3744/J XXI.GP
Eingelangt am: 17.04.2002
ANFRAGE
der Abgeordneten Mag. Terezija Stoisits,
Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen
betreffend Verurteilung (§ 178 StGB)
trotz Befolgung der Safer-Sex-Regeln im
Zusammenhang mit Hiv und Aids
Den unterzeichneten Abgeordneten wurde bekannt, dass ein
Hiv-positiver Mann eine
dreimonatige Haftstrafe unter anderem deshalb verbüßen mußte,
weil er die
Verhaltensmaßregeln Ihres Ressorts und der von Ihnen finanzierten
Aids-Hilfen
befolgte.
Der heute 34jährige Mann wurde im Juli 1999 durch das
Landesgericht Klagenfurt zu
einem Jahr Freiheitsstrafe
verurteilt, weil er als Hiv-positiver Mann mit anderen
Männern sexuelle Kontakte (Oral- und Analverkehr) hatte (LG Klagenfurt
19.07.1999,
13 Evr 70/99). Die Verurteilung beruht ausschließlich auf der Aussage des
Verurteilten, in der dieser angegeben hatte, dass er mit seinen Partnern stets
Analverkehr mit und Oralverkehr ohne Kondom hatte. Diese Aussage wurde von
einem seiner Partner bestätigt. Andere Beweisergebnisse gab es nicht.
Dennoch
verurteilte das Gericht den Mann - aktenwidrig - nicht nur wegen Analverkehrs
ohne
Kondom, sondern auch wegen Oralverkehrs ohne Kondom.
Das Gericht qualifizierte nicht nur Analverkehr ohne Kondom
(dies zwar rechtsrichtig
jedoch eben auf Grund aktenwidriger Feststellung), sondern auch Oralverkehr
ohne
Kondom generell (für einen Samenerguß in den Mund gab es keinerlei
Anhaltspunkte) als “Handlungen, die geeignet sind, die Gefahr der
Verbreitung von
übertragbaren Krankheiten herbeizuführen" und verurteilte den
Mann demgemäß auf
Grund des § 178 des Strafgesetzbuches (“Vorsätzliche
Gefährdung von Menschen
durch übertragbare Krankheiten"). Dies obwohl Oralverkehr ohne Kondom
(und bei
Durchführung des Oralverkehrs an dem Hiv-Positiven: ohne Samenerguß
in den
Mund) den von den österreichischen Gesundheitsbehörden und
Aids-Hilfen
propagierten Verhaltensregeln
(“Safer Sex") entsprechen.
Weil
er mit einem dieser Männer im Sommer 1997 ein Monat vor dessen 18.
Geburtstag sexuellen Kontakt
hatte, verurteilte ihn das Klagenfurter Landesgericht
auch auf Grund des antihomosexuellen Sonderstrafgesetzes § 209 StGB.
Obwohl
der damals 30jährige
Mann den 17 Jahre und 11 Monate alten jungen Mann lediglich
oral befriedigte sah der Richter auch in diesem Fall die Gefahr der
Übertragung des
Hi-Virus (!) und damit den § 178 StGB als erfüllt an. Die Strafe: 1
Jahr Freiheitsstrafe,
davon drei Monate unbedingt.
Der
Verurteilte verzichtete auf Anraten seines Verteidigers, der ein Rechtsmittel
für
aussichtslos hielt, auf Rechtsmittel. Der Bundesminister für Justiz lehnte
Ende
Februar 2001 das Gnadengesuch “im Hinblick auf die Schwere, der der
gegenständlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Straftat", (!) ab,
weshalb der
Mann die Freiheitsstrafe zwei Tage vor seinem 34. Geburtstag anzutreten hatte.
Aus
einem unbedingten Teil einer teilbedingten Freiheitsstrafe gibt es auch keine
vorzeitige Entlassung.
Seit Jahren propagieren sowohl Ihr Ressort, sehr geehrter
Herr Bundesminister, als
auch die von Ihnen
finanzierten Aids-Hilfen als wirksame Prävention gegen eine
Ansteckung mit Hiv “Safer Sex"-Regeln für homo- und bisexuelle
Männer, die neben
der Verwendung von Kondomen beim Analverkehr (Die Aids-Hilfen Österreichs:
Sicherer Sex für schwule
Männer, 1994, S.
3ff; Die Aids-Hilfen Österreichs: Sex unter
schwulen Sternen, 2000, S. 3; BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Gib
Aids
keine Chance, 1999, S. 11f) auch die Hintanhaltung eines
Samenergusses in den
Mund des Hiv-negativen Partners beinhalten (Die Aids-Hilfen Österreichs: Sicherer
Sex für schwule
Männer, 1994, S.
3ff; Die Aids-Hilfen Österreichs: Sex unter
schwulen Sternen, 2000, S. 3; BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Gib
Aids
keine Chance, 1999, S. 11f). Die orale Befriedigung des
Hiv-negativen Partners
durch den Hiv-positiven wird stets als generell völlig risikolos
präsentiert (BM für
Arbeit, Gesundheit und
Soziales: Gib Aids keine Chance, 1999, S. 11); die orale
Befriedigung des Hiv-positiven Partners durch den Hiv-negativen, zumindest
dann,
wenn kein Samenerguß in den Mund erfolgt, als bloß theoretisches,
entfernt
denkbares, nicht jedoch praktisches (Rest)Risiko, sowie dies etwa auch bei
Analverkehr unter Verwendung von Kondomen besteht, weshalb lediglich empfohlen
wird, nicht in den Mund zu ejakulieren (Die Aids-Hilfen Österreichs: Sicherer
Sex für
schwule Männer, 1994, S. 3ff; Die Aids-Hilfen Österreichs: Sex unter
schwulen
Sternen, 2000, S. 3; BM für Arbeit, Gesundheit und Soziales: Gib
Aids keine Chance,
1999,5.11).
Diese Verhaltensempfehlungen entsprechen jenen in der
Bundesrepublik
Deutschland (Deutsche Aids-Hilfen: von Mann zu Mann, 1997, S. 5; Bundeszentrale
für gesundheitliche Aufklärung: Safer Sex ... sicher, 1996, S.
15, 19), in den USA
(U.S. Department of Health and Human Services, National Institutes of Health:
Safer
Sex Knowledge Base, NIH
Information BBS, Washington D.C. 1993, ) und auf
internationaler Ebene (UNAIDS, AIDS and men who have sex with men, Technical
Update, May 2000, p. 4, 6), wobei UNAIDS zur Hiv-Prävention die
Propagierung von
Oralverkehr anstatt Analverkehr (auch mit Kondom) sogar generell, ohne
Unterscheidung nach einem etwaigen Samenerguß in den Mund, empfiehlt
(UNAIDS, AIDS and men who have sex with men, Technical Update, May 2000,
p.
6).
UNAIDS
lehnt Tatbestände wie jene der §§ 178, 179 StGB ab, die
über die
Körperverletzungstatbestände hinaus die Übertragung bzw. die
Gefährdung durch
eine potentielle Übertragung des Hi-Virus kriminalisieren, weil sie einer
effektivenn
Aids-Prävention
zuwiderlaufen (UNAIDS, Handbook for Legislators on HIV/AIDS,
Law and Human Rights, 1999, p. 11, 50ff; UNAIDS, AIDS and men who have
sex
with men, Technical Update, May 2000, p. 6).
Für den Fall, dass sich Staaten
dennoch zu solchen Tatbeständen entschließen, sollten solche
Tatbestände laut
UNAIDS restriktiv als ultima
ratio Anwendung finden und die Befolgung der Safer
Sex
Regeln jedenfalls eine Strafe ausschließen (UNAIDS, Handbook for
Legislators
on HIV/AIDS, Law and Human Rights, 1999, p. 11, 53).
Sie,
sehr geehrter Herr Bundesminister, haben in Ihrer Anfragebeantwortung
hinsichtlich des geschilderten Falles vom 05.06.2001 2313/AB XXI.GP Ihrer
Meinung
als Gesundheitsminister Ausdruck verliehen,
“dass die strafrechtliche
Verfolgung und Verurteilung
Hiv-positiver Menschen
für sexuelle Kontakte mit
Hiv-negativen Menschen trotz Befolgung der
Verhaltensempfehlungen der
Gesundheitsbehörden
und der Aids-Hilfen dem Anliegen
einer effektiven
Hiv- und Aids -Prävention zuwiderlaufen",
und
verwiesen hinsichtlich einer Novellierung der §§ 178, 179 StGB auf
die
Zuständigkeit des Herrn Bundesministers
für Justiz.
Dieser
hat in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage am 27.07.2001 die
Meinung vertreten, daß diese Verhaltensempfehlungen der
Gesundheitsbehörden
und der Aids-Hilfen die Verwendung von
Kondomen auch beim Oralverkehr, und
sogar “ohne Rollendifferenzierung" (also auch wenn der hiv-positive
Partner den Hiv-
negativen oral befriedigt) beinhalteten (2509/AB XXI.GP).
In
Beantwortung der parlamentarischen Anfrage 3360/J haben Sie daraufhin
mitgeteilt, daß keine Infektionsgefahr besteht, wenn der Hiv-positive
Partner den Hiv-
negativen Partner oral befriedigt, und dass Sie den Herrn Bundesminister
für Justiz
entsprechend informieren werden (3343/AB XXI. GP).
Nicht
geäußert haben Sie sich jedoch zu den o.a. Verhaltensempfehlungen
der
Gesundheitsbehörden und der Aids-Hilfen für jene Fälle, in den
der Hiv-negative
Partner den Hiv-positiven oral befriedigt (keine Ejakulation in den Mund oder
Verwendung eines Kondoms). Auch in diesen Fällen entspricht die Aussage
des
Bundesminsiters für Justiz, es werde empfohlen, stets ein Kondom zu
verwenden,
nicht der Realität.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
Beinhalten
die Verhaltensempfehlungen der Gesundheitsbehörden und der
Aidshilfen (Safer-Sex-Regeln) tatsächlich die Empfehlung, (auch) beim
Oralverkehr durch eine Hiv-negative Person an einer Hiv-positiven Person
immer ein Kondom zu verwenden, also auch dann
wenn keine Ejakulation in
den Mund erfolgt und diese bewusst vermieden wird?
2. Wenn Sie die Frage bejahen:
a. Wo finden sich diese Verhaltensempfehlungen und wo und
wie werden
Sie den homo- und bisexuellen Männern vermittelt?
b. Wie ist dies mit den o.a. von Ihrem Ressort, den
Aids-Hilfen und auch
der WHO herausgegebenen
Präventionsmaterialien vereinbar, und
werden Sie diese Materialien, die die Vermeidung der Ejakulation in
den Mund (und nicht die obligatorische Verwendung eines Kondoms)
empfehlen (in Österreich) aus dem Verkehr ziehen?
aa. Wenn ja, wann und wie?
bb. Wenn nein, warum nicht?
3. Wenn Sie Frage 1
verneinen: Werden Sie den Herrn Bundesminister für Justiz
diesbezüglich informieren?
Wenn ja, wie und wann?
Wenn nein, warum nicht?