3777/J XXI.GP

Eingelangt am: 18.04.2002

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Fekter
und Kollegen

an den Bundesminister für Justiz

betreffend Vorführung eines 16-jährigen Schülers zur Zeugenaussage

Der Erstunterzeichnerin ist folgender Sachverhalt zur Kenntnis gelangt:

Dem 16-jährigen Wiener Schüler Andreas P. wurde im Herbst 2001 das Fahrrad
gestohlen. Der Täter konnte in der Folge ausgeforscht werden und es wurde gegen
ihn beim Landesgericht für Strafsachen Wien zu 5cE Vr 8390/01, Hv 5469/01 ein
Strafverfahren, offenbar wegen §§ 127, 129 StGB eingeleitet.

Der geschädigte Schüler wurde in diesem Verfahren als Zeuge für den 13. 2.2002
geladen; die diesbezügliche Ladung wurde am 5.2.2002 postamtlich hinterlegt. Da
sich der Schüler zu diesem Zeitpunkt - es handelte sich um die Woche der
Energieferien für das Bundesland Wien - nicht in Wien befand, war die Zustellung
nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Behebung der Ladung erfolgte erst nach dem
Verhandlungstermin.

Die Mutter des Schülers setzte sich daraufhin sofort mit der zuständigen
Geschäftsstelle und in der Folge auch mit dem Richter, Mag. S., telefonisch in
Verbindung, der um schriftliche Mitteilung des Sachverhaltes ersuchte und eine
neuerliche Ladung ankündigte. Der Schüler selbst schrieb den verlangten Brief und
übermittelte ihn am 26.2.2002 an das Gericht.

Auffallend war, daß sich einige Tage nachher Beamte des BPolKoats Penzing bei
der Familie meldeten und sich ebenfalls erkundigten, warum der Schüler nicht zur
Hauptverhandlung erschienen war. Die Mutter des Schülers erklärte dem Beamten
den Sachverhalt und dieser versprach, davon auch den Richter zu verständigen.

Um so überraschender war es, als plötzlich am Morgen des 10. April 2002, gegen
7.00 Uhr, zwei Beamte erschienen und den Schüler zur Vorführung vor das
Landesgericht für Strafsachen Wien abholten. Da die Hauptverhandlung offenbar
erst für einen späteren Zeitpunkt angesetzt war, wurde er in der Zwischenzeit einfach
im Kommissariat, in einem verschmutzten Zellenvorraum alleine festgehalten und
dann in das LGSt Wien überstellt.

Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Justiz
nachstehende


Anfrage:

1. Wie beurteilen Sie das Vorgehen des Richters im Lichte der Bestimmungen des
§ 159StPO?

2.  Glauben Sie nicht, daß gerade bei der Vorladung von Schülern auf Schulferien
Bedacht genommen werden sollte?

3. Wodurch können Sie sich erklären, daß der Richter die Entschuldigung des
Schülers in keiner Weise berücksichtigt hat, sondern offenbar ohne weiteres
seine Vorführung angeordnet hat?

4. Würden Sie im konkreten Fall von Dringlichkeit im Sinn des letzten Satzes des
§ 159 StPO sprechen, in dem bereits - unabhängig davon, daß der Schüler den
Grund für die Nichtbefolgung der ersten Ladung schriftlich mitgeteilt hat - beim
zweiten Mal mit einer Vorführung vorgegangen werden kann?

5. Wie beurteilen Sie die Auswirkungen der Vorführung eines 16-jährigen Schülers
und seine stundenlange Anhaltung in einem verschmutzten Zellenvorraum auf
das Vertrauen dieses Heranwachsenden in den österreichischen Rechtsstaat?

6. Werden Sie das Vorgehen des Richters disziplinarrechtlich prüfen lassen?

7. Werden Sie die Staatsanwaltschaft beauftragen, diesen Vorfall einer
strafrechtlichen Prüfung im Sinne des § 303 StGB zu unterziehen?

8. Was werden Sie unternehmen, um solche dem Grundsatz der Verhältnismäßig
diametral entgegenstehenden Vorgangsweisen in Hinkunft nach Möglichkeit zu
vermeiden?