3576/J XXI.GP
Eingelangt am: 04.03.2002
ANFRAGE
der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie
betreffend unzureichende Berücksichtigung
der berechtigten Anliegen behinderter
Menschen in aktuellen Entscheidungsprozessen im Verkehrsbereich
Artikel 7 Absatz 2 der österreichischen
Bundesverfassung lautet: "Niemand darf
wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Republik (Bund, Länder
und
Gemeinden) bekennt sich dazu, die Gleichstellung von behinderten und
nichtbehinderten Menschen in allen Bereichen des täglichen Lebens zu
gewährleisten".
Trotzdem geben auch neueste Infrastrukturprojekte, die aus
Mitteln des Bundes
finanziert und von Behörden des Bundes genehmigt wurden, aufgrund deren
Unbenützbarkeit für behinderte Menschen und dem damit verbundenen
Ausschluss
behinderter Menschen von der Benützung
öffentlicher Verkehrsmittel, Anlass, die
bestehenden Regelungen im Verkehrswesen zu
hinterfragen.
Auch ist es im Sinne des Artikel 7 Absatz 2 der
österreichischen Verfassung nicht
zulässig, dass (selbst noch im Entwurfsstadium befindliche!) Verordnungen
Diskriminierungen für behinderte Menschen enthalten.
Hinterfragenswert ist auch die gegenwärtige Praxis
Ihres Ministeriums, die
Selbsthilfeorganisationen behinderter Menschen von manchen
Begutachtungsverfahren auszuschließen. Nach wie vor stellen nicht alle
Ministerien
die aktuellen legistischen Vorhaben auf Homepages oder auf andere Weise
allgemein zur Verfügung, sondern wählen die in die Begutachtung
eingebundenen
Organisationen nach den Prinzipien von Zufall und Willkür aus.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Stimmt es, dass die
im Entwurfsstadium befindliche EISENBAHNKREUZUNGS-
VERORDNUNG bzw. deren Novellierung Selbsthilfeorganisationen behinderter
Menschen nicht zur Stellungnahme übermittelt wurde?
Wenn ja: Warum wurde diese nicht übermittelt?
2. Stimmt es, dass
auch die im Entwurfsstadium befindliche EISENBAHN-
KREUZUNGSVERORDNUNG bzw. deren Novellierung folgende
Diskriminierungen behinderter Menschen enthält?
2a. § 4. Sicherung durch Andreaskreuze und Gewährleisten des erforderlichen
Sichtraumes
§ 7. Sicherung durch Schranken- oder Lichtzeichenanlagen.
Wie soll ein blinder bzw. sehbehinderter Mensch dies wahrnehmen können?
Bedeutet dies, dass blinden bzw. sehbehinderten Menschen die Benützung
mancher Wege (ohne Begleitung) untersagt ist und ist diese Bestimmung mit
dem Artikel 7 der Bundesverfassung vereinbar?
2b.§ 6. Sicherung durch Andreaskreuze und Abgabe
akustischer Signale vom
Schienenfahrzeug
aus.
Wie soll ein hörbehinderter Mensch
dies wahrnehmen können? Bedeutet dies,
dass hörbehinderter Menschen die Benützung mancher Wege sowohl mit
einem
KFZ als auch zu Fuß oder mit dem Fahrrad (ohne Begleitung) untersagt ist,
obwohl diese Menschen gemäß KFG Lenkerberechtigungen erwerben
können,
und ist diese Bestimmung mit dem Artikel 7 der Bundesverfassung vereinbar?
2c.Wie wird
sichergestellt, dass Rollstuhlfahrerlnnen nicht mit ihrem Rollstuhl in den
Spurrillen hängen bleiben, welche Regelwerke des BMVIT legen die technisch
sichere Ausgestaltung fest?
(Gesonderte Beantwortung der Teilfragen 2a - 2c)
3. Wieso
wurde der Umbau des Bahnhofes Feldkirch genehmigt, obwohl die
Bestimmungen der ÖNORM B 1600 bezüglich der behindertengerechten
Gestaltung nicht eingehalten wurden?
4.
Nach welchen Bestimmungen bzw. nach welchen technischen Regelwerken
werden in Österreich eisenbahnspezifische Bauwerke geplant und errichtet?
5.
ÖBB, GKE, SLB, Montafonerbahn, RoeEE, alle Normalspurbahnen oder alle
Schmalspurbahnen, sie alle
richten sich bei der Anschaffung von Fahrzeugen
nach den UIC-Codices. Daher
gelten auch baulich die gleichen
Randbedingungen für die
Normalspur- und Schmalspur(760 oder 1000 mm)-
Bahnen. Warum gibt es dann - in Analogie zu den Landesbauordnungen - keine
Eisenbahnbauordnung?
6. Sowohl bei Bahnsteigen von Eisenbahnunternehmen als auch bei
Straßenbahnunternehmen
mit eigenem Gleiskörper ist, selbst bei Verwendung
sogenannter Niederflurfahrzeuge, das Ein- und Aussteigen für
Rollstuhlfahrerlnnen mit großen Problemen verbunden. In welchen
Regelwerken
im Zuständigkeitsbereich des BMVIT ist die Ausgestaltung von Bahnsteigen
und
anderen eisenbahnspezifischen Bauwerken geregelt?
7.
Den Allgemeinen Geschäftsbedingungen österreichischer Privatbahnen
ist zu
entnehmen, dass auch Privatbahnen im eigenen Netz Dienstvorschriften der
ÖBB einhalten müssen. Weshalb ist dies so?
8. Welche
Rechtsgrundlage haben diese Dienstvorschriften, aufgrund welcher
Rechtsgrundlage müssen andere Eisenbahnunternehmen diese ÖBB-
Dienstvorschriften auch im eigenen Netz einhalten?
9.
Angeblich werden diese "ÖBB-Dienstvorschriften" zur Anwendung
gebracht,
"weil die ÖBB ja bis 1969 mit der Behörde ident waren".
Welche technischen
oder anderen Regelwerke
für die Errichtung, den Betrieb und die Erhaltung von
Eisenbahnen hat das Verkehrsministerium seit 1969 erarbeitet?
10. Sind
diese sogenannten Dienstvorschriften mit den Anforderungen barrierefreien
(behindertengerechten) Bauen vereinbar?
11 .Wenn
der Bund Milliardenbeträge für den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur
bereitstellt, legt er auch die behindertengerechte Gestaltung der so von ihm
finanzierten Projekte fest. Gibt es Regelwerke des Bundes für die
Gestaltung der
von ihm finanzierten Eisenbahnprojekte, bzw. stimmt es, dass die von ihm
beauftragten Eisenbahnunternehmen im Rahmen der sogenannten HL-
Richtlinien selbst festlegen, was sie mit den Mitteln des Bundes machen?