3621/J XXI.GP

Eingelangt am: 15.03.2002

 

ANFRAGE


der Abgeordneten Gradwohl, Mag. Maier

und GenossInnen

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend des Landwirtschaftsministers vergeblicher Suche nach einem Fleischskandal

in Österreich

Noch nie in der Geschichte des Verbraucherschutzes und der Landwirtschaft traten in
Österreich innerhalb einer so kurzen Zeitspanne derartig gehäuft gefährliche Bedrohung und
Skandale (BSE, MKS, Antibiotika, Dioxin) im Nahrungsmittelsektor auf. Allen gemeinsam
war, dass schwere Kontrollmängel im Rahmen landwirtschaftlicher Betriebsmittel dabei ans
Tageslicht gekommen sind. Die Reaktion des dafür zuständigen Mitglieds der
Bundesregierung, des Landwirtschaftsministers, war zögerlich, hinhaltend für die Sicherheit
der Produzenten und vor allem im Sinne des Schutzes der Gesundheit und des Lebens der
Konsumenten unzureichend.

Der österreichische Landwirtschaftsminister, der sich gerne bei jeder sich bietenden
Gelegenheit und in vielen seiner Aussendungen als “Lebensminister" bezeichnet, hat seit
Beginn der BSE-Krise in Europa, bis zum ersten österreichischen BSE-Fall und bis heute eine
sowohl für die Produzenten, als auch für die Konsumenten unrühmliche Rolle gespielt:

•    Der österreichische Landwirtschaftsminister alias “Lebensminister" hat monatelang auf
EU-Ebene versucht, die Vorsichtsmaßnahmen zum Schutz der Gesundheit und des Lebens
der Konsumenten in Österreich durch Entfernen der Risikomaterialien in unserem Land
aus Kostengründen (!) zu verhindern.

•    Der österreichische Landwirtschaftsminister musste von einer Tageszeitung darauf
aufmerksam gemacht werden, dass in Bauernbundkalendern für Niederösterreich,
Steiermark, Oberösterreich und Tirol, Tiermehl in Form von Futtermitteln bis zum
Jahr 2000 empfohlen wurde, und zwar auch für die seit zehn Jahren verbotene
Verfütterung an Rindern.

•    Ein EU-Kontrollbericht vom September 2001 gibt ein vernichtendes Urteil über die
Maßnahmen in Sachen Schutz vor BSE in Österreich bekannt und gipfelt in der Aussage:
"Wenn kontaminiertes Fleisch-Knochen-Mehl auf den österreichischen Markt gelangt ist,


kann nicht ausgeschlossen werden, dass Tiere mit dem BSE-Erreger in Berührung
gekommen sind, weil das Verfütterungsverbot nicht effektiv überwacht wurde".

•    Nicht unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang, dass am Höhepunkt der
europäischen BSE-Krise seitens des Landwirtschaftsministeriums das Bundesamt für
Agrarbiologie Linz angewiesen wurde, die Kontrollen zu reduzieren: “Auf Grund eines
vom Geschäftsfeld ,AGROCONTROL' erarbeiteten Rahmenplanes, ist die Anzahl der
gezogenen Futtermittelproben von 1.547 im Jahre 1998 auf 800 im Jahre 1999 reduziert
worden, bei Düngemitteln von 800 auf 350 und bei Saatgut von 1.200 auf 400".

•    Welch fatale Auswirkungen diese Anweisung zur Reduzierung der Kontrolle durch den
selbst ernannten “Lebensminister" hat, zeigen die Aussagen von Österreichs anerkanntem
BSE-Experten Prof. Budka, der mehrfach darauf hingewiesen hat, dass für das Auftreten
aktueller und zukünftiger BSE-Fälle die Fütterung vor drei, vier, fünf und mehr Jahren
ausschlaggebend und entscheidend ist.

•    Darüber hinaus hat die Agrarmarkt Austria (AMA), eine Dienststelle, die unter der
Aufsicht und dem Einfluss des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft,
Umwelt und Wasserwirtschaft steht, und im Sinne des Gesetzgebers für die Kontrolle der
Förderungsmaßnahmen und Qualitätssicherung und -Steigerung zuständig (u.a. auch im
Fleischbereich) ist, höchsten Erklärungsbedarf seit bekannt wurde, dass es sich bei einer
Firma des Herrn R. in Martinsberg um einen anerkannten “AMA-Gütesiegel-Betrieb"
handelt.

•    Vorläufiger Höhepunkt von Inkompetenz und Inaktivität ist, dass vor dem Hintergrund
erschreckender Details über Machenschaften in Österreichs Schlachthöfen, die erst jetzt
das wahre Ausmaß und die Gefährlichkeit für die Konsumenten erahnen lassen, der
österreichische Landwirtschaftsminister die staunende Öffentlichkeit mit der Frage
“Welcher Fleischskandal?" überrascht hat.

•    Tatsache ist allerdings, dass die Zulassung und vor allem Kontrolle sämtlicher wichtiger
landwirtschaftlicher Betriebsmittel (Futtermittel, Düngemittel, Pestizide etc.) in die
Zuständigkeit des Landwirtschaftsministers fallen. Dies ist deshalb von besonderer
Wichtigkeit, weil alle namhaften Experten der Ansicht sind, dass eindeutig mit Tiermehl
verunreinigte Futtermittel als Ursache für die BSE-Krankheit gelten.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Land- und
Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende

Anfrage:


1.      Sind Sie - nach mehrmaliger Antwortverweigerung auf mündliche und schriftliche
Anfragen des Parlaments - nunmehr nach dem Eintreten des ersten BSE-Falles in
Österreich bereit, Zahlen, Daten, Fakten und Statistiken über die
Futtermittelkontrolle, Beanstandungen, Beanstandungsgründe und -ergebnisse bei
bäuerlichen Betrieben seit 1990 dem Parlament bekannt zu geben?

2.      Wenn nein, warum nicht?

3.      Wie hoch war die Anzahl der so genannten "Mischzüge" die in diesem Zeitraum in
Österreich Futtermittel produziert haben?

4.      Wie hoch ist die Anzahl der Mischzüge heute, die in Österreich Futtermittel
produzieren (getrennt nach Tierarten)?

5.      Wie oft wurden diese Mischzüge in den letzten 5 Jahren und mit welchen
Ergebnissen, mit welchen Beanstandungsgründen, kontrolliert?

6.      Wie wurden Beanstandungen geahndet?

7.      Können Sie eine Einschätzung geben - ähnlich wie jene im Grünen Bericht 2000 die
davon spricht, dass direkt importierte Pestizide seitens der Bauern bereits die Hälfte
der in Österreich eingesetzten Pestizide ausmachen - wie hoch die Mengen der von
österreichischen Landwirten selbst importierten Futtermittel sind?

8.      Gibt es einen Probenplan im Rahmen der Futtermittelkontrolle?

9.      Wenn ja, seit wann und wie sieht dieser für die Jahre 1990 bis 2002 aus?

10.    Wenn ja, von wem und nach welchen Kriterien wird dieser ausgearbeitet
(Zeitraum 1990-2001)?

11.    Inwieweit wurden dabei in den letzten Jahren die Kontrollen in den

landwirtschaftlichen Betrieben betreffend Futtermittelkontrolle berücksichtigt?

12.    Wurde der theoretische Ansatz dieses Kontrollplanes in der Praxis erfüllt? Wie groß
waren die Differenzen?

13.    Wie hoch waren die jährlichen Kosten der Futtermittelkontrolle seit 1995?

14.    Wie hoch sind davon die Kosten für die Kontrolle von Futtermittel auf Bauernhöfen?

15.     Wie hoch sind davon jene Kosten der Futtermittelkontrolle, die BSE-relevant sind
(differenziert nach Untersuchungen)?

16.    War der im Zusammenhang mit dem ersten österreichischen BSE-Fall bekannte
Schlachthof in Martinsberg Träger des so genannten "AMA-Gütesiegels"?

17.    Wenn ja, seit wann?

18.    Wie oft wurde der Betrieb seit Zuerkennung des Gütesiegels kontrolliert?

19.    Wie lauten die Ergebnisse?

20.    Welche Förderungen seitens des BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt- und
Wasserwirtschaft wurden jährlich seit 1995 dem Firmengeflecht um den Schlachthof
in Martinsberg des Herrn R. gewährt?


21.    Können Sie bestätigen, dass das AMA-Gütesiegel bei Fleisch eine

überdurchschnittliche und nachvollziehbare Qualität, so wie eine umfassende
Kontrolle dieser Lebensmittel für die Konsumenten darstellt?

22.    Ist es richtig, dass mit dem AMA-Gütesiegel den Konsumenten überdurchschnittliche
Qualität, lückenlose Nachvollziehbarkeit, Herkunftsdeklaration,
überdurchschnittliches Hygieneniveau, so wie ein hohes Qualitätsniveau sogar bei
Geschmack und Genuss garantiert wird?

23.    Seit wann ist die Richtlinie "bos" im Rahmen der Qualitätskontrolle seitens der AMA
in Verwendung?

24.    Wie hoch waren die Anschaffungs- Herstellungskosten und Einführungskosten?

25.    Wie hoch sind die laufenden Kosten seit Einführung (jährlich)?

26.    Aus welchen Mitteln werden diese Kosten beglichen?

27.    Welche Kosten erwachsen daraus den Produzenten, dem Handel, den Konsumenten?

28.    Ist Ihnen bekannt, dass aus dem Schlachthof in Martinsberg mehrfach Rinderteile
bzw. Rindfleisch in den freien Verkehr gelangte, die hinsichtlich Herkunft, Qualität
etc. falsch gekennzeichnet waren?

29.    Wenn ja, wie und wann wurde seitens der AMA reagiert?

30.    Wann war die letzte Kontrolltätigkeit seitens der AMA bei der Firma R. bzw. am
Schlachthof in Martinsberg?

31.    Was wurde kontrolliert?

32.    Wie lauten die Ergebnisse?

33.    Wann war die letzte Kontrolle seitens des Landwirtschaftsministeriums bei den
Firmen R. bzw. am Schlachthof in Martinsberg?

34.    Sind Sie nach wie vor der Ansicht, dass es in Österreich - im Zusammenhang mit
dem Auftreten des ersten BSE-Falls in Österreich und den bekannt gewordenen
Verfehlungen -, keinen “Fleischskandal" gibt?

35.    Wenn nein, warum nicht?