der
Kunstwerke" tätig und zu welchen Konditionen (Arbeitsverhältnis,
Höhe der
Entlohnung)?
c) Wie viele weitere Personen waren zum Stichtag 31.12.01 in der Artothek tätig?
d) Zu welchen Konditionen?
e) Wie viele Personen wurden mit Stichtag 1.1.2002 bzw.
31.1.2002 vom Verein
“Gesellschaft zur Digitalisierung.." übernommen und zu welchen
Konditionen
(Arbeitsverhältnis, Höhe der Entlohnung)?
f) Wie viele Personen sollen im EQUAL Projekt der Familie
Pultar bzw. des BKA
zusätzlich beschäftigt werden?
g) Zu welchen Konditionen (Arbeitsverhältnis, Höhe der Entlohnung)?
h) Bedeutet der Umstand, dass beide Pultar - Vertragsvarianten kostenident für den
Bund sind, dass zusätzliche Beschäftigungseffekte höchstens für 3 Jahre und nur
durch die EU- bzw. ESF-Kofinanzierung zu erwarten sind?
i) Entspricht die vom Pultar-Verein im “Standardonline" (14.1.02) geäußerte Ansicht,
dass arbeitslose Kunstuniversitätsabsolventlnnen über die EQUAL Initiative die
Anwendung der Digitalisierung lernen sollten, den Intentionen des BKA? Wenn ja,
wodurch wird dabei die Sozialwirtschaft gestärkt?
j) In welcher Grössenordnung sind zusätzliche Beschäftigungen zu erwarten bzw.
geplant?
k) Zu welchen Konditionen (Arbeitsverhältnis, Entlohnung?)
l) Wie viele Beschäftigte verblieben im BKA mit Stichtag 1.1.2002 und arbeiten
dennoch für den Pultar- Verein?
m) Werden die Personalkosten der mit der Verwaltung und Digitalisierung der
Artothek betrauten Personen auch in Zukunft vom BKA bezahlt? Wenn ja, in welcher
Form?
6). Der Vertrag zwischen dem BKA und dem Pultar-Verein
enthält auch eine
Ausstiegsklausel für den Fall, dass das EQUAL Projekt von Verein und BKA
zur 2.
Runde von EQUAL nicht zugelassen werden sollte. Da das Projekt des Pultar-
Vereins schon in der ersten Runde nicht gerade eines der bestbewerteten war,
ist -
unabhängig von der Beurteilung, die die EU -Kommission über die
Verquickung von
Ausgliederungsvertrag und EQUAL-Projekt
trifft, bei der Zulassung für die 2. Runde
durchaus mit einer Ablehnung zu rechnen.
a) Welche Maßnahmen hat das BKA
getroffen, um im Fall einer Ablehnung des
EQUAL Projekts “Beschäftigung durch Digitalisierung von
Kulturgütern" die
Verwaltung und Digitalisierung der Artothek weiterführen zu können?
b) Gab es jemals alternative Varianten zur
Ausgliederungsvariante, die eine
Attraktivierung und bessere öffentliche Zugänglichkeit der Artothek
beinhaltet haben?
c) Werden Sie im Fall eines Scheiterns des Pultar-Projekts
und eines Rückzuges aus
dem Vertrag einen öffentlichen Ideenwettbewerb bzw. eine öffentliche
Ausschreibung
der Artothek veranlassen? Wenn nein, warum nicht?
d) Der Rechnungshof hat beanstandet, dass 37 Kunstwerke,
darunter ein Bild von
Max Weiler, verschenkt
wurden, was den Zielsetzungen der Artothek widerspricht.
Von wem wurden welche Bilder
an wen verschenkt?