3514/J XXI.GP
Eingelangt am: 27.02.2002
ANFRAGE
der Abgeordneten Glawischnig, Freundinnen und Freunde
an den Bundeskanzler
betreffend AKW Temelin: Schon vergessen?
Nach
dem Temelin-Volksbegehren der FPÖ, das von knapp einer Million Menschen
unterzeichnet wurde, ist mittlerweile mehr als ein Monat vergangen. Viele
Menschen
haben das Volksbegehren auch deshalb unterschrieben, weil sie von der
Bundesregierung eine engagiertere Anti-Temelin-Politik und einen neuen Anlauf
für
Stillegungsverhandlungen wünschen. Viele Menschen haben das Volksbegehren
nicht unterschrieben, weil sie in einer Veto-Drohung gegen einen EU-Beitritt
Tschechiens kein geeignetes Instrument sehen.
In Folge haben Vertreterinnen der
Bundesregierung mehrfach angekündigt, mit
Prag neue Verhandlungen über eine
Stillegung des AKW aufnehmen zu wollen.
Mittlerweile
ist es im tschechischen AKW am 7. . Februar zum bisher
schwerwiegensten Störfall seit Beginn des
Probebetriebes im Oktober 2000
gekommen, die Notkühlung musste aktiviert werden, erstmals war auch der
Primärkreislauf direkt betroffen. Laut Experten ging Temelin nur knapp an
einer
Katastrophe vorbei. "Erstmals in der Geschichte Temelins wurde ein
außerordentliches Ereignis erster Stufe ausgerufen", bestätigte
auch die Leiterin der
staatlichen tschechischen Nuklearbehörde. Block 1 ist mittlerweile
abgeschaltet
worden, um die Probleme im Laufe einer einmonatigen Pause zu analysieren.
Bereits in den
nächsten Tagen soll Block 2 mit Brennstäben beladen werden, obwohl
zahlreiche von einem internationalen Expertenteam konstatierte Mängel
nicht
behoben sind. Angesichts der aktuellen
Entwicklungen ist dringender
Handlungsbedarf gegeben. Ausstiegsverhandlungen mit einer neuen Regierung
nach den tschechischen Wahlen in Mai
müssen seitens der Bundesregierung bereits
jetzt intensiv vorbereitet werden. Denn nur mit einem umfassend und seriös
unter
Beteiligung aller relevanter Stellen (Bund, Länder, NGOs, Experten)
vorbereitetem
Ausstiegsangebot bestehen realistische Chancen auf einen
Verhandlungsdurchbruch.
Am
31. Jänner hat der Bundeskanzler im Parlament angekündigt, nach den
tschechischen Parlamentswahlen mit Prag wieder über das AKW Temelin zu
sprechen. Die Bundesregierung werde alle Länder beim Ausstieg aus der
Atomenergie unterstützen und Österreich werde auch mit der
tschechischen
Regierung nach den Wahlen in konkrete Gespräche eintreten, so der Kanzler.
Ende
Januar hat auch Vizekanzlerin Susanne
Riess Passer im Nachrichtenmagazin
profil unterstrichen, dass es mit Tschechien
konkrete Nachverhandlungen geben
werde. Diese sollten in Richtung Nullvariante gehen. Die Vizekanzlerin betonte
dabei
die
Wichtigkeit, für Tschechien auch "finanzielle Alternativen zu
erarbeiten". Hier
könne Österreich nicht allein sein, auch die EU müsse helfen.
"Das Problem ist, dass
die Kommission bislang das Problem ignoriert hat. Da sollten wir noch einmal
einen
Anlauf machen," wird die Vizekanzlerin in profil zitiert.
Am 26. Februar hielt der Bundeskanzler nach dem Ministerrat
laut APA anlässlich
eines Vorschlages von Wirtschaftskammer-Präsident Leitl für ein
finanzielles
Ausstiegsangebot an
Tschechien fest, dass er wenig davon halte, Tschechien für
das AKW Temelin eine finanzielle Ausstiegshilfe anzubieten, “insofern als
dieses
Angebot schon oft gemacht worden, aber immer abgelehnt worden ist."
Grundsätzlich gebe es aber natürlich die Bereitschaft, finanziell zu
helfen, so der
Kanzler.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Sie haben am 26.2.2002 nach
dem Ministerrat zum Thema “finanzielle
Ausstiegshilfe für das AKW Temelin" gesagt, dass “dieses
Angebot schon oft
gemacht worden ist, aber immer abgelehnt worden ist". Welche konkreten
diesbezüglichen Ausstiegsangebote wurden seitens der Bundesregierung
bisher
an Tschechien gerichtet? Bitte listen Sie die einzelnen “Angebote"
auf, versehen
mit Datum, Höhe des finanziellen Angebotes, weiteren inhaltlichen Details
des
Angebotes, dem jeweiligen
für das Angebot verantwortliche österreichische
Regierungsmitglied, dem jeweiligen Regierungsmitglied auf tschechischer Seite,
mit dem über das Angebot
Gespräche geführt wurden und der Begründung der
Ablehnung des Angebotes durch die tschechische Seite.
2. Welche konkreten
Maßnahmen hat die Bundesregierung seit dem Temelin-
Volksbegehren eingeleitet, um
Temelin-Ausstiegsverhandlungen mit einer neuen
tschechischen Regierung vorzubereiten?
3. Welche konkreten Schritte
(Sondierungsgespräche etc.) hat die Bundesregierung
diesbezüglich bei
tschechischen Politikerinnen gesetzt und mit welchen
Ergebnissen?
4. Welche konkreten Schritte
hat die Bundesregierung eingeleitet, um für Temelin
"finanzielle Alternativen zu erarbeiten"? Welche Vorarbeiten für
ein finanzielles
Ausstiegsangebot Österreichs hat die Bundesregierung durchgeführt?
Haben
Mitglieder der Bundesregierung diesbezüglich bereits Gespräche mit
dem
Finanzminister geführt? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
5.
Welche konkreten "Anläufe" hat die Bundesregierung auf Ebene der
Europäischen Union
unternommen, um "finanzielle Alternativen zu Temelin" auch
von Seiten der EU einzufordern.
6. Welche konkreten
technisch-inhaltlichen Vorschläge für ein "verbindliches
Ausstiegsszenario" für Temelin hat die Bundesregierung bisher
erarbeitet?
7. Wie sollte Ihrer Meinung
nach ein optimales Temelin-Ausstiegs-Angebot
Österreichs und der EU inhaltlich, technisch, organisatorisch und
finanziell
gestaltet sein?