3821/J XXI.GP

Eingelangt am: 30.04.2002

ANFRAGE

der Abgeordneten Verzetnitsch, Mag. Maria Kubitschek

und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend der Ankündigung des österreichischen Finanzministers, die ÖIAG in der

nächsten Legislaturperiode aufzulösen

Nach dem Bundesministeriengesetz fallen unter anderem die allgemeine Regierungspolitik
und die wirtschaftliche Koordination in die Zuständigkeit des Bundeskanzlers. Als eine der
tiefgreifendsten wirtschaftspolitischen Zielsetzungen der FPÖ/ÖVP- Regierung zeigt sich die
Veräußerungspolitik in Bezug auf Unternehmen im Besitz oder mit Beteiligung der Republik
Österreich.

Die Sozialdemokratische Parlamentsfraktion fordert daher auch die Verantwortung des
Bundeskanzlers hinsichtlich der unprofessionellen, unternehmensschädigenden und
mitarbeiterfeindlichen Vorgangsweise im Rahmen der Privatisierungsvorhaben dieser
Regierung ein.

Die österreichische Bundesregierung hat seit ihrem Antritt den vorbehaltlosen Ausverkauf
von öffentlichem Eigentum in Angriff genommen. Neben dem Verkauf riesiger Waldflächen
der Österreichischen Bundesforste und der Einleitung des Verkaufs der
Trinkwasserressourcen unseres Landes, wurden für den Standort Österreich wichtige
Unternehmungen aus dem Besitz der ÖIAG veräußert. Dafür wurden zahlreiche
hervorragende Manager - zum Teil unter Aufbringung horrender Ablösesummen - entfernt
sowie bei der Telekom Privatisierung ein weltweit registriertes Börsendebakel in Kauf
genommen.

Die Verabschiedung der öffentlichen Hand von jeder wirtschaftspolitischen Ambition für
wichtige österreichische Unternehmungen und deren Beschäftigte wurde zum Programm
erhoben. Die Möglichkeiten, wirtschaftspolitische Maßnahmen in industriellen
Schlüsselsektoren sowie Infrastruktureinrichtungen zur strategischen Absicherung von
Konzernzentralen in Österreich zu setzen, werden damit bewusst außer Acht gelassen.


Dies bedeutet für die Zukunft, dass die Chancen des Wirtschaftsstandortes Österreich, die
Zukunft erfolgreich zu bewältigen - auf Grund aller internationalen Erfahrungen - ohne
österreichisches Eigentum deutlich geschmälert ist.

Diese neoliberalen Rezepte von vorgestern mit Leuten von gestern zugunsten der FOP's
(Friends of Prinzhorn) umzusetzen, erreicht mit der jüngsten Aussage des Finanzministers,
die ÖIAG in der nächsten Legislaturperiode vollständig aufzulösen, einen neuen Höhepunkt.
Während seit Monaten immer öfter Nationalstaaten - u. a. die USA - vermehrt staatliche
Anstrengungen unternehmen, um ihren Standort, ihre industriellen Kernunternehmen und
Forschungseinrichtungen wieder verstärkt zu unterstützen, bleibt die blau-schwarze
Bundesregierung bei ihrem gefährlichen rückschrittlichen Wirtschaftsdogma auf diesem
Gebiet auch für den von ihr erhofften Fall einer zweiten Legislaturperiode.

Bereits im April 2000 prophezeiten Sie als Bundeskanzler der Republik Österreich der unter
politischer Zeitvorgabe stehenden Börseneinführung der Telekom Austria eine “höchst
erfolgreiche Privatisierung". Tatsächlich geriet die Platzierung von Anteilen der Telekom an
der Börse auf Grund krasser Fehlentscheidungen zum Desaster. Dass andere Aktienverkäufe
nicht ebenso danebengingen, ist der noch immer vorhandenen Professionalität der ÖIAG,
trotz ihrer politischen Begleitung.

Erschreckend ist auch Ihre gefährliche Marktgläubigkeit, die in dem Zitat “das ist der
unbestechliche Markt. Der Markt entscheidet..... ", zum Ausdruck kommt. Auch diesen
neoliberalen Ansatz ist die Wirtschaftswissenschaft gerade dabei, ins Museum der Irrungen zu
bringen.

Und wenn Sie sich rühmen die “Nabelschnur zu den Unternehmen" abgetrennt zu haben,
vergessen Sie dabei zu erwähnen, dass Sie sich damit möglicher Instrumente zur Entwicklung
moderner Rahmenbedingungen für eine österreichische Industriepolitik selbst beraubt haben.

Diese Bundesregierung, der Sie als Bundeskanzler vorstehen, will sich offensichtlich der
Verantwortung für mehr als. 108.000 Menschen entledigen und einem plumpen
Privatisierungsdogmatismus den Vorzug geben!

Die Österreicherinnen und Österreicher stellen dieser Verscherbelung des Familiensilbers ein
Armutszeugnis aus: 46% der Befragten bezeichnen die Privatisierung staatlicher bzw.
staatsnaher Unternehmen als Verschleuderung von Staatseigentum. 83% sprechen sich für
Minderheitsbeteiligung aus. Nur 13% sind für die völlige Rückziehung des Staates.


Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler
nachstehende

Anfrage:

1.      Ist die Aussage des Bundesminister Grasser, dass Auflösung der ÖIAG in der nächsten
Legislaturperiode das Ziel sein muss, bereits Teil der mit dem Bundeskanzler
abgestimmten, offiziellen Regierungslinie

2.      Wenn nein, kann davon ausgegangen werden, dass die Auflösung der ÖIAG - als
Konsequenz einer beabsichtigten Wirtschaftspolitik mit Verkauf/Privatisierung
praktisch aller Beteiligungen - bei einer etwaigen neuen Regierungskoalition FPÖVP
Ziel sein wird oder ist das nicht zu erwarten?

3.      Stimmt diese Aussage Teil mit jenem Unternehmungskonzept des Vorstandes der
ÖIAG überein, welches dem Aufsichtsrat präsentiert wurde, wie
Aufsichtsratsvorsitzender Heinzel im Rechnungshofausschuss dargelegt hat?

4.      Halten Sie es für sinnvoll, öffentlich quasi eine Deadline für die Auflösung der ÖIAG
zu nennen und damit potentiellen Investoren einen geplanten Notverkauf
anzukündigen?

5.      Glauben Sie, dass bei einem Notverkaufhöhere Verkaufserlöse erzielt werden könnten?

6.      Inwieweit sind die Auffassungsunterschiede zwischen dem Aufsichtsratsvorsitzenden
der ÖIAG, Heinzel und Rechnungshofpräsident Fiedler, wie sie im
Rechnungshofausschuss betreffend Einfluss und Verantwortlichkeit bezüglich der
Beteiligungsgesellschaft in der ÖIAG zutage getreten sind, ausgeräumt?

7.       Wie lauten die Ergebnisse der Arbeitsgruppe zur Wahrung der österreichischen
Interessen im Zusammenhang mit dem Verkauf der Telekom Austria?

8.      Sind die Sicherheitsfragen im Zusammenhang mit einem etwaigen vollständigen
Verkauf der Telekom Austria geklärt?

9.      Wie weit ist Ihre Absicht, dass Pensionsfonds die Unternehmensbeteiligungen der
ÖIAG übernehmen werden, bis heute aufgegangen?

10.    Welche Anstrengungen - über Ihre Aussagen in der Öffentlichkeit hinaus - haben Sie
zur Realisierung dafür unternommen?

11.     Sind Sie auch heute noch wie im Jahr 2000 der Meinung, dass der österreichische

Kapitalmarkt für alle beabsichtigten Privatisierungsschritte der Regierung ausreichend
aufnahmefähig ist?


12.    Sind Sie nach wie vor der Meinung, dass die österreichische Bundesregierung ohne

Schädigung der in Frage kommenden Unternehmungen, des Standorts Österreichs und
der Wiener Börse, die Schulden wie vorgenommen vollständig abbauen kann?

13.    Welche Beteiligungsinstrumente zugunsten des österreichischen Wirtschaftsstandortes
würde eine von Ihnen geleitete Bundesregierung nach Auflösung der GBI und der
ÖIAG in Zukunft einrichten?