3519/J XXI.GP
Eingelangt am: 27.02.2002
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Justiz
betreffend Gewissensgefangene in österreichischen Haftanstalten (§ 209 StGB)
Die Europäische Kommission für
Menschenrechte hat im Fall Sutherland bereits am
01.07.97 ausdrücklich höhere Altersgrenzen für homosexuelle als
für heterosexuelle
Beziehungen als Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention (Art.
8,14
EMRK) erkannt. UNO, Europarat und EU verlangen seit Jahren einheitliche
Altersgrenzen. Das EU - Parlament hat Österreich in den letzten vier
Jahren sechs
Mal, davon allein im Jahr 1998 dreimal, zweimal während seiner EU -
Präsidentschaft,
zuletzt am 05.07.2001, dringend aufgefordert, § 209 endlich
aufzuheben und alle
(ausschließlich) danach zu Freiheitsstrafen Verurteilten zu
begnadigen.
Am 11. November 1998 hat sogar der
Menschenrechtsausschuß der Vereinten
Nationen von Österreich verlangt, das diskriminierende Mindestalter zu
beseitigen
(“concluding observations" zu Österreichs Bericht gem. Art. 40
des Internationalen
Paktes über bürgerliche und politische Rechte, 11.11.1998). Und im
September 2000
hat die Parlamentarische Versammlung des (43 Mitgliedstaaten West-, Mittel und
Osteuropas umfassenden) Europarates neuerlich zur Beendigung dieser
Diskriminierung aufgerufen (Rec 1474(2000)).
Diskriminierungen auf Grund des
Geschlechts und der sexuellen Orientierung hat der
Europäische Gerichtshof für Menschenrechte scharf verurteilt und
ausdrücklich für
ebenso inakzeptabel erklärt wie Diskriminierung auf Grund von
“Rasse" (Lustig -
Prean & Beckett v. United Kingdom (par. 90), Smith & Gradey v. United
Kingdom
(par. 97), 27 Sept. 1999) oder Religion (Salgueiro da Suva Mouta v. Portugal
(par.
36), 21. Dez. 1999) (ebenso
jüngst OLG Graz 24.11.2000, 9 Bs 304/00 [16]). Die
Parlamentarische Versammlung des Europarates hat solche Diskriminierung erst
kürzlich als “besonders abscheulich" (“especially
odious") bezeichnet (Opinion 216
(2000); ebenso wieder Rec 1474(2000)). Auch der EG - Vertrag enthält seit
dem
Inkrafttreten des Vertrages von Amsterdam ein ausdrückliches Verbot der
Diskriminierung auf Grund “sexueller Orientierung" (Art.13 EGV);
ebenso die im
Dezember 2000 verabschiedete EU-Grundrechte-Charta (Art. 21).
Die von § 209 StGB
(zusätzlich zu anderen Tatbeständen) erfaßten
“Taten" sind
(auch in Österreich) im heterosexuellen und lesbischen Bereich völlig
legal; sie
interessieren dort keine Sicherheits - und keine Strafverfolgungsbehörde.
Sexuelle
Gewalt, “Schändung", sexueller Mißbrauch von Kindern,
Mißbrauch eines
Autoritätsverhältnisses,
Zuführung zur Prostitution, Zuhälterei, Menschenhandel und
öffentliche sexuelle
Handlungen sind samt und sonders nach anderen
Bestimmungen strafbar (§§ 201 - 218 StGB). Alleinige Funktion des
§ 209 StGB ist
es, einverständliche sexuelle
Beziehungen von mündigen Staatsbürgern zu
kriminalisieren, und dies ausschließlich zwischen Männern,
während entsprechende
Beziehungen zwischen Frauen bzw. zwischen Frauen und Männern legal sind.
Am 16. März 1999 hat der damals
amtierende Justizminister Dr. Nikolaus Michalek
mitgeteilt, daß sich “zum Stichtag 1. März 1999... in den
österreichischen
Justizanstalten insgesamt 11 Personen wegen § 209 StGB in Haft (befanden),
davon
5 Untersuchungshäftlinge und 5 Strafgefangene. Eine Person wurde im
Maßnahmenvollzug
gemäß § 21 Abs. 2 StGB angehalten". (XX.GP. - NR 5312/AB,
19.03.1999 zu 5551/J = 7381/1 - Pr 1/1999). Am 19. April 2000 teilten Sie, sehr
geehrter Herr Bundesminister mit, dass es zum damaligen Zeitpunkt 1
Untersuchungshäftling, 9 Strafhäftlinge und 2 Personen im
Maßnahmenvollzug
waren (XXI.GP - NR 385/AB; 735/AB), und am
11.05.2001, daß 6 Männer in
Strafhaft bzw. im Maßnahmenvollzug waren (2097/AB XXI. GP).
Diese Personen werden wegen ihrer sexuellen
Orientierung in Haft gehalten, sind
also “Gewissensgefangene" im Sinne des Mandats von Amnesty
International.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie oft
ist im Jahre 2001 auf Grund § 209 StGB (als alleiniges bzw. als im Sinn
der Verurteiltenstatistik
führendes Delikt) Untersuchungshaft verhängt worden
(aufgeschlüsselt nach Gerichtshöfen)? Wie oft bei nach § 209
StGB
unbescholtenen Ersttätern? Wie alt waren jeweils die Verurteilten und ihre
jugendlichen Partner?
2. In wie
vielen Fällen ist 2001 bei nach § 209 StGB unbescholtenen
Ersttätern eine
teilbedingte oder unbedingte
Freiheitsstrafe verhängt worden (aufgeschlüsselt
nach Gerichtshöfen)? Wie hoch waren diese Freiheitsstrafen und wie alt
jeweils
die Verurteilten und ihre jugendlichen Partner?
3. Wieviele
Personen befinden sich derzeit wegen § 209 StGB (als alleiniges oder im
Sinne der Verurteiltenstatistik führendes Delikt) in Untersuchungs - bzw.
Strafhaft,
wieviele im Maßnahmenvollzug (aufgeschlüsselt nach § 21 Abs. 1,
§ 21 Abs. 2 §
22, § 23 StGB), aufgeschlüsselt nach Vollzugsanstalten? Wie lange
werden diese
Personen noch in Haft zu
verbringen haben?